25 März 2024

Roboter zum Welttag

Als jemand, der gern liest, freut es mich immer, wenn ich Kinder und Jugendliche sehe, die selbst mit Begeisterung ein Buch in der Hand haben, darin schmökern und nicht aus ihrem literarischen Universum herauszuholen sind. Am sogenannten Welttag des Buches, der in diesem Jahr am 23. April begangen wird, feiert man unter anderem, dass Kinder gerne lesen – das soll durch diesen Tag gefördert werden.

Mein kindliches Gemüt freut sich, dass man in diesem Jahr für die Kinder ein Science-Fiction-Thema als Aktionsschwerpunkt gewählt hat. »Mission Roboter« sieht witzig aus und würde mich als Acht- oder Neujähriger auf jeden Fall zum Lesen reizen. Ich habe natürlich keinerlei Ahnung, um was es in diesem Roman geht, hoffe aber, dass die Aktion ein Erfolg wird.

Das ist nicht nur eine tolle Werbung fürs Lesen, sondern auch eine Werbung für die Science Fiction. Wenn auf Basis eines solchen Romans überhaupt erst Kinder auf »unser« Genre aufmerksam werden, freut mich das sehr.

22 März 2024

Gang zum Gastland

Bei jeder Buchmesse hierzulande gibt es auch ein Gastland, das besonders vorgestellt wird. In diesem Jahr hatte man sich in Leipzig für die Niederlände und Flandern entschieden, also den Teil von Belgien, in dem man Flämisch spricht – was dem Niederländischen so sehr ähnelt, dass man beides wohl als eine Sprache betrachtet.

Weil mich schon interessierte, was es an neuer Literatur aus diesen Ländern gibt, sah ich mir den entsprechenden Bereich auf der Messe an. Ich war ein wenig enttäuscht: Es gab einige Regale, wo man Bücher angucken konnte. Ausführliche Beschreibungen dazu gab es nicht. Ich sah mir dann in der Messebuchhandlung das entsprechende Regal an und war ebenfalls ein wenig enttäuscht.

Entweder wird aus diesen Ländern so wenig ins Deutsche übersetzt, dass es sich nicht lohnt, das ausführlich zu präsentieren, oder die Organisation auf der Messe war nicht optimal. Ich nahm dann in der Messebuchhandlung einen Roman aus Belgien mit (aber halt auch einen Gedichtsband und einen Roman aus Slowenien; ich kann halt in keine Buchhandlung gehen, ohne dort Geld auszugeben).

Sagen wir so: Bei belgischer Literatur fallen mir vor allem Comics ein. Und immerhin lag »Das große Los« aus dem Splitter-Verlag aus. Na immerhin!

21 März 2024

Ankommen in Leipzig

Irgendwie hatte ich das früher besser im Griff, eine Unterkunft in Leipzig zu bekommen. In den 90er-Jahren übernachtete ich bei privaten Bekannten oder rollte meinen Schlafsack auf dem Fußboden im Autonomen Zentrum »Conne Island« aus. In den Nuller-Jahren bot sich das NH-Hotel an, später schlief ich in einem Achat-Hotel. Im vergangenen Jahr strandete ich in einer Absteige.

Auch 2024 klappte alles gut, wenngleich es nicht berauschend war. Die Fahrt mit dem Zug verlief geruhsam, die Fahrt zum Hotel klappte auch. Das Hotel selbst erwies sich als überaus schlicht; immerhin sehen die Zimmer sauber aus. Ich verfüge über ein Maisonette-Zimmer, was ich schon wieder lustig finde. Damit könnte ich glatt untervermieten.

Skurril fand ich die Ortskenntnis mancher Taxifahrer. Einer wusste weder, wo die Messe ist, noch wie er dort hinkommen sollte. Und von der Buchmesse hatte er noch nie gehört.

Wie das in einer sogenannten Messestadt möglich ist, erschließt sich mir nicht. Aber ich muss ja auch nicht alles verstehen – vielleicht wurde ich nur auf besonders gelungene Weise verarscht.

