31 August 2022

Sarrazin auf dem ersten Platz

Was sagt es über ein Land aus, in dem ein Buch von Thilo Sarrazin – das auch noch als »Sachbuch« vermarktet wird – praktisch aus dem Stand auf den ersten Platz der Bestsellerliste springt? Aus den aktuellen Buchhandels-Informationen geht hervor, dass es dem ehemaligen SPD-Politiker in dieser Woche gelungen ist: Sein Buch »Die Vernunft und ihre Feinde« (Verlag Langen-Müller) liegt seit dem 22. August vor und steht jetzt auf dem ersten Platz der Sachbuch-Liste.

Das ist ein enormer Sprung, den man sich mit rein sachlichen Argumenten nicht erklären kann. Es gibt genügend spannende Sachbücher, es gibt auch kontroverse politische Bücher, und es gibt genügend Zeugs, das man lesen kann. Warum also entscheiden sich die Menschen also in großer Zahl für Thilo Sarrazin?

Dass wir uns klar verstehen: Ich habe das Buch nicht gelesen, und ich habe das auch nicht vor. Es ist sicher kein Thema, das mich sonderlich interessiert, und der Autor ist mir herzlich unsympathisch. (Zwei Drittel der Bestsellerliste interessiert mich nicht, und die Autorinnen und Autoren sind mir oft unsympathisch. Aber darum geht es ja nicht.)

Sarrazin hat in meinen Augen stets dafür gesorgt, dass Rechtskonservative und Rechtsradikale ein gemeinsames Gesprächsthema mit allerlei »Argumenten« fanden. Er sorgte dafür, dass manche Thesen anschlussfähig wurden und sich auch in der »Mitte der Gesellschaft« verbreiteten. Das ist allgemein bekannt, und ich gebe hier nur das wieder, was eh jede Person weiß, die es wissen möchte.

Ich frage mich nur, warum so viele Menschen so schnell auf ein neues Sarrazin-Buch einsteigen. Nimmt man den Mann ernsthaft ernst? Gibt es so viele Menschen im braunen Koordinatenkreuz unserer Republik, die an seinen Thesen ein echtes Interesse haben? Oder verkauft sich so ein Buch deshalb so gut, weil die Medien so eifrig über das neue Werk berichtet haben?

(Um es klar zu sagen: Thilo Sarrazin soll seine Thesen schreiben. Es herrscht Meinungsfreiheit. Es soll auch Verlage geben, die das veröffentlichen, und Buchhandlungen, die so ein Werk verkaufen. Das will ich nie und nimmer einschränken. Ich wundere mich bloß.)

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