Langsam biege ich mit meinem Wagen in die Virchowstraße ein, wie ich das fast jeden Morgen mache. Die Straße ist schmal: Auf der einen Seite stehen parkende Autos, auf der anderen Seite kommt ein Gehsteig. Zudem ist sie gewölbt und voller Schlaglöcher, was bedeutet, dass ich sie immer sehr langsam befahre.
Eine Person kommt mir auf dem Rad entgegen. Für ein Auto und ein Fahrrad ist die Straße zu schmal, also ziehe ich nach rechts und stelle mich soweit in die Einfahrt eines Hofes, dass sich genügend Platz zwischen meinem Auto und dem Gehsteig ergibt. Das mache ich nicht nur aus Gründen der Höflichkeit und Verkehrssicherheit – ich halte mich schlicht an die Verkehrsregeln. Als sich die Person nähert, erkenne ich, dass es sich um eine grauhaarige Frau handelt.
Von hinten rollt ein anderes Auto heran. Der Fahrer kann nicht an mir vorbei; dazu müsste er auf den Gehsteig, der an dieser Stelle recht hoch ist. Ich sehe im Rückspiegel, dass er fuchtelt; dann haut er mir die Lichthupe rein. Einmal, zweimal, dreimal flackert es hinter mir auf. Ich reagiere nicht.
Langsam fährt die Frau mit dem Rad auf mich zu; sie wirkt ein wenig unsicher. Als sie auf meiner Höhe ist, hebt sie grüßend die Hand. Ich grüße zurück, blicke in den Rückspiegel, warte die drei Sekunden, bis sie vorbei ist, und fahre dann weiter.
Während ich langsam die Straße weiterfahre, blicke ich erneut in den Rückspiegel. Die Frau hält nun mit dem Rad mitten auf der Straße an, sie kann nicht weiterfahren. Der Autofahrer steht ihr gegenüber und gibt ihr die Lichthupe. Einmal, zweimal.
Wie es weitergeht, erkenne ich nicht. Ich erreiche das Ende der Straße und biege rechts ab. »Zu viel Stress am frühen Morgen«, murmle ich.
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