02 Februar 2021

Gespräch unter Hausfrauen

»Die meinen, die dürften sich alles erlauben«, sagte die eine Frau. Sie war um die sechzig Jahre alt, sprach badischen Dialekt und trug einfache Kleidung: was man eben so trägt, wenn man kurz »aus dem Haus« muss, um etwas einzukaufen.

Die andere nickte. »Kommen hierher und führen sich auf wie sonst wer.« Auch sie sprach Dialekt, war um die sechzig Jahre alt und wirkte nicht gerade wohlhabend. »Die sollen wieder da hingehen, wo sie herkommen.«

Ich stand vor dem Getränkemarkt und zog mir gerade die Maske vors Gesicht, weil ich gleich mit einem Einkaufwagen voller Leergut in den Laden hineinfahren wollte. Die zwei Frauen hatten sich an den Einkaufswagen aufgebaut, die zu dem Supermarkt direkt nebenan gehörten. Jede von ihnen trug eine gut gefüllte Tasche, sie waren offensichtlich bereits fertig mit dem, was sie an diesen Nachmittag in diesem Geschäft erledigen wollten.

Ohne dass ich den Stein des Anstoßes sehen konnte, wusste ich, worum es ging: Die beiden redeten über »Ausländer«, also über Menschen, die nicht so aussahen, als seien sie in Deutschland geboren. Bei solchen Gesprächen wurden nie Menschen zum Thema, die weiße Haut hatten, die beispielsweise aus Frankreich oder Schweden kamen – gemeint waren meist Menschen aus dem Nahen Osten oder beispielsweise Afrika.

Und ich wusste eigentlich nie, wie ich mich richtig verhalten sollte. An diesem Tag blieb ich stehen, den Einkaufswagen vor mir, vollgeladen mit leeren Getränkekisten. Ich wandte mich zu den beiden Frauen um und sah sie stumm an.

Sollte ich sie anschnauzen? Zurechtweisen? Ich verdrängte den Gedanken gleich wieder. Ich wäre mir wie ein Arschloch vorgekommen: ein Mann, der zwei ältere Frauen maßregelt. Also blieb ich stehen und starrte, sagte kein Wort.

Die beiden starrten zurück. Dann sahen sie sich wieder an und taten, als sei ich nicht anwesend.

»Man darf nichts mehr sagen«, meinte die eine.

»Man muss heute ja schon Angst haben, seine Meinung zu sagen«, ergänzte die andere.

»Die einen tanzen uns auf der Nase herum, und die anderen helfen ihnen dabei.«

Einige weitere Sätze in dieser Richtung folgten. Ich erkannte in ihrer Sprechweise und in ihren Aussagen einige Menschen aus meiner Jugend wieder: Leute, die sich an den Rand gedrängt fühlten und »die anderen« für ihre Probleme verantwortlich machten.

In diesen Sekunden fühlte ich mich hilflos. Ich war kein Sozialarbeiter, und ich wollte mit den beiden Frauen nicht diskutieren, nicht herausfinden, wo sie der Schuh drückte. Aber ich mach nichts besser, wenn ich denen jetzt eine Szene mache, überlegte ich.

Die Frauen nahmen mir die Entscheidung ab. Sie verabschiedeten sich kurz voneinander und gingen weg, jede in eine andere Richtung, ohne mich auch nur zu beachten.

Und ich stand da, mit meinem Einkaufswagen und dem Leergut, und fand mich irgendwie blöd.

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