Aus der Serie »Ein Bild und seine Geschichte«
Im Frühsommer 1989 nahm ich an einer Tagung teil, die für junge Redakteure ausgeschrieben war. Zu der Zeit arbeitete ich als alleiniger Redakteur für ein wöchentlich erscheinendes Anzeigenblatt im Raum Freudenstadt.
Die Tagung wurde in Wiesbaden und Umgebung veranstaltet; ein Besuch im Spielcasino gehörte ebenso dazu wie Fahrten auf einem nahe gelegenen Opel-Testgelände. Immerhin durfte ich – obwohl mich Autos damals ebenso wenig interessierten wie heute – neue Opel-Modelle testen, unter anderem meinen Hintern in einen Opel Corsa oder Opel Vectra schieben.
Als Souvenir nahmen die Teilnehmer von dieser Veranstaltung eine Reihe von Fotos mit. Dieses Beispiel zeigt mich selbst: im damals modischen Polohemd, in damals modischer heller Hose, mit unglaublich dämlichen – aber damals beliebten – Schuhen und einer 0815-Frisur, wie ich sie heute nach wie vor durch die Gegend trage.
Das wirklich Witzige an dem Foto – für mich – ist die Tatsache, dass ich es wenige Monate später als Bewerbungsfoto benutzte. Ich bewarb mich bei der Agentur, die die Tagung ausgereichtet hatte, um einen Job in der Öffentlichkeitsarbeit, legte dieses Bild bei, schrieb dazu, »Sie erinnern sich hoffentlich noch an mich«, verzichtete auf zu viel Blabla und bekam den Job.
(Wo genau das Foto angefertigt wurde, weiß ich nicht mehr. Auch wenn es nicht so aussieht, müsste es der Parkplatz eines Hotels gewesen sein, wo nach der jeweiligen Testfahrt die Autos gewechselt wurde.)
Es passiert einiges um mich herum, und nicht alles gefällt mir. Vieles fasziniert mich, vieles interessiert mich – und das soll Thema dieses Blogs sein.
28 Februar 2017
27 Februar 2017
Mann kackt sich in die Hose
Okay, dieser Bandname ist eine Ansage: Wer sich ernsthaft Mann kackt sich in die Hose nennt und aus Dortmund kommt, hat entweder einen an der Waffel oder einen speziellen Humor. Ich tippe bei der vierköpfigen Band mal auf letzteres. Die Burschen haben viel Deutschpunk und Crust-Sound gehört, bedienen sich aus dem schrubbigen Punk der letzten dreißig Jahre und machen daraus etwas eigenes.
Ich habe die Platte »Nowosibirsk« aus dem Jahr 2015 jetzt mehrfach angehört. Sie ist kurz und knapp, die vier Stücke sind ruckzuck herum, und es bleibt nicht viel hängen. Der Sound ist konsequent, die Texte extrem reduziert.
Relevant ist das nicht, aber die Platte hat was: Sie zeigt, dass Punk häufiger darin besteht, sich an den Vorbildern abzuarbeiten, als man sich in all den Jahren vielleicht selbst eingestanden hat.
Ich habe die Platte »Nowosibirsk« aus dem Jahr 2015 jetzt mehrfach angehört. Sie ist kurz und knapp, die vier Stücke sind ruckzuck herum, und es bleibt nicht viel hängen. Der Sound ist konsequent, die Texte extrem reduziert.
Relevant ist das nicht, aber die Platte hat was: Sie zeigt, dass Punk häufiger darin besteht, sich an den Vorbildern abzuarbeiten, als man sich in all den Jahren vielleicht selbst eingestanden hat.
25 Februar 2017
Batman und Robin waren nicht mehr spannend
Als die amerikanischen Comic-Produzenten damit anfingen, ihre DC-Serien neu zu starten, war ich anfangs skeptisch. Dann aber packte mich die Begeisterung. »Batman Eternal« war grandios gezeichnet und anfangs auch unglaublich spannend erzählt; ich freute mich auf jeden einzelnen Band und las mit großer Faszination diesen Neustart eines Comic-Universums.
Ich kaufte und las auch »Batman & Robin Eternal«, gewissermaßen die Zweitserie. Auch hier legten die Kreativen in den USA mit viel Elan los. Die Geschichten waren toll gezeichnet und spannend erzählt. Dann aber blieben sie liegen.
Dieser Tage erst las ich die Bände drei und vier, damit den Abschluss der Serie. Es gibt mit diversen »Robin«-Unterserien längst Fortsetzungen, die ich mir nicht kaufte und auch nicht kaufen werde. Es hat sich nämlich eine große Ernüchterung eingestellt. Und wenn ich mir so recht überlege, woran das liegt, stelle ich fest, dass es eine Ermüdung ist.
Geschichten, in denen vier Robins – das muss jetzt einem Nicht-Comic-Fan auch nicht erklärt werden – gemeinsam die Welt retten, sind mir eine Nummer zu groß. Wenn ein »Fall« gleichzeitig in Toronto, Tokio, Gotham City und sonstwo in der Welt gelöst werden muss, ist mir das ebenfalls eine Nummer zu groß. Das glaube ich nicht mehr.
Superhelden-Comics sind per Definition nicht glaubhaft. Deshalb mag ich sie eigentlich auch nicht. Das »Batman«-Universum mag ich seit den 80er-Jahren, weil es in sich schlüssig erscheint und mir die Geschichten trotz aller absurden Gegner glaubhaft vorkam. Diesen Bereich hat »Batman & Robin Eternal« und alles, was um die aktuellen Entwicklungen gruppiert worden ist, für mich längst verlassen.
Es reicht nicht, dass die Geschichten gut gezeichnet sind. Sie müssen fesseln. Und das gelang mit dem vierten Band von »Batman & Robin Eternal« einfach nicht mehr. Wahrscheinlich muss ich den nächsten Neustart des »Batman«-Univerums wieder versuchen; vielleicht packen sie mich erneut ...
Ich kaufte und las auch »Batman & Robin Eternal«, gewissermaßen die Zweitserie. Auch hier legten die Kreativen in den USA mit viel Elan los. Die Geschichten waren toll gezeichnet und spannend erzählt. Dann aber blieben sie liegen.
Dieser Tage erst las ich die Bände drei und vier, damit den Abschluss der Serie. Es gibt mit diversen »Robin«-Unterserien längst Fortsetzungen, die ich mir nicht kaufte und auch nicht kaufen werde. Es hat sich nämlich eine große Ernüchterung eingestellt. Und wenn ich mir so recht überlege, woran das liegt, stelle ich fest, dass es eine Ermüdung ist.
Geschichten, in denen vier Robins – das muss jetzt einem Nicht-Comic-Fan auch nicht erklärt werden – gemeinsam die Welt retten, sind mir eine Nummer zu groß. Wenn ein »Fall« gleichzeitig in Toronto, Tokio, Gotham City und sonstwo in der Welt gelöst werden muss, ist mir das ebenfalls eine Nummer zu groß. Das glaube ich nicht mehr.
Superhelden-Comics sind per Definition nicht glaubhaft. Deshalb mag ich sie eigentlich auch nicht. Das »Batman«-Universum mag ich seit den 80er-Jahren, weil es in sich schlüssig erscheint und mir die Geschichten trotz aller absurden Gegner glaubhaft vorkam. Diesen Bereich hat »Batman & Robin Eternal« und alles, was um die aktuellen Entwicklungen gruppiert worden ist, für mich längst verlassen.
Es reicht nicht, dass die Geschichten gut gezeichnet sind. Sie müssen fesseln. Und das gelang mit dem vierten Band von »Batman & Robin Eternal« einfach nicht mehr. Wahrscheinlich muss ich den nächsten Neustart des »Batman«-Univerums wieder versuchen; vielleicht packen sie mich erneut ...
24 Februar 2017
Vorbereitungen für Leipzig
Die Leipziger Buchmesse öffnet in wenigen Wochen ihre Pforten, und ich bin schon jetzt dabei, sehr vieles dafür zu planen. Das Problem ist in diesem Jahr tatsächlich, dass ich aufpassen muss, in welcher Funktion ich dort auftrete: Meist bin ich ja als Verlagsangestellter am Messestand, immer öfter aber wechsle ich dann in die Funktion des Gelegenheitsautors, der eben gelegentlich ein Buch veröffentlicht.
Schon in früheren Jahren war es so, dass Punks an unseren Stand kamen und sich von mir ein Punkrockbuch signieren ließen. Die waren dann gelegentlich irritiert, weil ich einen Anzug trug und nicht Nietenlederjacke – hatte ich eh nie eine – und Irokesenhaarschnitt hinterm Tresen stand. Und wenn im März 2017 ein Mensch kommt, um sich eine Unterschrift in meine Storysammlung »Für immer Punk?« malen zu lassen, werde ich sicher nicht widersprechen.
Darüber hinaus kann es sein, dass ich das eine oder andere Gespräch führen muss, in dem es um meinen Roman geht. Dieser soll im Herbst 2017 erscheinen; das Titelbild steht ja schon, und ich könnte mir vorstellen, dass man dazu in Leipzig mehr verraten wird. Versprechen kann ich allerdings noch nichts; da warte ich die Bekanntgaben des Verlages ab, der mein Manuskript drucken möchte.
Aus diesen Gründen bin ich ein wenig nervös, was Leizpig angeht. Es dürfte eine andere Messe sein als sonst – und nicht deshalb, weil der Stand von WerkZeugs als zentraler Treffpunkt in unserer Nähe wegfallen wird. Vielleicht sollte ich mir unterschiedliche Namensschilder zulegen: Perry-Klaus, Punkrock-Klaus und Fantasy-Klaus ...
(Das Bild zeigt mich am Messestand im Frühjahr 2013. Die Frisur dürfte ähnlich sein, dafür sind mehr Falten im Gesicht und mehr Grau in den Haaren.)
Schon in früheren Jahren war es so, dass Punks an unseren Stand kamen und sich von mir ein Punkrockbuch signieren ließen. Die waren dann gelegentlich irritiert, weil ich einen Anzug trug und nicht Nietenlederjacke – hatte ich eh nie eine – und Irokesenhaarschnitt hinterm Tresen stand. Und wenn im März 2017 ein Mensch kommt, um sich eine Unterschrift in meine Storysammlung »Für immer Punk?« malen zu lassen, werde ich sicher nicht widersprechen.
Darüber hinaus kann es sein, dass ich das eine oder andere Gespräch führen muss, in dem es um meinen Roman geht. Dieser soll im Herbst 2017 erscheinen; das Titelbild steht ja schon, und ich könnte mir vorstellen, dass man dazu in Leipzig mehr verraten wird. Versprechen kann ich allerdings noch nichts; da warte ich die Bekanntgaben des Verlages ab, der mein Manuskript drucken möchte.
Aus diesen Gründen bin ich ein wenig nervös, was Leizpig angeht. Es dürfte eine andere Messe sein als sonst – und nicht deshalb, weil der Stand von WerkZeugs als zentraler Treffpunkt in unserer Nähe wegfallen wird. Vielleicht sollte ich mir unterschiedliche Namensschilder zulegen: Perry-Klaus, Punkrock-Klaus und Fantasy-Klaus ...
(Das Bild zeigt mich am Messestand im Frühjahr 2013. Die Frisur dürfte ähnlich sein, dafür sind mehr Falten im Gesicht und mehr Grau in den Haaren.)
23 Februar 2017
Bierdosenöffentlichkeit
Über einen Pressedienst bekam ich einen Artikel verlinkt, der heute in der »Mitteldeutschen Zeitung« erschienen ist. Unter der wunderbaren Überschrift »Dschungelheld mit Bierdose«, die mich sehr schnell hellhörig machte, las ich, dass ein gewisser Marc Terenzi – ich musste googeln, wer das ist, und hatte den Namen bewusst noch nie wahrgenommen – wieder offen mit seiner »Alkoholsucht« kämpfe.
Der Grund: Eine Boulevardzeitung habe ihn – ich zitiere – »am helllichten Tage mit einer Bierdose in der Hand gesichtet«. Ob die Dose geöffnet war oder der »Dschungelheld« sie gerade im Supermarkt aus dem Regal gehoben und in seinen Einkaufskorbe gehievt hat, ging aus dem Ausschnitt nicht hervor. Das wäre ja die spannende Zusatz-Information gewesen.
