30 April 2020

Werbung für Eternal Peace

Es mangelte zu Beginn der 80er-Jahre nicht an neuen Konzepten für Fanzines, an denen ich mich beteiligen konnte. Ich war 1979 gerade mal 16 Jahre alt geworden und stieß im selben Jahr mit voller Begeisterung auf eine Szene voller Clubs und Fanzines. Nachdem im Februar 1980 mein erstes eigenes Heft erschienen war, wurden meine Kontakte enger und vielseitiger.

Ich reagierte begeistert auf den Vorschlag, an einer fannischen Science-Fiction-Serie mitzumischen. Robert Goetzke sprach mich darauf an, ich willigte ein, fühlte mich geehrt und wartete dann auf die ersten Exposés. Im Sommer 1980 wurde die Werbung für »Eternal Peace« verschickt.

Man sparte nicht an stark klingenden Aussagen: »Die Geschichte einer Menschheit, die die Erde nicht kennt, aber von ihr stammt.« Wenn man sich das genau ansieht, merkt man schon, dass die Mitwirkenden alle von einer bestimmten Science-Fiction-Heftromanserie geprägt waren ... Immerhin sollte die »Gemeinschaftsarbeit vier junger Leute« viele neue Leser finden.

Im Oktober 1980 erschien immerhin eine erste Ausgabe, die sich in den Untiefen meiner Sammlung befindet; dann ging es wohl nicht weiter. Immerhin blieben zwei der vier Mitstreiter über längere Zeit an ihrem eigenen Projekt gebunden: Monika Herrmann und Robert Goetzke gehörten zu den Leuten, die das Fanzine »Capricorn« mit seinen verschiedenen Ablegern herausbrachten. Und dieses Fanzine mit all seinem »Drumherum« sollte dann mehrere Jahr auf einem guten Niveau existieren.

Vice Squad mit der Zweitsängerin

Ich habe die englische Band Vice Squad in ihrer klassischen Zeit nie gesehen; das werde ich auch nie nachholen können. Und natürlich besitze ich kaum eine der Platten in der Originalversion, was mich weniger stört. In den vergangenen Tagen hörte ich häufig die Platte »Shot Away«, die 1984 erstmals veröffentlicht und 2016 von Mad Butcher Records aus Göttingen neu aufgelegt wurde – diese Version habe ich mir gekauft.

Es handelt sich um die zweite Langspielplatte der Band; sie kam heraus, nachdem die ursprüngliche Sängerin die Band verlassen hatte. Daraufhin wurde die Band beim Kommerzlabel hinausgeworfen und veröffentlichte auf Anagram Records. Mit der Sängerin Lia konnte aber ein guter Ersatz für Beki Bondage gefunden werden, finde ich heute.

Die insgesamt elf Stücke sind teilweise auf »kleinen Platten« veröffentlicht werden; streng genommen handelt es sich also um eine Compilation. Die Stücke bieten keinen Hochgeschwindigkeits-Punkrock, sie sind weit entfernt vom Hardcore, der zu dieser Zeit immer stärker brodelte. Im Prinzip bietet die Band melodisch-rockigen Sound in einem angenehmen Durchschnitts-Tempo, den ich mir stets anhören kann.

1984 machten Vice Squad keinen Sound für die Straßenschlacht, sondern offenbar schon damals für den gesetzten Punkrocker, der seine wilden Zeiten entweder bereits hinter sich gelassen oder nie welche erlebt hatte. Um es klar zu sagen: Die »Shot Away« ist keine Platte aus den frühen 80er-Jahren, die man unbedingt haben müsste. Wer aber die Bands der zweiten Generation der englischen Punk-Szene mag, wird an diesem Album viel Freude haben.

29 April 2020

Buchmesse im Herbst?

Ich weiß noch, wie heikel die Situation im März war: Wir saßen in der Redaktion zusammen und überlegten, ob wir es uns leisten konnten, auf die Buchmesse nach Leipzig zu fahren. Wir empfanden die Lage als heikel, die gesundheitlichen Risiken erschienen uns zu hoch. Als die Buchmesse abgesagt wurde, war ich richtig froh – auch wenn wir unnütze Kosten hatten. Es ging uns ja nicht anders als allen anderen Verlagen.

Derzeit läuft die Diskussion um die Buchmesse im Herbst. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Zigtausende von Menschen in stickigen Messehallen unterwegs sein werden. Das Virus ist bis Oktober nicht aus der Welt – ich persönlich würde im Moment von einem Besuch der Messe in Frankfurt absehen. Und die gehört seit den 80er-Jahren zu den Höhepunkten des Literaturjahres für mich.

Übrigens gibt es schon die erste Absage einer Messeparty: Der Verleger Joachim Unseld hat seine traditionelle Party, die er sonst immer donnerstags veranstaltet, bereits abgesagt. Das ist ein deutliches Zeichen.

(So ganz nebenbei: Ich kann mir derzeit nicht einmal eine Leipziger Buchmesse im März 2021 vorstellen. Glaubt jemand ernsthaft, dass es bis dahin a einen Impfstoff gibt und wir b bis dahin alle durchgeimpft sind?)

Melancholischer Krimi aus Nordirland

Die frühen 80er-Jahre in Nordirland: Täglich explodieren Bomben und werden Menschen erschossen, nach wie vor brodelt der Bürgerkriegt zwischen Katholiken und Protestanten. Sean Duffy ist Polizist und versucht eigentlich nur, seine Arbeit zu machen – doch weil er als Katholik für die britische Polizei arbeitet, betrachten ihn viele Iren als Verräter und hassen ihn, während ihm seine mehrheitlich protestantischen Kollegen nicht über den Weg trauen.

Adrian McKinty wurde mit seiner Serie über den Polizisten Sean Duffy erfolgreich. Zu Recht: Ich habe mittlerweile drei Romane der Serie gelesen, will mir alle anderen noch besorgen und schreibe diesmal über den dritten Band. Man braucht für »Die verlorenen Schwestern« übrigens keinerlei Vorkenntnisse, man versteht die Handlung jederzeit, auch ohne den gesamten Serienkosmos zu kennen – aber klar ist es immer gut, wenn man die Figuren schon einzuschätzen weiß.

Die inhaltlichen Zusammenhänge zwischen den Romanen lassen sich problemlos verstehen, ohne dass man zu viele Anspielungen erkennen muss. (Wahrscheinlich ist es eher sinnvoll, einige Grundkenntnisse zur britischen Geschichte der frühen 80er-Jahre zu haben, um die politischen Hintergründe zu verstehen.)

Ausgangspunkt für die Geschichte ist ein Massenausbruch. Zahlreichen irischen Terroristen gelingt es, aus einem Gefängnis zu fliehen. Als klar wird, dass Sean Duffy mit einem der Flüchtigen – einem gefährlichen Bombenleger – als Jugendlicher befreundet war, muss er sich um diesen Fall kümmern.

