29 März 2007

Gesicht wie eine Maske

Ich hatte Glück: An diesem Sonntag nachmittag war keine Schlange an den vier Computern, die in der Messehalle 2 das Internet-Café der Leipziger Buchmesse bildeten. Keine Manga-Mädels schauten sich Bilder von anderen Manga-Mädels an. Keine Männer klickten sich mit wichtiger Miene durch dpa-Meldungen.

Aufatmend ließ ich mich auf einem der Barhocker nieder und fing damit an, irgendwelche Einträge in meinen privaten Blog sowie in das PERRY RHODAN-Forum zu tippen. Schnell und effektiv, wie ich das mochte – schließlich wartete Arbeit am Messestand auf mich.

Mir gegenüber saß ein Jugendlicher. Wie so viele in Halle 2 hatte er sich verkleidet: schwarzrote Gewänder, schwere Stiefel. Sein Gesicht hatte er weiß geschminkt, hinzu kamen schwarze und rote Striemen, damit es wie eine Teufelsfratze wirkte. Die schwarz lackierten Fingernägel und das T-Shirt, das ein Motiv der Band Slipknot zeigte, machten klar, daß er nicht zu den Manga-Kids zählte, sondern eher wie eine Kreuzung aus Gothic- und Metal-Fan anmutete.

Er schaute mich an, nicht böse oder arg kritisch, aber sehr ernst. Ich grinste und nickte ihm grüßend zu. Würdevoll nickte er zurück. Dann wies er auf eine Ein-Liter-Colaflasche, die neben mir stand. »Gehört die Ihnen?«

Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Hat wahrscheinlich jemand hier vergessen.«

Er verzog das Gesicht. Möglicherweise war es ein Grinsen, aber durch die Schminke hindurch sah es wie eine fiese Grimasse aus. »Dann gehört sie jetzt mir.« Er nahm die Flasche an sich und steckte sie in die Umhängetasche, die neben ihm auf dem Tisch lag.

Ich kümmerte mich nicht weiter um ihn, sondern tippte irgendwelche Mails.

Keine zwei Minuten später setzte er die fremde Flasche an und nahm einen Schluck. »Bäh!« machte er danach, verzog das Gesicht, so daß die weiße Farbe fast splitterte. »Das ist ja ekelhaft.«

»Wieso?«

»Kein Wunder, daß die das hier abstellen. Das ist keine Cola, das ist kalter Kaffee mit ...« Er trank erneut. »... mit Whisky oder so.« Er schmatzte mit den rot geschminkten Lippen. »Schmeckt gar nicht mal so schlecht.«

Dann steckte er die Flasche wieder ein. Sein Gesicht war immer noch maskenhaft starr, aber jetzt sah es so aus, als sei aus den schwarzen Linien eine Grinse-Visage geworden. Nett.

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