Aber das sind die Momente, in denen ich froh bin, weder ein C- noch ein D-Promi zu sein, sondern einfach ein durchschnittlicher Bürger, der nicht auffällt, wenn er mit einer Dose Bier in der Hand irgendwohin geht. Wobei sich mir trotzdem die Frage stellt: Ist es wirklich Journalismus, wenn über so etwas berichtet wird?
Aber gut: Bierdosentrinken in der Öffentlichkeit gilt anscheinend als uncool. Was ist dann mit den jungen Vollbartträgern, die neuerdings auch in Karlsruhe nachts ihr Laufbier mit sich führen? Ob sie die Mode von Berlin eingeschleppt haben, weiß ich nicht – aber hätten sie eine Alkoholsucht, wen sie Dosen hätten?
Fragen über Fragen. Sage keiner, die »Mitteldeutsche Zeitung« hätte keine relevanten Themen. Zumindest können sie titeln – damit haben sie mich gekriegt.
Der Grund: Eine Boulevardzeitung habe ihn – ich zitiere – »am helllichten Tage mit einer Bierdose in der Hand gesichtet«. Ob die Dose geöffnet war oder der »Dschungelheld« sie gerade im Supermarkt aus dem Regal gehoben und in seinen Einkaufskorbe gehievt hat, ging aus dem Ausschnitt nicht hervor. Das wäre ja die spannende Zusatz-Information gewesen.
Aber das sind die Momente, in denen ich froh bin, weder ein C- noch ein D-Promi zu sein, sondern einfach ein durchschnittlicher Bürger, der nicht auffällt, wenn er mit einer Dose Bier in der Hand irgendwohin geht. Wobei sich mir trotzdem die Frage stellt: Ist es wirklich Journalismus, wenn über so etwas berichtet wird?
Aber gut: Bierdosentrinken in der Öffentlichkeit gilt anscheinend als uncool. Was ist dann mit den jungen Vollbartträgern, die neuerdings auch in Karlsruhe nachts ihr Laufbier mit sich führen? Ob sie die Mode von Berlin eingeschleppt haben, weiß ich nicht – aber hätten sie eine Alkoholsucht, wen sie Dosen hätten?
Fragen über Fragen. Sage keiner, die »Mitteldeutsche Zeitung« hätte keine relevanten Themen. Zumindest können sie titeln – damit haben sie mich gekriegt.
22 Februar 2017
Privilegiert und weiß
»Man kann es mit all dem Gerede über Rassismus und so ja auch übertreiben«, sagt mein Gegenüber. Die Person würde sich garantiert nicht als »rechts« verorten und wählt wahrscheinlich seit vielen Jahren SPD oder sonst eine demokratische Partei.
Ich gucke verwundert. »Na ja, wir können das vielleicht nicht immer beurteilen«, überlege ich laut, »wir sind ja schließlich sehr weiß und sehr privilegiert, uns trifft das nicht.«
»Wieso bin ich privilegiert? Ich muss doch genauso arbeiten wie alle anderen auch, ich arbeite schon mein ganzes Leben, und ich schufte echt viel. Wo sind da meine Privilegien?«
»Ja, schau mal, das ist so.« Ich ertappe mich dabei, dass ich so einen Predigerton anschlage, bekomme mich aber nicht eingebremst. »Du bist von Geburt ja weiß, damit wirst du hier im Land normalerweise schon mal nicht blöd angeguckt. Zudem bist du in Deutschland geboren und aufgewachsen, in einem schönen Landstrich ohne Naturkatastrophen, du hattest auch das Glück, in einer Gegend zu leben, in der praktisch Vollbeschäftigung herrscht. Das gilt bei mir auch – wir sind also privilegiert.«
»Muss ich mich jetzt schon dafür entschuldigen, dass ich deutsch bin?«
»Natürlich nicht. Darum geht's doch nicht.«
»Wenn ich im Ausland bin, werde ich auch mal blöd angeguckt. Ist das dann auch Rassismus?«
»Müsste man im Einzelfall angucken. Aber auf Mallorca oder Teneriffa bist du als Deutscher nicht gerade rassistisch diskriminiert, also ...«
»Aber es gibt sicher auch Rassismus gegen Deutsche, und ich finde ...«
Danach sprachen wir über Fußball. Das Thema ist super. Steigt der KSC in die dritte Liga ab? Werden die Bayern wieder Meister? Ist RB Leipzig jetzt schlimm odr bewundernswert? Herrliche Themen ...
Ich gucke verwundert. »Na ja, wir können das vielleicht nicht immer beurteilen«, überlege ich laut, »wir sind ja schließlich sehr weiß und sehr privilegiert, uns trifft das nicht.«
»Wieso bin ich privilegiert? Ich muss doch genauso arbeiten wie alle anderen auch, ich arbeite schon mein ganzes Leben, und ich schufte echt viel. Wo sind da meine Privilegien?«
»Ja, schau mal, das ist so.« Ich ertappe mich dabei, dass ich so einen Predigerton anschlage, bekomme mich aber nicht eingebremst. »Du bist von Geburt ja weiß, damit wirst du hier im Land normalerweise schon mal nicht blöd angeguckt. Zudem bist du in Deutschland geboren und aufgewachsen, in einem schönen Landstrich ohne Naturkatastrophen, du hattest auch das Glück, in einer Gegend zu leben, in der praktisch Vollbeschäftigung herrscht. Das gilt bei mir auch – wir sind also privilegiert.«
»Muss ich mich jetzt schon dafür entschuldigen, dass ich deutsch bin?«
»Natürlich nicht. Darum geht's doch nicht.«
»Wenn ich im Ausland bin, werde ich auch mal blöd angeguckt. Ist das dann auch Rassismus?«
»Müsste man im Einzelfall angucken. Aber auf Mallorca oder Teneriffa bist du als Deutscher nicht gerade rassistisch diskriminiert, also ...«
»Aber es gibt sicher auch Rassismus gegen Deutsche, und ich finde ...«
Danach sprachen wir über Fußball. Das Thema ist super. Steigt der KSC in die dritte Liga ab? Werden die Bayern wieder Meister? Ist RB Leipzig jetzt schlimm odr bewundernswert? Herrliche Themen ...
21 Februar 2017
»Brazil« nach dreißig Jahren
Als ich den Spielfilm »Brazil« in den 80er-Jahren im Kino sah, fand ich ihn toll. Dieser Tage schaute ich ihn auf DVD erneut an – und ich fand ihn erneut beeindruckend. Man merkt dem Streifen an, wieviel Zeit vergangen ist, aber die bedrückende Atmosphäre und die schräge Science-Fiction-Welt überzeugen immer noch!
Der Film kam 1985 heraus, verantwortlich dafür war Terry Gilliam, der vorher bei den »Monty Python's« mitgemischt hatte und danach noch viele weitere Filme veröffentlichte. »Brazil« ist ein Science-Fiction-Film, der ziemlich abgefahren und grotesk ist, dessen Handlung sich auch nicht komplett erschließt.
Die geschilderte Welt wird von Wolkenkratzern beherrscht, in denen die Menschen anonym hausen. Eine Reihe von Ministerien hat mit ihrer Bürokratie und ihren Formularen die Welt buchstäblich überwuchert, als einzelner Mensch geht man in diesen Strukturen unter. Der Hauptfigur passiert genau das – und dabei ist er ein kleiner Angestellter.
Doch Sam, so der Name der Hauptfigur, träumt von einer anderen Welt. Er träumt vom Fliegen, er träumt von der Liebe – während sein Leben so trist wirkt und von Zwängen beherrscht wird. Seine Mutter möchte ihn zudem protegieren, was er ziemlich abschreckend findet. Dann aber wird er in eine Reihe von Ereignissen verwickelt, die seinem Leben eine schlimme Entwicklung verleihen und ihn in die Folterkammern des Regimes bringen.
»Brazil« spart nicht an drastischen Bildern und absurden Situationen. Die Häuser- und Straßenszenen sind düster, die grelle Mode der Oberschicht sticht dagegen ab. Die Bürokratie erscheint als Moloch, die Folterkammer ist eine riesige Halle – jedes Bild und jede Einstellung in diesem Streifen wirken durchdacht und geplant.
In mancherlei Hinsicht wirkt »Brazil« wie eine Vorlage für Streifen der 90er- und Nullerjahre, die eine eigenständige Ästhetik kultivierten; ich nenne hier stellvertretend die französische Tragikomödie »Micmacs«. Gleichzeitig erinnern die riesigen Hochhäuser, die monströsen Skulpturen und manche Action-Szene an den Science-Fiction-Klassiker »Metropolis«.
Ein beeindruckender Film, wirklich. Ich habe ihn sicher nicht zum letzten Mal gesehen. Und es werden sicher nicht noch mal dreißig Jahre vergehen, bis ich ihn mir wieder anschauen werde.
Der Film kam 1985 heraus, verantwortlich dafür war Terry Gilliam, der vorher bei den »Monty Python's« mitgemischt hatte und danach noch viele weitere Filme veröffentlichte. »Brazil« ist ein Science-Fiction-Film, der ziemlich abgefahren und grotesk ist, dessen Handlung sich auch nicht komplett erschließt.
Die geschilderte Welt wird von Wolkenkratzern beherrscht, in denen die Menschen anonym hausen. Eine Reihe von Ministerien hat mit ihrer Bürokratie und ihren Formularen die Welt buchstäblich überwuchert, als einzelner Mensch geht man in diesen Strukturen unter. Der Hauptfigur passiert genau das – und dabei ist er ein kleiner Angestellter.
Doch Sam, so der Name der Hauptfigur, träumt von einer anderen Welt. Er träumt vom Fliegen, er träumt von der Liebe – während sein Leben so trist wirkt und von Zwängen beherrscht wird. Seine Mutter möchte ihn zudem protegieren, was er ziemlich abschreckend findet. Dann aber wird er in eine Reihe von Ereignissen verwickelt, die seinem Leben eine schlimme Entwicklung verleihen und ihn in die Folterkammern des Regimes bringen.
»Brazil« spart nicht an drastischen Bildern und absurden Situationen. Die Häuser- und Straßenszenen sind düster, die grelle Mode der Oberschicht sticht dagegen ab. Die Bürokratie erscheint als Moloch, die Folterkammer ist eine riesige Halle – jedes Bild und jede Einstellung in diesem Streifen wirken durchdacht und geplant.
In mancherlei Hinsicht wirkt »Brazil« wie eine Vorlage für Streifen der 90er- und Nullerjahre, die eine eigenständige Ästhetik kultivierten; ich nenne hier stellvertretend die französische Tragikomödie »Micmacs«. Gleichzeitig erinnern die riesigen Hochhäuser, die monströsen Skulpturen und manche Action-Szene an den Science-Fiction-Klassiker »Metropolis«.
Ein beeindruckender Film, wirklich. Ich habe ihn sicher nicht zum letzten Mal gesehen. Und es werden sicher nicht noch mal dreißig Jahre vergehen, bis ich ihn mir wieder anschauen werde.
20 Februar 2017
Meine erste Kundenzeitschrift
Dass ich in den 80er-Jahren schon einmal in dem Verlag tätig war, für den ich heute als Redakteur arbeite, vergesse ich gelegentlich selbst fast. Aber doch ist es so: Vom Frühjahr 1986 bis zum Herbst 1987 war ich Public-Relations-Assistent im Moewig-Verlag. Mein hauptsächlicher Tätigkeitsbereich bestand darin, Werbe-, Presse- und Marketing-Texte für das umfangreiche Buchprogramm des Verlages zu verfassen.
Unter anderem schrieb ich haufenweise Texte, die in der Zeitschrift »Aufgeschlagene Zeiten« veröffentlicht wurden. Diese richtete sich ausschließlich an Journalisten und andere Multiplikatoren, kam im Schnitt drei- bis viermal im Jahr heraus und enthielt Artikel zu den aktuellen Büchern.
Die Ausgabe April-Juni 86 war die erste, für die ich Texte lieferte, anfangs als freier Mitarbeiter, später als Angestellter. Ich schrieb über den Krimi-Schriftsteller William X. Kienzle – seine Romane spielten im katholischen Milieu von Detroit – und aktuelle Science-Ficction-Titel wie »Kanonenboot Panik« von Daniel Walther.
