26 Oktober 2018

Glauben und Züge

Zwischen den Wagen herrschte leichtes Gedränge. Reisende hatten sich mit ihren Koffern in den Bereich zwischen den Türen und Abteilen gestellt, weil es keine freien Sitzplätze mehr gab. Ich schob mich vorsichtig durch, bat immer wieder um Entschuldigung.

Wenn ich mit der Bahn reise, habe ich üblicherweise eine Platzreservierung. Dann sitze ich da, lese oder arbeite oder schlafe. Aber ab und zu muss ich doch aufstehen und beispielsweise zur Toilette gehen. So auch an diesem Abend …

Ich kam an einer Frau vorbei, klein und rundlich, die recht bürgerlich aussah, mit Kostüm und Perlenkette und sorgfältig wirkenden Haaren. Aufgeregt sprach sie auf eine andere Frau ein, die ein wenig größer und schlanker war als sie. Es ging um die Weltpolitik, um alle Probleme, die derzeit durch die Medien geistern, und um Jesus Christus.

»Wer glaubt, der wird gerettet«, sagte die Frau, und sie strahlte über das ganze Gesicht. »Das ist das wichtigste. Wer nicht glaubt, der kann nicht gerettet werden, und der wird in die Verdammnis stürzen.«

Manchmal beneide ich Menschen um ihren festen Glauben, dachte ich, als ich in die Toilette ging und die Tür hinter mir abschloss. Da fällt mancher Blick auf die Welt offenbar leichter.

1 Kommentar:

RoM hat gesagt…

Latha math, Klaus.
Ein Hauch von Überheblichkeit schwingt aber ordentlich im Statement der Guten mit. Vermutbar, weil auch nur Ihr Glaube (oder sollte ich besser sagen, "Ihre Religion") der "einzig Wahre" sein wird.
"Anstellen!" kann man/frau dem lediglich entgegnen, denn darauf hegt fast jede Religion der Welt einen Ansrpuch.

Menschen können auch ohne einen spirituellen Überbau gut sein. Denke ich.

bonté