07 Oktober 2024

Seminar-Blues

Ich weiß nicht mehr, wann ich zum ersten Mal den Begriff hörte; es war sicher in den 80er-Jahren: der »Con-Blues«. Man bekam den Con-Blues an den Tagen nach einem Science-Fiction-Treffen. Zwei oder drei Tage lang hatte man sich in einem Umfeld bewegt, in dem andere Science-Fiction- und Fantasy-Spinner unterwegs waren. Man wurde nicht dafür verhöhnt, weil man von Raumschiffen und Zeitreisen sprach, und man wurde ernst genommen, wenn man hektografierte oder fotokopierte Hefte verkaufte.

Am Wochenende war ich in Wolfenbüttel, wo ich an einem Seminar an der Bundesakademie für kulturelle Bildung teilgenommen hatte. Ich war einer der zwei Dozenten, dazu kamen 16 Autorinnen und Autoren. Es war alles in allem anstrengend – aber ich denke an diesem Tag oft und gern an diese Stunden zurück.

Der Grund ist hoffentlich einleuchtend, auch wenn er hippiemäßig klingen mag: Wir hatten ernsthafte Gespräche, wir lachten aber auch mal. Es ging um Literatur, um das Schreiben und um das Arbeiten an Texten. Es wurde Kritik geübt, die teilweise sehr ans Innere der Texte ging – das ist für die Betroffenen nicht immer einfach.

Aber die Kritik war wertschätzend, so sozialarbeiterisch das Wort klingen mag. Man nahm sich gegenseitig ernst, man sprach mit Respekt über die Arbeit der anderen, und man gab sich Mühe, auch Texte ernsthaft zu besprechen, mit denen man selbst nichts anfangen konnte. Letztlich ist es ohnehin egal, ob man einen beinharten Cyberpunk-Roman schreiben will oder eine Romantasy-Geschichte über verliebte Gestaltwandler.

Das alles gefiel mir sehr gut. Im Nachhinein denke ich, dass es mehr solcher Veranstaltungen geben sollte, wo Menschen mit unterschiedlichen Meinungen positiv und kritisch zugleich miteinander diskutieren – eine Diskussion ist schließlich kein Streit, und gerade bei Literatur ist das Spektrum der Ansichten ganz schön groß …

Ich hab‘ den Seminar-Blues. Aber ich hoffe zugleich, dass ich vom positiven »Spirit« dieses Wochenendes noch eine Weile zehren kann …

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