Bloß blöd, wenn man eigentlich einen Mordfall behandeln möchte, den andere Ermittler längst zu den Akten gepackt haben ... Noch blöder wird das Ganze, wenn beide Fälle in einem Zusammenhang stehen, der mehr als unangenehm ist.

McKinty kriegt es hin, einen sehr ernsten Fall mit familiären Bezügen zu verbinden, dazu ein ganz klassisches Krimirätsel einzubinden (ein Mordopfer in einem Raum, der von innen verschlossen ist ...), das Ganze mit viel Melancholie und Tragik zu verbinden und bei alledem stets Mitgefühl für die Hauptfigur zu erzeugen.

»Die verlorenen Schwestern« zeigt die tragische Seite eines Konflikts, bei dem sich viele Beteiligten untereinander kennen, wo es familiäre und persönliche Bezüge gibt, die Jahrzehnte überdauern. Sean Duffy überzeugt als Polizist sowieso, als Mensch mit Gefühlen und Problemen wird er vom Autor ebenso klar und realistisch geschildert.

Wieder ein packender Roman in einer Serie, die mir seit der ersten Seite des ersten Bandes richtig gut gefällt – da sind halt Sozialkritik und Popkultur drin, ohne dass mit dem erhobenen Zeigefinger gefuchtelt werden müsste.

28 April 2020

Reden in Zeiten der Pandemie

Wer öffentlich darüber redet, dass man Leute, die »vielleicht eh bald sterben« werden, nicht unbedingt retten müsse, redet nicht nur grob fahrlässig, sondern auch jenseits jeglicher Menschlichkeit. Ich finde manche Diskussionen in Zeiten der Corona-Pandemie hierzulande schwer auszuhalten.

Es ist meiner Ansicht nach schlimm genug, dass wir uns derzeit so stark auf Deutschland konzentrieren und maximal noch nach Amerika, Italien, Frankreich oder England schauen. Was in den Flüchtlingslagern in Griechenland oder in den Slums von Afrika passiert oder eben bald passieren dürfte, interessiert uns weniger.

Ich nehme mich da nicht aus: Mein Denken an Corona ist sehr auf mich und mein soziales Umfeld zentriert und damit eben auch auf Mitteleuropa. Dafür kann ich mich selbst durchaus tadeln. Mir ist das tatsächlich unangenehm, aber ich stelle fest, wie sich mein Denken in diesen Punkten verändert.

(Mein Spendenbereitschaft ist in den vergangenen Wochen drastisch zurückgegangen. Nicht aus Bösartigkeit, sondern wohl deshalb, weil das Hirn so blockiert ist.)

Dieses Ausklammern von Problemen in anderen Ländern ist schlimm genug, aber nachvollziehbar. Bewusst davon auszugehen, dass man hier Leute sterben lassen »muss«, ist allerdings – egal, wie vorsichtig die betreffenden Leute das formulieren – nicht diskutabel. Auch Risikopatienten und »alte Leute« haben ein Recht darauf, so alt wie möglich zu werden und das bitteschön mit Würde.

Ich bin kein Virologe, ich habe keine Ahnung vom Coronavirus, ich bin ein nur indirekt Betroffener wie 80 Millionen andere. Aber ich möchte in einem Land leben, in dem man Verantwortung übernimmt – auch für Menschen in hohem Alter und mit Vorerkrankungen.

Man muss für alles einen Preis bezahlen. Das ist so nun einmal im Kapitalismus. Aber der Preis für eine florierende Wirtschaft kann nicht sein, dass man – getarnt hinter schönen Sprüchen – damit anfängt, sich Gedanken darüber zu machen, ob der Preis für die Wirtschaft nicht einfach einige tausend tote Menschen sein könnten.

Beinharter Krimi mit knalligen Szenen

Frank Kitchen hat als Auftragskiller keine Probleme damit, Menschen zu töten. Doch dann geht bei einem Auftrag etwas schief, er wird niedergeschlagen. Als er wieder zu sich kommt, muss er feststellen, dass er offensichtlich über Monate hinweg operiert und neu gestaltet worden ist. Aus dem Mann wurde eine Frau …

Mit diesem durchaus bizarren Einstieg geht der Comic »Tomboy« los, den ich dieser Tage endlich las. Er basiert auf einem Drehbuch des Regisseurs und Produzenten Walter Hill, das von einem Autor und einem Zeichner in einen sehr spannenden Comic verwandelt wurde. (Auf Basis des Drehbuches wurde der Film »The Assignment« gedreht, den ich nicht kenne.)

Zumindest fand ich den Comic spannend: Ich konnte die rasant erzählte Rache- und Action-Geschichte kaum aus der Hand zu legen. Sie ist schnell erzählt, sie hat genügend knallige Elemente, und sie endet einigermaßen offen.

Dabei hat sie durchaus ihre Schwächen. Schon die Optik weiß mich nicht zu überzeugen. Die Gesichter der einzelnen Figuren sind verzerrt, viele Figuren wirken wie Schattenrisse. Ich vermute, dass der Zeichner – Jef – hier mit Absicht versucht hat, eine künstlerische Distanz in die Optik zu bringen. Ich mag Krimi-Comics vor allem dann, wenn sie möglichst realistisch wirken – das war bei »Tomboy« nicht der Fall.

Aber auch die Handlung überzeugte mich nicht komplett. Ein Auftragskiller, der auf einmal in eine Frau verwandelt worden ist und während der ganzen Zeit der Operationen und Wiederherstellung offenbar bewusstlos war, ist dann auf einmal und ansatzlos in der Lage, körperliche Leistungen zu erbringen? Sein oder ihr Charakter verändert sich nicht?

Das kommt mir zu schlicht und zu einfach vor. Jegliche Auswirkung auf den Charakter, die so ein verändertes Geschlecht mit sich bringen müsste, wird einfach ausgeblendet. Die Sex-Szenen zwischen zwei Frauen finde ich zudem ein wenig bemüht.

Mir ist nicht klar, wie der Film aussieht und erzählt wird; vielleicht sollte ich ihn mir anschauen. Als Comic konnte mich »Tomboy« Fall nicht gerade überzeugen. Ich bin aber überzeugt, dass viele Leser die rasante Thriller-Sex-und-Gewalt-Mixtur cool finden werden.

Erschienen ist der Comic-Thriller bereits 2016. Es ist ein beeindruckendes, 128 Seiten dickes Buch, das der Splitter-Verlag in gewohnt starker Optik veröffentlicht hat. (Auf der Internet-Seite des Verlages steht eine Leseprobe zur Verfügung.)

