Irgendwann im Jahr 1993 schaffte ich den Absprung: Ich wurde Vegetarier. Über die zwei Versuche davor und mein klägliches Scheitern müssen wir andermal sprechen, nicht heute aber. Heute geht es darum, endlich eine Lüge zu gestehen.
Seit gut zwei Jahrzehnten behaupte ich nämlich, aus Tierschutzgründen zum Vegetarier geworden zu sein. Ich will mich nicht mitschuldig machen an der milliardenfachen Tierquälerei. Zum Veganer reichte es noch nicht, und meine Lederjacke liebe ich nach wie vor; ein bisschen Inkonsequenz hat bisher keinem geschadet.
Vor allem aber erzähle ich allen, dass ich eigentlich Fleisch gern mag. Es sei keine Frage des Geschmackes, sondern eine Frage der Ethik. Das aber ist – leider – eine Lüge, wie ich seit heute abend weiß.
Weil es im Hotel-Restaurant irrsinnige Berge an Fleisch gibt, wollte ich einfach mal probieren. Also schnitt ich mir je ein Stück mit Lamm-, Rind- und Schweinefleisch ab und schleppte es mit einer »Paella mit Gemüse« zu meinem Tisch. Als Vegetarier hat man es in solchen Restaurants sowieso schlecht; damit das Essen nicht ganz so eintönig ist, hatte ich mir schon einige Male ein Stück Fisch gegönnt.
Ich probierte das Fleisch. Ich kaute das Lamm, ich testete das Rind, ich futterte das Schwein. Und ich stellte fest: Das schmeckt mir alles nicht. Ich mochte es nicht. Dann doch lieber Kartoffelgratin und Gemüse.
Aber damit muss ich nicht mehr länger lügen. Wenn mich künftig jemand fragt, warum ich Vegetarier bin, sage ich halt: »Weil ich Tierquälerei scheiße finde. Und weil so ein Stück Aas aufm Teller einfach scheiße schmeckt.«
6 Kommentare:
Ich muss ja gestehen, dass ich Fleisch vertilge wie ein Tyrannosaurus Rex. Und ja, es liegt am Geschmack bei mir. Wobei zum Großteil die Sauce zum Genuss beiträgt. Dahingegen jagt mir das, was die meisten als leckeres, knackiges Gemüse bezeichen, Schauer über den Rücken. Dieses Knacken erinnert mich an das Zerbeißen von Käfern und lässt mich schütteln.
Aber ich komme auch mit Massentierhaltung und Transporten quer durch Europa nicht mehr klar. Was mich noch viel mehr beunruhigt, ist der unglaubliche Verbrauch von Wasser, der für ein Kilo Fleisch benötigt wird.
Von daher bin ich bemüht, meinen Fleischverzehr wenigstens einzuschränken und meine Palette an verzehrbaren Alternativen zu erhöhen.
In einem aber sind wir uns gleich: Die Lederjacke würde ich nie aufgeben.
Mein Mann und ich sind seit Jahren Teilzeitvegetarier, dass heißt wir konsumieren nur an zwei-drei Tagen in der Woche Fleisch. Und wenn, kaufen wir beim Bio-Metzger.
Um die Ecke ist eine Schlachterei, wenn man da vorbeigeht, kann man den Kühen nochmal in die Augen gucken, bevor sie ... Das hat sehr viel dazu beigetragen, meinen Fleischkonsum einzuschränken.
Komisch, als Kind hat mir das nichts ausgemacht. Bei uns zu Hause wurde immer geschlachtet - Schweine oder Kaninchen. Heute könnte ich mir das nicht mehr mit ansehen.
Ya' at' eeh', Klaus.
"Aas" ist ein deftiges Wort für ein Stück Fleisch. Nach wie vor leben auf dem Globus Naturvölker von der Jagd nach diesem Fleisch...
bonté
Willkommen in der Wohlstandsgesellschaft, die es mit sich gebracht hat, dass man sich entscheiden kann was man isst und was nicht. Vor diese Wahl wird leider nicht jeder gestellt auf dieser Welt :-(
Dass wir uns alle klar verstehen: Ich glaube verschiedenes ...
... dass die Menschheit und die Erde besser dran wären, wenn einfach nicht mehr diese Unmengen von Fleisch gegessen werden würden ...
... dass mein Vegetarismus nur meine Privatentscheidung ist und sonst nichts ...
... dass ich allein an den Verhältnissen nichts ändern kann, aber mein Verhältnis zu den Dingen ...
... und dass es natürlich jedermanns und jederfraus Recht ist, Fleisch zu essen, wenn er oder sie es will.
Hoi, Klaus.
Ich bin durchaus d'accord mit Deinen Grundsätzen.
bonté
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