Vielleicht hätte ich zu den Tausenden von Menschen gehört, die von der Polizei verprügelt oder mit Tränengas beschossen worden sind. Vielleicht wäre ich – wie viele andere – nachts im Gewahrsam misshandelt oder gefoltert worden.

Der Comic »Carlo Vive« übernimmt die Aufgabe, die Ereignisse jenes Sommertages sowie die darauf folgenden Prozesse ebenso darzustellen wie die Vorgeschichte des Opfers. Die Lügen der Polizei und der Presse werden thematisiert; es wird klargestellt, dass die offiziellen Aussagen nicht stimmen können, weil die Widersprüche zu krass sind.
Francesco Barilli und Manuel De Carli – es ist nicht so klar, wer Autor und wer Zeichner ist – übernahmen die Aufgabe, die zahlreichen Fakten und Aussagen so aufzubereiten, dass man daraus eine Art Geschichte machen konnte. Die Biografie des Getöteten wird nachbereitet, es gibt Aussagen seiner Eltern und seiner Freunde – am Ende wird klar, dass Carlo eigentlich nicht der Mensch ist, als den ihn der Staat und die Polizei darstellten.
Zeichnerisch bleibt der Comic sehr zurückhaltend. Schwarzweiße, manchmal skizzenhafte Bilder zeigen die Auseinandersetzungen in Genua und vor allem die Interviews mit den Hinterbliebenen. Die einzelnen Aussagen werden durch Zeugenaussagen belegt, es wird auf Bild- und Tonaufnahmen hingewiesen.
Kritiker könnten einwenden, dass dies kein objektives Sachbuch ist. Das will »Carlo Vive« auch nicht sein. Der Comic bezieht Stellung, und er fordert Gerechtigkeit für einen jungen Mann, der bei einer Demonstration erschossen worden ist.
Veröffentlicht wurde der Comic im kleinen Verlag Bahoe Books. Man kann ihn mithilfe der ISBN 978-3-903022-38-6 in jeder Buchhandlung bestellen, auch bei den bekannten Versendern. Ich finde ihn wichtig – vor allem in Zeiten, die sich wie 2001 »nach Genua« und 2007 »nach Rostock« anfühlen.
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