02 November 2005

Durchkomponierter Thriller


Es ist irgendwie schon lustig, die Besprechungen zum aktuellen Roman des britischen Bestseller-Autoren Ken Follett zu lesen: Manche Rezensenten überschlagen sich vor Begeisterung, schreiben etwas von »atemloser Spannung«. Gemeint ist der Roman »Eisfieber«, und dieser erschien zur Frankfurter Buchmesse. Manche Besprechungen, vor allem diejenigen in Stadtmagazinen, erschienen derart zeitgleich, daß gewisse Zweifel angebracht sind, ob die Rezensenten das Buch überhaupt gelesen haben.
Sei's drum. Ich hab's getan. Und ich gestehe, daß ich es wirklich sehr spannend fand, nachdem ich die Anfangsschwierigkeiten überwunden hatte.

Die Heldin ist eine gewisse Antonia Gallo, Sicherheitsbeauftragte in einer Firma, die ausgerechnet in Schottland Impfstoffe entwickelt. Sie ist unglaublich kompetent, kümmert sich liebevoll um ihre demente Mutter, läßt sich gerne in einer Schönheitsfarm pflegen und sieht überragend gut aus. Zu allem Überfluß ist sie in ihren Chef verliebt.

Der wiederum ist anfangs der 60, sieht ebenfalls unglaublich gut aus, ist warmherzig und strahlend, intelligent und weise, und wie wir im weiteren Verlauf des Buches erfahren dürfen, ein »absolutes Ass« im Bett. Dieses Musterbeispiel an Mann hat leider bei seinen Erziehungsaufgaben nicht alles hundertprozentig richtig gemacht und deshalb einen bescheuerten Sohn.

Und der hat nichts besseres zu tun, als mit einer einer Handvoll Ganoven ausgerechnet an Weihnachten in das Hochsicherheitslabor einzubrechen, dort ein tödliches Virus zu stehlen und mit diesem in einen Schneesturm zu geraten. Vor dem Schneesturm flüchten die Bösewichte – richtig!, sie flüchten in das Haus des Wissenschaftlers, in dem derzeit auch seine zwei Töchter, deren Männer sowie vier Kinder auf das Christkind warten.

Soweit der durchaus klischeehafte aber allen Regeln eines guten Thrillers – vor allem im Kino – entsprechende Anfang und Mittelteil des Romans. Als erfahrener Leser finde ich das nicht immer gut, gähne allerdings nicht, weil Mr. Follett einfach gut erzählen kann, ertappe mich aber dabei, daß ich schneller lesen will: Schließlich interessiert mich rein strukturell, wie der Autor das Geschehen auflöst.

Das klappt dann doch sehr gut. Ich kam am Montag, 31. Oktober 2005, deshalb eine Stunde zu spät zur Arbeit, weil ich das Buch zu Ende lesen wollte. Nein: mußte! Es war dann doch spannend, mitzubekommen, wie der Autor all seine Figuren zu einem fulminanten Duell im hochherrschaftlichen Haus versammelt, wie Jugendliche mit Autos über Gangster hinwegfahren, wie verspielte Hausratten zu einer Waffe werden, wie ein Shakespeare-Liebhaber sich tapfer Gangstern in den Weg stellt – und so weiter.

Das ist spannend, das ist filmgerecht erzählt, das macht richtig Spaß. Ein deutscher Bestseller-Autor, dessen Namen ich sicherheitshalber nicht nennen möchte, erzählte mir bei dem offiziellen Empfang im Frankfurter Hof, an dem die Verlagsgruppe Lübbe den Autoren Ken Follett präsentierte: »Der schreibt mal gute und mal weniger gute Romane. ›Eisfieber‹ ist eben einer von den nicht so guten Romanen.«

Da hat er recht. Aber Follett kann sogar mit einem extrem durchschnittlichen Roman so gut erzählen, dass man vor Spannung nicht mehr von der Toilette herunterkommt oder zu spät bei der Arbeit erscheint. Das ist auch was wert, finde ich.

Ken Follett: Eisfieber
Übersetzung: Till R. Lohmeyer, Christel Rost
461 Seiten / Hardcover
Gustav Lübbe Verlag / ISBN 3-7857-2220-6

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