Auf dem Markusplatz stand ein Clown, der ein Kostüm in grellen Farben trug; die rote Nase und das weiße Gesicht glänzten unter den Strahlen der Mittagssonne, als würden sie sich sofort auflösen. Der Clown hob beide Arme in die Luft, als wollte er eine Rede halten, aber dann erkannte ich, dass er nur die Tauben vertreiben wollte, die in einem dichten Reigen um ihn herumflogen.
Ein anderer Clown näherte sich mit schwankendem Schritt, zu dem ihn seinen knallblauen und völlig überdimensionierten Schuhe zwangen. Er hielt ein Blasinstrument in der Hand, das entfernt an eine Trompete erinnerte, und entlockte diesem allerlei seltsame Geräusche. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Er näherte sich dem anderen Clown, und die beiden begannen damit, sich in einem seltsamen Kreis zu bewegen, als ob sie miteinander tanzen wollten, sich aber nicht auf einen gemeinsamen Schritt einigen könnten.
Wenn ich den Blick von den Clowns hinweg und hinaus auf das offene Meer lenkte, sah ich, dass wir offensichtlich immer mehr an Fahrt gewannen. Venedig hatte längst die Adria verlassen und Kurs auf das offene Mittelmeer genommen. Links von mir wusste ich einzelne griechische Inseln, zu meiner Rechten kam irgendwann vielleicht Sizilien – aber so genau wusste ich das nicht. Es ging eine leichte Brise, die den modrigen Geruch aus den Gassen von Venedig verdrängte.
Warum sich Venedig in Bewegung gesetzt hatte, wusste ich nicht. Ich hatte auch keine Ahnung, was vor meinen Augen gespielt wurde. Ich wusste, dass ich einem Theaterstück beiwohnte und dass die Clowns ebenso dazu gehörten wie ich selbst und die schwimmende Stadt. Alles wirkte auf mich, als habe ein »groß« denkender Autor die Stadt, ihre Bewohner und alle Besucher dazu gebracht, sich auf ein Schauspiel einzulassen, das die bisherigen Dimensionen sprengte.
Auf einmal lief Wasser über den Markusplatz. Jemand rief »Aqua alta!«, viele Leute rannten durcheinander. Ich blieb an meinem Platz und sah weiter den Clowns zu. Sie sprangen weiterhin im Kreis herum, »pitsch patsch!« machten ihre großen Schuhe im Meerwasser, das den Platz überflutete.
In Windeseile errichteten Gruppen von Arbeitern Stege und Bühnen, die sich in gut einem Meter Höhe über dem Markusplatz befanden. Wer sich auf die Stege begab, konnte trockenen Fußes den Platz überqueren. Auch ich stellte mich auf einen solchen Steg, den Blick weiter auf die Clowns gerichtet. Sie blieben im Wasser, ignorierten die Stege.
Bald ging ihnen das Wasser bis zu den Knien, dann bis an den Bauch. Unverdrossen tanzten sie weiter, begleitet vom Tröten des Blasinstruments. »Ihr müsst aufpassen, sonst ertrinkt ihr!«, wollte ich rufen, aber ich konnte nicht.
Was sollte ich tun? Venedig lief voll, vielleicht ging die Stadt endgültig unter. Da wachte ich auf.
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