»Mach die sexistische Scheiße aus!«, keifte die Frau mit den kurzen, rötlich gefärbten Haaren. Sie zeigte mit dem Finger auf den Cassetten-Recorder, der auf einem Stuhl stand.
Es war anfangs der 90er-Jahre, und wir saßen in Heidelberg in meiner liebsten Punkrock-WG. Normalerweise lief krachige Musik, oftmals Deutschpunk, gern Hardcore. An diesem Abend aber dröhnte »Ein Bett im Kornfeld« aus den scheppernden Boxen.
Wir tranken Bier und redeten dummes Zeugs, unsere Haare standen in alle Richtungen. Die Musik passte nicht unbedingt dazu, und das hatte wenig mit den Texten zu tun.
Im Verlauf des vergangenen Halbjahres war das Interesse von immer mehr Leuten an der alten Schlagermusik gewachsen. Woran das genau lag, wusste keiner so recht; aber ausgerechnet die Leute, die ansonsten Deutschpunk oder Hardcore bevorzugten, hörten neuerdings gern Schlager. Und im Autonomen Zentrum in Heidelberg vertrugen sich bei den Disco-Abenden die Dead Kennedys wunderbar mit Dschingis Khan.
Aber Jürgen Drews, das ging wohl doch nicht. Die Auseinandersetzung war kurz und nervig. Wir blieben hart, das Lied lief weiter. Die junge Frau blieb auch hart, sie ging. Letztlich hatte Jürgen Drews gesiegt.
Und das gilt wohl generell: Heute wird der Mann siebzig Jahre alt. Er ist nicht das, was man als einen anerkannten Künstler bezeichnen würde. Aber jeder weiß, wer Jürgen Drews ist, jeder kennt Klassiker wie das eben erwähnte »Ein Bett im Kornfeld«, und mit alledem ist der Mann auch noch erfolgreich.
Ich finde Schlager doof, und ich kann nicht einmal mehr – wie anfangs der 90er-Jahre – mit viel Ironie an die Klassiker dieser Musikrichtung herantreten. Jürgen Drews hat sich seinen Erfolg erarbeitet, man muss ihn nicht mögen, aber für den Elan, mit dem er alles durchzieht, bewundere ich ihn geradezu. Da gratuliere ich voller Ernst!
1 Kommentar:
Moin moin, Klaus.
Fragt sich nur "Elan" worauf - sich medienschielend zum Hans Wurst zu machen!?
bonté
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