Als ich in den späten 70er-Jahren dem Medium Heftroman verfiel, probierte ich neben der Science Fiction viele andere Genres ans: Krimis und Grusel, Western und Weltkrieg. Bei den Western gefiel mir die »Ronco«-Serie, von der ich einige Bände las und die ich sehr spannend fand. Parallel dazu gab es mit »Lobo« eine Art Zweit-Reihe im Heftroman und als Taschenbuch.
Dieser Tage las ich »Die Schienenwölfe«; dabei handelt es sich um den ersten Band der Taschenbuchserie, und verfasst wurde er von John Grey. Hinter diesem Pseudonym verbarg sich Dietmar Kuegler, damals ein vielseitiger Western-Autor, der mir in den vergangenen Jahrzehnten vor allem durch seinen eigenen Verlag für Amerikanistik bekannt geworden war. Im Dezember 2022 verstarb der Autor und Verleger.
Schon das Titelbild macht klar, dass der Roman – veröffentlicht wurde er 1977 – von den damals immer noch populären Italowestern im Kino stark beeinflusst wurde. Der Held sieht aus die Charles Bronson, und die Anleihen an »Spiel mir das Lied vom Tod« lassen sich auch im Inhalt nachvollziehen. Die Geschichte ist schnell zusammengerafft.
Zwei Eisenbahngesellschaften bauen nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg die erste Bahnlinie durch den Westen, der zu dieser Zeit vor allem von Indianern bewohnt ist. Lobo arbeitet für eine Gesellschaft und soll Angriffe von Schienenräubern verhindern. Er bekommt es mit allerlei Banditen zu tun, hat eine kurze und heftige Affäre mit einer attraktiven Bordellbesitzerin und findet in einem Krieger der Schoschonen zwischendurch einen Partner.
Am Ende wartet eine Fortsetzung: Das aktuelle Problem ist gelöst, aber es gibt Hintermänner …
Dietmar Kuegler war ein richtig guter Western-Autor: Die Geschichte ist spannend, wenngleich sie sich arg an Sergio Leones Kino-Erfolg bedient. Es gibt knackige Action-Szenen, es wird viel geballert, und die Landschaftsbeschreibungen sind knapp und stimmig. Die Erotik schrammelt an der Grenze zur Peinlichkeit entlang, aber so weit konnte man 1977 wohl gerade gehen.
Durchaus heikel sind Dinge, die man heute nicht mehr schreiben würde. Schwarze Menschen werden rassistisch bezeichnet, während bei Lobo als »Halbblut« selbst klar wird, dass er unter rassistischen Angriffen zu leiden hat. Der Autor selbst betrachtet Schwarze, Indianer oder ein »Halbblut« als gleichrangig, von ihm gibt es keinerlei rassistische Aussagen, aber es wird klar, dass diese in der Gesellschaft normal sind. (Heute liest sich das halt manchmal fremd.)
Tatsächlich ist »Die Schienenwölfe« ein spannender Italowestern in Form eines schlanken, 160 Seiten dünnen Taschenbuches. Ich fühlte mich sehr gut unterhalten. Historisch korrekt ist da nichts – aber diese Art von Western-Romanen gehört ja eigentlich eher zur phantastischen als zur historischen Literatur …
1 Kommentar:
Informationen zu Dietmar Kuegler gibt es unter anderem in einem schönen Wikipedia-Artikel:
https://de.wikipedia.org/wiki/Dietmar_Kuegler
Für den Verlag für Amerikanistik gibt es immer noch einen Internet-Auftritt:
https://verlag-fur-amerikanistik-dietmar-kuegler.business.site/
Interessanterweise gibt es »Lobo« in einer Neuauflage; hier ist die entsprechende Produktseite beim Blitz-Verlag:
https://www.blitz-verlag.de/index.php?action=serie&serieid=373
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