27 April 2020

Die Kumbia Queers auf dem Cover-Trip

Seit ich die Kumbia Queers im Sommer 2019 in Karlsruhe gesehen habe, höre ich die CDs der argentinischen Band immer wieder gern an. Der spezielle Cumbia-Sound der rotzig auftretenden Frauen gefällt mir nicht immer, es ist von meiner jeweiligen Stimmung abhängig. Besonders schön ist die Platte »La Gran Estafa de Tropipunk«.

Die kam Ende 2010 heraus und enthält zwölf Stücke. Man erkennt es kaum, aber es sind einige Coverversionen enthalten. Bei den meisten Stücken erkenne ich Grundzüge der Melodie, ich komme aber nicht darauf, welches Original – etwa von Pink Floyd – verwendet worden ist. Das spricht für die Kunst der Veränderung.

Aber gut, letztlich ist es eh der spezielle Sound der Band, der die Stücke aufwertet. Der Cumbia-Sound ist immer ein wenig verschleppt, er wird mit allerlei Effekten aufgepeppt, wirkt auf mich aber immer hippelig und ein wenig aus der Spur. Die Stücke klingen nie so richtig »sauber«, die Gitarre schrabbt manchmal, dann wieder quiekt eine Orgel oder wird ein Akkordeon eingesetzt.

Das ist alles ziemlich rhythmus-orientiert, mal schneller, mal eher in dem durchschnittlichen Tempo, das die Band auch bei ihren Konzerten anschlägt. Ich sitze nach einiger Zeit unweigerlich da und wackle mit dem Kopf. Auch wenn das nicht die typische Musik ist, die ich tagtäglich höre, mag ich die CD sehr.

Ein Autor, dem ich mit Respekt begegnete

(Zur Dokumentation nachgereicht ... der Text wurde in dem Buch veröffentlicht, dass zum Jubiläjum erschienen ist.)

Thomas R. P. Mielke zählte zu jenen Science-Fiction-Autoren, auf deren Romane ich anfangs der 80er-Jahre aufmerksam wurde. Ich hatte – wie zu jener Zeit üblich – meinen Einstieg in die Science Fiction mit der PERRY RHODAN-Serie begonnen, hatte nach einiger Zeit auch andere Heftromane gelesen und fand streckenweise »Die Terranauten« spannender und ansprechender.

In den einschlägigen Fan-Zeitschriften stand, dass ein gewisser Thomas R. P. Mielke zusammen mit einem anderen Autor die Konzeption für diese Serie entwickelt hatte. Und weil »Die Terranauten« mit einem ganz anderen Konzept erzählt wurden als beispielsweise die PERRY RHODAN-Serie – die Serie galt zeitweise sogar als sogenannte Öko-SF –, wollte ich wissen, was dieser Autor darüber hinaus veröffentlicht hatte.

Erfreulicherweise wurden zu dieser Zeit einige Science-Fiction-Taschenbücher von ihm bei Heyne veröffentlicht. Wenn ich bedenke, dass ich diese Romane teilweise noch sehr gut im Gedächtnis habe, obwohl ich sie seitdem nicht mehr gelesen habe, belegt das in gewisser Weise, wie eindrucksvoll sie für mich waren.

»Grand Orientale 3301« spielt in einer vergleichsweisen nahen Zukunft, nachdem ein Atomkraftwerk außer Kontrolle geraten ist. Es geht um Stromleitungen, die die halbe Welt umspannen; letztlich behandelt also dieser Roman, der im Jahr 1980 veröffentlicht wurde, das Thema der Energiekrise.

Auch »Der Pflanzen Heiland« empfand ich als beeindruckend, so sehr, dass ich darüber einen Aufsatz in der Schule verfasste – dieser ist leider verschollen. Auch dieser Roman spielt in der Zeit nach einer Umweltkatastrophe; ich erinnere mich an Szenen in Sibirien, das der Autor sehr plastisch schilderte.

Am stärksten fand ich stets »Das Sakriversum«; der Untertitel »Roman einer Kathedrale« trifft absolut zu. Unter dem Dach einer Kathedrale hat sich eine Zivilisation ausgebildet, die der Autor phantastisch und abwechslungsreich schilderte.

Es brauchte nach der Lektüre dieser Romane einige Zeit, bis ich den Autor persönlich kennenlernte. Grund dafür war das »Karl der Große, der Roman seines Lebens«, ein dicker historischer Roman, der anfangs der 90er-Jahre bei Schneekluth veröffentlicht wurde. Er trug dazu bei, mein Bild von Karl dem Großen zu erweitern; der Roman war »breit« erzählt, mit einer Schreibe, die man damals als »süffig« bezeichnete. Ich war ziemlich beeindruckt.

Weil ich darüber in meinem Fanzine SAGITTARIUS etwas schreiben wollte, fragte ich bei dem Autor an, ob ich ein Interview machen könnte. Ich konnte, der Autor antwortete rasch.

Wir verabredeten uns zu einem Termin, als ich wieder einmal in Berlin war. Wir trafen uns in einer Kneipe unweit des Kurfürstendamms, in der Mielke, wie er mir erzählte, als Stammgast immer an aktuellen Romanen schreibe. Er zeigte mir den Platz an der Theke, wo er stand und schrieb; die Agentur, in der er tätig war, lag ganz um die Ecke. Ich hatte großen Respekt vor dem Autor und Werbefachmann, der viele Dinge zu erzählen wusste und auf mich sehr selbstbewusst und zugleich korrekt wirkte, ein Mensch mit klaren Überzeugungen und Standpunkten.

Wir führten ein schönes Interview, in dem es um die Science Fiction und den historischen Roman ging, um Karl den Großen und eine gewisse Heftromanserie, und wir schieden in bestem Einvernehmen. Mein Artikel wurde veröffentlicht, und seither kannten wir uns.

Wir trafen uns immer wieder: in Wolfenbüttel an der Bundesakademie oder auf der Buchmesse. Seltsamerweise kam ich nicht dazu, weitere Romane von Thomas R. P. Mielke zu lesen; zwei oder drei davon liegen in einem der vielen Stapel ungelesener Bücher in meiner Wohnung und warten darauf.

Ich habe nach wie vor großen Respekt vor dem Autor und seinem Lebenswerk, von der Art und Weise, wie er sich jahrzehntelang im Literaturbetrieb positioniert hat, eigenwillig und eigensinnig, auf einem erheblichen literarischen Niveau. Zu seinem Jubiläum am 12. März 2020, das ich kaum glauben kann – so alt wirkt er ja nicht! –, gratuliere ich mit ebensolchem Respekt. Ich wünsche weiterhin erfolgreiche Schaffenskraft!

25 April 2020

Die Träne des Teufels

Hexen, Monster, Diamanten: Ich hörte wieder ein Hörspiel aus der »John Sinclair«-Serie an, die bei Lübbe-Audio veröffentlicht wird. Es handelte sich um die Folge 110, die den schönen Titel »Die Träne des Teufels« hat. Und sie ist richtig komplex – wer die vorherigen Folgen nicht kennt, dürfte mit dem Ding seine Schwierigkeiten haben.