Sachbücher über den Zweiten Weltkrieg wie »Tantiemen für den Führer«, aber auch alberne Witzbücher wie »Ich glaub’, mein Hamster bohnert« wurden von mir mit Texten versorgt; dazu kamen Liebesromane, vorsichtige Erotik oder Esoterik. Eine bizarre Mischung, die damals aber im Verlag entsprechend gepflegt wurde.
Manche meiner damaligen Texte finde ich heute noch gut, die meisten würde ich stark redigieren. Sie waren letztlich mein Einstieg in das weite Feld der Öffentlichkeitsarbeit, das ich später von Tübingen aus beackern sollte ...
Unter anderem schrieb ich haufenweise Texte, die in der Zeitschrift »Aufgeschlagene Zeiten« veröffentlicht wurden. Diese richtete sich ausschließlich an Journalisten und andere Multiplikatoren, kam im Schnitt drei- bis viermal im Jahr heraus und enthielt Artikel zu den aktuellen Büchern.
Die Ausgabe April-Juni 86 war die erste, für die ich Texte lieferte, anfangs als freier Mitarbeiter, später als Angestellter. Ich schrieb über den Krimi-Schriftsteller William X. Kienzle – seine Romane spielten im katholischen Milieu von Detroit – und aktuelle Science-Ficction-Titel wie »Kanonenboot Panik« von Daniel Walther.
Sachbücher über den Zweiten Weltkrieg wie »Tantiemen für den Führer«, aber auch alberne Witzbücher wie »Ich glaub’, mein Hamster bohnert« wurden von mir mit Texten versorgt; dazu kamen Liebesromane, vorsichtige Erotik oder Esoterik. Eine bizarre Mischung, die damals aber im Verlag entsprechend gepflegt wurde.
Manche meiner damaligen Texte finde ich heute noch gut, die meisten würde ich stark redigieren. Sie waren letztlich mein Einstieg in das weite Feld der Öffentlichkeitsarbeit, das ich später von Tübingen aus beackern sollte ...
19 Februar 2017
Busua war ein Traum
Ich wohnte in Dixcove, einige Tage lang genoss ich die Ruhe dieser winzigen Stadt, die nicht weit von der Grenze zur Elfenbeinküste lag. Ich wohnte als einziger Gast in einem winzigen Hotel, das keinen elektrischen Strom und nur gelegentlich fließendes Wasser hatte; ich spazierte zum Hafen und sah dort den Leuten zu, und ich bummelte durch das Dorf.
Immer wieder überquerte ich den Hügel, der das Dorf und seinen Hafen vom Busua Beach trennte. Dort ging ich baden. Ich baute mir ein kleines »Lager« unter einem Baum, wo ich auch meinen Geldbeutel und meine Papiere unter einem Busch versteckte – ein wenig Sicherheit musste sein.
Der Grund dafür: Ich war der einzige Tourist an diesem Strand.
Rechts und links von mir waren, wenn ich ins Wasser ging, nur Palmen, Sand und blaues Wasser. Ab und zu kamen Schulkinder vorbei, die mit dem Bus bis Dixcove gefahren waren und von dort aus zu ihren Dörfern heim gingen; auch Marktfrauen passierten meinen Lagerplatz, ebenso einzelne Arbeiter und Händler. Man ließ mich größtenteils in Ruhe, ab und zu grüßte jemand.
Ich war allein. Ich hatte meine Ruhe. Mein persönlicher Strand war gut drei Kilometer lang. Davon hatte ich mein Leben lang geträumt.
Abends erzählte mir ein Einheimischer, dass man an diesem Strand ein Urlaubsparadies erbauen wolle. Ein riesiges Hotel mit allem Drum und Dran. Das würde den Fischern die Arbeit erschweren – aber so richtig vorstellen konnte sich das keiner.
Als ich unlängst recherchierte, stellte ich fest: Das Urlaubsparadies steht schon. Das Busua Beach Resort steht genau an der Stelle, wo ich vor fast einem Vierteljahrhundert mein kleines »Lager« errichtet hatte. Es lädt mit weißen Schirmen und hellem Strand dazu ein, direkt am westafrikanischen Strand einen schönen Urlaub zu verbringen.
Aber ich glaube, es würde mich zu sehr schmerzen, im Jahr 2017 oder danach noch einmal nach Dixcove oder an den Busua Beach zu reisen ...
Immer wieder überquerte ich den Hügel, der das Dorf und seinen Hafen vom Busua Beach trennte. Dort ging ich baden. Ich baute mir ein kleines »Lager« unter einem Baum, wo ich auch meinen Geldbeutel und meine Papiere unter einem Busch versteckte – ein wenig Sicherheit musste sein.
Der Grund dafür: Ich war der einzige Tourist an diesem Strand.
Rechts und links von mir waren, wenn ich ins Wasser ging, nur Palmen, Sand und blaues Wasser. Ab und zu kamen Schulkinder vorbei, die mit dem Bus bis Dixcove gefahren waren und von dort aus zu ihren Dörfern heim gingen; auch Marktfrauen passierten meinen Lagerplatz, ebenso einzelne Arbeiter und Händler. Man ließ mich größtenteils in Ruhe, ab und zu grüßte jemand.
Ich war allein. Ich hatte meine Ruhe. Mein persönlicher Strand war gut drei Kilometer lang. Davon hatte ich mein Leben lang geträumt.
Abends erzählte mir ein Einheimischer, dass man an diesem Strand ein Urlaubsparadies erbauen wolle. Ein riesiges Hotel mit allem Drum und Dran. Das würde den Fischern die Arbeit erschweren – aber so richtig vorstellen konnte sich das keiner.
Als ich unlängst recherchierte, stellte ich fest: Das Urlaubsparadies steht schon. Das Busua Beach Resort steht genau an der Stelle, wo ich vor fast einem Vierteljahrhundert mein kleines »Lager« errichtet hatte. Es lädt mit weißen Schirmen und hellem Strand dazu ein, direkt am westafrikanischen Strand einen schönen Urlaub zu verbringen.
Aber ich glaube, es würde mich zu sehr schmerzen, im Jahr 2017 oder danach noch einmal nach Dixcove oder an den Busua Beach zu reisen ...
18 Februar 2017
Compukontakte 1985
Das kurze Gedicht »Compukontakte« verfasste ich am 8. Oktober 1985; während dieser Zeit war ich bei der Bundeswehr, wo ich sehr viel mit altersschwachen Schreibmaschinen zu tun hatte und sicher nichts mit Computern. Trotzdem schrieb ich einen Text über Computer.
»Eingestöpselt und den ganzen Salat einfach rausgefieselt, / bis die richtige Datei erfasst ist.« So beginnt der Text, und zu diesem Zeitpunkt waren meine Erfahrungen mit Computern eher theoretischer Art. Ich hatte in der Schule ein wenig »Basic«-Unterricht gehabt, als Anwender hatte ich praktisch keine Ahnung.
Somit war mein Blick auf Computer im Jahr 1985 völliger Mainstream, eher kritisch und auf die möglichen Schattenseiten gerichtet: »Partner fürs Leben auf Computerbanken, / konzentriert auf Mikrochips und nüchterne Leitungen.« Computer erscheinen in diesem Text als seelenlose Maschinen, es geht letztlich um »Technofetischismus«.
Ein seltsamer Text – in der Tat. Als ich ihn am 16. Februar 2017 aus dem Ordner holte, in dem ich damals Texte von mir abgeheftet hatte, fand ich ihn zuerst reichlich doof. Aber er passt zur damaligen Zeit, und 1985 fand ich solche Gedankengänge komplett richtig.
»Eingestöpselt und den ganzen Salat einfach rausgefieselt, / bis die richtige Datei erfasst ist.« So beginnt der Text, und zu diesem Zeitpunkt waren meine Erfahrungen mit Computern eher theoretischer Art. Ich hatte in der Schule ein wenig »Basic«-Unterricht gehabt, als Anwender hatte ich praktisch keine Ahnung.
Somit war mein Blick auf Computer im Jahr 1985 völliger Mainstream, eher kritisch und auf die möglichen Schattenseiten gerichtet: »Partner fürs Leben auf Computerbanken, / konzentriert auf Mikrochips und nüchterne Leitungen.« Computer erscheinen in diesem Text als seelenlose Maschinen, es geht letztlich um »Technofetischismus«.
Ein seltsamer Text – in der Tat. Als ich ihn am 16. Februar 2017 aus dem Ordner holte, in dem ich damals Texte von mir abgeheftet hatte, fand ich ihn zuerst reichlich doof. Aber er passt zur damaligen Zeit, und 1985 fand ich solche Gedankengänge komplett richtig.
17 Februar 2017
Machen Wayna Picchu eigentlich IndioPop?
Zu den Musikrichtungen, die ich so »richtig gar nicht« kenne, zählt südamerikanische »Anden-Folklore«; das habe ich bisher vor allem mit Indios in den Fußgängerzonen und noch eher mit zappeligen Hippies assoziiert. Wenn ich mich aber auf die CD »Muchachita« der Band Wayna Picchu einlasse, bemerke ich, dass die Musik durchaus ihre Stärken hat.
Das ist sehr rhythmisch: Pfeifen trillern, allerlei Blasinstrumente fallen ein, dazu kommen Gitarre und Schlagzeug; die Band klingt so, wie man sich indianische oder eben südamerikanische Volksmusik vorstellt. Dabei hat die Band seit vielen Jahren auch ein Bein in München ... Wahrscheinlich ist das der Grund, warum das Schlagzeug durchaus rockig klingt.
Insgesamt wirkt die Musik somit echt schwungvoll und eingängig – wenn man sich darauf einlässt. Auf Dauer werde ich allerdings sicher kein Fan des andauernden Gepfeifes. Wobei das Titelstück ein wenig nach dem Calypso-Sound klingt, den ich oft hörte, als ich vor vielen Jahren in der Karibik unterwegs war ...
Was die Texte angeht, so reicht mein Spanisch dafür kaum aus. Bei Stücken wie »Machu Picchu« wird allerdings auch ohne Sprachkenntnisse klar, worum es geht: um die unbewältigte Vergangenheit eben: die Ausrottung der Indigenen in Südamerika und die fortdauernde Ungerechtigkeit.
Ich fänd's jetzt blöd, eine Band nur unter eher obskuren »Ethno«-Gesichtspunkten zu beurteilen; Wayna Picchu und diese Art von Anden-Pop muss man sicher mögen. Meins ist es unterm Strich dann halt doch nicht ...
Das ist sehr rhythmisch: Pfeifen trillern, allerlei Blasinstrumente fallen ein, dazu kommen Gitarre und Schlagzeug; die Band klingt so, wie man sich indianische oder eben südamerikanische Volksmusik vorstellt. Dabei hat die Band seit vielen Jahren auch ein Bein in München ... Wahrscheinlich ist das der Grund, warum das Schlagzeug durchaus rockig klingt.
Insgesamt wirkt die Musik somit echt schwungvoll und eingängig – wenn man sich darauf einlässt. Auf Dauer werde ich allerdings sicher kein Fan des andauernden Gepfeifes. Wobei das Titelstück ein wenig nach dem Calypso-Sound klingt, den ich oft hörte, als ich vor vielen Jahren in der Karibik unterwegs war ...
Was die Texte angeht, so reicht mein Spanisch dafür kaum aus. Bei Stücken wie »Machu Picchu« wird allerdings auch ohne Sprachkenntnisse klar, worum es geht: um die unbewältigte Vergangenheit eben: die Ausrottung der Indigenen in Südamerika und die fortdauernde Ungerechtigkeit.
Ich fänd's jetzt blöd, eine Band nur unter eher obskuren »Ethno«-Gesichtspunkten zu beurteilen; Wayna Picchu und diese Art von Anden-Pop muss man sicher mögen. Meins ist es unterm Strich dann halt doch nicht ...
