Die erste Generation von Politikern, die das Leben in der Bundesrepublik Deutschland prägten, war vom Krieg gezeichnet. Es waren Männer und einige wenige Frauen, die Krieg und Tod kannten, die im Widerstand waren oder mit Nazis mitgemacht hatten, die flüchten wurden oder Bombennächte übersehen mussten. Die wussten, wovon sie sprachen – und als irgendwann die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik begann, wurde das heftig diskutiert.
Der letzte Politiker von Rang, in der in der Bundesrepublik Deutschland noch wusste, was Krieg gewesen war, dürfte Helmut Kohl gewesen sein. Schon die Politiker nach ihm, allen voran der Bundeskanzler Gerhard Schröder, hatten sicher eine Ahnung von Krieg, weil sie in den Jahren danach groß geworden waren. Sie besaßen aber nicht das geschichtliche Bewusstsein, auf das Abenteuer des Kosovo-Krieges zu verzichten.
Und jetzt? Offenbar sind in diesen Tagen solche Leute am Ruder, die sogar zu jung dafür sind, um mit Erzählungen vom Krieg großzuwerden. (Wie ich. Wie Freudenstadt niedergebrannt wurde. Wie Pforzheim vernichtet wurde. Wie mein Vater an der Ostfront schwerverwundet wurde. Wie manche Männer erst 1955 aus der Gefangenschaft kamen. Das alles hörte ich tausendmal, das prägt mich bis heute.)
Im Jahr 2016 beschließt man in Berlin – wie 1914 und 1941? –, dass es gut ist, die Bundeswehr nach Osten zu verlagern. Demnächst werden deutsche Panzer im Baltikum stehen, quasi Auge in Auge mit den Russen. Wie wenig Geschichtsbewusstsein muss man eigentlich haben, um nicht zu erkennen, dass das eine Provokation ist oder zumindest so empfunden werden kann.
Nein, ich bin kein Russlandfreund und vor allem kein Putinologe. Aber die Antwort auf Russlands Verhalten in der Ukraine, in Syrien und auf der Krim kann nicht sein, dass die Bundeswehr in den Gegenden stationiert wird, wo zuletzt während des Nazi-Terrors ein gezielter Massenmord »in deutschem Namen« betrieben worden ist.
3 Kommentare:
Und passend dazu verkaufen wir so viele Waffen wie seit Ewigkeiten nicht. Beschämend.
Sehr schön, Herr Frick. Wo Sie Recht haben, haben sie selbiges. Ich klatsche jetzt noch eben die amerikahassende Bemerkung dran, dass den USA ein Krieg, so ein richtiger, echter Flächenkrieg mit etlichen Opfern in der Bevölkerung, so richtig gut täte.
Sie sollten die Geschichte im Baltikum doch etwas genauer studieren. Insbesondere die russische Terrorjahre von 1919, 1941, 1949, Deportationen etc, das schon mal abgesehen von früheren Jahrhunderten. Man hat das alles, über Ostgrenze kommend, miterlebt. Das Baltikum ist mit dem Westen durch eine Werte- und Kulturgemeinschaft seit Jahrhunderten verbunden, auch mit Deutschen, mit denen gewiss die zum Teil gemeinsame Geschichte nicht einfach gewesen ist.
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