Man kann sich natürlich auf die üblichen Effekte verlassen, die unweigerlich eintreffen. Auf der einen Handlungsebene geht es um den Journalisten Bill Connolly, dessen Frau entführt wurde und der feststellen muss, dass auch sein Sohn verschwunden ist. Auf der anderen Handlungsebene wird von einem Diamantenhändler erzählt, der einen magischen Stein in seinem Besitz hat.

John Sinclair und sein Partner Suko kümmern sich um den Händler und dessen Feinde, telefonieren dabei ab und zu mit ihrem Freund und allerlei Polizisten. Es wird geschossen und gekämpft, glühende Bälle fliegen durch die Luft, und magische Dolche spielen eine Rolle. Am Ende gibt's einen Cliffhanger.

Ganz klar: Für alle Fans der Serie ist die Handlung glasklar. Für mich, der ich immer wieder bei »John Sinclair« reinhöre, ist alles auf jeden Fall gut verständlich. Dank der tollen Geräusche und der starken Sprecher folge ich der Handlung bei aller Skurrilität mit großem Genuss. Das ist alles hervorragend aufgenommen und macht mir echt Spaß.

Wer sich nicht auskennt, wird allerdings nur Teile verstehen ...

24 April 2020

Die üblichen Verdächtigen

Weil die Dinge, die ich sonst gern abends betreibe, wegen der aktuellen Pandemie gezwungenermaßen ausfallen, ich also nicht in Kneipen herumhängen oder auf Punk-Konzerten herumhüpfen kann, verbringe ich erschütternd viel Zeit auf dem Sofa und gucke Filme an. Diese beziehe ich von einem Streamingportal, mit dem ich bislang sehr zufrieden bin, auch wenn ich die Konzernpolitik des Betreibers ansonsten geringschätze – eine der vielen Unklarheiten in meinem Leben.

Aber das passt zu dem Streifen, den ich zuletzt nach vielen Jahren wieder einmal ansah. Gemeint ist »Die üblichen Verdächtigen«, der 1995 mit dem Originaltitel »The Usual Suspects« in die Kinos gekommen war. Der Regisseur Bryan Singer verblüffte mich damals, Kevin Spacey und die anderen Schauspieler fand ich überzeugend, und so war ich gespannt darauf, ob der Film noch funktioniert.

Tatsächlich ist die Geschichte immer noch super. Obwohl ich wusste, wie der Film ausgeht und ich die ganze Zeit nach Hinweisen auf die Pointe suchte, fand ich das Geschehen sehr spannend. Die Schauspieler wirkten auf mich glaubhaft, die verschachtelte Handlung kam mir völlig schlüssig vor. Wie der Hauptdarsteller sich in einen Körperbehinderten verwandelt, das fand ich stark – auch nach 25 Jahren. Der Film ist immer noch klasse!

Kritisch ist natürlich mittlerweile die Rolle des Hauptdarstellers. Bei dem von mir genannten Streamingportal werden die Herren Gabriel Byrne, Stephen Baldwin und Chazz Palminteri genannt, nicht aber Kevin Spacey selbst. Der Grund liegt auf der Hand: Wegen diverser Verfehlungen – Stichwort sexuelle Belästigung – hatte sich Spacey ins Aus geschossen, wenngleich er sich gegen die Vorwürfe wehrte.

Es sieht immer professioneller aus

Ich muss es klar sagen: Es gibt Beiträge in »Andromeda Nachrichten«, die finde ich doof. Aber ein Magazin, das 132 Seiten im A4-Format umfasst, muss notgedrungenerweise Themen enthalten, die mir nicht liegen. Schließlich gibt es genügend andere Artikel, Kurzgeschichten oder Rezensionen, die ich als sehr bereichernd und interessant empfinde. Die aktuelle Ausgabe 269 habe ich mit viel Genuss gelesen.

Wobei ich gestehen muss, dass mir vor allem eine satirische Kurzgeschichte gut gefallen hat. Klaus Marion spottet in seinem »Zerrspiegel« darüber, dass Science-Fiction-Fans sich immer jung fühlen und letztlich zu glauben scheinen, nicht älter als zwanzig zu werden. Sein Blick auf »Asimovs Kellerbar« ist ein wenig vom Geist der 80er-Jahre gedrängt, aber da fühle ich mich ja sehr wohl. Für jüngere Leser dürften einige Anspielungen schon gar nicht mehr verständlich sein.

Das Fanzine geht längst immer mehr in die Richtung eines Magazins. Das belegen nicht nur das sehr saubere Layout und die teilweise farbigen Abbildungen, sondern auch zahlreiche Beiträge. Klar, manche Besprechungen sind entbehrlich, und das Gejammer in »Das verlixte siebente Jahr« über Cons, die früher alle besser waren, und die heutige »Greta-Hysterie« muss man sich echt nicht geben.

Trotzdem: Sogar einen zähen Beitrag wie »Zukunftsszenarien des Klimawandels und die Vorstellungskraft des Globalen in ›Maeva!‹ von Dirk C. Fleck« empfinde ich als echte Bereicherung – obwohl ich ihn nicht zu Ende gelesen habe. Aber solche Beiträge gehören in eine solche Zeitschrift. Das sind Beiträge, die über den Tellerrand hinausblicken lassen.

Wer genau wissen möchte, welche Texte enthalten sind, schaue sich die entsprechende Inhaltsangabe auf der Internet-Seite des SFCD an. Ich fand die Mixtur wieder einmal überzeugend. Das Fanzine ist auf dem richtigen Weg und mausert sich zu einer spannenden Lektüre für Science-Fiction-Fans, nicht nur für die Vereinsmitglieder.

23 April 2020

Zeitschrift für Revolutionäre Tanzmusik

Mit meinem Fanzine ENPUNKT kam ich in den späten 90er-Jahren ganz schön herum, auch noch zu Beginn der Nuller-Jahre. Die Ausgabe 42 kam im April 2005 heraus – ich nahm für den Umfang von 64 Seiten im A5-Format, die zudem eng gesetzt waren, gerade mal einen Euro. Anders gesagt: Selbst wenn ich alle Ausgaben verkaufte, machte ich Minus. Aber das war mir völlig egal.