16 Februar 2017
Die Schöne und die Bestie
Irgendwo in der westlichen Ukraine, in den Bergen jener Region, die bis zum Ersten Weltkrieg noch zu Österreich-Ungarn gehört hat: Ausgerechnet in das Dorf Novomaja verschlägt es Dorian Hunter, den knallharten »Dämonen-Killer«. Dort trifft er auf ein uraltes Geheimnis und eine schöne Frau, wird mit einer Tragödie konfrontiert, die mehrere Jahrhunderte überdauert hat, und zum wiederholten Mal in ein Geflecht aus Intrigen und Wahnsinn verwickelt.
Nichts kapiert? Macht nichts. Das ging mir am Anfang ähnlich.
Ich habe unlängst nämlich »Die Schöne und die Bestie« angehört, die Folge 26 der packenden Hörspielserie »Dorian Hunter«. Sie wurde bereits Ende 2014 produziert – aber es dauerte einfach seine Zeit, bis ich sie in »Arbeit« nehmen konnte.
Wer nicht weiß, worum es sich dabei handelt: Ich meine die Hörspiel-Umsetzung der klassischen Heftromanserie »Dämonenkiller«, die in den 70er-Jahren von dem Schriftsteller Ernst Vlcek entwickelt wurde. Der Zaubermond-Verlag bringt die Serie in Buchform heraus, seit einiger Zeit werden die Hörspiele produziert.
Und die sind richtig klasse! Ich kenne die klassischen Romane nicht, werde durch die Hörspiele aber echt zum »Dorian Hunter«-Fan. Das liegt nicht nur an den tollen Dialogen, sondern noch mehr an den beeindruckenden Geräuschen, in denen sich spannende Action und stimmungsvolle Atmosphäre sehr gut verbinden.
Die Geschichte spielt mit verschiedenen Zeitebenen; schon der Titel deutet an, dass es um ein Monster und eine schöne Frau geht. Dorian Hunter als Erzähler ist am Anfang verwirrt, ebenso der Leser, und diese Irritation löst sich erst im Verlauf des Hörspiels. Wer mit diesem Hörspiel in die Reihe einsteigt, wird sicher seine Probleme haben – nachdem sich das Verständnis eingestellt hat, entwickelt sich eine packende Story.
Russische oder ukrainische Mythologie, fieser Horror und wilder Sex, der immerhin durch Geräusche angedeutet wird: Bei »Dorian Hunter« schöpfen die Macher inhaltlich wie akustisch aus dem Vollen. Das finde ich stark!
Nichts kapiert? Macht nichts. Das ging mir am Anfang ähnlich.
Ich habe unlängst nämlich »Die Schöne und die Bestie« angehört, die Folge 26 der packenden Hörspielserie »Dorian Hunter«. Sie wurde bereits Ende 2014 produziert – aber es dauerte einfach seine Zeit, bis ich sie in »Arbeit« nehmen konnte.
Wer nicht weiß, worum es sich dabei handelt: Ich meine die Hörspiel-Umsetzung der klassischen Heftromanserie »Dämonenkiller«, die in den 70er-Jahren von dem Schriftsteller Ernst Vlcek entwickelt wurde. Der Zaubermond-Verlag bringt die Serie in Buchform heraus, seit einiger Zeit werden die Hörspiele produziert.
Und die sind richtig klasse! Ich kenne die klassischen Romane nicht, werde durch die Hörspiele aber echt zum »Dorian Hunter«-Fan. Das liegt nicht nur an den tollen Dialogen, sondern noch mehr an den beeindruckenden Geräuschen, in denen sich spannende Action und stimmungsvolle Atmosphäre sehr gut verbinden.
Die Geschichte spielt mit verschiedenen Zeitebenen; schon der Titel deutet an, dass es um ein Monster und eine schöne Frau geht. Dorian Hunter als Erzähler ist am Anfang verwirrt, ebenso der Leser, und diese Irritation löst sich erst im Verlauf des Hörspiels. Wer mit diesem Hörspiel in die Reihe einsteigt, wird sicher seine Probleme haben – nachdem sich das Verständnis eingestellt hat, entwickelt sich eine packende Story.
Russische oder ukrainische Mythologie, fieser Horror und wilder Sex, der immerhin durch Geräusche angedeutet wird: Bei »Dorian Hunter« schöpfen die Macher inhaltlich wie akustisch aus dem Vollen. Das finde ich stark!
15 Februar 2017
Der Rosenweg im Jahr 1953
Aus der Serie »Ein Bild und seine Geschichte«
Schaut man sich alte Fotos an, vor allem solche, die mit einem Schwarzweiß-Fotoapparat aufgenommen wurden, wirken die Motive immer grau und ärmlich. Nichts ist zu sehen von der strahlenden Lebensfreude heutiger Vierfarbbilder, die jederzeit mit einem Smartphone zu machen sind. Die Bilder wirken manchmal beengt, manchmal sieht die Welt aus, als sei sie in tiefster Vergangenheit versunken.
Das Bild, das ich an dieser Stelle zeigen möchte, mag ich trotzdem. Es zeigt den Rosenweg, also die Ecke meines Heimatdorfes, in der ich aufgewachsen bin. Allerdings ist das Bild deutlich älter als ich; laut Beschrieb auf der Rückseite wurde es im Jahr 1953 aufgenommen.
Der Weg war wirklich ein Weg, nicht geteert und vor allem nicht mit einem Gehsteig versehen. Kein Wunder – für parkende Autos brauchte man damals noch keinen Platz. Aus diesem Grund haben die Häuser keine Garagen als Anbau, sondern neben dem eigentlichen Wohngebäude erhebt sich jeweils ein schlichter Schuppen, in dem landwirtschaftliche Geräte und später eben die Autos abgestellt wurden.
Das Haus im Zentrum des Bildes ist das, in dem ich ab 1963 aufwuchs. Aus dem Fenster unterm Dach blickte ich ab Ende der 60er-Jahre in die Welt, ein Blick immerhin, der auf Wiesen, Bäume, einen Bach und den Wald hinausging. Die Fenster wurden um diese Zeit auch ausgetauscht und modernisiert.
Schaut man sich alte Fotos an, vor allem solche, die mit einem Schwarzweiß-Fotoapparat aufgenommen wurden, wirken die Motive immer grau und ärmlich. Nichts ist zu sehen von der strahlenden Lebensfreude heutiger Vierfarbbilder, die jederzeit mit einem Smartphone zu machen sind. Die Bilder wirken manchmal beengt, manchmal sieht die Welt aus, als sei sie in tiefster Vergangenheit versunken.
Das Bild, das ich an dieser Stelle zeigen möchte, mag ich trotzdem. Es zeigt den Rosenweg, also die Ecke meines Heimatdorfes, in der ich aufgewachsen bin. Allerdings ist das Bild deutlich älter als ich; laut Beschrieb auf der Rückseite wurde es im Jahr 1953 aufgenommen.
Der Weg war wirklich ein Weg, nicht geteert und vor allem nicht mit einem Gehsteig versehen. Kein Wunder – für parkende Autos brauchte man damals noch keinen Platz. Aus diesem Grund haben die Häuser keine Garagen als Anbau, sondern neben dem eigentlichen Wohngebäude erhebt sich jeweils ein schlichter Schuppen, in dem landwirtschaftliche Geräte und später eben die Autos abgestellt wurden.
Das Haus im Zentrum des Bildes ist das, in dem ich ab 1963 aufwuchs. Aus dem Fenster unterm Dach blickte ich ab Ende der 60er-Jahre in die Welt, ein Blick immerhin, der auf Wiesen, Bäume, einen Bach und den Wald hinausging. Die Fenster wurden um diese Zeit auch ausgetauscht und modernisiert.
14 Februar 2017
Schlosslichtspiele gibt's auch 2017
Karlsruhe ist ziemlich pleite; die Zuschüsse für Kultur werden
eingekürzt, und die Schulen dürften auch aussehen, als seien sie seit
Jahren nicht mehr geputzt worden. Aber man leistet sich eine
Untertunnelung der Innenstadt oder ein neues Fußballstadion. Ich könnte
also gern und viel über die Politik der Stadt lästern, Geld auszugeben,
das man augenscheinlich nicht hat.
Bei einem Punkt bin ich allerdings schon der Ansicht der Stadt: Für ein Image-Projekt wie die Schlosslichtspiele dürfen die Verantwortlichen gern Kohle verblasen. Das ist was für »das Volk«, vor allem auch für jüngere Leute, und kostet keinen Eintritt. Und so freue ich mich schon sehr darauf, im Sommer 2017 wieder zum Schloss zu pilgern und mir die verschiedenen Aufführungen der Schlosslichtspiele anzuschauen.
2015 lockten mich die Schlosslichtspiele zum ersten Mal, ich war völlig begeistert. Auch 2016 war ich mehrfach vor dem Schloss und schaute mir die phantastischen Bilder und Animationen an. Das wird im Sommer 2017 ebenso sein.
Vom 3. August bis 10. September 2017 will man einen »Schwerpunkt auf neuen Formen der Architektur« legen, heißt es in der Presse-Information des ZKM (Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe), das für die künstlerische Ausgestaltung verantwortlich ist. Entsprechend schwurbelig lesen sich die Pressetexte: »Mit den Shows wird eine visionäre Architektur geschaffen, die in der Verbindung zwischen Licht und Stein neue Räume gestaltet und atmosphärisch erlebbar macht.«
Ganz ehrlich: Würde man mir nur die Texte zeigen, wäre ich sicher, dass die Veranstaltung grausig würden. Man müsste mir ein Honorar bezahlen, um vors Schloss zu ziehen. Aber hinter dem ganzen Medien- und Anspruchs-Geschwurbel verbergen sich eben phantastische Licht- und Musik-Präsentationen, die auch einen mehrfachen Besuch lohnen.
Darauf freue ich mich schon jetzt. Dafür darf die Stadt meinetwegen auch gern Geld verblasen, das sie nicht hat. Und das Presse-Gelaber muss ich halt ein wenig ignorieren ...
Bei einem Punkt bin ich allerdings schon der Ansicht der Stadt: Für ein Image-Projekt wie die Schlosslichtspiele dürfen die Verantwortlichen gern Kohle verblasen. Das ist was für »das Volk«, vor allem auch für jüngere Leute, und kostet keinen Eintritt. Und so freue ich mich schon sehr darauf, im Sommer 2017 wieder zum Schloss zu pilgern und mir die verschiedenen Aufführungen der Schlosslichtspiele anzuschauen.
2015 lockten mich die Schlosslichtspiele zum ersten Mal, ich war völlig begeistert. Auch 2016 war ich mehrfach vor dem Schloss und schaute mir die phantastischen Bilder und Animationen an. Das wird im Sommer 2017 ebenso sein.
Vom 3. August bis 10. September 2017 will man einen »Schwerpunkt auf neuen Formen der Architektur« legen, heißt es in der Presse-Information des ZKM (Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe), das für die künstlerische Ausgestaltung verantwortlich ist. Entsprechend schwurbelig lesen sich die Pressetexte: »Mit den Shows wird eine visionäre Architektur geschaffen, die in der Verbindung zwischen Licht und Stein neue Räume gestaltet und atmosphärisch erlebbar macht.«
Ganz ehrlich: Würde man mir nur die Texte zeigen, wäre ich sicher, dass die Veranstaltung grausig würden. Man müsste mir ein Honorar bezahlen, um vors Schloss zu ziehen. Aber hinter dem ganzen Medien- und Anspruchs-Geschwurbel verbergen sich eben phantastische Licht- und Musik-Präsentationen, die auch einen mehrfachen Besuch lohnen.
Darauf freue ich mich schon jetzt. Dafür darf die Stadt meinetwegen auch gern Geld verblasen, das sie nicht hat. Und das Presse-Gelaber muss ich halt ein wenig ignorieren ...
13 Februar 2017
Der gute Geist zum fünften Mal
Die Broilers auf dem Titelbild, haufenweise andere Kapellen auf den Innenseiten: In der Ausgabe 130 des OX-Fanzines ist wieder haufenweise Musik vertreten, die im weitesten Sinne zu Punk und Hardcore gehört. Da passt es gut, dass auch der aktuelle Teil meines Fortsetzungsromans veröffentlicht worden ist.
