Belford ist eine typische amerikanische Kleinstadt. Die Menschen gehen ihrer Arbeit nach, die Jugendlichen stromern auf der Straße herum, es herrschen Sauberkeit und Ordnung. In dieser Welt wohnen der 14 Jahre alte Toby und sein Freund Frankie, die mitten in der schlimmsten Pubertät stecken: Sie reden in coolen Sprüchen über Mädchen und Musik, trinken erstmals Alkohol und träumen davon, endlich erwachsen zu werden.
So harmlos beginnt der Roman »Der Schmerz des Erwachens«, den der kanadische Schriftsteller Brett McBean verfasst hat. Veröffentlicht hat ihn der Festa-Verlag, seit bald drei Jahrzehnten ein Garant für Phantastik-Literatur aller Art. Zuletzt brachte der Verlag viele Romane heraus, die »extrem hart« waren, sprich, sehr gewalttätig – dieser Roman erinnert eher an die frühen Werke von Stephen King, in denen der Horror sehr langsam in eine Kleinstadt zieht und die schlimmsten Monster eigentlich die Menschen sind.
Das muss auch der Held der Geschichte lernen. Toby ist sich über seine Gefühle unsicher, er macht ungern bei den groben Späßen seiner Kumpels mit. Er findet den dunkelhäutigen Nachbarn zwar irgendwie seltsam, möchte aber nicht den rassistischen Hass übernehmen, den viele junge Leute in der Kleinstadt auf den geheimnisvollen Mann richten. Gleichzeitig ist Toby heillos in ein hübsches Mädchen aus der Schule verliebt, ohne »ernsthafte Schritte« in die richtige Richtung zu unternehmen.
Der Autor schafft es, aus dieser Teenager-Geschichte einen phantastischen Roman zu entwickeln. Langsam taucht der Horror auf, es gibt Verbindungen zu Haiti und zu alten Voodoo-Geheimnissen, und Toby muss bald erkennen, wie viele Dinge zusammenhängen. Er wird von Unbekannten brutal verprügelt, es kommt zu hasserfüllten Schmierereien an Hauswänden – in solchen Sequenzen erinnert die Beschreibung der amerikanischen Kleinstadt übrigens durchaus an die Entwicklung in manchen bundesdeutschen Städten der vergangenen Jahre ...
Brett McBean hat einen spannenden Roman geschrieben, der tatsächlich auch politische Inhalte transportiert. Es geht immer wieder um Rassismus und Menschenhass, gegen die der Autor die Menschlichkeit und die Freundschaft setzt. All das wird von ihm allerdings sehr zurückhaltend präsentiert, auf einen erhobenen Zeigefinger verzichtet er.
»Der Schmerz des Erwachens« wird geradlinig erzählt, die Perspektive ist immer eindeutig. Man fühlt als Leser mit Toby, man wird mit ihm erwachsen. Auf brutale Szenen verzichtet der Autor, das finde ich angenehm (manche Titel aus dem Festa-Verlag sind mir zu effekthascherisch und blutig); der Grusel wird in einer ruhigen Art vermittelt.
Ich las das Buch mit wachsender Spannung, nachdem es mich vom Anfang an in seinen Bann gezogen hatte. Einige Schlampereien in der Übersetzung störten am Anfang, die ich aber bald ignorieren konnte. Wer auf Horror-Romane steht, wie sie Stephen King etwa in den 80er-Jahre veröffentlichte, sollte »Der Schmerz des Erwachens« zumindest mal antesten.
Das Buch ist als Sammlerausgabe erschienen, limitiert auf 666 Exemplare, die auch nummeriert sind – ich habe die Nummer 145. Autogramme des Autors sowie des Illustrators Fabian Fröhlich zieren es zudem. Entsprechend hochpreisig ist das Buch, und man kann es nur direkt beim Verlag kaufen. Ich fand aber, dass es das Geld wert ist; es ist im Bücherregal auf jeden Fall ein Schmuckstück.
Erschienen ist der Roman im Herbst 2015, er umfasst 576 Seiten und kostet 39,99 Euro. Weitere Informationen sowie eine Leseprobe gibt's auf der Internet-Seite des Festa-Verlages.
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