20 März 2024

Karl, Charles und mangelndes Interesse

Es gibt Romane, bei denen denkt man, sie müssten einen packen – und dann stimmt das halt doch nicht. So erging es mir mit »Und Marx stand still in Darwins Garten« von Ilona Jerger. Das Buch erschien vor einigen Jahren, es erhielt gute Kritiken, und das Thema hätte mich interessiert. Immerhin waren Karl Marx und Charles Darwin zwei wichtige Leute, deren Leben spannend sein sollte.

Was die Autorin daraus machte, fesselte wohl viele Leute; mich langweilte es. Seitenweise passiert nichts. Die Autorin geht durchaus ins Innenleben der Figuren, sie schildert ihre Gedankengänge und ihre Krankheiten, und in den Dialogen vermittelt sie auch, worum es in den zentralen Werken der Gelehrten geht. Mich konnte sie damit nicht packen.

Schon klar: Jegliche Action wäre hier irgendwie falsch gewesen. Aber es passiert so rein gar nichts. Der Stil der Autorin ist eher ruhig; sie vertieft sich in die Darstellung von Krankheiten und blendet immer wieder in die Vergangenheit. Das fand ich bei der Lektüre nicht unbedingt schlecht, aber es zog sich Seite um Seite um Seite …

Ich schaffte es bei meiner Lektüre nicht weit genug, um vom Treffen der beiden Herren zu lesen. So bekam ich auch nicht mit, worüber sich Karl Marx und Charles Darwin denn eigentlich unterhielten. Vielleicht findet jene Person daran mehr Freude, die das Buch demnächst aus einem der örtlichen Bücherschränke fischen kann ...

19 März 2024

Historische Reise durch ein grusliges Amerika

Seit die erste Ausgabe von »Manifest Destiny« erschienen ist, sind einige Jahre vergangen: 2014 begann die Serie in den USA, seit 2016 wird sie in Deutschland veröffentlicht – aber ich las den ersten Band dieser Ausgabe erst vor einigen Tagen. Er konnte mich fesseln, und ich überlege mir, die Fortsetzungen des Comics ebenfalls zu erstehen.

Die Handlung erweist sich schon in diesem ersten Band, der unter dem Titel »Flora & Fauna« erschienen ist, als spannender Genre-Mix. Erzählt wird von der legendären Lewis-Clark-Expedition, die 1804 das Gebiet der heutigen Vereinigten Staaten von der Ost- zur Westküste durchquerte. Dabei mussten allerlei Hindernisse überwunden werden.

Was aber bis heute niemand weiß: Zu den Hindernissen zählen auch allerlei Monster, die aus dem Wald kommen und die Expedition angreifen. Tatsächlich ist der Comic nichts anderes als die Verbindung eines historischen Abenteuers mit teilweise heftigen Horror- und Fantasy-Elementen. Zombies treten auf, seltsame Pflanzenwesen geben sich ein Stelldichein, es gibt eine einzige Abfolge von Gefahren.

In Szene gesetzt wurde diese Geschichte von Chris Dinges. Er zieht seine Story spannend auf, und die Szenenwechsel sorgen dafür, dass es einem nie langweilig wird. Gelungen!

Die Zeichnungen von Matthiew Roberts haben gelegentlich einen leichten Anflug von »Underground«-Stil; sie wirken manchmal, als seien sie nur schnell hingeworfen. Seine Mixtur aus Phantastik und Realitätsnähe bekommt der Künstler aber gut hin, und die Farbgebung durch Owen Gieni gefällt mir ebenfalls.

Der erste Band von »Manifest Destiny« war und ist für mich ein gelungener Einstieg. Es geht in eine historische Zeit mit teilweise derber Phantastik – das hat was!

18 März 2024

Ein Abo für die Klassiker

Der Hirnkost-Verlag ist mir nicht nur deshalb lieb und teuer, weil dort meine »Peter Pank«-Romane erschienen sind und ich dort zusammen mit Volker Langenbein »Totengräbers Tagebuch« veröffentlichen konnte. Der Verlag hat in jüngster Zeit eine Reihe hervorragender Science-Fiction-Anthologien herausgegeben und etabliert sich als einer der besten Genre-Verlage unserer Zeit.

