10 April 2024

Ein Junge und sein Freund

Von der Autorin Lize Spit hatte ich noch nie zuvor gehört, und ich kaufte mir ihren Roman »Der ehrliche Finder« spontan. Ein Grund dafür war, dass er in Belgien spielt, ein anderer ganz schnöde, dass er nicht sehr umfangreich war – und nach der Lektüre konnte ich sagen, dass das Buch genau den richtigen Umfang für seinen Inhalt hatte: knapp, präzise und auf den Punkt gebracht.

»Der ehrliche Finder« präsentiert einen Jungen, der viel zu intelligent für sein Alter ist, in einem belgischen Dorf wohnt und sich die Welt in seinem Kopf so zusammensetzt, wie man das als Kind tut: Aus allerlei Bruchstücken formt sich ein Weltbild. Der Vater ist verschwunden, das halbe Dorf hasst ihn als Betrüger, die Mutter ist verzweifelt, und in der Schule gibt's ältere Kinder, die den Jungen mobben. Doch dann kommt ein Junge aus dem Kosovo, ein Flüchtling also, der kein Wort spricht und den man neben ihn setzt. (Die Geschichte spielt Ende der 90er-Jahre und basiert auf einem wahren Kern.)

Es entwickelt sich eine ungewöhnliche Freundschaft, die aber plötzlich auf eine Belastungsprobe gestellt wird: Die Flüchtlingsfamilie soll abgeschoben werden, und die Kinder entwickeln einen verzweifelten Plan.

Das ist der Kern des Romans: Lize Spit erzählt von zwei Jungen, bleibt dabei immer sehr eng und streng in der Innensicht ihres »Helden« und fesselt einen so an dessen Perspektive. Als erwachsener Leser, der einen anderen Blick auf die Dinge hat als ein zehnjähriges Kind mit – wie in diesem Fall – eingeschränkter Sozialkompetenz, ist man bei der Lektüre manchmal entsetzt, möchte oft helfend eingreifen und würde am liebsten »oh, nein!« rufen. Aber das geht ja nicht ...

Lize Spit ist mit »Der ehrliche Finder« ein kleines Meisterwerk gelungen, das meiner Ansicht nach sehr gut ins Deutsche übertragen wurde. Ich kenne das Original natürlich nicht, aber in der Übersetzung von Helga van Beuningen holpert nichts, wirkt alles geschliffen und klar, ohne abgehoben oder überliterarisch zu sein. Die Autorin hat eine klare Sprache, die mit wenigen Beschreibungen und sehr klaren Dialogen auskommt, die Gefühle und Handlung immer eindeutig vermittelt und einen tief in das Innere ihres Helden blicken lässt.

Ohne Schmarrn: »Der ehrliche Finder« – erschienen als Hardcover bei S. Fischer – ist für mich bislang die literarische Überraschung des Jahres 2024. Passend, dass ich auf der Leipziger Buchmesse auf das Buch aufmerksam wurde!

1 Kommentar:

Enpunkt hat gesagt…

Informationen zu »Der ehrliche Finder« sowie weitere Informationen zur Handlung gibt es auf der Internet-Seite der Fischer-Verlage.
Hier:
https://www.fischerverlage.de/buch/lize-spit-der-ehrliche-finder-9783103975642