11 Juni 2018

Familiengeschichten aus den fünfziger Jahren

Ganz ehrlich: Wenn jemand von der Comic-Serie »Mausi und Paul« (im Original hieß sie »Modeste et Pompon«) noch nie etwas gehört hat, braucht er oder sie sich nicht zu grämen. Im deutschsprachigen Raum errang die Serie keine große Popularität, obwohl sie von André Franquin stammt. Dessen Serien »Spirou & Fantasio« und »Gaston« sind allerdings auch – das muss ich gleich eingangs sagen – wesentlich besser.

Bei »Mausi und Paul« handelt es sich um eine Serie von Einseitern, die in der Zeitschrift »Tintin« erschienen. Das junge Paar erlebt allerlei Abenteuer im Alltag; in den Geschichten geht es also um die Verwandtschaft und die Nachbarn, um Autos und Gärten, um Radios und Schallplattenspielern. Die beiden Helden sind alterslos; man kann sie sich als junge Erwachsene vorstellen, aber Genaueres erfahren die Leser nicht.

Im Carlsen-Verlag sind unter dem Titel »Die gesammelten Abenteuer von Mausi und Paul« alle Geschichten erschienen, die der Künstler von 1955 bis 1959 zu diesem Paar zeichnete, unterstützt übrigens von berühmten Textern wie René Goscinny, Greg oder Peyo. Sowohl die Zeichnungen als auch die Texte sind dabei klar im Ausdruck, die Pointen sitzen sauber – das ist alles ziemlich klasse. Für den heutigen Geschmack sind manche Witze natürlich veraltet und zu harmlos, aber das schadet nicht.

Dass man anhand von Comics und Romanen sehr viel vom jeweiligen Zeitgeist einfangen kann, beweisen die Comics aufs Vorzüglichste. Kleidung und Autos, das jeweilige Verhalten und Freizeitvergnügen, Kunst und Alltagsgegenstände – in zahlreichen Details fing Franquin das ein, was in den fünfziger Jahren modern war. Es macht Spaß, den Comic-Band nach solchen Aspekten zu durchstöbern.

Die redaktionellen Ergänzungen sind dabei durchaus hilfreich. Im aktuellen Fall nehmen sie gut achtzig Seiten ein: Die Artikel beleuchten die Entstehung der Comics, sie zeigen das zeitgeschichtliche Umfeld, und sie weisen auf Details hin, die einem »normalen Leser« kaum auffallen. Ich lese solche Hintergründe gern, weil sie eine Gesamtausgabe dieser Art massiv aufwerten.

Mit »Mausi und Paul« liegt eine wunderbare Gesamtausgabe vor, die vor allem einen Künstler und sein Werk präsentiert. Wer eine Freude an dieser Art von Comic-Klassikern hat, sollte hier unbedingt zugreifen.

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