Absolut lohnenswert ist die Reihe mit dem schönen Titel »Wiederentdeckte Schätze der deutschsprachigen Science Fiction. Verantwortlich dafür zeichnet Klaus Farin, der die Reihe zusammen mit Hans Frey – leider Kurzem verstorben – ins Leben gerufen hat. Alle bisher veröffentlichten Bücher sehen toll aus: Es handelt sich um schön gestaltete Hardcover-Ausgaben, die neben dem klassischen Romantext ein ergänzendes Nachwort enthalten.

Manche Titel kannte ich schon, von einigen hatte ich bisher nicht einmal den Namen gehört. Es ist sicher eine lohnende Ausgabe. Ich empfehle ein Abonnement – dann verpasst man keines der Bücher und ist immer auf dem Laufenden, was diese Reihe angeht. Abonnenten zahlen einen reduzierten Preis, was sich mit der Buchpreisbindung verträgt, und erhalten die Bände immer nach dem Erscheinen zugeschickt.

Ganz ernsthaft: Wer sich für Science Fiction interessiert und mehr von den Klassikern wissen möchte, für den ist diese Buchreihe absolut sinnvoll!

15 März 2024

Tafelbild, nachgereicht

Aus der Serie »Ein Bild und seine Geschichte«

Beim Seminar in Wolfenbüttel stand ich nicht nur einmal am Flipchart und malte darauf herum. Unter aderem ging es um die Kurzgeschichte als solche, unabhängig von allen Gedanken daran, ob diese nun phantastisch ist oder nicht. 

Also stellte ich mich an die »Tafel« und schrieb auf, was sich im Plenum an Vorschlägen und Hinweisen fand. Die Ergebnisse schrieb ich auf. Machen wir uns nichts vor: Den teilnehmenden Personen waren die meisten der Wörter, die ich an die Tafel schrieb, völlig klar – aber es war trotzdem interessant, sie alle einmal zu bündeln.

Und so entstand ein Tafelbild, das sich erstaunlich gut lesen lässt und das alle wesentlichen Elemente auf einen Blick zusammenfasst. Das dokumentiere ich an dieser Stelle dann doch sehr gern.

Abwechslungsreiche Fanzine-Lektüre

Um es vorwegzunehmen: Man muss kein Mitglied im Science-Fiction-Club Deutschland e.V. (SFCD) sein, um das Fanzine »Andromeda Nachrichten« gut zu finden. Das belegt die Ausgabe 284, die ich dieser Tage las und für die Sylvana Freyberg redaktionell verantwortlich zeichnet. Dabei ist völlig klar, dass mir nicht alle Artikel in diesem 126 Seiten starken A4-Heft gefallen und es Themen gibt, die mich nicht interessieren – Computerspiele etwa –; es ist die Gesamtheit, die überzeugt.

Dabei kam der der beste Beitrag für meinen Geschmack eh am Ende. In seiner satirischen Geschichte »Das Versagen« – in der ich als Figur eine unrühmliche Rolle einnehme – schreibt Klaus Marion über den zunehmenden Einfluss von Künstlicher Intelligenz auf das Schreiben und stellt die Frage, warum das in der Science Fiction eigentlich nie ein Thema war.

Interessant fand ich die Beiträge über den Magischen Realismus, also die phantastische Literatur aus Südamerika. Da hätte ich mir allerdings mehr redaktionelle Eingriffe – häufigere Absätze hätten den Text lesbarer gemacht – gewünscht; aber man kann ja nicht alles haben.

Das gleiche gilt für manch anderen Beitrag in diesem Heft: Wenn man ein Spalten-Layout hat, müssen die Absätze einfach kürzer sein, sonst wird der Text rasch weniger gut lesbar. (Der eigentlich interessante Artikel über den Autor Walter Tevis und sein Werk ist dafür ein gutes Beispiel ...)

Angesichts der Vielzahl an Beiträgen ist das vielleicht gar nicht so schlimm. Das Heft an sich ist höchst lesenswert, und es mangelt nicht an Beiträgen, die man anlesen oder auch durchschmökern kann. Dazu zählen die vielen Rezensionen ebenso wie Con-Berichte. (Na ja: Muss wirklich ein Buch ausführlich vorgestellt werden, das 1991 erschienen ist? Gibt es sonst nichts, das aktuell ist?)

