28 April 2014

Ein Maigret-Meisterwerk

Wie machte Georges Simenon das damals eigentlich? Die Situation konnte für einen Schriftsteller doch nicht gerade positiv sein: In Europa hatte der Zweite Weltkrieg begonnen, für Frankreich kam die Zeit der Besatzung, und der Autor saß an der Atlantikküste und schrieb ein Meisterwerk wie »Maigret contra Picpus«. Veröffentlicht wurde der Roman übrigens ebenfalls während der Kriegszeit: zwischen dem 11. Dezember 1941 und 21. Januar 1942.

Der Fall beginnt im Hochsommer: Ein Mann kündigt die Ermordung einer Wahrsagerin an, unterzeichnet mit »Picpus«, und die Polizei weiß sich nicht anders zu helfen, als alle Wahrsagerinnen in der Stadt zu überwachen. Aber es kommt, wie es in einem Krimi kommen muss: Eine Dame wird ermordet – und in ihrer Wohnung findet man einen Mann, der in der Küche eingeschlossen ist.

In der Folge entwickelt sich ein Fall, der sehr verwirrt ist, aber von Kommissar Maigret mit einer Mixtur aus Intuition und klassischer Polizeiarbeit aufgeklärt werden kann. Maigret findet heraus, warum der Mann eingeschlossen worden ist; er deckt ein Verwirrspiel auf, bei dem es um viel Geld, Erpressung und eine tragische Familiengeschichte geht.

Wie so oft, so zeichnet auch dieser »Maigret«-Krimi in meisterhafter Weise eine Milieustudie: eine seltsame Familie, bei der nichts zu stimmen scheint, eine schüchtern-verliebte Milchverkäuferin, eine Pension, die seit Jahren ausbezahlt wird und für die es sich auch lohnt, einen Mord zu begehen. Die Menschen sind entweder vertrottelt oder gemein, und Maigret macht sich fast einen Spaß darauf, hinter ihre Geheimnisse zu kommen.

Wenn man nicht weiß, wann der Roman entstanden ist, wirkt er durch die Schilderung flirrender Hitze bereits sehr mysteriös. Geradezu irritiertend wirkt er allerdings, wenn man sich die politischen Hintergründe klarmacht: Es marschieren keine deutschen Soldaten durch die Straßen von Paris, es gibt keinerlei Einschränkungen des persönlichen Lebens.

Simenon schrieb mit »Maigret contra Picpus« einen der besten »Maigret«-Romane – vielleicht gerade deshalb, weil er sich nicht um die politischen Verhältnisse kümmerte. Sein Kommissar interessiert sich für Verbrecher und ihre Motive, er beschäftigt sich nicht mit Krieg und Politik. Der Roman lässt sich auf jeden Fall in der heutigen Zeit noch mit großem Genuss und starker Fasziniation lesen – sehr spannend!

1 Kommentar:

Frank Böhmert hat gesagt…

Ich fand den PICPUS auch klasse:
http://frankboehmert.blogspot.de/2012/01/gelesen-georges-simenon-maigret-contra.html