Um es vorwegzunehmen: »Primordial« ist ein Science-Fiction-Comic, der in mehrfacher Hinsicht mit bekannten Bildern, Handlungsverläufen und Darstellungen bricht. Wenn man sich auf die Geschichte einlässt, merkt man zwar schnell, wie klug sie inszeniert ist. Die Machart empfand ich aber als gewöhnungsbedürftig.
Eigentlich handelt es sich um eine Parallelweltgeschichte: In den fünfziger Jahren schicken die Russen den Hund Laika ins All, die Amerikaner kontern mit zwei Affen. Danach entwickelt sich die im Comic geschilderte Welt anders; es kommt zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Machtblöcken, unter anderem in Ungarn. Richard Nixon wird Präsident, nicht John F. Kennedy. Und wie es aussieht, sind die Tiere, die man ins All geschossen hat, nicht gestorben, sondern wurden von Außerirdischen entführt ...
Die Handlung des Comics, der in den USA in sechs Heften erschienen ist und bei uns als schickes Hardcover im amerikanischen Format vorliegt, spielt auf verschiedenen Ebenen: in der Vergangenheit der fünfziger Jahre und in einer nahen Zukunft, in der Mitteleuropa offenbar unter sowjetischer Herrschaft steht. Gleichzeitig gibt es eine Handlungsebene mit den drei Tieren, die mit einer außerirdischen Zivilisation konfrontiert werden – sie ist so fremdartig, dass man als Leser nicht verstehen kann, was da im Einzelnen vor sich geht.
Geschrieben wurde das Szenario von Jeff Lemire, den man in der amerikanischen Comic-Szene mittlerweile an allen möglichen Ecken antrifft. Er wirkt bei den bekannten Serien mit, er verwirklicht originelle eigene Ideen, er verbindet Underground und Mainstream. Und manchmal ist er so anspruchsvoll und experimentell, dass er an seine Grenzen stößt.
Das ist bei diesem Comic der Fall. Es fällt schwer, der Handlung von »Primordial« zu folgen. Man erkennt, dass sie originell ist und einen ungewöhnlichen Blickwinkel aufweist – aber so richtig verständlich ist sie nicht immer. Aber klar: Es ist definitiv mal etwas anderes, und das finde ich positiv.
Künstlerisch ist wenig einzuwenden: Die Bilder stammen von Andrea Sorrentino, und sie sind in sich stimmig. Die Tiere sehen ebenso glaubhaft aus wie die Menschen oder die Szenen im All. Manche Seiten wirken sehr künstlerisch, mit kleinen Bildern, die in einer Art Strahl über die Doppelseite verteilt sind, mit Zeichnungen, die einen surrealen Charakter aufweisen. Auch das ist ungewöhnlich und ungewohnt.
»Primordial« ist im Splitter-Verlag erschienen. Die Aufmachung ist gut, die Geschichte und die Zeichnungen sind originell – das ist etwas für Leser, die auch mal andere Wege gehen wollen.
1 Kommentar:
Weitergehende Informationen zu »Primordial« gibt es auf der Internet-Seite des Splitter-Verlags, natürlich auch eine Leseprobe:
https://www.splitter-verlag.de/primordial.html
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