Als »Song of Kali« hierzulande als Taschenbuch im Heyne-Verlag erschien, las ich den Roman erstmals – und war hin und weg. Das war anfangs der 90er-Jahre, und Dan Simmons war ein Autor, der mich völlig beeindruckte. In den Nuller-Jahren kam das Buch ein weiteres Mal heraus, diesmal als Paperback in der Edition Phantasia; noch einmal leicht bearbeitet, was die Übersetzung angeht.
Ich kaufte es mir, weil ich es schön fand – aber es dauerte einige Jahre, bis ich diese neue Version endlich las. Gut ein Vierteljahrhundert nach der Erst- also die Zweitlektüre kam also die Zweitlektüre. Würde das überhaupt funktionieren?
Um es klar zu sagen: Das funktionierte sehr gut, der Roman ist immer noch brillant.
Erzählt wird die Geschichte eines amerikanischen Schriftstellers, der auch als Redakteur einer Literaturzeitschrift tätig ist. Er reist nach Kalkutta, wo er das bisher unveröffentlichte Manuskript eines Dichters auftreiben soll. Dieser Dichter ist spurlos verschwunden, gilt als tot und war zu seinen Lebzeiten ein unglaublich wichtiger Mensch für die indische Dichtkunst.
In Kalkutta stellt sich heraus, dass es nicht einfach ist, an das Manuskript heranzukommen. Und während der Amerikaner nach dem Manuskript forscht, dringt er immer tiefer in die indischen Mysterien ein. So tritt er in Kontakt zu einer seltsamen Sekte, die die indische Gottheit Kali verehrt. Irgendwie hängt der verschwundene Dichter ebenso damit zusammen wie eine große Bedrohung für die ganze Menschheit in naher Zukunft ...
Es fällt schwer, die Handlung wiederzugeben. Sie führt in die Tiefen der indischen Mythologie, sie hat viel von einem Familienroman, sie liefert knallharte Einblicke in den Alltag einer überbevölkerten Millionenmetropole, und sie wirkt manchmal wie ein intensiver Fiebertraum.
Simmons spart nicht an schockierenden Szenen, aber sein Roman transportiert eher den hintergründigen Horror. Es spritzt kein Blut, es werden keine Folterszenen geschildert, und das Schlimmste sind jeweils die Szenen vom Leben auf den Straßen von Kalkutta. Sein Roman ist kein Schocker, er schleicht sich gewissermaßen ins Bewusstsein des Lesers.
Das macht er zuerst langsam, dann immer stärker – am Ende konnte ich das Buch kaum noch aus der Hand zu legen. »Song of Kali« nach wie vor eindrucksvoll und ein Beleg dafür, dass ein moderner Horror-Roman auch schon zum »Klassiker« werden kann.
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