18 Juni 2024

Lechts oder rinks?

»Als Linker darfst du so etwas nicht sagen«, wies mich Maja zurecht.

»Mir doch egal.« Ich winkte ab. Ich hatte einen Spruch von mir gegeben, der ein wenig grob geklungen hatte. »Ich bin ja auch kein Linker.«

»Wie, du bist kein Linker?« Sie klang entsetzt.

In der Mitte der 90er-Jahre beteiligte ich am neuen Radioprojekt in Karlsruhe. Meine Punkrock-Sendung wurde angeblich gern gehört, und ich nahm regelmäßig an den Besprechungen des Radiokollektivs teil. An manchen Diskussionen beteiligte ich mich, bei anderen hatte ich – für den Notfall – etwas zum Lesen dabei.

Maja war in Ordnung, fand ich. Sie war gut zehn Jahre jünger als ich und engagierte sich in mehreren politischen Gruppen. Wir kamen gut miteinander aus. Während wir uns unterhielten, brandete um uns der Lärm einer Party im Keller neben unserem Studio.

»Na ja«, sagte ich. »Mit den meisten Linken kann ich nichts anfangen. Sie sind mir auf ihre Art zu spießig und zu festgefahren, und wir sprechen oft nicht die gleiche Sprache.«

»Aber du gehst doch auf Demos gegen Nazis und so.«

»Klar. Gegen Nazis bin ich auf jeden Fall. Die bedrohen mich und andere Leute, denen muss man entschieden entgegentreten. Aber das heißt doch nicht, dass ich jeden linken Quatsch gut finden muss. Verbote hier, Regeln da und bitte nie aus der Reihe tanzen.«

Sie schüttelte den Kopf. »So ist das doch gar nicht.« Sie klang fast verzweifelt. »Wo ordnest du dich dann ein?«

»Vielleicht eher rinks. Oder lechts? Keine Ahnung.«

»Was?«

»Nirgends, ich ordne mich nirgends ein. Ich bin Punk. Oder eigentlich Punkrocker, aber das erkläre ich lieber nicht.«

»Du siehst doch überhaupt nicht punkig aus.« Sie wies auf die raspelkurzen Haupthaare. »Das ist fast ...« Sie brach ab, das Wort »Skinhead« wollte sie mir wohl nicht entgegenschleudern.

»Nur weil ich meine Haare nicht mehr färbe?«, fragte ich zurück. »Ganz schön viel Klischee, oder?«

Der Abend endete nicht in einem Streit, wir wechselten die Themen, und keine drei Minuten später stand jeder von uns mit anderen Leuten zusammen. Es war nie einfacher, sich sauber zu positionieren, als wenn man mit Lederjacke und Stachelkopf unterwegs war. Und mir wurde erneut bewusst, dass die meisten Leute ihre sauberen Schablonen brauchten ...

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