Ich war nie in Saudi-Arabien. Meine Besuche in den Vereinten Arabischen Emiraten oder in Ägypten waren stets touristischer Natur – meine Informationen über arabische Sitten, Gebräuche und Staaten beziehe ich also aus den Medien, wie die meisten anderen Menschen auch. Deshalb fand ich den Roman »Totenverse« so spannend, den die amerikanische Autorin Zoe Ferraris verfasst hat.
Es ist der zweite Teil einer kleinen Krimi-Serie, die in Saudi-Arabien spielt. Ich kam aber gut in die Handlung rein; man muss nicht wissen, was im ersten Band passiert ist. Das liegt schlichtweg an den guten Figuren, die von der Autorin glaubhaft ausgestaltet und durch die Handlung geführt werden.
Der Roman beginnt damit, dass eine junge Frau am Strand von Dschidda gefunden wird. Als bekannt wird, dass sie eine Filmemacherin ist, liegt die Schlussfolgerung nahe: Sie wurde umgebracht, weil sie an einem zu westlich orientierten Filmprojekt mitwirkte. Das geht in einem streng muslimischen Land wie Saudi-Arabien offenbar nicht.
Die Polizei beginnt mit ihren Ermittlungen, was sich als schwierig heraussstellt: Ein Polizist kann eine Ausländerin nicht einfach verhören, er darf nicht einmal in das Haus einer unverheirateten Frau gehen. Für die junge Pathologin, die neben einem jungen Touristenführer die Hauptperson des Romans ist, sind all diese Zwänge allgegenwärtig und selbstverständlich.
Wie einengend die muslimischen Regeln sind, wird in dem Roman klar und eindeutig geschildert. Die Autorin wohnte einige Jahre in Saudi-Arabien, kennt sich also wirklich aus. Ich halte ihre Schilderungen eines Lebens zwischen Moderne und Altertum für glaubhaft und spannend, fast schon für spannender als den Kriminalfall und seine Auflösung.
Im eigentlichen Fall geht es um Moral und um den Koran, er behandelt muslimische Verse, die es eigentlich nicht geben dürfte und die viele Menschen verwirren. Das ist packend erzählt, klingt streckenweise wie ein großer, breit angelegter Gesellschaftsroman, bleibt aber immer klar in seiner Erzählweise.
»Totenverse« ist ein eindeutiger Krimi: Es gibt einen Fall, es gibt Detektivarbeit, und es gibt eine Lösung. Und es ist kein antiislamisches Werk; die Autorin zeigt die Schattenseiten des radikalen Islam und schildert das Leben mit den strengen Regeln, die in dieser Weltgegend üblich sind.
Die Einblicke in die arabische Kultur wirkten auf mich überzeugend. Wer einen ungewöhnlichen Krimi lesen möchte oder mehr über Arabien wissen will, ist hier an der richtigen Adresse. (Das Taschenbuch und das E-Book des Romans sind nach wie vor im Handel erhältlich.)
1 Kommentar:
Tahijat, Klaus.
Geschichtlich betrachtet war die arabische Kultur einmal weitaus reicher, offener, weltgewandter.
bonté
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