Das Heft nannte ich diesmal »Zeitschrift für Revolutionäre Tanzmusik«. Grund dafür war Frans Stummer, der das Titelbild geliefert hatte. Er hatte den »Disco Punx«-Aufnäher, den er in den 90er-Jahren für unsere kleine Bande gestaltet hatte, noch einmal abgewandelt und in eine wunderbare Form gebracht. Das Motiv der »People's Republic of Disco« finde ich übrigens nach wie vor großartig. Wie übrigens den gesamten Inhalt des Fanzines …

Wie immer bei diesem Heft ging es in weiten Teilen um Punkrock, um Konzertberichte und Plattenbesprechungen, aber ebenso um Reisen und Science Fiction. Ich schrieb über die Beerdigung des Schriftstellers Rainer Zubeil und über die Schauspielerin Michaela Schaffrath, die ich auf der Buchmesse kennengelernt hatte, ich plauderte über Reisen und all die anderen Themen, die einem so einfallen, wenn man sich viel unter Leuten bewegt.

Es ist jetzt fünfzehn Jahre her, seit dieser ENPUNKT auf die Reise zu den Leserinnen und Lesern ging. Manchmal kommt es mir in diesen Coronazeiten so vor, als stamme dieses Heft aus einer Zeit, die es schon lange nicht mehr gibt …

United Struggle und ihr Kommunisten-Oi!

Es gibt Bands, bei denen weiß ich einfach nicht, ob es die wirklich gab oder ob die nur ein »Projekt« sind oder waren. Ein typisches Beispiel dafür sind und waren United Struggle, eine Oi!-Band aus dem Ruhrgebiet, die meines Wissens nur eine einzige EP und eine CD aufnahm.

Die Platte trägt den Titel »The Reds Are Rocking«, ist entsprechend gestaltet: Es liegt ein Kondom bei, Hammer und Sichel sieht man auf der Rückseite. Die Texte sind allesamt stramm links, sprich, sie sind vor allem kommunistisch. Das muss man mögen – wobei viele Oi!-Hörer ja gern die Texte ignorieren.

Die Platte wurde 2010 aufgenommen, und in den vier Stücken geht es um den Kampf gegen alte und neue Nazis, um homosexuelle Skinheads und die Schlichtheit der »Szene«. Die Texte sind plakativ, wie nicht anders zu erwarten, aber konsequent.

Musikalisch bleibt die Band auf der sicheren Seite: rockiger Oi!-Punk, der bei allen vier Stücken gut ins Ohr geht. Die raue Stimme des Sängers treibt die Stücke voran, die Melodien stimmen – alles in allem eine gelungene Oi!-Scheibe. Nicht nur für Fans des Genres. (Erschienen ist die Platte bei Mad Butcher Records – das passt natürlich sehr gut!)

22 April 2020

Die Vorgeschichte zur Hochzeit

(Wichtig: Dieser Text hier wurde verfasst, als ich noch nicht wusste, wie die Geschichte weitergehen sollte. Ich versäumte also bewusst, mich selbst zu »spoilern«, und möchte das auch nicht anderen antun.)

Um es aus Redakteurssicht zu sagen: Ich bin mir noch nicht sicher, ob sich die Macher der DC-Comics einen Gefallen damit taten, als sie beschlossen, dass sich Catwoman und Batman das Ja-Wort geben würden. Richtig: Die diebische Frau im Katzen-Kostüm und der düstere Dunkle Ritter wollen heiraten.

Aus Lesersicht kann ich nur sagen: Ich warte mal ab, was da noch kommt. Die Figur Catwoman, die ich früher als eher dümmlich und übersexualisiert wahrgenommen habe, wurde in den vergangenen zehn Jahren stark verändert und »emanzipiert«. Ob es gelingt, ihr neben Batman eine sinnvolle Rolle zu geben oder ob man die Ehe bald wieder auf die Seite schieben wird, ist eine der spannenden Fragen für mich als Leser.

So lange kann ich mir aber den Sonderband »Die Vorgeschichte zur Hochzeit« zu Gemüte führen. In den USA erschienen die sechs Hefte der Miniserie »Prelude To The Wedding« allesamt im August 2018, hierzulande wurden sie als ein Paperback veröffentlicht.

Die einzelnen Geschichten zeigen – los verbunden durch den Versuch des Jokers, an eine Einladung für die Hochzeit zu gelangen –, wie sich einzelne Figuren aus dem weiten Batman-Universum auf die Hochzeit vorbereiten. Damian Wayne, der aktuelle Robin, bekommt Ärger mit seinem Großvater, und Batgirl kämpft gegen den Riddler und so weiter. Das ist teilweise gut gezeichnet, meist mit vielen Pointen und den obligatorischen Kämpfen erzählt.

Seien wir fair: Für Fans des Gotham-Kosmos ist das ein lesenswerter Sonderband. Wer sich mit Batman und Co. nicht besonders gut auskennt, wird hiermit nicht genug Freude haben ...


21 April 2020

Ein Mythos, der bis in die Gegenwart wirkt

Wer irgendwann in seinem Leben gern Westernromane gelesen oder Westernfilme gesehen hat, dem ist der Begriff »Wild Bill Hickok« garantiert begegnet. Er gilt als eine der authentischen Figuren in der Zeit zwischen dem amerikanischen Bürgerkrieg und dem Ende des 19. Jahrhunderts, einer der Männer, die mit ihrem Revolver buchstäblich den Westen eroberten.

Doch was ist wirklich dran an den Geschichten? Wieso werden Geschichten über Männer, die mit dem Revolver für Recht und Ordnung sorgen, immer noch so gern gelesen und angesehen? Rainer Eisfeld, den ich vor allem als Experte für Science Fiction kannte, ging in dem Sachbuch »Wild Bill Hickok – Westernmythos und Wirklichkeit« genau diesen Fragen nach.

Das Buch ist vor einigen Jahren erschienen, man kriegt es nur noch antiquarisch. Ich habe es mir großem Vergnügen gelesen – es hilft allerdings, ein gewisses Interesse an Western-Geschichten zu haben, wenn man es sich vornimmt.

Genüsslich zerpflückt der Autor die Mythen, die sich um Hickok ranken. Anhand historisch sauberer Aufzeichnungen und anhand von Vergleichen zeigt er, wie aus einer Schießerei durch komplette Übertreibung ein Gefecht wurde. Er stellt dar, dass der so sauber präsentierte Westernheld mit Vorliebe seine privaten Händel in Schießereien enden ließ.

Dabei liefert Eisfeld auch einen Hintergrund für die aktuelle Schusswaffenbegeisterung der Amerikaner. Sie hat ihren Ursprung nicht nur in der wirklichen Gewalt, die im »Wilden Westen« herrschte, sondern vor allem in den Legenden und Übertreibungen, die sogenannte Journalisten ebenso betrieben wie Schriftsteller und später Filmemacher.

»Wild Bill Hickok – Westernmythos und Wirklichkeit« ist ein unterhaltsames und informatives Sachbuch, das Western-Interessierten in mancherlei Hinsicht doch einen ganz neuen Blick auf mancherlei Dinge gibt. Empfehlenswerte Lektüre!

