07 März 2010

Punkrock im Eiskeller

Die Fleischmarkthalle in Karlsruhe ist ein monumentales altes Gebäude, gut fünf, sechs Meter hoch und mit einem stabilen Boden aus Beton ausgestattet. Wenn außerhalb des Gebäudes Minusgrade herrschen, benötigt man innen eine anständige Heizung. Den plötzlichen Wintereinbruch am 5. und 6. März 2010 hatten die Veranstalter des »Freak'n'Art«-Festivals so dann doch nicht eingeplant.

Als ich am Freitag, 5. März, hinkam, hielten sich die Temperaturen noch im niedrigen Plus-Bereich. Im Saal hielten sich geschätzte 200 Punks auf, was die Temperatur zumindest ein wenig erhöhte; wären es 600 oder 700 gewesen, hätte man sicher geschwitzt. So aber schaffte es der Rumpel-Punk der Mannheimer Mari & The Krauts nicht, mehr als ein halbes bis ganzes Dutzend Punkrocker zum Pogen zu bringen.

Nach länger dauernden Umbaupause standen SS-Kaliert auf der Bühne: Irokesenpunk wie aus dem Fotoalbum, musikalisch im Prinzip ein heftiger Hardcore-Mix aus späten G.B.H. und frühen Rawside. Von den Texten und Aussagen der Band blieb im Soundmatsch leider nichts übrig; die Show fand ich trotzdem gelungen.

Ihnen folgte der Höhepunkt dieses Abends: Die Kassierer, vier gebildete Herren mittleren Alters, mit denen ich zuvor über Literatur, alte Romanhefte und gemeinsame Jugenderinnerungen geplaudert hatte. Auf der Bühne ließen sie – wie gehabt – die Sau raus und schafften es, die um diese Zeit gut 400 Besucher gut in Bewegung zu bringen.

Ich wankte danach noch in die »Alte Hackerei« um die Ecke, wo Hardcore-Disco lief und die Temperaturen aufgrund der beengten Räumlichkeiten deutlich höher waren. Gegen drei Uhr nachts, als ich mit dem Rad durch die Innenstadt nach Hause düste, tobte ein fieser, eiskalter Schneewind, so dass ich zeitweise kaum etwas sah. Fies.

Am Samstag stand ich selbst auf dem Programm: Ich las ab 17 Uhr auf der großen Bühne. Schnee lag überall in der Stadt, es war zwischenzeitlich noch kälter geworden, und in der Fleischmarkthalle herrschten Minus-Temperaturen. Ich fand mein bescheidenes Publikum ziemlich tapfer – und mich irgendwann auch, weshalb ich nach einer Stunde Sitzens und Lesens auch froh war, aufhören zu können.

Nach mir dann die Oralapostel, eine Band aus Karlsruhe; ich hatte von den Burschen noch nie zuvor einen gesehen, fand den Funpunk der Jungs aber gar nicht mal übel. Nicht viel anfangen konnte ich danach mit Spätzlesdreck: Deutschpunk in Verkleidung und auf Schwäbisch scheint nicht meine Sache zu sein.

Danach Kein Hass Da, die neue Band von Karl Nagel, deren Prinzip recht einfach war: Man nimmt die Stücke der klassischen Ami-Band Bad Brains, übersetzt sie ins Deutsche und macht daraus eine eigene Show. Das klappte ziemlich gut, und sogar einige frierende Punks tanzten dazu Pogo.

Ich gestehe, dass ich mir den Rest des Abends nicht mehr anschaute. Sehr unpunkig verzog ich mich nach Hause, wo es deutlich wärmer war und ich nicht mehr zu frieren brauchte ...

Keine Kommentare: