13 April 2015

Einige Worte zu Grass

Ich habe, wenn ich mich nicht irre, von Günter Grass in meinem ganzen Leben keinen Roman gelesen. Ich erinnere mich an einige Gedichte, die ich teilweise grausig fand – vor allem das israelfeindliche Machwerk, mit dem er vor einigen Jahren an die Öffentlichkeit trat –, ich kenne mit »Die Blechtrommel« eine sensationelle Verfilmung, und ich bilde mir ein, von ihm einige kürzere Texte gelesen zu haben.

Am heutigen Montag ist Günter Grass gestorben, der Literaturnobelpreisträger wurde 87 Jahre alt. Auch wenn ich sein literarisches Werk praktisch nicht kenne und sein künstlerisches Werk eher seltsam finde (diese Krakelbilder ...), finde ich das in gewisser Weise traurig.

Zumindest zeitweise war der Mann eine »moralische Institution« in diesem Land, bis er vor einigen Jahren mit diesem Israel-Text und seinen merkwürdigen Ausflüchten zur SS-Mitgliedschaft zu Recht in Misskredit geriet. (Zur SS hätte er sich klarer äußern können; wer sich mit der Endphase des sogenannten Dritten Reiches auch nur ansatzweise beschäftigt hat, weiß, dass damals junge Männer auch ohne ihren Willen zur Waffen-SS eingezogen wurden.) Aber es gab eine Zeit, da konnte man stolz darauf sein, im selben Land zu leben wie Günter Grass.

Während einer Leipziger Buchmesse ergab es sich einmal, dass ich im selben Kellerlokal wie der Autor saß. Sein Tisch war hinter mir; wäre ich mit dem Stuhl zwei Meter nach hinten gerutscht, hätte ich ihn rammen können. Er redete gar nicht viel, er rauchte Pfeife – damals durfte man noch in Lokalen rauchen – und hatte eine gewisse Präsenz: Jeder im Raum bekam mit, dass »der Grass« im Raum war. Das war durchaus beeindruckend.

Ich bin mir nicht sicher, ob er der Bundesrepublik Deutschland »fehlen« wird, wie manche schon wieder schreiben. Seine wichtige Zeit war in den 60er- und 70er-Jahren, in den vergangenen Jahren rutschte er aus dem kollektiven Gedächtnis.

Grass war ein wichtiger Autor, der zu seiner Zeit wesentliche Einflüsse ausübte. Um das nachvollziehen zu können, muss ich dann wohl doch einmal einen Roman von ihm lesen. Das könnte spannend sein.

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