06 August 2017

Ein Bébé von 1963

Ich wühle immer mal wieder gern in den alten Schätzen meiner Fanzine-Sammlung; gelegentlich wundere ich mich darüber, was man früher so geschrieben hat. Und ich bin sicher, dass man in fünfzig Jahren ähnlich über die schriftlichen Ergüsse von heute denken wird.

Vieles von dem, was in dem Fanzine »Bébé« steht, ist beispielsweise schon heute schwer zu verstehen. Veröffentlicht wurde es im Juli 1963, als »Verlag« ist ein »Verlag für jugendgefährdende Literatur« angegeben – ein ironischer Seitenhieb auf die damalige Debatte über »Schundliteratur« – und Herausgeber war Burkhard N. Blüm.

Das mir vorliegende Exemplar trägt die Nummer 34 und wurde für Walter Ernsting gedruckt. (Genau der Mann, der damals schon die Serie PERRY RHODAN mitbegründet hatte.) Insgesamt betrug die gesamte Auflage nur 40 Exemplare, für ein Umdruck-Fanzine durchaus üblich.

Der Herausgeber war im Juli 1963 ein frischgebackener Student mit Sitz in Frankfurt. Wenn er über andere junge Leute schrieb, benutzte er gern die Formulierung »wir«; um sein Studium zu finanzieren, jobbte er auf dem Bau. Von »1968« gab's noch keine Anzeichen, rebellisch und weltoffen fühlte man sich als Student damals aber schon.

Enthalten ist die Übersetzung eines Prosagedichtes, das der kanadische Autor Barry Lord verfasst hatte; das lässt sich übrigens auch heute noch gut lesen. Unter der Rubrik »Ars Amatoria« beschäftigt sich der »Bébé«-Herausgeber ausführlich mit der damaligen Situation in der Szene der Science-Fiction-Fans, dem sogenannten Fandoms. Die Clubs verloren an Bedeutung, die freien Fanzines wurden für die nach wie vor wachsende Szene immer wichtiger.

Alles in allem bot das Fanzine damals eine spannende Lektüre; so etwas fehlt mir heute oft. Da setzte sich ein junger Mann hin, schrieb in pointierten Sätzen seine Weltsicht auf, schrieb über andere Fanzines und brachte das alles sehr klar und dynamisch zum Ausdruck. Toll, so etwas heute zu lesen!

1 Kommentar:

RoM hat gesagt…

Servus, Klaus.
Umpfdruck-Zines, gab es in den Neunzigern mit FAW auch mal wieder regelmäßig. Bei über fünf Jahrzehnten dürften die Texte inzwischen arg ausgeblichen sein!?

Ich denke heutzutage mangelt es nicht wesentlicher an jungen Leuten, die in erwähnten Qualitäten ihre Gedanken formulieren. Andere Medien zwar, aber die An- & Einsichten finden ihre Wege. Egal ob Blogs oder U-Tube, die interessanten Leute machen sich bemerkbar.
For your consideration: Emma D'Arcy...

https://www.youtube.com/watch?v=CrLyQ33teto

bonté