12 September 2014

Kunst und Comics in den 80er-Jahren

Warum es ausgerechnet eine »anerkannte Künstlerin«, wie sie uns vorgestellt wurde, aus der Großstadt in unser Kleintadt-Gymnasium verschlug, erfuhren wir nie – es interessierte mich auch nicht. Sie war Kunstlehrerin, sie war vergleichsweise jung, und sie versprach, einen frischen Wind in die Schule zu bringen; täglich pendelte sie von der Großstadt mit dem Auto den Schwarzwald hoch, um in unser Kaff zu kommen.

Zuerst fanden wir sie recht pfiffig, dann aber merkte ich, dass sie genauso spießig war wie alle anderen Lehrer. Sie fand nämlich Comics doof. Ich versuchte es ihr auszureden, war damals auch von einem unbelehrbaren Reformgeist erfüllt.

Ich las die »Comixene«, die mein Comic-Bild erweiterte, und wusste, dass Comics in Frankreich als »Neunte Kunst« galten, als anerkannt und wichtig – und das versuchte ich ihr zu erklären. Wir schrieben den Anfang des Jahres 1980, und ich glaubte daran, recht zu haben.

Aber sie fand alles, was ich ihr zeigte, richtig doof. »Leutnant Blueberry« war für sie Mist, trotz der tollen Landschaftsaufnahmen; Schwarzweiß-Comics von Hermann fand sie albern und kitschig.

Doch dann kam »Vertrag mit Gott« bei Zweitausendeins heraus: ein beeindruckendes Hardcover mit Comics von Will Eisner, die mich begeisterten und die ich heute noch toll finde. Das sollte doch ihre Meinung ändern, dachte ich und brachte das Buch in die Schule mit.

Sie blätterte es durch, fragte, ob sie es sich übers Wochenende ausleihen könnte. Ich bejahte, und als sie es in der Woche darauf mitbrachte, war ich natürlich neugierig darauf, wie sie es gefunden hatte.

»Das ist echt gut«, sagte sie und gab mir das Buch zurück. »Aber es ist kein Comic.« Sie war Künstlerin und Kunstlehrerin, und wenn ihr ein Comic gefiel, musste es logischerweise mehr sein.

Auf genau diesem Mist ist die Bezeichnung »Graphic Novel« gewachsen. Mit dem einen Unterschied: Heute gilt als »Graphic Novel« heute auch Zeugs, das einfach zu schlecht für einen richtigen Comics ist, das man aber intellektuell so lange auflädt, dass es in jeder Klugscheißerdebatte funktionieren kann. Wenn das Will Eisner wüsste ...

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