Im fünften Teil von »Der gute Geist des Rock'n'Roll« geht es um Frauen und Computer – tatsächlich ... Der Ich-Erzähler, der nur noch Peter Meißner genannt werden will und nicht mehr Peter Pank, bekommt den nächtlichen Anruf einer Ex-Freundin, die mit ihm reden will, und hat am nächsten Tag an seinem Arbeitsplatz einige Koordinationsprobleme.
Tatsächlich wollte ich mit diesem Teil des Romans ein wenig Zeitkolorit vermitteln. Wie war das eigentlich, als in den 90er-Jahren die Verlage allesamt auf Computer umstiegen und die alten Schreibmaschine eingemottet wurden? Wie fühlte sich die Zwischenstufe zwischen Schreibmaschinen-Zeit und Internet-Ära an, die ja keine fünf Jahre dauerte?
Wahrscheinlich ist dieser Teil manchen Leserinnen und Lesern zu wenig »punkig«. Aber die können sich ja mit den anderen 130 Seiten des umfangreichen und stets lesenswerten Heftes trösten; dort gibt es genügend Stoff für sie ...
Im fünften Teil von »Der gute Geist des Rock'n'Roll« geht es um Frauen und Computer – tatsächlich ... Der Ich-Erzähler, der nur noch Peter Meißner genannt werden will und nicht mehr Peter Pank, bekommt den nächtlichen Anruf einer Ex-Freundin, die mit ihm reden will, und hat am nächsten Tag an seinem Arbeitsplatz einige Koordinationsprobleme.
Tatsächlich wollte ich mit diesem Teil des Romans ein wenig Zeitkolorit vermitteln. Wie war das eigentlich, als in den 90er-Jahren die Verlage allesamt auf Computer umstiegen und die alten Schreibmaschine eingemottet wurden? Wie fühlte sich die Zwischenstufe zwischen Schreibmaschinen-Zeit und Internet-Ära an, die ja keine fünf Jahre dauerte?
Wahrscheinlich ist dieser Teil manchen Leserinnen und Lesern zu wenig »punkig«. Aber die können sich ja mit den anderen 130 Seiten des umfangreichen und stets lesenswerten Heftes trösten; dort gibt es genügend Stoff für sie ...
12 Februar 2017
Zweimal fünfzig Jahre zu feiern
»Wir brauchen frische Luft«, sagte mir eine der zwei Frauen, die ich
vor dem Eingang des »Komma« in Esslingen traf. »Da drin riecht es nach
alte Männern.« Sie lachte. »Es riecht nach Alte-Männer Pisse«, ergänzte
die andere und lachte auch. Ich lachte ebenfalls.
Die beiden Frauen kannte ich seit den späten 80er-Jahren. Damals waren sie feierfreudige junge Punketten aus Böblingen und Sindelfingen gewesen, die auf vielen Konzerten herumstolperten, bei denen ich ebenfalls anwesend war. Seit damals war mehr als ein Vierteljahrhundert vergangen; wir alle gingen nicht mehr als Jugendliche durch.
Und deshalb waren wir richtig. Zwei Punkrocker, mit denen ich in den 80er- und 90er-Jahre eine Reihe von Abenteuern erlebt hatte, feierten ihren fünfzigsten Geburtstag: mit Krachmusik und Bier, wie es sich gehörte. Und sie hatten haufenweise alte Punkrock-Kollegen aus dieser Zeit eingeladen.
Punks aus Köln gesellten sich zur alten Nietenpunk-Szene aus Stuttgart; die »alten Säcke« aus Weltstädten wie Tübingen, Göppingen, Geislingen oder Sindelfingen fanden sich ebenso ein wie exilierte Süddeutsche, die längst in Berlin, Hamburg, Hawaii oder der Schweiz wohnten. Manche hatten keine Haare mehr, die meisten trugen normale Frisuren, einige hatten die Haare noch ordentlich gestell.
Es war eine sehr lustige Party mit vielen Gesprächen à la »was hast du die letzten zwanzig Jahre getrieben?« oder »du hast ja noch Haare, super«. Ich trank ein wenig Bier und wechselte dann zu »alkoholfrei« über; ständig umarmte ich alte Freunde und Bekannte.
Ach ja, und Musik gab es auch. Die Bitch Boys spielten – zum ersten Mal seit fünfzehn Jahren bollerten sie ihren Oi!-Punk raus. Danach die Band Brutal Verbimmelt, die klassischen Deutschpunk in besonders räudiger Weise rüberbrachte. Aber irgendwie war es völlig egal, wer spielte – wichtig waren an diesem Abend wirklich die alten Freunde und Freundinnen. Ein toller Abend!
Die beiden Frauen kannte ich seit den späten 80er-Jahren. Damals waren sie feierfreudige junge Punketten aus Böblingen und Sindelfingen gewesen, die auf vielen Konzerten herumstolperten, bei denen ich ebenfalls anwesend war. Seit damals war mehr als ein Vierteljahrhundert vergangen; wir alle gingen nicht mehr als Jugendliche durch.
Und deshalb waren wir richtig. Zwei Punkrocker, mit denen ich in den 80er- und 90er-Jahre eine Reihe von Abenteuern erlebt hatte, feierten ihren fünfzigsten Geburtstag: mit Krachmusik und Bier, wie es sich gehörte. Und sie hatten haufenweise alte Punkrock-Kollegen aus dieser Zeit eingeladen.
Punks aus Köln gesellten sich zur alten Nietenpunk-Szene aus Stuttgart; die »alten Säcke« aus Weltstädten wie Tübingen, Göppingen, Geislingen oder Sindelfingen fanden sich ebenso ein wie exilierte Süddeutsche, die längst in Berlin, Hamburg, Hawaii oder der Schweiz wohnten. Manche hatten keine Haare mehr, die meisten trugen normale Frisuren, einige hatten die Haare noch ordentlich gestell.
Es war eine sehr lustige Party mit vielen Gesprächen à la »was hast du die letzten zwanzig Jahre getrieben?« oder »du hast ja noch Haare, super«. Ich trank ein wenig Bier und wechselte dann zu »alkoholfrei« über; ständig umarmte ich alte Freunde und Bekannte.
Ach ja, und Musik gab es auch. Die Bitch Boys spielten – zum ersten Mal seit fünfzehn Jahren bollerten sie ihren Oi!-Punk raus. Danach die Band Brutal Verbimmelt, die klassischen Deutschpunk in besonders räudiger Weise rüberbrachte. Aber irgendwie war es völlig egal, wer spielte – wichtig waren an diesem Abend wirklich die alten Freunde und Freundinnen. Ein toller Abend!
10 Februar 2017
Ein heikler Tag im Landgericht
Der 9. Februar 1994 war ein besonderer Tag für mich. Ich stand in aller Herrgottsfrühe auf, zog mir einen schicken Anzug an und fuhr nach Karlsruhe. Dort hatte ich einen Termin im Landgericht; ich hatte mich als Journalist angemeldet, um über den Prozess gegen einen örtlichen Neonazi-Anführer zu berichten. Das hatte ich vorher mit der örtlichen Antifa abgesprochen – man wollte ein vernünftiges Protokoll haben.
Ich war zeitig vor Ort, wurde von der Polizei einer strengen Leibesvisitation unterzogen. Sogar mein Kugelschreiber wurde auseinandergeschraubt – es hätte ja eine Waffe sein können. Danach durfte ich in der Bank in der ersten Reihe Platz nehmen, wo die anderen Journalisten saßen.
Einige der Kollegen fragten, für welches Medium ich schriebe. Ich erzählte nichts von meinem Job in der Raketenheftchenserie, sondern plauderte von »freier Mitarbeit für diverse Zeitschriften«, was so falsch ja nicht war. Jeder nahm mich als »neutralen« Schreiberling wahr.
Die anwesenden Neonazis standen und saßen als Pulk zusammen; jeder von ihnen sah aus, als hätte er sein Outfit aus dem Bilderbuch für Nazi-Skinheads gesaugt. Sie starrten die Pressevertreter an, als wollten sie uns an die Gurgel gehen. Die paar »Zivilisten« im Gerichtssaal felen kaum ins Gewicht, einige Leute aus der »linken Szene« saßen ebenfalls da.
Im Prozess selbst ging es unter anderem um den Vorwurf der »Wiederbetätigung«. Der Angeklagte, ein junger Mann aus der Region, hatte eine Gruppierung aufgebaut, die sich offenbar dem nationalsozialistischen Gedankengut verschrieben hatte und dieses entsprechend propagierte. Gewalttaten und Propagandadelikte wurden ihm vorgehalten.
Aus diversen Gesprächem mit einigen Leuten, die ich im Vorfeld geführt hatte, wusste ich mehr über ihn und sein Leben, als während des Prozesses bekannt wurde: Punkrocker und Hooligan, aktiver Autonomer und Neonazi, schwuler Aktivist und harmloser Fußballfan – in den Jahren zuvor hatte er diverse Wandlungen hinter sich gebracht.
Der Prozess war trotzdem spannend; das Gericht hatte sich gut vorbereitet. In den Pausen stellte ich mich zu den Kollegen und diskutierte mit den anderen Journalisten über den Prozessverlauf. Sie hatten zumeist wenig Ahnung von den politischen Hintergründen und waren teilweise völlig baff darüber, dass es in unserer Gegend überhaupt Neonazis gäbe.
Später stellte ich mich unauffällig – ich wirkte seriös und trug meine Schreibmappe unter dem Arm – in die Nähe der Neonazis. Die standen als Gruppe zusammen und unterhielten sich leise, warfen immer wieder Blicke zu den »Linken« hinüber, die ebenfalls eine Gruppe bildeten. Ich wollte ein wenig mithören, was sie sagten; vielleicht war das für weitere Recherchen interessant.
In dem Moment eilte eine von den »Linken« zu mir herüber. Ich kannte die Frau aus dem besetzten Haus, wo wir uns schon unterhalten hatten. Sie baute sich vor mir auf, ignorierte die Gruppe der Neonazis ebenso wie meine Versuche, sie mit Gesten oder Blicken zu stoppen.
»Wie siehst denn du heute aus?«, rief sie lauthals. »Heute mal gar nicht wie ein Punkrocker unterwegs, na? Keine Lederjacke?« Sie lachte schallend, hielt alles offenbar für einen großen Spaß, klopfte mir aufmunternd auf die Schultern und wollte mich in ein Gespräch verwickeln.
Meine »Tarnung« war futsch; danach wussten die Neonazis, wer ich war. Den Prozess bekam ich trotzdem gut hinter mich, mein Protokoll des Prozesses stellte ich hinterher auch der Antifa zur Verfügung. Als »neutraler Beobachter« war ich danach aber nicht mehr zu gebrauchen.
Ich war zeitig vor Ort, wurde von der Polizei einer strengen Leibesvisitation unterzogen. Sogar mein Kugelschreiber wurde auseinandergeschraubt – es hätte ja eine Waffe sein können. Danach durfte ich in der Bank in der ersten Reihe Platz nehmen, wo die anderen Journalisten saßen.
Einige der Kollegen fragten, für welches Medium ich schriebe. Ich erzählte nichts von meinem Job in der Raketenheftchenserie, sondern plauderte von »freier Mitarbeit für diverse Zeitschriften«, was so falsch ja nicht war. Jeder nahm mich als »neutralen« Schreiberling wahr.
Die anwesenden Neonazis standen und saßen als Pulk zusammen; jeder von ihnen sah aus, als hätte er sein Outfit aus dem Bilderbuch für Nazi-Skinheads gesaugt. Sie starrten die Pressevertreter an, als wollten sie uns an die Gurgel gehen. Die paar »Zivilisten« im Gerichtssaal felen kaum ins Gewicht, einige Leute aus der »linken Szene« saßen ebenfalls da.
Im Prozess selbst ging es unter anderem um den Vorwurf der »Wiederbetätigung«. Der Angeklagte, ein junger Mann aus der Region, hatte eine Gruppierung aufgebaut, die sich offenbar dem nationalsozialistischen Gedankengut verschrieben hatte und dieses entsprechend propagierte. Gewalttaten und Propagandadelikte wurden ihm vorgehalten.
Aus diversen Gesprächem mit einigen Leuten, die ich im Vorfeld geführt hatte, wusste ich mehr über ihn und sein Leben, als während des Prozesses bekannt wurde: Punkrocker und Hooligan, aktiver Autonomer und Neonazi, schwuler Aktivist und harmloser Fußballfan – in den Jahren zuvor hatte er diverse Wandlungen hinter sich gebracht.
