07 Mai 2021

Hardcore nach vier Wochen Afrika

Aus der Serie »Erinnern an Konzerte«


Am Samstagvormittag war ich in Stuttgart gelandet, nach einem langen Flug zurück von Südafrika, und am Sonntagabend trieb es mich schon wieder auf ein Konzert. In der »Steffi« sollten an diesem Abend zwei Hardcore-Bands spielen. Ich fühlte mich nach langer Abwesenheit richtiggehend ausgehungert und wollte es unbedingt krachen lassen.

Der Keller des besetzten Hauses in der Innenstadt von Karlsruhe war gut gefüllt. Punks und Hardcore-Leute aus ganz Süddeutschland, von denen ich viele kannte, dazu die üblichen Autonomen, die ernst guckten und so aussahen, als wollten sie unbedingt jeglichen Spaß vermeiden.

Als erste Band spielten Acid Rain Dance aus Bremen. Ich kannte die Jungs schon, hatte mit ihnen schon in Freudenstadt ein Konzert veranstaltet, wusste also, was sie konnten und machten: Es war bratzig und krachig wie immer, eine heftige Mischung aus Hardcore und Metal, also nichts, was ich jeden Tag hören wollte, aber immer intensiv, vor allem auf der Bühne.

Im Publikum herrschte eher bedächtiges Zugucken. Einige Dutzend Leute standen herum, tranken Bier und wackelten mit dem Kopf. Die meisten hielten sich noch in der Haifischbar auf, standen an der Theke, tranken dort ihr Bier und warteten auf den Höhepunkt des Abends.

Der kam kurz darauf: So Much Hate aus Oslo enterten die Bühne, machten gar nicht lang herum und legten sofort los. Der Konzertraum füllte sich schlagartig mit Leuten, und ein rasanter Pogo ging los. In dem Gewölbekeller knallte der Sound noch mehr als in einem gewöhnlichen Konzertraum. Die Gitarre klang, als ob sie Eis zersplittern würde, der Sänger tobte auf der Bühne herum, als wollte er den Hexenkessel vor sich noch weiter anheizen.

Obwohl der Raum nicht hoch war, gab es einige Leute, die Stagediving betrieben. Das nervte, aber es passte dazu. Ich sprang herum, ich trank ein wenig Bier, ich war in blendender Laune. Es war ein schweißtreibender Abend mit lautem Hardcore-Punk. In der Haifischbar unterhielt ich mich noch mit einigen Leuten, bedauerte sehr, dass die weiter Bier trinken konnten – ich stieg derweil auf Mineralwasser um –, und verließ nach drei Uhr die »Steffi«.

Über die Landstraße fuhr ich nach Bischweier, wo ich zu dieser Zeit wohnte. Weil mein Kopf noch so überdreht war, hörte ich noch ein wenig Musik und trank ein Bier. Erst gegen vier Uhr lag ich in meinem Bett.

Beste Voraussetzungen für den ersten Arbeitstag nach über vier Wochen Abwesenheit, dachte ich. Wir schrieben den 3. Oktober 1993, ich war seit noch nicht einmal einem Jahr Redakteur einer Science-Fiction-Serie und sollte am nächsten Morgen zeitig im Büro erscheinen …

2 Kommentare:

Enpunkt hat gesagt…

Wer sich unter dem Sound von ACID RAIN DANCE aus Bremen nichts vorstellen kann und von dieser Band noch nie gehört hat, folge diesem Link hier bei YouTube – dort hat jemand die EP der Band eingestellt:
https://www.youtube.com/watch?v=kD1-6P_S8Qk

Enpunkt hat gesagt…

Die Band SO MUCH HATE aus Norwegen dürfte den Leuten bekannt sein, die sich ein wenig für Punk und Hardcore interessieren. Wer nicht, findet auf YouTube haufenweise Aufnahmen der Band. Hier ein Live-Stück, das 1991 in Karlsruhe aufgenommen worden ist (ich war dabei, und wenn ich mich nicht irre, bin ich der Typ im weißen T-Shirt und mit Hosenträgern):
https://www.youtube.com/watch?v=9t4pahq6jCI