Es ist ein Szenario, wie man es in den 80er-Jahren öfter gelesen hat: In einem unterirdischen Bunker erwachen einige Menschen. Schnell wird ihnen klar: Nach einem fürchterlichen Krieg ist die Menschheit so gut wie ausgestorben. Einigen Überlebenden gelang es, ins All zu flüchten, wo sie auf Raumstationen leben – über sie und ihr Schicksal erfährt man aber nichts.
Die Erwachenden erlangen ihre Erinnerung zurück. Sie verstehen, dass sie die Überlebenden des Krieges sind und sich mit neuen Realitäten arrangieren müssen. Doch einer von ihnen möchte den längst vergessenen Krieg bis zum Ende führen und die Gegner von damals ausschalten …
Geht man von der eigentlichen Idee aus, ist der Roman nicht außergewöhnlich. Herbert W. Franke verarbeitet einige der Themen, die in der ersten Hälfte der 80er-Jahre typisch waren. Man hatte Angst vor dem alles vernichtenden Atomkrieg – also schrieben die Science-Fiction-Autoren entsprechende Romane. Man hatte Angst vor der drohenden Umweltkatastrophe – Stichworte Waldsterben und Ozonloch –, und prompt gab es entsprechende Science-Fiction-Geschichten unterschiedlichster Qualität.
Doch Franke ging einen anderen Weg. Sein Ziel war nicht, eine Welt nach dem Krieg zu zeigen. Er wollte offensichtlich darstellen, wie Menschen an einer Idee festhalten können, die schon zu ihrer aktiven Zeit nicht mehr glaubhaft war. Seine Hauptfiguren sind keine Helden, auch wenn sie im Krieg bis zum bitteren Ende für »ihre Seite« eingetreten sind. Sie haben keine Lust darauf, einen Krieg aufleben zu lassen, sondern wollen ein neues Leben beginnen – aber sie steuern trotzdem auf eine Katastrophe zu.
Stilistisch ist das nicht immer einfach zu lesen. Franke verzichtet im ersten Drittel darauf, die Handlung mit Action anzureichern oder sonstwie spannend zu gestalten. Er schildert die Ängste und Nöten seiner Hauptfiguren, er lässt sie an ihre Vergangenheit denken und sich in ihr verlieren. Die Handlung gewinnt ab dem Moment an Dynamik, als die Gruppe von Menschen damit beginnt, unter Druck in die Tiefen der Bunker hinabzusteigen, um dort die vernichtenden Waffen zu finden. Ein Action-Roman wird »Die Kälte des Weltraums« allerdings nie, der Roman bleibt streckenweise sperrig.
Franke wollte mit seinem Werk nicht die übliche Geschichte vom Leben nach dem Atomkrieg schreiben. Ihm ging es darum, Gewaltherrschaft und Fanatismus zu zeigen. In seinem ausführlichen Nachwort geht der Literaturprofessor Hans Esselborn genauer darauf ein. Der Roman passt in seine Zeit – ein Jahrzehnt zuvor hätte man ihn wohl ebensowenig beachtet wie ein Jahrzehnt danach.
Tatsächlich ist »Die Kälte des Weltraums« ein Zeitdokument. Er ist in den 80er-Jahren verankert und spiegelt sie wider; in mancherlei Hinsicht passt er aber gut in unsere heutige Zeit, in der Kriegsängste und die Furcht vor einer Klimakatastrophe viele Diskussionen bestimmen. Ich finde den Roman deshalb immer noch lesenswert und fand ihn unterm Strich gelungen. Man muss sich im Vorfeld eben klarmachen, dass es sich dabei nicht um Spannungslektüre handelt.
Neu veröffentlicht wurde »Die Kälte des Weltraums« im kleinen Verlag p.machinery, wo eine Gesamtausgabe mit allen Werken von Herbert W. Franke erscheint. Die Paperback-Ausgabe umfasst 160 eng bedruckte Seiten und kostet 16,90 Euro. (Ich hatte mir die wunderschöne Hardcover-Ausgabe gekauft, aber diese ist leider beim Verlag vergriffen.
(Die Rezension erschien bereits im August auf der Internet-Seite der PERRY RHODAN-Serie und wird hier aus dokumentarischen Gründen veröffentlicht.)