Manchmal muss man sich schon wundern, wie sehr sich manche Szenerien und Gedanken gleichen. Aus diesem Grund habe ich hier und jezt einen Artikel herausgegriffen, der im Frühjahr 2001 in meinem Fanzine ENPUNKT erschienen ist. Verfasst hatte ich ihn Ende 2000, und er trug den klaren Titel »Nazis? War da was?«
Er ist wortwörtlich identisch; ich habe mir nur erlaubt, die Rechtschreibung anzupassen und die schlimmsten Vertipper auszubügeln. Und ja – man merkt, dass er vor dem »Nine-Eleven« gekommen ist. Hier ist er ...
Es ist noch nicht mal so lange her, ich kann mich sogar gut daran erinnern. Ich wohnte in einem Kaff namens Bischweier, und in meiner Küche hatte ich ein Poster aufgehängt, das sich damals in Antifa-Kreisen einiger Verbreitung »erfreute«. Es listete in Form eines Gräberfelds die Toten auf, die der Straßenterror der Nazis seit der sogenannten Wiedereinigung gekostet hatte. So holte ich mir jeden Morgen meine Prise Hass und wusste, auf welcher Seite ich zu stehen hatte, falls es krachte.
Damals krachte es reichlich oft. Nachdem der Nazi-Mob in Hoyerswerda und Rostock zu Pogromen geblasen hatte, nachdem es in Stuttgart und Solingen sowie in vielen anderen Städten zu ermordeten Ausländern »gekommen« war (wobei in Stuttgart »unpolitische« Skins den Albaner tot trampelten), versuchten antifaschistische Gruppen, Punks und die politisierten Teile der Hardcore-Bewegung, Front gegen den Terror der Nazis zu machen.
Das war so etwa 1993. Lang ist’s her. Wer die alten ENPUNKT-Ausgaben kennt, kann sich vielleicht noch an Berichte erinnern. Auch im ZAP standen damals ständig Berichte »von der Front«, zeitweise war das ZAP eher ein Antifa-Kampfblatt denn eine Hardcore-Illustrierte. Der Feind stand rechts, und wir waren die anderen – und zum Feind gehörten zu jener Zeit ganz eindeutig die Polizei und die regierenden Parteien in Bund und Ländern.
Ob ich Anfang 1992 im CSU-regierten Passau von der USK-Truppe zusammengeschlagen wurde oder ob im SPD-regierten Solingen die Polizei eine friedliche Kundgebung angriff, damit hinter der SPD-Innenminister vom »Terror von links und rechts« faseln konnte, war gleichgültig. Ob wir, um in Rastatt Front gegen den Republikaner-Parteitag machen zu können, einen Kleinkrieg nicht nur gegen 1700 Polizisten, sondern eben auch gegen die »guten Bürger« der Stadt führen mussten, deren Sympathien mehr auf Seiten der Nazis waren, oder ob der Polizeipräsident von Bonn mit dem SPD-Parteibuch am »Tag X« seine Polizei-Kohorten auf die Demonstranten gegen den widerlichen Asylkompromiss ins Gefecht führte – es war gleichgültig.
Im Zweifelsfall schützten die »guten Bürger« in CDU und SPD, bei Grünen, PDS und FDP, in den Gewerkschaften und vor allem bei der Polizei die Nazis und ließen mit wahrer Begeisterung die Antifa-Demonstrationen auseinandertreiben, antifaschistische Gruppen wie in Göttingen kriminalisieren und immer wieder von der »Brutalität der Linken und Rechten« faseln. Als ob Straftaten wie Graffiti sprühen oder »Eingriffe in den Straßenverkehr« – typische »Vergehen« der Antifa – in irgendeiner Art und Weise vergleichbar wären mit den mörderischen und häufig tödlichen Angriffen der Nazis auf Ausländer und Behinderte, auf Schwule und Obdachlose.
Klar. Es ist ja auch ein Unterschied, ob »gute Deutsche«, die leider die falsche Gesinnung haben, von unsereins auf die Fresse kriegen, oder ob »unnütze Ausländer«, die eine »durchrasste Gesellschaft« erzeugen könnten, von deutschen Bürgern mit wenig Haaren auf dem Kopf durch die Straßen gejagt werden. Das war Anfang der 90er Jahre.
Und jetzt? Wir schreiben das Jahr 2000, wenn ich diese Zeilen schreibe, wir schreiben das Jahr 2001, wenn dieses Heft hier erscheint. Und es gibt eine unglaubliche Koalition der guten Bürger gegen die bösen Nazis. Ob SPD oder CDU, ob FDP oder Grüne, ob PDS oder Republikaner – alle in irgendeiner Art und Weise »staatstragenden« Parteien haben sich gegen den Terror der Rechten ausgesprochen, sie fordern zu allem Überfluss auch noch schärfere Gesetze und Einschränkungen des Demonstationsrechtes.
Als ob man so etwas brauchte. Auch bisher war es einfach Mord, wenn man jemand aus einer fahrenden S-Bahn schmiss und er sich dabei alle Knochen brach. Auch bisher war es Mord, wenn jemand ein Haus abfackelte, in dem Menschen schlafen. Nur in Deutschland musste man da irgendwelche Unterschiede machen und ausgerechnet in den brutalen Tätern irgendwelche armen Opfer sehen, die ja – oh, jetzt bitte heulen! – zum Opfer der brutalen Gesellschaft geworden sind.
Schärfere Gesetze nützen nicht den Opfern, sie nutzen nur dem Staat und seinen Schergen. Und der Staat und seine Schergen waren in den letzten zehn Jahren zu oft die Täter. Ganz ehrlich: Ich konnte in den letzten zwölf Monaten nicht so viel kotzen, wie ich es am liebsten getan hätte ...
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