Der Prozess war trotzdem spannend; das Gericht hatte sich gut vorbereitet. In den Pausen stellte ich mich zu den Kollegen und diskutierte mit den anderen Journalisten über den Prozessverlauf. Sie hatten zumeist wenig Ahnung von den politischen Hintergründen und waren teilweise völlig baff darüber, dass es in unserer Gegend überhaupt Neonazis gäbe.
Später stellte ich mich unauffällig – ich wirkte seriös und trug meine Schreibmappe unter dem Arm – in die Nähe der Neonazis. Die standen als Gruppe zusammen und unterhielten sich leise, warfen immer wieder Blicke zu den »Linken« hinüber, die ebenfalls eine Gruppe bildeten. Ich wollte ein wenig mithören, was sie sagten; vielleicht war das für weitere Recherchen interessant.
In dem Moment eilte eine von den »Linken« zu mir herüber. Ich kannte die Frau aus dem besetzten Haus, wo wir uns schon unterhalten hatten. Sie baute sich vor mir auf, ignorierte die Gruppe der Neonazis ebenso wie meine Versuche, sie mit Gesten oder Blicken zu stoppen.
»Wie siehst denn du heute aus?«, rief sie lauthals. »Heute mal gar nicht wie ein Punkrocker unterwegs, na? Keine Lederjacke?« Sie lachte schallend, hielt alles offenbar für einen großen Spaß, klopfte mir aufmunternd auf die Schultern und wollte mich in ein Gespräch verwickeln.
Meine »Tarnung« war futsch; danach wussten die Neonazis, wer ich war. Den Prozess bekam ich trotzdem gut hinter mich, mein Protokoll des Prozesses stellte ich hinterher auch der Antifa zur Verfügung. Als »neutraler Beobachter« war ich danach aber nicht mehr zu gebrauchen.
09 Februar 2017
Gebloggt aus Singapur
Es ist jetzt genau zehn Jahre her, seit ich das letzte Mal in Singapur weilte. Ein Grund damals war, dass ich die Stadt so beeindruckend finde. Der andere war, dass ich einen Roman schreiben wollte, der zur Hälfte in Singapur spielt. Dass daraus nichts wurde, ist eine andere Geschichte ...
Heute will ich mal in die Vergangenheit blicken. Was hat micih »damals« interessiert, welche Themen waren mir in Singapur wichtig? Da ist es schon interessant, den eigenen Blog gewissermaßen wie eine Zeitmaschine zu nutzen.
Über »Piercing auf Indisch« schrieb ich am 1. Februar. Ich schaute mir das Thaipusam-Fest an, vor allem den entsprechenden Straßenumzug, und war einigermaßen verblüfft von dem, was ich sah: unzählige Hakenkreuze in allen möglichen Farben beispielsweise, aber auch Menschen, die sich allerlei Stangen und Nadeln durch Haut und Fleisch steckten.
Den Gegensatz dazu beschrieb ich in »Krieg der Fantasy-Welten«. Ich saß in einem Cyber-Café zwischen jungen Chinesen, die sich via Internet eine erbitterte Schlacht lieferten. Smartphones und drahtlose Computer waren vor zehn Jahren noch nicht so weit verbreitet, wie man in der Erinnerung denken könnte.
Am 3. Februar schrieb ich über »Neujahrsfeiern mit viel Orange«. Wen das wundert, dem sei gesagt, dass sich Chinesen nicht unbedingt an den christlichen Jahresablauf halten. Ich fand die Stimmung faszinierend.
Da ich am 6. Februar ein wenig nach Indonesien fuhr, entstand unter anderem der Text »Wie ein Paradies zu verschwinden droht«. Die unberührt wirkende Landschaft, durch die ich vor zehn Jahren wanderte, ist heute teilweise einem riesigen Golfplatz gewichen.
Augenzwinkernd ist mein Artikel vom 7. Februar überschrieben. Ich versuchte ein Durian-Eis und schrieb in »Durian? Dann doch lieber nicht« darüber. Ein Dosenbier-Eis wäre doch eher nach meinem Geschmack gewesen ...
Und am 9. Februar? Da siedelte ich im malaysischen Viertel der Stadt und schrieb über »Moslem-Mädels, Moslem-Jungs«; das meinte ich damals aber komplett positiv. Schaut man sich heute nur die Überschrift an, klingt's glatt nach Pegida.
Heute will ich mal in die Vergangenheit blicken. Was hat micih »damals« interessiert, welche Themen waren mir in Singapur wichtig? Da ist es schon interessant, den eigenen Blog gewissermaßen wie eine Zeitmaschine zu nutzen.
Über »Piercing auf Indisch« schrieb ich am 1. Februar. Ich schaute mir das Thaipusam-Fest an, vor allem den entsprechenden Straßenumzug, und war einigermaßen verblüfft von dem, was ich sah: unzählige Hakenkreuze in allen möglichen Farben beispielsweise, aber auch Menschen, die sich allerlei Stangen und Nadeln durch Haut und Fleisch steckten.
Den Gegensatz dazu beschrieb ich in »Krieg der Fantasy-Welten«. Ich saß in einem Cyber-Café zwischen jungen Chinesen, die sich via Internet eine erbitterte Schlacht lieferten. Smartphones und drahtlose Computer waren vor zehn Jahren noch nicht so weit verbreitet, wie man in der Erinnerung denken könnte.
Am 3. Februar schrieb ich über »Neujahrsfeiern mit viel Orange«. Wen das wundert, dem sei gesagt, dass sich Chinesen nicht unbedingt an den christlichen Jahresablauf halten. Ich fand die Stimmung faszinierend.
Da ich am 6. Februar ein wenig nach Indonesien fuhr, entstand unter anderem der Text »Wie ein Paradies zu verschwinden droht«. Die unberührt wirkende Landschaft, durch die ich vor zehn Jahren wanderte, ist heute teilweise einem riesigen Golfplatz gewichen.
Augenzwinkernd ist mein Artikel vom 7. Februar überschrieben. Ich versuchte ein Durian-Eis und schrieb in »Durian? Dann doch lieber nicht« darüber. Ein Dosenbier-Eis wäre doch eher nach meinem Geschmack gewesen ...
Und am 9. Februar? Da siedelte ich im malaysischen Viertel der Stadt und schrieb über »Moslem-Mädels, Moslem-Jungs«; das meinte ich damals aber komplett positiv. Schaut man sich heute nur die Überschrift an, klingt's glatt nach Pegida.
08 Februar 2017
Trips in die Vergangenheit und in den Wahnsinn
Zu den klassischen Krimi-Comics, die ich sehr gern lese, zählt »Jessica Blandy«. Die gelungene Gesamtausgabe der Reihe erscheint im Verlag Schreiber & Leser; mittlerweile wurden sieben Bände veröffentlicht.
Ich hinke dieser Ausgabe hinterher, kam erst dieser Tage dazu, den vierten Band zu lesen. Der Band enthält drei Geschichten, die erstmals Mitte der 90er-Jahre in den Handel kamen und sich durch einen melancholischen Grundton auszeichnen.
Zum Inhalt: Jessica Blandy ist eine Schriftstellerin, die immer wieder in Kriminalfälle verwickelt wird und die auch Kontakte zur Unterwelt hat. Das sieht man schon bei »Trouble in Paradise«, der ersten Geschichte. Nach vielen Jahren kehrt sie in die Stadt zurück, in der sie aufgewachsen ist. Sie besucht ihren Vater, den sie seitdem nicht mehr gesehen hat, und wird sofort mit Mord und Totschlag konfrontiert.
In »Kimberley Lattua« geht's um einen fiesen Serienkiller, während die Heldin bei »Brief an Jessica« wieder einmal einen Kontakt aus ihrer Vergangenheit trifft. Ganz nebenbei wird sie dabei noch in den Krieg zweier Banden verwickelt, in dem reihenweise Leute sterben.
Die Texte von Jean Dufaux heben die Geschichte weit aus dem »normalen« Comic-Umfeld heraus. Der Autor schreibt realistisch, er packt eine sanfte Prise Erotik in die Geschichten hinein und spart nicht an klaren Schilderungen. Dagegen sind die Zeichnungen von Renaud häufig schlicht: sauber und akkurat selbstverständlich, aber nicht herausragend und der Story untergeordnet.
Auch dieser vierte Band von »Jessica Blandy« hat mich gepackt. Wer Krimis mag, sollte diese Comics antesten – ich finde sie stark und hole mir auch die nächsten Bände!
Ich hinke dieser Ausgabe hinterher, kam erst dieser Tage dazu, den vierten Band zu lesen. Der Band enthält drei Geschichten, die erstmals Mitte der 90er-Jahre in den Handel kamen und sich durch einen melancholischen Grundton auszeichnen.
In »Kimberley Lattua« geht's um einen fiesen Serienkiller, während die Heldin bei »Brief an Jessica« wieder einmal einen Kontakt aus ihrer Vergangenheit trifft. Ganz nebenbei wird sie dabei noch in den Krieg zweier Banden verwickelt, in dem reihenweise Leute sterben.
Die Texte von Jean Dufaux heben die Geschichte weit aus dem »normalen« Comic-Umfeld heraus. Der Autor schreibt realistisch, er packt eine sanfte Prise Erotik in die Geschichten hinein und spart nicht an klaren Schilderungen. Dagegen sind die Zeichnungen von Renaud häufig schlicht: sauber und akkurat selbstverständlich, aber nicht herausragend und der Story untergeordnet.
Auch dieser vierte Band von »Jessica Blandy« hat mich gepackt. Wer Krimis mag, sollte diese Comics antesten – ich finde sie stark und hole mir auch die nächsten Bände!
07 Februar 2017
Der aktuelle Zynismus
Es herrscht Wahlkampf in Deutschland, wie immer eigentlich. Die Politiker, die noch in Amt und Würden stehen, haben verständlicherweise Angst, ihren gut dotierten Job zu verlieren. Also ringen sie um Macht und Einfluss.
Es gäbe genug zu tun in diesem Land: Die Schulen verrotten, die Straßen sind in einem erbarmungswürdigen Zustand, die Eisenbahn bräuchte dringend eine Frischzellenkur, und auch die Krankenhäuser waren schon mal besser ausgestattet. Von Umweltschutz und Bankenproblemen ganz zu schweigen, die Europäische Union wird sowieso eher nebenbei behandelt.
Das sind alles keine offenbar Probleme für unsere Politiker. Das einzige, was sie in diesen Tagen zu beschäftigen scheint, sind Migranten. Menschen, die in ihrer Not versuchen, nach Europa zu gelangen, sind anscheinend das wichtigste Problem.
Man macht sich lauthals Gedanken über Obergrenzen, redet von Abschiebungen nach Afghanistan und Libyen. Wie es in Afghanistan zugeht, weiß jeder, der ab und zu mal Nachrichten guckt oder Zeitungen liest. Und die Zustände in den Internierungslagern in Nordafrika, in denen Folter und Vergewaltigung zum Normalzustand gehören, sollten mittlerweile sogar den Politikern bekannt sein.
Aber das ist zweitrangig. Man hat offenbar Angst vor der AfD, man hat Angst vor dem Wähler. Also redet man in zynischer Weise über das Schicksal von Menschen, als hätte man es mit Containern oder Leergut zu tun, nicht mit Menschen aus Fleisch und Blut.
Wenn die AfD und andere Menschen ihres Spektrums so widerwärtig daher reden, überrascht mich das nicht – wenn neuerdings Politiker von SPD, Grünen oder Linkspartei in diesen Chor einstimmen, schüttelt es mich vor Entsetzen. Muss man so reden, muss man so denken, muss man wirklich so zynisch sein?
Mir ist klar, dass Europa nicht alle Menschen aufnehmen kann, die hier gern wohnen würden. Es ist durchaus auch Aufgabe von Politikern, sich über Grenzen und Migrationen ihre Gedanken zu machen. Da sollen die Damen und Herren bitteschön ihre unterschiedlichen Ansichten haben und diese artikulieren. Aber geht das nicht eine Spur weniger menschenverachtend?
