Der Mann, der dafür sorgte, dass sich bei mir eine echte politische Meinung ausbildete, hieß Franz-Josef Strauß. Da sich in diesen Tagen sein hundertster Geburtstag »jährt«, wird das ein Grund für viele Medien sein, auf sein Lebenswerk zurückzublicken. Ich schaue eher auf die Punkte, an denen er mein Leben veränderte ...
Im Bundestagswahlkampf 1980 trat er als Kanzlerkandidat der Unionsparteien an, er wollte den amtierenden Bundeskanzler Helmut Schmidt von der SPD aus dem Amt drängen. Im Jugendzentrum »Murgtäler Hof« in Freudenstadt gab es eine Podiumsdiskussion, an der die Kandidaten aller Parteien teilnahmen. Ich war als Besucher zugegen, es war meine erste politische Veranstaltung überhaupt.
Die Veranstalter hatten im Vorfeld zwei »Frechheiten« begangen. Sie hatten sich geweigert, den Kandidaten der NPD einzuladen, weil sie keinen Nazi im Jugendzentrum haben wollten. Aber sie hatten den Kandidaten der DKP eingeladen, weil sie die Kommunisten für »eher demokratisch« hielten.
Der Eklat kam gleich zu Beginn. Haimo George, der CDU-Abgeordnete, weigerte sich, mit den anderen Kandidaten aufs Podium zu sitzen. Da sei ein Mann von der DKP, und mit solchen Leuten sitze er nicht in einer Reihe. Also begab er sich ins Publikum, in eine Gruppe von Claqueren der Jungen Union.
Entsprechend aufgeheizt war die Stimmung von Anfang an. An die Details erinnere ich mich nicht. Ich war verunsichert und schlecht gelaunt, und ich konnte nicht verstehen, warum die Leute ernsthaft diesen Strauß haben wollten.
Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich mich selbst informiert, ich hatte Bücher und haufenweise Zeitungsartikel gelesen. Meine Meinung war gefestigt, zumindest insofern, dass ich eine klare Meinung zu Strauß hatte.
Ich sagte während der ganze Veranstaltung nur einen Satz. Den brüllte ich – immerhin stolze 16 Jahre alt – in die hektische Diskussion hinein: »Für mich ist Strauß ein echter Faschist.« Spätestens danach war gar keine vernünftige Gesprächskultur mehr möglich.
Noch Tage danach wurde ich wegen dieses Ausrufes von den einen angegriffen und von den anderen gelobt. Strauß und seine Ansichten spalteten und trieben die Leute in Diskussionen. Dass er wirklich ein Faschist war, würde ich heute nicht mehr behaupten. Er war korrupt und machtgeil, und er äußerte sich in jeglicher Richtung jenseits von Gut und Böse.
2 Kommentare:
Gestern Abend sah ich bei der ARD die Version von Helmut Schleich als F.J. Strauß. Wenn man die Augen schloss, konnte man den alten Bayern gut vor sich sehen. Auch optisch war die Ähnlichkeit ziemlich hoch.
Man kann von Strauß ja halten, was man möchte. Als Politiker habe ich ihn nicht wirklich wahrgenommen, dazu bin ich zu jung gewesen. Aber das man so viele Jahre nach seinem Tod ihn noch karikiert, das sagt schon etwas über seine Bekanntheit aus. Das wird vielen heutigen Politikern wahrscheinlich nicht widerfahren.
Dia dhuit, Klaus.
Ich erinnere mich noch wie der damalige Direx meines Gymnasiums persönlich die "Stopt FJS"-Buttons einsammelte...wegen der "Erziehung zu mündigen Bürgern", nehme ich an.
Im Freistaat ist Franz (ähnlich wie der peinlichere andere Franz) in breiten Schichten sakrosant. Vermutlich auch, weil er sich selbst zu Lebzeiten dafür hielt. Gut nur, daß ihm die Spiegel-Affäre Steine in den Weg platziert hat.
Wobei die Akte "Landesverrat" auch noch heute gern geöffnet wird...
bonté
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