Irgendwann in der Mitte der 90er Jahre verlor ich größtenteils das Interesse an Hardcore: Das ganze war mir zu metallisch geworden, zu einer Ansammlung von »Styles« und »Moves«, wo mir persönlich jeder Inhalt verloren gegangen war. Die Zahl der von mir besuchten Hardcore-Konzerte schrumpfte stark.
Am Abend des Montags, 15. März 2010, erkannte ich wieder einmal, warum ich mit dieser Art von Hardcore nicht mehr viel anfangen kann. Ich war im »Crazy Kong« in Karlsruhe, jenem Musikschuppen, der sich das Gebäude mit dem Bordell teilen muss, das sich ein Stockwerk darüber befindet. Vielleicht 120 weitere Besucher hatten sich eingefunden.
Zuerst traten OSA189 auf, eine HipHop-Band aus Oberreut, einem Ortsteil von Karlsruhe. Die vier bis fünf kräftigen Männer auf der Bühne trugen einheitlich aussehende Klamotten mit Nummern, die insgesamt die Postleitzahl von Oberreut ergaben, und waren vom starken Drang erfüllt, das Publikum zum Mitmachen zu animieren: »Jetzt kommt doch nach vorne!« wurde die träge Masse aufgerufen, oder «Jetzt schreit alle mit!«
Textlich ging's um Lokalpatriotismus (»Karlsruuuuuu«), Fußball und Gewalt, zitiert wurden Punkrock-Themen wie »Schutt und Asche«, »Pöbel und Gesocks« und »ACAB«. Großes Kino, das mich ein wenig ratlos zurückließ.
Die mir persönlich bekannten Jungs von Warstreet bollerten danach ihren Hardcore-Sound in die Menge: musikalisch ein ziemlicher Kracher, von der Bühne herunter gut serviert. Auch hier immer wieder der Appell, doch bitteschön nach vorne zu kommen und mitzumachen.
Das machten Teile des Publikums auf Aufforderung dann stets, es gab in der Folge jeweils zwischen sieben und zwölf Sekunden Karate- und Kickbox-Pogo, und dann standen wieder alle herum. Das Tanz-Prinzip erschloss sich mir da nicht so ganz.
Nach längerer Umbau- und Gitarrenstimm-Pause kletterten endlich Skarhead auf die Bühne: insgesamt sechs Mann aus New York. Jemand erklärte mir, der Schlagzeuger habe früher bei Madball gespielt (die hat unsereins vor 15 Jahren im Jugendzentrum Eggenstein gesehen, auch lustig). Auf meinen Hinweis, dass mir so was völlig egal sei, kam ein entgeistertes »du kennst dich aber auch gar nicht aus«.
Musikalisch boten die Amis das volle Brett: Hardcore, wie man ihn aus New York kennt und auch gelegentlich mag, schnell und aggressiv gespielt, mit zwei Sängern, die sich die Lunge rausbrüllten. Optisch passte das: Stirnbänder um den Kopf, Halsketten, Kniestrümpfe und entsprechende Hosen.
(In New York scheint es Ausstattungsläden für die Bands zu geben, in denen es Kniestrümpfe gibt. Dafür keine Bordelle, wenn man bedenkt, wie oft die Sänger ihre Witzeleien über die »whores« im Stock über dem Konzertraum machten.)
Das Publikum ließ sich bereitwillig zum »Tanzen« animieren. Wenn der Sänger einen Circle Pit anordnete, rannte man zwanzig Sekunden im Kreis, und wenn der Sänger darum bat, »fucking crazy« zu sein, gab's fünfzehn Sekunden Karate-Pogo. Ansonsten stand man herum, ließ gelegentlich die Arme kreisen und schrie in das hingehaltene Mikro.
Alles in allem eher seltsam für mich. Hardcore finde ich musikalisch immer noch ziemlich klasse, aber mit dieser »Harte-Männer«-Nummer kann ich 2010 so wenig anfangen wie 1995. Und ich möchte mich nicht dafür anschreien lassen, dass ich nicht mitmache - meine Tanzschulzeit ist richtig lange her ...
1 Kommentar:
Du solltest für solche Gelegenheiten euren schönen alten Pogo-Tanzschritte-Flyer reaktivieren :-)
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