Ich gestehe, dass ich bis vor wenigen Tagen weder von dem Schriftsteller James Rice noch von seinem Kollegen Sir Walter Besant gehört hatte. Die beiden Briten schrieben ihre Novellen und Romane, Artikel und anderen Texte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts – und hierzulande sind sie so gut wie unbekannt, während man im englischen Sprachraum immer mal wieder Werke von ihnen nachgedruckt.
Nachdem ich »Der Heiratsrekordhalter« gelesen habe, fände ich es gut, wenn es mehr von den beiden zu lesen gäbe. Das schmale Taschenbuch (gerade mal 76 Seiten Text, aber sehr schön gebunden und hergestellt) ist im kleinen, aber sehr feinen Verlag Lindenstruth erschienen, und ich habe es unlängst gelesen – man bekam es als Abonnent der Zeitschrift »Arcana« als Dreingabe.
Der Inhalt ist rasch umrissen, folgt er doch dem damals häufig benutzten Schema einer Novelle: Der Ich-Erzähler trifft einen anderen Menschen, und dieser erzählt eine bizarre Geschichte. In diesem Fall treffen sich der Ich-Erzähler und sein Gegenüber gleich mehrfach im Zeitraum von mehreren Jahren.
Wie sich herausstellt, ist der Unbekannte ein Unsterblicher. Er ist ein Vierteljahrtausend alt, und es ist kein Ende in Sicht. Dank alchimistischer Techniken ist ihm die relative Unsterblichkeit geglückt – er muss nur aufpassen, dass er keine Fehler begeht. (Klingt manchmal wie bei der Science-Fiction-Serie, für die ich tätig bin ...)
Auf den ersten Blick klingt das banal, mir hat die Lektüre aber großen Spaß bereitet. Der Ich-Erzähler und sein Gegenüber liefern sich Wortgefechte, die spöttischen Bemerkungen über die aktuelle Zeit passen gut dazu. Gleichzeitig wird glaubhaft dargestellt, welche Probleme eine derartige Langlebigkeit mit sich bringen.
»Der Heiratsrekordhalter« ist eine klassisch-phantastische Geschichte, bei der eine schöne Idee aufgebaut, weiterentwickelt und konsequent zu Ende erzählt wird. Das Erzähltempo ist altmodisch und ein wenig langsam, bereitete mir aber viel Vergnügen.
Und wenn ich mir auf englischen Homepages so anschaue, was die beiden Autoren alles verfasst haben, kann ich nur hoffen, dass der Verlag Lindenstruth in nächster Zeit weitere Texte der beiden ausgräbt und publiziert. Gelegentlich, so denke ich, schadet es nämlich nicht, bewusst die Klassiker des Genres zu lesen ...
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