Und gibt es eigentlich sonst keine Probleme in diesem Land? Wäre es nicht sinnvoller, für eine Zukunft zu streiten, die lebenswert ist? Über Wege, wie man in den nächsten zehn oder zwanzig Jahren vorankommen will?
Schon klar, solche Gedankengänge sind etwas für Träumer und nicht für Technokraten. Ich bin ja schon ruhig – aber »die Politik« darf sich halt nicht wundern, wenn »der Wähler« keinen Bock hat, irgendwo sein Kreuzlein zu machen.
Es gäbe genug zu tun in diesem Land: Die Schulen verrotten, die Straßen sind in einem erbarmungswürdigen Zustand, die Eisenbahn bräuchte dringend eine Frischzellenkur, und auch die Krankenhäuser waren schon mal besser ausgestattet. Von Umweltschutz und Bankenproblemen ganz zu schweigen, die Europäische Union wird sowieso eher nebenbei behandelt.
Das sind alles keine offenbar Probleme für unsere Politiker. Das einzige, was sie in diesen Tagen zu beschäftigen scheint, sind Migranten. Menschen, die in ihrer Not versuchen, nach Europa zu gelangen, sind anscheinend das wichtigste Problem.
Man macht sich lauthals Gedanken über Obergrenzen, redet von Abschiebungen nach Afghanistan und Libyen. Wie es in Afghanistan zugeht, weiß jeder, der ab und zu mal Nachrichten guckt oder Zeitungen liest. Und die Zustände in den Internierungslagern in Nordafrika, in denen Folter und Vergewaltigung zum Normalzustand gehören, sollten mittlerweile sogar den Politikern bekannt sein.
Aber das ist zweitrangig. Man hat offenbar Angst vor der AfD, man hat Angst vor dem Wähler. Also redet man in zynischer Weise über das Schicksal von Menschen, als hätte man es mit Containern oder Leergut zu tun, nicht mit Menschen aus Fleisch und Blut.
Wenn die AfD und andere Menschen ihres Spektrums so widerwärtig daher reden, überrascht mich das nicht – wenn neuerdings Politiker von SPD, Grünen oder Linkspartei in diesen Chor einstimmen, schüttelt es mich vor Entsetzen. Muss man so reden, muss man so denken, muss man wirklich so zynisch sein?
Mir ist klar, dass Europa nicht alle Menschen aufnehmen kann, die hier gern wohnen würden. Es ist durchaus auch Aufgabe von Politikern, sich über Grenzen und Migrationen ihre Gedanken zu machen. Da sollen die Damen und Herren bitteschön ihre unterschiedlichen Ansichten haben und diese artikulieren. Aber geht das nicht eine Spur weniger menschenverachtend?
Und gibt es eigentlich sonst keine Probleme in diesem Land? Wäre es nicht sinnvoller, für eine Zukunft zu streiten, die lebenswert ist? Über Wege, wie man in den nächsten zehn oder zwanzig Jahren vorankommen will?
Schon klar, solche Gedankengänge sind etwas für Träumer und nicht für Technokraten. Ich bin ja schon ruhig – aber »die Politik« darf sich halt nicht wundern, wenn »der Wähler« keinen Bock hat, irgendwo sein Kreuzlein zu machen.
06 Februar 2017
Im Kaffeehaus am Marktplatz
Relativ spontan entschieden wir uns, im Kaffeehaus Böckeler zu frühstücken. »Mal wieder so ein richtig gemütliches Oma-Café«, so unsere Begründung. Als ich das letzte Mal in diesem Kaffeehaus gesessen war, schrieben wir noch die 90er-Jahre, und meine Mutter war völlig begeistert: Altersmäßig passte sie damals mit ihren 69 Jahren hervorragend zur Einrichtung.
Aus meiner Sicht hatte sich an der Optik des Cafés nicht viel geändert. Kleine Tische, kleine Stühle, eine Treppe, die nach oben führte. Wir ergatterten einen Platz am Fenster, von dem aus wir einen herrlichen Blick auf die Baustelle des Marktplatzes hatten und die Menschen bewundern konnten, die im Nieselregen vorbeihuschten.
Der Service war nett und aufmerksam, das bestellte Frühstück und die Getränke kamen zackig, und alles schmeckte ordentlich. Wir speisten und tranken, redeten nicht so viel, schauten ab und zu zum Fenster hinaus und genossen das Gewirr aus Stimmen, Gläserklirren und Besteckklappern. Es war wie im Urlaub; eigentlich fehlte nur der direkte Zugang zum Strand.
An einem Nachbartisch saß eine junge Frau mit ihrem Begleiter, die Hose modisch über den Knien zerrissen, eine schmucke Lederjacke am Leib. Sie schmierte ihr Brötchen, dann biss sie hinein, und während sie hineinbiss, wischte sie über die Oberfläche ihres Smartphones, Während sie kaute, tippte sie hektisch.
Es ging so weiter. Keine fünf Sekunden am Stück war das Smartphone unbenutzt. Die junge Frau trank und tippte; sie löffelte ihr Ei und wischte über das Display; sie wischte mit der Serviette den Mund ab und las währenddessen etwas, die Stirn gerunzelt und den Blick konzentriert auf das Display gerichtet.
Einerseits bewunderte ich diese moderne Art des Multitasking – ich wäre bei all diesen Unternehmungen kläglich gescheitert –, andererseits fragte ich mich, warum sie einen Mann mitgebracht hatte, den sie zwar ab und zu mal anlächelte, der aber nur einen Buchteil ihrer Aufmerksamkeit erhielt. Vor allem aber kam ich mir unglaublich altmodisch und spießig vor ...
Aus meiner Sicht hatte sich an der Optik des Cafés nicht viel geändert. Kleine Tische, kleine Stühle, eine Treppe, die nach oben führte. Wir ergatterten einen Platz am Fenster, von dem aus wir einen herrlichen Blick auf die Baustelle des Marktplatzes hatten und die Menschen bewundern konnten, die im Nieselregen vorbeihuschten.
Der Service war nett und aufmerksam, das bestellte Frühstück und die Getränke kamen zackig, und alles schmeckte ordentlich. Wir speisten und tranken, redeten nicht so viel, schauten ab und zu zum Fenster hinaus und genossen das Gewirr aus Stimmen, Gläserklirren und Besteckklappern. Es war wie im Urlaub; eigentlich fehlte nur der direkte Zugang zum Strand.
An einem Nachbartisch saß eine junge Frau mit ihrem Begleiter, die Hose modisch über den Knien zerrissen, eine schmucke Lederjacke am Leib. Sie schmierte ihr Brötchen, dann biss sie hinein, und während sie hineinbiss, wischte sie über die Oberfläche ihres Smartphones, Während sie kaute, tippte sie hektisch.
Es ging so weiter. Keine fünf Sekunden am Stück war das Smartphone unbenutzt. Die junge Frau trank und tippte; sie löffelte ihr Ei und wischte über das Display; sie wischte mit der Serviette den Mund ab und las währenddessen etwas, die Stirn gerunzelt und den Blick konzentriert auf das Display gerichtet.
Einerseits bewunderte ich diese moderne Art des Multitasking – ich wäre bei all diesen Unternehmungen kläglich gescheitert –, andererseits fragte ich mich, warum sie einen Mann mitgebracht hatte, den sie zwar ab und zu mal anlächelte, der aber nur einen Buchteil ihrer Aufmerksamkeit erhielt. Vor allem aber kam ich mir unglaublich altmodisch und spießig vor ...
05 Februar 2017
Authentische Literatur?
»Wieviel von Ihren Geschichten ist denn authentisch?« Das ist eine Frage, die immer wieder gestellt wird, wenn die Rede auf mein Buch »Für immer Punk?« kommt. Für viele Leute ist offenbar klar, dass alles, was auf den Seiten dieser Kurzgeschichtensammlung auftaucht, im Großen und Ganzen wirklich so passiert ist, dass es sich um »wahre Geschichten« handelt, die ich einfach nur ausgewalzt habe.
Am Beispiel der Kurzgeschichte »Der King vom Ziegeltal« möchte ich darstellen, wieviel echt wahr ist. In der Story geht es um einen Jugendlichen namens »Dobbs«, der auf einem Dorffest im sogenannten Ziegeltal zusammengeschlagen wird. Bei diesem Dorffest gibt es auch einen Haufen von Jungmännern, die irgendwann – aufgestachelt von einer Volksmusik-Kapelle – lauthals »Sieg Heil!« skandieren.
Und die Geschichte geht so los: »Woher Dobbs seinen Spitznamen hatte, wusste niemand. Weder zu seinem Vor- noch zu seinem Familienamen gab es eine Beziehung. Jeder nannte ihn Dobbs, wahrscheinlich nach einer Nebenfigur aus einer Fernsehserie, aber er selbst hätte sich viel lieber ›King‹ nennen lassen.«
Soweit der Anfang, soviel zu Dobbs. In der Geschichte beschreibe ich ihn entsprechend weiter: »Er wirkte bereits angetrunken, sein rundes Gesicht glänzte unter der schlecht gebauten Tolle im Licht der Festbeleuchtung, die Lederjacke umspannte den Bauch, als müsste sie eine Presswurst bändigen.«
Es gab einen Menschen, auf den die Beschreibung passt. Aber weder hieß er Dobbs, noch wurde er in meinem Beisein auf einem Dorffest zusammengeschlagen. Solche Feste hatten oft Schlägereien zur Folge, und ich lief dort gelegentlich in eine Faust hinein – von daher geschahen solche Episoden immer wieder.
Es gab das Ziegeltal und seine Feste, und ich erlebte einmal wirklich einen Abend mit Volksmusikkapelle und frenetisch »Sieg Heil!« brüllendem Publikum. Aber das war nicht zu Beginn der 80er-Jahre, sondern an ihrem Ende.
Die von mir geschilderte Optik ist eher realistisch; ich sah nicht sonderlich »punkig« aus: »zu meiner Frisur, zu meiner zerrissenen Hose, der dünnen Jacke und den kaputten Turnschuhen. Ich wusste, dass ich anders aussah als die anderen, und das war teilweise absolut beabsichtigt.« Das ist immerhin ein wenig authentisch.
Die Geschichte ist typisch für das ganze Buch. Deshalb handelt es sich um keine Dokumentation über den »frühen Punkrock«, sondern um eine Aneinanderreihung von Kurzgeschichten. Es ist also – tätä! – tatsächlich Literatur. Journalismus wäre etwas völlig anderes ...
Am Beispiel der Kurzgeschichte »Der King vom Ziegeltal« möchte ich darstellen, wieviel echt wahr ist. In der Story geht es um einen Jugendlichen namens »Dobbs«, der auf einem Dorffest im sogenannten Ziegeltal zusammengeschlagen wird. Bei diesem Dorffest gibt es auch einen Haufen von Jungmännern, die irgendwann – aufgestachelt von einer Volksmusik-Kapelle – lauthals »Sieg Heil!« skandieren.
Und die Geschichte geht so los: »Woher Dobbs seinen Spitznamen hatte, wusste niemand. Weder zu seinem Vor- noch zu seinem Familienamen gab es eine Beziehung. Jeder nannte ihn Dobbs, wahrscheinlich nach einer Nebenfigur aus einer Fernsehserie, aber er selbst hätte sich viel lieber ›King‹ nennen lassen.«
Soweit der Anfang, soviel zu Dobbs. In der Geschichte beschreibe ich ihn entsprechend weiter: »Er wirkte bereits angetrunken, sein rundes Gesicht glänzte unter der schlecht gebauten Tolle im Licht der Festbeleuchtung, die Lederjacke umspannte den Bauch, als müsste sie eine Presswurst bändigen.«
Es gab einen Menschen, auf den die Beschreibung passt. Aber weder hieß er Dobbs, noch wurde er in meinem Beisein auf einem Dorffest zusammengeschlagen. Solche Feste hatten oft Schlägereien zur Folge, und ich lief dort gelegentlich in eine Faust hinein – von daher geschahen solche Episoden immer wieder.
Es gab das Ziegeltal und seine Feste, und ich erlebte einmal wirklich einen Abend mit Volksmusikkapelle und frenetisch »Sieg Heil!« brüllendem Publikum. Aber das war nicht zu Beginn der 80er-Jahre, sondern an ihrem Ende.
