In diesen Tagen jährt sich zum dreißigsten Mal, was heute von Politikern und Medien verharmlosend als »Ausschreitungen« dargestellt wird: die Angriffe von Neonazis auf Asylbewerber und »Ausländer« in Rostock-Lichtenhagen, der Beifall der Schaulustigen, die widerwärtige Kumpanei der anwesenden Polizisten und die willfährigen Politiker, die damals nur darauf zu warten schienen, dass die Lage weiter eskalierte.
Der rassistische Mob bestand nicht nur aus einem Haufen randalierender Neonazis – Skinheads waren in dieser Menge so gut wie nicht auszumachen –, sondern auch aus Männern in Uniform, die erst eingriffen, als die Antifa aufkreuzte und die Häuser mit den Flüchtlingen gegen die Nazis schützen wollten, und aus den Politikern, die in diesen Tagen die Schuld nicht bei den Angreifern, sondern bei den Angegriffenen suchten.
Ich war nicht in Rostock, ich war noch nie in dieser Stadt. Aber die Ereignisse jener Tage vor dreißig Jahren festigten meine damalige Ansicht zu Staat und Gesellschaft. Ich kochte vor Hass und Wut, ich fühlte meine Ohnmacht. Ich reagierte auch auf die Ereignisse, aber das gehört nicht an diese Stelle.
Wenn heute gesagt wird, man habe damals »weggesehen«, ist das meiner Ansicht nach nicht richtig: Man hat damals zugesehen. Jeder, der wollte, bekam mit, was geschah. Und ich war fassungslos.
Rostock-Lichtenhagen war kein Wendepunkt, kein Fanal – es war ein zentrales Element jener Tage. Den rassistischen Mordbrennern wurde vermittelt, dass sie straffrei machen konnten, was sie wollten. Wer sich für die Rechte von Migranten einsetzte, stand am Rand einer Gesellschaft, die ihre rassistische Fratze offen und klar zeigte.
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