20 April 2020

Im Regen auf der Weide

Aus der Serie »Dorfgeschichten«

Die Stimme meines Vaters drang durch die Treppe hoch in mein Zimmer. »Klaus, der Kurt braucht dich!«

Ich schreckte hoch. Eigentlich war ich gerade in die Lektüre eines Science-Fiction-Heftromans vertieft. Und eigentlich wäre ich lieber mit einem Mausbiber zusammen durch die ferne Galaxis Andromeda gereist, als den Roman loszulassen. Aber wenn man mich brauchte, hatte ich zu reagieren, das war sicher.

Rasch eilte ich die Treppe hinunter. Mein Vater hielt mir meine Regenjacke entgegen und informierte mich. »Der Kurt braucht dich auf der Weide, er ist schon den Viehweg hoch. Du musst schnell machen, eine Kuh kalbt.«

Ich verstand. Schnell zog ich mir Stiefel und Regenjacke an, dann rannte ich los. Hinter unserem Haus verlief ein Viehweg. Dort gingen jeden Morgen die Rinder entlang, hoch zu einer großen Viehweide, die sich zwischen dem Rand des Dorfes und dem Wals erstreckte. Abends kamen sie von dort wieder herunter, vollgefressen und mit dicken Eutern, sehnsüchtig danach, gemolken zu werden. Die Rinder gehörten zu unserem Leben wie der Wald, der sich überall um das Dorf erstreckte.

An unserer Gartentür duckte ich mich unter dem Viehzaun, weil ich keine Lust hatte, einen Stromschlag zu erhalten, dann rannte ich weiter. Meine Stiefel patschten durch Schlamm und Regen. Aus einem grauen Himmel fiel ununterbrochen das Wasser auf mich herunter, ich sah höchstens hundert Meter weit.

Ich erreichte Kurt auf der Weide. Er stand neben einer Kuh, einen breiten Hut auf dem Kopf, einen Poncho über den massigen Körper gezogen, und streichelte das Tier. Aber er sah aus, als hätte er beste Laune.

Durch den Regen hindurch strahlte er mir entgegen. »Guck mal, ein Kälbchen«, sagte er.

Erst da sah ich das Tier. Hinter der Kuh stand ein Kalb, noch zittrig auf den Beinen und voller Schleim, aber schon selbständig genug, die ersten tapsigen Schritte zu gehen. Die Kuh schien zu verstehen, dass weder der Bauer noch ich ihr und ihrem Kleinen etwas tun wollten. Sie drehte den Kopf ab und leckte mit ihrer langen Zunge über den Rücken des Kalbs. Beiden Tieren schien der strömende Regen nichts auszumachen.

»Du bleibst hier«, sagte der Bauer in dem groben Dorfdialekt, den wir untereinander sprachen. »Pass auf die beiden auf. Ich lauf runter und komm mit dem Traktor zurück. Dann fahre ich die beiden.«

Es war keine Diskussion, kein Frage-und-Antwort-Spiel, sondern eine klare Anweisung. Ich nickte nur. Ich mochte mich bei irgendwelchen Science-Fiction-Romanen auskennen, sicher aber nicht bei Kühen und Kälbern.

Der Bauer verschwand im Regen, ich blieb bei den Tieren. Langsam wurde ich nass. Ich streichelte den Kopf der Kuh, die langsam Vertrauen zu mir fasste, dann streichelte ich auch das Kalb.

Es war eine eigentümliche halbe Stunde in diesem Sommer 1978. Als Kurt irgendwann mit dem Anhänger kam und wir die Kuh und das Kalb darin verstauen konnten, fühlte ich mich richtig gut. Das war dann doch etwas anderes als Science Fiction.

Ska-Pfeffer im Hintern

Die Band NH3 gefällt mir seit Jahren, mit ihrem Stück »No Borders« hat sie einen großartigen Hit geschrieben, der die aktuelle Flüchtlingsdebatte auf einen Punkt bringt. Live sah ich die Italiener auch schon, und dieser Tage hörte ich mir endlich die Platte »Hate and Hope« an, die anfangs 2016 aufgenommen wurde.

Man muss es klar sagen: Die dreizehn Stücke, allesamt in italienischer Sprache gesungen, verbinden das Schnelle von Punk mit dem Melodischen von Ska, dazu kommen politische Aussagen, die man sich mithilfe des Textblattes mühsam entschlüsseln kann. NH3 haben echt Ska-Pfeffer im Hintern, die Band knallt die Stücke mit einer immensen Begeisterung und Antriebskraft durch.

Ska hat manchmal den Charakter von Zirkusmusik, da wird viel geeiert und getrötet. Das ist bei dieser Band nicht so: Die Bläsersätze kommen auf den Punkt, sie werden astrein gespielt, aber sie sind kein Selbstzweck. Sie klingen energisch, sie ergänzen die Stücke oder bilden mal eine klassische Überleitung zwischen zwei Strophen.

Es sind Mitsing-Hymnen, die gut ins Ohr und auch in die Beine gehen, schnell gespielt und stets mit viel Freude an gelungener Melodie und treibendem Rhythmus. NH3 machen Musik, die mich echt begeistert – das ist nicht nur super unterhaltsam und tanzbar, sondern hat auch eine klare politische Haltung. Sehr gut!

(Bei Long Beach Records Europe.)

19 April 2020

Ein Feuerwerk für Rastatt

Es war ein lauer Sommerabend, ein tolles Wetter zum Spazierengehen und sich mit Freunden und Bekannten zu treffen. Ich war allein in Rastatt unterwegs, der Stadt, in der ich arbeite und in der ich mich abends eigentlich nie aufhalte. Ich spazierte über den Platz vor dem Schloss, schlenderte gemütlich, sah dann auf die Uhr und ging schneller. Ich musste mich ja beeilen, wenn ich das Feuerwerk sehen wollte!

Rings um mich waren viele Menschen unterwegs, zumeist in großen Gruppen. Es wurde gescherzt und gelacht, Flaschen und Gläser klirrten, weil sie gegeneinander gestoßen wurden. Wir erreichten den Rand des Platzes, wo große Säulen zeigten, dass es nach unten ging. Vom oberen Rand der Freitreppe aus hatte ich einen wunderbaren Blick.

Die Treppe war gut zwanzig Meter breit und erstreckte sich in flachen Stufen in die Tiefe, hinunter zu dem See, der im Licht der Sterne zu meinen Füßen lag. Zahllose Menschen waren unterwegs, ich konnte ihre Zahl nicht schätzen, einige tausend oder gar zehntausend sicher. Im Strom der anderen Menschen eilte ich die Treppe hinunter.

Zwischen der Treppe und dem See standen zahlreiche Buden. Ich organisierte mir ein Bier, was erstaunlich schnell gelang, und ließ mich von der Menge treiben. Dann stand ich in der Nähe des Ufers, vor mir der See, hinter mir die Treppe und die Säulen und das Schloss. Es war ein herrlicher Sommerabend, und zum ersten Mal in meinem Leben mochte ich Rastatt.