Die von mir geschilderte Optik ist eher realistisch; ich sah nicht sonderlich »punkig« aus: »zu meiner Frisur, zu meiner zerrissenen Hose, der dünnen Jacke und den kaputten Turnschuhen. Ich wusste, dass ich anders aussah als die anderen, und das war teilweise absolut beabsichtigt.« Das ist immerhin ein wenig authentisch.
Die Geschichte ist typisch für das ganze Buch. Deshalb handelt es sich um keine Dokumentation über den »frühen Punkrock«, sondern um eine Aneinanderreihung von Kurzgeschichten. Es ist also – tätä! – tatsächlich Literatur. Journalismus wäre etwas völlig anderes ...
04 Februar 2017
Streit im Kinderbecken
Das chlorierte Wasser juckte in meinen Augen, ich begann zu weinen. Doch der Junge, der mir gegenüber stand, spritzte mir weiter ins Gesicht. Wir standen im Nichtschwimmerbecken des Freibades von Glatten, es war knalleheiß, und wir schrieben die späten 60er-Jahre.
Der Junge hörte nicht auf, ich weinte weiter, also lief ich weg. Ich kletterte aus dem Becken und eilte zu meinem Vater, der auf der Parkbank dahinter saß und sich die Szene anschaute »Hilf mir!«, bat ich.
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Wer Streit anfängt, muss ihn auch zu Ende bringen.« Er wies auf das Becken. »Da – geh wieder rein!«
Er hatte recht. Ich hatte den anderen Jungen zuerst angegriffen, weil ich gedacht hatte, dass mir mein Papa im Hintergrund schon helfen würde. Aber das tat er nicht. Weinend ging ich zurück in das Becken und ließ mich weiter vollspritzen.
Als der andere Junge mich untertauchen wollte, stand mein Vater auf einmal neben mir. Er zerrte uns zwei auseinander, dann blickte er zu dem Bademeister, der offenbar schon seit einiger Zeit zuschaute, und nickte ihm zu. Der andere Mann nickte zurück; wahrscheinlich kannten sie sich.
Mein Vater kannte überallher irgendwelche Männer, entweder aus dem Krieg, aus der Gefangenschaft oder von der Kirche her. Und er war stur. Ich fing nie wieder Streit im Schwimmbad an, ob er dabei war oder nicht.
Der Junge hörte nicht auf, ich weinte weiter, also lief ich weg. Ich kletterte aus dem Becken und eilte zu meinem Vater, der auf der Parkbank dahinter saß und sich die Szene anschaute »Hilf mir!«, bat ich.
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Wer Streit anfängt, muss ihn auch zu Ende bringen.« Er wies auf das Becken. »Da – geh wieder rein!«
Er hatte recht. Ich hatte den anderen Jungen zuerst angegriffen, weil ich gedacht hatte, dass mir mein Papa im Hintergrund schon helfen würde. Aber das tat er nicht. Weinend ging ich zurück in das Becken und ließ mich weiter vollspritzen.
Als der andere Junge mich untertauchen wollte, stand mein Vater auf einmal neben mir. Er zerrte uns zwei auseinander, dann blickte er zu dem Bademeister, der offenbar schon seit einiger Zeit zuschaute, und nickte ihm zu. Der andere Mann nickte zurück; wahrscheinlich kannten sie sich.
Mein Vater kannte überallher irgendwelche Männer, entweder aus dem Krieg, aus der Gefangenschaft oder von der Kirche her. Und er war stur. Ich fing nie wieder Streit im Schwimmbad an, ob er dabei war oder nicht.
03 Februar 2017
Im Wartezimmer
Ich fühlte mich richtig beschissen, als ich mich in den Stuhl absinken ließ; dabei stützte ich mich vorsichtig auf den Lehnen ab. Mein Rücken schmerzte; mir war's am frühen Morgen »reingefahren«. Jede Bewegung tat weh, ich kam mir vor wie ein Häufchen Elend.
Immerhin hatte man in der Gemeinschaftspraxis einen raschen Temin für mich gefunden. Ich war hergefahren worden, dort hatte ich mich angemeldet und durfte mich hinsetzen. Meine Versuche, den eigentlich richtig guten Science-Fiction-Roman »Lagune« zu lesen, scheiterten weitestgehend. Es tat schon weh, das Buch zu halten.
»Herr Frick!«, ertönte eine befehlsgewohnte Stimme. Sie kam aus Richtung der Röntgenabteilung. Dort wollte man meine Wirbelsäule röntgen, um herauszufinden, ob es vielleicht einen »ernsthaften« Schaden gab.
Ich gab ein leises »Ja« zurück und versuchte, mein Buch schnell wegzupacken und aufzustehen. Mühsam stemmte ich mich hoch, unterdrückte ein lautes Gejaule; das wäre mir jetzt doch zu erbärmlich gewesen.
»Herr Frihiiick!«, ertönte die Stimme erneut, mit dem Unterton eines Feldwebels und der gnadenlosen Strenge einer Oberlehrerin.
»Ja!«, rief ich zurück. Das ging jetzt, weil ich stand, wenngleich nur verkrümmt, das Buch und meine Tasche in den Händen. »Ich komme ja schon. Könnte ich rennen, wäre ich ja wohl kaum hier.«
Immerhin erntete ich damit verhaltenes Gelächter im vollen Wartezimmer, während ich an den anderen Leuten vorbeischlich. Wenn ich noch blöde Witze machen kann, dachte ich, dürfte es nicht so schlimm sein.
Immerhin hatte man in der Gemeinschaftspraxis einen raschen Temin für mich gefunden. Ich war hergefahren worden, dort hatte ich mich angemeldet und durfte mich hinsetzen. Meine Versuche, den eigentlich richtig guten Science-Fiction-Roman »Lagune« zu lesen, scheiterten weitestgehend. Es tat schon weh, das Buch zu halten.
»Herr Frick!«, ertönte eine befehlsgewohnte Stimme. Sie kam aus Richtung der Röntgenabteilung. Dort wollte man meine Wirbelsäule röntgen, um herauszufinden, ob es vielleicht einen »ernsthaften« Schaden gab.
Ich gab ein leises »Ja« zurück und versuchte, mein Buch schnell wegzupacken und aufzustehen. Mühsam stemmte ich mich hoch, unterdrückte ein lautes Gejaule; das wäre mir jetzt doch zu erbärmlich gewesen.
»Herr Frihiiick!«, ertönte die Stimme erneut, mit dem Unterton eines Feldwebels und der gnadenlosen Strenge einer Oberlehrerin.
»Ja!«, rief ich zurück. Das ging jetzt, weil ich stand, wenngleich nur verkrümmt, das Buch und meine Tasche in den Händen. »Ich komme ja schon. Könnte ich rennen, wäre ich ja wohl kaum hier.«
Immerhin erntete ich damit verhaltenes Gelächter im vollen Wartezimmer, während ich an den anderen Leuten vorbeischlich. Wenn ich noch blöde Witze machen kann, dachte ich, dürfte es nicht so schlimm sein.
01 Februar 2017
Dreißig Jahre Kassierer
Ich kann nicht sagen, wie oft ich Die Kassierer live gesehen habe. Es war stets ein Erlebnis, irgendwo zwischen klassischem Punk und schrägem Musik-Kabarett. Gelegentlich hatte ich die Gelegenheit, mit dem Sänger und den Musikern zu sprechen – sie erwiesen sich stets als kluge Menschen, die sich auf der Bühne eben in »etwas anderes« verwandelten.
Es gibt Leute, die können mit den Kassierern nichts anfangen. Das ist angesichts mancher Texte durchaus nachvollziehbar. Die Band kämpft seit Jahren mit dem Ruf, sexistisch zu sein oder eben nur Lieder über Sex zu singen. Dieses Image ist gewollt, manche Texte sind zudem recht daneben oder zumindest grenzwertig. Allen aber ist gemein, dass sie – wenngleich sie auf den ersten Blick sexistisch klingen mögen – so überzogen und überdreht sind, dass man sie nicht ernst nehmen kann.
Wer das alles nur vom Hörensagen kennt, hat jetzt eine gute Gelegenheit, die Band kennenzulernen. Bei Teenage Rebel Records ist eine Platte mit dem schönen Titel »haptisch« erschienen. Der Untertitel macht es klarer: »ihre besten Aufnahmen aus 30 Jahren«; zudem sind alle neu gemastert. Insgesamt sind 31 Stücke enthalten, die eine sehr bunte Mischung aus Texten und Musik ergeben.
Damit ist die Platte auch schon gut umschrieben. Die Band wird hervorragend präsentiert, da gibt es nichts zu meckern.
Musikalisch gibt es nicht nur rumpeligen Punkrock; nein, die Band spielt auch mal mit Funk (in »Vegane Pampe«), erlaubt sich Ausflüge in den Swing (in »Mit nem Zeppelin ins Jenseits«) oder plündert gnadenlos Volksmusik-Arsenale. Stilistische Grenzen gibt es für diese Band keine, und man schreckt vor keinem Ausflug in irrwitzige Gefilde zurück.
Und textlich? Klar geht es oft um Geschlechtsteile und wie man sie benutzt, oftmals gibt es Zoten, etwa in der »Stinkmösenpolka«. Wer das blöd oder sexistisch findet, ist hier sofort raus. Das muss ich auch klar akzeptieren. Dass die Kassierer andere Texte haben und beispielsweise durch ihre Interpretation von Georg-Kreisler-Stücken zeigen, dass sie auch »anders« können, wird oftmals ignoriert.
Seien wir ehrlich: Die Platte ist für viele Leute nichts. Wer eine erstaunliche Punk-Band kennenlernen möchte, sollte hier unbedingt zugreifen. Die Kassierer sind außergewöhnlich und nicht jedermanns Geschmack. Aber das wollen sie ja auch nicht sein.
Es gibt Leute, die können mit den Kassierern nichts anfangen. Das ist angesichts mancher Texte durchaus nachvollziehbar. Die Band kämpft seit Jahren mit dem Ruf, sexistisch zu sein oder eben nur Lieder über Sex zu singen. Dieses Image ist gewollt, manche Texte sind zudem recht daneben oder zumindest grenzwertig. Allen aber ist gemein, dass sie – wenngleich sie auf den ersten Blick sexistisch klingen mögen – so überzogen und überdreht sind, dass man sie nicht ernst nehmen kann.
Wer das alles nur vom Hörensagen kennt, hat jetzt eine gute Gelegenheit, die Band kennenzulernen. Bei Teenage Rebel Records ist eine Platte mit dem schönen Titel »haptisch« erschienen. Der Untertitel macht es klarer: »ihre besten Aufnahmen aus 30 Jahren«; zudem sind alle neu gemastert. Insgesamt sind 31 Stücke enthalten, die eine sehr bunte Mischung aus Texten und Musik ergeben.
Damit ist die Platte auch schon gut umschrieben. Die Band wird hervorragend präsentiert, da gibt es nichts zu meckern.
Musikalisch gibt es nicht nur rumpeligen Punkrock; nein, die Band spielt auch mal mit Funk (in »Vegane Pampe«), erlaubt sich Ausflüge in den Swing (in »Mit nem Zeppelin ins Jenseits«) oder plündert gnadenlos Volksmusik-Arsenale. Stilistische Grenzen gibt es für diese Band keine, und man schreckt vor keinem Ausflug in irrwitzige Gefilde zurück.
Und textlich? Klar geht es oft um Geschlechtsteile und wie man sie benutzt, oftmals gibt es Zoten, etwa in der »Stinkmösenpolka«. Wer das blöd oder sexistisch findet, ist hier sofort raus. Das muss ich auch klar akzeptieren. Dass die Kassierer andere Texte haben und beispielsweise durch ihre Interpretation von Georg-Kreisler-Stücken zeigen, dass sie auch »anders« können, wird oftmals ignoriert.
Seien wir ehrlich: Die Platte ist für viele Leute nichts. Wer eine erstaunliche Punk-Band kennenlernen möchte, sollte hier unbedingt zugreifen. Die Kassierer sind außergewöhnlich und nicht jedermanns Geschmack. Aber das wollen sie ja auch nicht sein.
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