»Heute ist Führers Geburtstag«, wurde in den Straßen von Karlsruhe gemunkelt, »und die Nazis wollen das Asylantenheim angreifen.« Wer immer auch das Gerücht aufgebracht hat, sorgte für einige Unruhe. Und für eine verwirrende Welle der Solidarität.
Wir schrieben die erste Hälfte der 90er-Jahre. In der Innenstadt von Karlsruhe gab es ein besetztes Haus, die »Steffi«, dessen Bewohner als durchaus schlagkräftig gaben. Die Szene aus Straßen-Punks hatte damit nichts zu tun, es herrschte zeitweise offene Feindschaft zwischen unterschiedlichen Gruppen von Bunthaarigen.
Aber weil das Gerücht aufkam, die Nazis wollten die Aufnahmestelle für Asylbewerber am Stadtrand angreifen, aktivierte die Straßen-Szene ihr politisches Rest-Hirn. Weil einige Freunde und ich nicht so recht wussten, was wir wegen etwaiger Nazi-Umtriebe tun sollten, setzten wir uns in mein Auto und fuhren zu dem Gebäude.
Uns bot sich ein seltsames Bild, das Außenstehende vielleicht sogar witzig gefunden hätten: Verwirrte Menschen mit dunkler Hautfarbe, die vom 20. April und seiner Bedeutung nichts wussten, blickten auf teils betrunkene Punks, die mit Knüppeln in der Hand vor dem Heim versuchten, so etwas wie eine Verteidigungsposition zu beziehen. Später tauchte die Polizei auf, und zuckendes Blaulicht sorgte endgültig für eine Szenerie, über die ich auch mal eine längere Geschichte schreiben könnte.
So waren die 90er-Jahre. Nicht immer intellektuell, nicht immer schlau, aber sehr oft sehr unterhaltsam …
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