Dann begann das Feuerwerk. Leuchtraketen schossen in die Höhe, gelle Bälle zerplatzten in der Luft, am Boden schossen Fontänen aus Licht in die Höhe. Es war ein wunderbares Schauspiel, das rings um mich von »Aaaah« und anderen Ausrufen des Staunens und des Jubels begleitet wurde. Ich war auch völlig begeistert und jubelte nicht nur einmal.

Verblüfft wachte ich auf. Ich lag in meinem Bett und war schlagartig traurig. »Schade«, dachte ich, »dass ich in diesem Jahr diese schöne Feuerwerk in Rastatt nicht sehen kann.« Und ich brauchte einige Sekunden, um zu kapieren, dass es dieses Feuerwerk noch nie in Rastatt gegeben hatte und dass die Stadt in meinem Traum mit Rastatt auch keine Ähnlichkeiten aufwies …

18 April 2020

Peter im Wohnwagen

Schon zwei Dutzend Folgen meines Fortsetzungsromans »Der gute Geist des Rock'n'Roll« sind erschienen. Aktuell ist die Folge 24 im Handel – sie wurde in der Ausgabe 149 des OX-Fanzines abgedruckt. Bald können also sowohl das OX als auch ich ein kleines Jubiläum feiern, was mich selbst verblüfft.

Eigentlich war mit der großen Peter-Pank-Geschichte nach dem dritten Roman ja Schluss. »Vielen Dank Peter Pank« spielt im September 1986 und macht allerlei Rückblicke in die frühen 80er-Jahre, »Chaos en France« spielt Ende 1986 und in Südfrankreich, während »Und dann: Hardcore!« im Frühjahr 1987 spielt und eine gewisse Wandlung der Hauptfigur abschließt. Der aktuelle Fortsetzungsroman heißt »Der gute Geist des Rock'n'Roll« und spielt im Sommer 1996, also zehn Jahre danach, zu einer Zeit also, in der Punk sich schon sehr verändert hat.

Und in der aktuellen Folge 24 geht's darum, dass der nicht mehr ganz so jugendliche Held einen Mann besucht, der in einem Wohnwagen im Wald haust, und von diesem mehr Informationen über den geheimnisvollen Menschen mit schwarzen Klamotten möchte, der ihn immer zu verfolgen scheint. Heute würde man so einen Kerl als »Stalker« bezeichnen … Aber gut.

17 April 2020

Kein Spargel in diesem Jahr

Ich liebe Spargel. Ich gehöre zu diesen Durchschnittsdeutschen, die dieses Gemüse einfach gern essen. Schon seit vielen Jahren freue ich mich stets auf das Frühjahr, wenn es den frischen Spargel endlich zu vernünftigen Preisen gibt. Dann wird er im Restaurant verspeist, wir kochen auch selbst damit. Ich nehme ihn gern auf einer Pizza, ich mag ihn gern mit Pfannkuchen, aber auch mit Kartoffeln und Sauce Hollandaise. Spargel ist einfach klasse.

In diesem Jahr ist alles anders.

Ich werde im Frühjahr 2020 keinen frischen Spargel essen, das habe ich mir fest vorgenommen. Mag sein, dass es albern ist, aber angesichts der Spargel-Diskussionen und -Entwicklungen in den vergangenen Wochen ist mir jeglichen Appetit daran vergangen.

Man muss sich das mal vorstellen: Wegen der Pandemie werden in Europa die Grenzen geschlossen, Firmen machen zu, für ganze Branchen droht ein wirtschaftliches Chaos. Bisher profitiert vor allem Amazon von der Pandemie, alle anderen Händler leiden.

Und ausgerechnet für die Spargelbauern wird eine Ausnahme gemacht! In vollgestopften Flugzeughallen warteten in Rumänien die Arbeiterinnen und Arbeiter auf ihren Transport nach Deutschland; weder im Flugzeug noch im Bus hatten sie eine »Soziale Distanz«, und wie es in den Baracken aussieht, in denen sie wohnen, möchte ich nicht wissen. Die Spargelbauern, zu denen eher selten »kleine« Landwirte gehören, profitieren damit vom Elend der Menschen und kümmern sich nicht um die Folgen. Es gab prompt schon den ersten toten Spargelstecher, der Covid-19 zum Opfer fiel.

Ich verstehe nicht alles, und ich muss auch nicht alles verstehen. Dass Spargel wichtiger ist als Restaurants oder Buchhandlungen, ist mir fremd. Aber mir hat es angesichts dieser Entwicklung in diesem Jahr schlicht den Appetit verschlagen. Ich muss ja nicht alles mitmachen …

Sieben Dolche für den Teufel

Dieses Hörspiel entstammt eindeutig der Serie »Was haben eigentlich das Titelbild und der Titel mit dem Inhalt zu tun?«, ist dafür aber erstaunlich spannend. Immerhin geht es in »Sieben Dolche für den Teufel« am Rande um die genannten Dolche; die Krankenhaus-Szenerie spielt in dem Hörspiel keine Rolle.

Ach so: Ich habe mal wieder ein »John Sinclair«-Hörspiel angehört, in diesem Fall war es die Folge 109. »Sieben Dolche für den Teufel« war im Original ein Romanheft aus dem Jahr 1984, tatsächlich die Nummer 300, also eine besondere Geschichte.

Eigentlich geht es darum, dass auf einem Schloss in Norddeutschland eine ganz spezielle Party stattfindet. Das SEK steht bereit, das Schloss zu stürmen, eine Beamtin ist »undercover« vor Ort, und auch John Sinclair von Scotland Yard möchte sofort ins Innere vorstoßen. Es geht um gestohlene Diamanten, darüber hinaus um sieben verschwundene Dolche, um eine alte Bekannte, die auf der bösen Seite gelandet ist, und um eine Reihe von toten Mädchen.

Weil die Geschichte ohne Monster und Dämonen auskommt, ist sie erstaunlich »normal«. Es soll zwar irgendwie der Teufel beschworen oder der Zugang zu einer mysteriösen »Hexenwelt« geöffnet werden, vor allem aber geht es um den Einsatz der Beamtin und das Abwarten der SEK-Polizisten. Auch der Vorstoß von John Sinclair in das geheimnisvolle Schloss kommt weitestgehend ohne Horror-Albernheiten aus und ist deshalb recht spannend.

Klar, das ist mein Geschmack. Ich bin mir sicher, dass es viele Fans der Serie schätzen, wenn Zombie-Kaiser und Höllenwürmer durch die Handlung geistern. Da wird's für meinen Geschmack dann meist albern – diesmal fand ich die Geschichte klar und nachvollziehbar. (Dass die Sprecher und Geräusche hervorragend sind, muss man bei den »John Sinclair«-Hörspielen aus der Zaubermond-Schmiede ja kaum dazu sagen, denke ich.)

