25 November 2020

Über ein gefühlloses Mädchen

Bereits 2003 verstarb der chilenische Schriftsteller Roberto Bolaño, der von vielen Kritikern als einer der besten Autoren seines Landes bezeichnet wurde. Gelesen habe ich von ihm endlich mal ein Buch – ein schmales Werk mit dem schönen Titel »Lumpenroman«.

Der sehr lakonisch erzählte Roman ist in Rom angesiedelt, was aber relativ egal ist, denn er könnte überall in der »westlichen Welt« spielen. Bianca ist ein Mädchen, das ziel- und gefühllos durchs Leben stolpert. Sie jobbt bei einem Friseur, ansonsten vertrödelt sie ihre Zeit zusammen mit ihrem Bruder; die Eltern sind tot.

Als sich zwei Männer in der Wohnung der Geschwister einzecken, wird aus dem sowohl gemütlichen als auch langweiligen Leben der beiden ein Abenteuer. Die Männer wollen nämlich Bianca als Köder einsetzen, um endlich an das große Geld heranzukommen.

Ein alternder, längst erblindeter Mann kommt ins Spiel. Er war in früheren Jahren als Bodybuilder und Schauspieler erfolgreich, lebt zurückgezogen in einer Villa und verbirgt angeblich große Schätze in seinem Tresor. Bianca erhält den Auftrag, sich an den Mann heranzumachen, um so den Männern den Zugang zum Haus zu verschaffen.

In ihrer überaus coolen Art gelingt ihr das; sie schläft mit dem Mann, der im Buch gelegentlich als »Ungeheuer« bezeichnet wird. Aber zum Überfall auf den Tresor kommt es dann doch nicht ...

Robert Bolaño erzählt die Geschichte eher nüchtern und gelassen. Bianca ist eine Hauptfigur, die mir als Leser nicht sympathisch wird; sie schläft mit ihren Mitbewohnern ebenso gleichgültig wie mit dem alternden Muskelprotz, den sie eigentlich um sein Geld erleichtern möchte. Sie scheint völlig gefühlskalt zu sein, und mit dieser trockenen Darstellung erzeugt der Autor ein leicht gruseliges Gefühl: Als Leser fragt man sich unweigerlich, warum sie sich so verhält und was sie in ihrem Inneren versteckt.

Man erfährt das nicht, vieles in diesem Roman bleibt den eigenen Gedanken überlassen. Die Geschichte steckt, wenn man sich auf sie einlässt, voller depressiver Einblicke. »Lumpenroman« ist kein fröhlicher Roman, sondern ein düsterer Blick in die Welt einer seltsamen Hauptfigur. Okay, es war der Roman, den Bolaño kurz vor seinem Tod veröffentlichte – vielleicht gibt es hier Zusammenhänge.

»Lumpenroman« ist kein Werk, das ich mit Begeisterung empfehlen möchte. Es ist aber lohnenswert. Ich habe es als spannend und sehr unterhaltsam empfunden, und es ist sicher ein Buch, das ich auch mal wieder in die Hand nehmen werde, um einzelne Seiten zu lesen.

Die Hardcover-Ausgabe erschien hierzulande im Jahr 2010, seit 2014 liegt im Fischer-Verlag auch eine Taschenbuch-Version vor. Die 112 Seiten kosten in dieser Version 9,99 Euro; wer mag, kann das Buch mithilfe der ISBN 978-3-596-18785-0 überall im Handel bestellen. Oder eben bei den einschlägigen Versandhändlern.

1 Kommentar:

Enpunkt hat gesagt…

Wer sich für die Leseprobe von Roberto Bolanos »Lumpenroman« interessiert, gehe bitte direkt auf die Internet-Seite des Fischer-Verlages:
https://www.fischerverlage.de/buch/lumpenroman/9783596187850

Und wer das Buch kaufen will, kann das auch in dem OnlineShop tun, den ich am stärksten favorisiere. Hier:
https://perry-rhodan.net/shop/item/9783596187850/lumpenroman-von-roberto-bolano-kartoniertes-buch