Ins Jahr 1967 führt der Comic »Swinging London«, der schon 2011 erschienen ist, den ich aber erst dieser Tage lesen konnte. Es geht um Rockmusik und Drogen, um eine Prise Satanismus und Gewalt, vor allem aber um Sex und Crime – und das ist ziemlich cool gemacht. Dabei wusste ich vorher weder etwas über den Autor Thomas Bénet noch den Zeichner Christian de Metter.
Die Geschichte beginnt im August 1967. Ein Rockstar stirbt in seinem Schloss in Schottland. Während die Polizei einen Selbstmord feststellt und die Presse sich in Spekulationen ergibt, beginnen zwei Freunde damit, nach den Hintergründen zu forschen. Das Interessante daran: Beide zählen nicht zur weißen Durchschnittsgesellschaft in Großbritannien.
Weder der seltsame Guru, mit dem der Rockstar befreundet war, noch die coole Fotojournalistin haben viel mit dieser Gesellschaft zu tun. Sie werden wegen ihrer Hautfarbe oder wegen ihres Geschlechtes diskriminiert, ermitteln aber dennoch auf ihre Weise.
Dabei kommen allerlei Geheimnisse ans Licht, die mit Sex, Drogen und Gewalt zu tun haben. Ein mysteriöser Geheimbund steckt offenbar ebenfalls in der Geschichte – und recht schnell bekommt vor allem die junge Journalistin allerlei Probleme.
Die Geschichte wird schnell und zielgerichtet erzählt. Auch wenn die »Ermittler« alles andere als Polizisten sind, verhalten sie sich wie Detektive; sie ermitteln, sie schnüffeln, sie befragen. Dabei finden sie schnell ein Detail nach dem anderen heraus, während die Gegenseite versucht, sie auszubremsen oder gar zu bedrohen. Es ist ein klassischer Krimi, allerdings tauchen immer wieder phantastische Elemente auf.
Spannend bei der Story sind vor allem die Hintergründe. Die späten 60er-Jahre werden glaubhaft lebendig: Rockmusik ist etwas Neues, die junge Generation revoltiert gegen die Alten, das britische Königreich befindet sich bereits im Niedergang. In dieser Zeit ist das »Swinging London«, das dem Comic seinen Namen verliehen hat, ein künstlerisches Aufbegehren gegen eine verkrustete Gesellschaft.
Faszinierend sind bei diesem Comic stets die Bilder. Christian de Metter arbeitet mit dezenten Farben und kräftigen Linien, häufig lässt er die Konturen bewusst verschwimmen. Menschen stehen oft als Skizzen im Bild, während die Hintergründe unscharf wirken – als ob alles durch einen Drogenschleier beobachtet würde. Klar: Drogen spielen in diesem Comic eine Rolle, ebenso allerlei Visionen bei der Suche nach den Hintergründen.
»Swinging London« ist ein ungewöhnlicher Comic, der mir sehr gut gefallen hat. Er unterscheidet sich in der Machart meilenweit von den üblichen Genre-Comics, die man ansonsten kennt: Weder herrscht ein Superhelden-Stil vor noch der übliche Abenteuer-Stil der frankobelgischen Schule. Das wird nicht jedermanns Geschmack sein – ich empfehle, einen Blick in das Buch zu werfen.
Erschienen ist der Comic als Hardcover im »normalen« Format (also kein Album) bei Schreiber & Leser; man bekommt ihn nach wie vor im Handel. Wer mag, nutze die ISBN 978-3-941239-62-3; weitere Informationen gibt sowieso auf der Verlagsseite und im Lesermagazin des Verlages.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen