02 Dezember 2016

Ein deprimierender Kriminalfall

Dass sich Georges Simenon bei seiner legendären »Maigret«-Krimis nicht gerade um die kontinuierliche Entwicklung seiner Hauptfigur kümmerte, störte mich noch nie. Irgendwann werde ich sicher nachlesen, warum er welchen Roman zu welcher Zeit verfasste – Literatur über den bekannten Autor und seinen Detektiv gibt es schließlich genug.

Bei »Maigret macht Ferien«, dem Band 28 der bei Diogenes erscheinenden Reihe, fällt das besonders auf. Der Autor verfasste ihn 1947 in Tuscon, Arizona, weit entfernt von Frankreich und seinen beschaulichen Gemeinden. Und doch siedelte er genau dort seinen Roman an: in der Kleinstadt Les Sables d'Olonne an der Atlantikküste.

Maigret und seine Frau machen dort Urlaub. Wie es der Zufall will, erkrankt Madame Maigret und muss ins örtliche Krankenhaus. Der Kommissar langweilt sich ziemlich und verbringt die Tage damit, durch die Kleinstadt zu schlendern, in die Restaurants und Bars zu gehen und viel zu viel Weißwein zu trinken. Als er auf die Spur eines unklaren Todesfalles gebracht wird, darf er zwar nicht offiziell ermitteln, steckt aber seine Nase in allerlei Familienverhältnisse.

Der Roman ist streckenweise amüsant: Maigret gilt als Berühmtheit, er kann nicht einfach durch eine Kleinstadt gehen, ohne dass ihn die Leute erkennen. Seine Gespräche mit örtlichen Polizisten oder gar Krimi-Fans haben etwas Eigen-Satirisches.

Ansonsten ist der Fall eher deprimierend. Zum wiederholten Mal muss Maigret feststellen, wie zementiert die gesellschaftlichen Verhältnisse in kleinen Städten sind, wie sehr Oberschicht und Arbeiterklasse voneinander entfernt leben. Der Autor zeichnet in klaren Bildern die Unterschiede der Lebenswelten, ohne in peinliche Arbeiterklasse-Romantik zu verfallen.

Dabei entwickelt sich der Roman spannend. Maigret als Ermittler ohne Auftrag hat seine komischen Elemente, ist zugleich aber sehr traurig – sein Schnüffeln trägt schließlich dazu bei, dass es einen Mord gibt. Das Stochern in Beziehungen, die vielen Gespräche mit örtlichen Wirten und Händlern oder Menschen der Oberklasse zeigen viel von der Wirklichkeit einer Kleinstadt.

Ich habe die Lektüre dieses Romans wieder einmal sehr genossen, nachdem ich lange Zeit eine »Maigret-Pause« eingelegt hatte. Jetzt freue ich mich schon darauf, bald einen weiteren Roman aus dieser Reihe lesen zu können.

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