16 April 2020

Notiz vom 10. Dezember 1987

Ich saß im Bus, den wir zu einem Reisemobil umgebaut hatten, und schrieb. Meine Kofferschreibmaschine hatte ich so auf dem Tisch so befestigt, dass sie nicht gleich herunterfallen konnte. Und so tippte ich, was ich hier einfach zitiere:

»We're on the road again. Im Hintergrund säuselt Rod Stewart vom Band, Martin sitzt unermüdlich am Steuer, Richard neben ihm, die Landkarte studierend, mir gegenüber am Tisch hat sich Robert gerade einen neuen Joint gedreht und raucht ihn gemütlich. Vor dem Fenster fliegt die Landschaft des französischen Jura vorüber, schneebedeckte Wiesen und Hecken wie im schwäbischen Gäu, Zäune, Sträucher, ab und zu ein kleines Wäldchen, dazwischen taucht ab und zu auch ein Haus auf oder ein Bauernhof, es ist eine recht ruhige Gegend, wie es scheint, Pferde auf einer Koppel, dann wieder durchfahren wir ein kleines Dorf. Gemeinsam mit Robert habe ich schon zwei Joints weggeschafft; der Rauch juckt und beißt in den Augen, ich bin es nicht gewohnt, aber Husten ist schon seit einiger Zeit nicht mehr angesagt, das Zeug steigt auch ganz amüsant und interessant in die Birne.«

Offensichtlich bereitete ich mich geistig-moralisch auf die Reise nach Westafrika vor. Ich wusste, wir würden durch Marokko und Algerien kommen, und ich fand Kiffen eigentlich langweilig. An diesem Tag abend qualmte mich Robert so voll, dass ich nicht mehr damit aufhören konnte, zu rauchen und zu schreiben. So vermischte sich das Tackern der Schreibmaschine mit dem Brummen des Busmotors.

Ich sehe mich noch heute an diesem Tisch sitzen und schreiben, während wir durch kaltes und feuchtes Wetter auf Westafrika zufuhren. Es wurde ein großes Abenteuer mit vielen unglaublichen Geschichten …

15 April 2020

Der große freundliche Riese

Ich habe endlich den Film »Big Friendly Giant« angesehen; er kam bereits im Jahr 2016 in die Kinos und wurde damals von mir schmählich ignoriert. Dabei mag ich viele Filme, die Steven Spielberg im Verlauf der Jahrzehnte herausgebracht hat. Es ist ein Film, der sich vor allem an Kinder und Jugendliche richtet, den man aber auch als Erwachsener mit Gewinn anschauen kann – auf DVD oder in einem der bekannten Streamingportale ist er zu finden.

Die Handlung ist schnell erzählt. Sophie ist ein Mädchen, das in einem Waisenhaus in London lebt. Sie trifft auf einen Riesen, der nachts durch die Stadt streift, wird von ihm entführt und schließt mit ihm Freundschaft. Sie erkannt, dass es ein Land der Riesen gibt und dass dessen Bewohner nicht allesamt freundlich gesinnt sind. Der große freundliche Riese und das kleine Mädchen schmieden einen Plan, in dem die englische Königin eine wichtige Rolle zu spielen hat …

Klar, hier handelt es sich um einen Film für Kinder, keinen Streifen für Erwachsene. Trotzdem hatte ich meine Freude an dem Film. (Und das nicht nur deshalb, weil ständig gefurzt wird und es haufenweise alberne Gags über das Furzen gibt.)

Die Geschichte ist für Kinder sicher spannend, für Erwachsene ist sie unterhaltsam. Vor allem die Tricks sind überzeugend: Der sanftmütige Riese ist wunderbar in Szene gesetzt, und die Beziehung zwischen dem kleinen Mädchen und dem Riesen lässt einem geradezu das Herz schmelzen. Nein, ernsthaft: Das ist wirklich alles sehr schön gemacht.

»Big Friendly Giant« belegt, dass man Fantasy-Filme machen kann, ohne dass es riesige Schlachten geben muss. Der Film ist kindgerecht und phantastisch im positiven Sinn – für jeden Fantasy- und Phantastik-Fan eine Empfehlung.

Deutsch-jüdische Verwirrungen

Es gibt Bücher, die sich irgendwelchen Einordnungen verweigern und die trotzdem hervorragend sind. »Titos Brille« ist ein schönes Beispiel dafür. Ob Adriana Altaras, die Schauspielerin und Autorin, damit nun einen Roman oder ein Sachbuch geschrieben hat, ist völlig gleichgültig. Sie wechselt ohnehin zwischen Tragödie und Komödie hin und her und schickt die Leser in ein Wechselbad der Gefühle.

Adriana Altaras ist Jüdin. Ein Teil ihrer Verwandtschaft wurde in der Nazi-Zeit ermordet, ein anderer Teil konnte fliehen. Ihr Vater kämpfte auf Seite der jugoslawischen Widerständler, ihre Mutter wurde in einem Lager inhaftiert. Beide überlebten den Krieg und siedelten in den 60er-Jahren nach Deutschland über.

Was sich hier vergleichsweise einfach anhört, ist in Wirklichkeit eine Familiengeschichte, die sich vielfach durch Zeit und Raum bewegt, die voller Brüche ist, voller Tragik und auch voller Humor. Als die Eltern der Autorin nacheinander sterben, erbt sie eine Wohnung von Hinterlassenschaften. Beim Durchstöbern uralter Urkunden und anderer Dinge werden Geschichten und Erlebnisse wieder lebendig.

Die Autorin erzählt von ihrer Jugend in Italien, von den Geschichten über ihren Vater im Widerstand, vom aktuellen Judenhass und ihren Versuchen, trotzdem in Deutschland ein glückliches Leben zu führen. Sie erzählt von Zagreb und Gießen, von New York und Berlin, von Tel Aviv und einem hierzulande unbekannten Lager in Jugoslawien.

Mit »Titos Brille« – das Buch wurde auch verfilmt – gelang der Autorin ein Bestseller, zumindest in gewissem Rahmen. Ich las das Buch mit Staunen und Begeisterung, musste bei manchen Szenen laut auflachen und saß kurze Zeit später da, einige Tränen in den Augen.

Man muss sich darauf einlassen, dass die Autorin die »Regeln« nicht einhält, die üblicherweise zu Romanen verkündet werden. Tut man das, wird man mit einer wunderbaren Geschichte erzählt, die viel über die deutsche Vergangenheit erzählt und am Ende doch sehr tröstlich und positiv endet.

(Ich habe die Ausgabe gelesen, die als Fischer Taschenbuch erschienen ist. Erstmals veröffentlicht wurde das Buch bereits 2011.)