Aber gut: Das Kennzeichen eines Fanzines ist ja, dass es Beiträge von Fans versammelt. In der aktuellen Ausgabe der »Andromeda Nachrichten« mangelt es nicht an gelungenen Beiträgen. Und das wiederum finde ich gut!

(Wer sich für das Heft interessiert, findet auf der Internet-Seite des SFCD e.V. weitere Informationen. Dort kann man es sich auch als PDF herunterladen.)

14 März 2024

Schwelgerischer Pop von Tocotronic

Ich erinnere mich noch gut an die Anfänge von Tocotronic; die Band war schrammelig, ja, geradezu punkig. Ich sah die Band einmal live, es war im alten »Substage« in Karlsruhe, und ich fand das Konzert gut. Klar, ein studentisches Publikum, bei dem nur gedämpfte Stimmung aufkam, aber eine gut aufgeräumte Band auf der Bühne, die sichtlich Spaß bei ihrem Geschrammel hatte.

Das ist lange her. Das wird einem klar, wenn ich nach einiger Zeit die Platte »Das rote Album« anhöre; na ja, eigentlich hat die Platte keinen Titel, aber sie ist halt rot, und deshalb hat sich dieser Begriff eingebürgert. Sie kam 2015 heraus, und ich kaufte sie mir als Doppel-LP, weil das einfach schöner ausseht und ich das Auflegen einer Platte nach wie vor schätze.

Die vier LP-Seiten sind großzügig bestückt; kein Wunder, bei nur insgesamt zwölf Stücken. Aber das störte mich nicht, für mich ist so eine Klappcover-Geschichte auch ein Gesamtkunstwerk, für das einfach andere Regeln gelten als für gewöhnliche Tonträger.

Musikalisch ist das weit weg vom Schrammel-Sound früherer Jahrzehnte. Die Band schwelgt in einem Pop, der schon fast Breitwandcharakter hat – ohne dass das Ganze aber überinszeniert wirkt. Man bleibt bei den Gitarren, das wird nur selten durch andere Geräusche unterstützt, aber es ist glatt gespielt, es wirkt geradezu schwelgerisch. Die Melodien sind gelungen, der Sänger hat eine klare Stimme, und das lässt einen recht schnell mitschwingen und mitsummen.

Bei den Texten ist man gewohnt verkopft. »Sie lesen jede Zeile / in der Wüste der Langeweile« – auf solche Sätze muss man erst einmal kommen. Die Texte sind eher persönlich, sie gehen nicht auf politische Inhalte ein oder erzählen klare Geschichten. Sie laden eher zu Interpretationen ein, sie sind vielschichtig – das ist dann Popmusik für Menschen, die sich auch mal gern mit den Texten beschäftigen.

Dazu zähle ich ja gar nicht. Für mich ist »Das rote Album« schlicht gute Popmusik mit deutschen Texten. Das kann ich mich immer mal wieder anhören, ich brauche allerdings die Stimmung dazu.

13 März 2024

Der Commissario altert

Ein toter Mann wird aufgefunden, ganz offensichtlich ein Mordopfer. Commissario Montalbano und sein Team beginnen mit ihren Ermittlungen. Schnell stellt sich heraus: Das Opfer war durchaus wohlhabend und verlieh Geld »auf privater Basis« zu hohen Zinsen an andere Menschen. Zugleich war der Ermordete zu Lebzeiten vom Theater begeistert und brachte mit einer Truppe von Laienschauspielern ambitionierte Stücke auf die Bühne.

Es gibt – so viel lässt sich feststellen – eine Reihe von Kontakten, die für eine Mordtat in Frage kämen. Aber es gibt keinerlei konkreten Hinweise, und so stochert die Polizei im Dunkeln. Für Montalbano, der sich langsam mit der Schauspielerei und einem bestimmten Theaterstück vertraut macht, kommt erschwerend hinzu: Seine Gefühle sind verwirrt, weil seine langjährige Beziehung kriselt und er eine neue Kollegin unglaublich begehrenswert findet ...

Die Rede ist von »Ein tiefer Blick in die Seele«, dem aktuellen Band der »Montalbano«-Serie des italienischen Schriftstellers Andrea Camilleri. Der Autor ist zwar schon verstorben, aber es gibt noch eine Reihe von unveröffentlichten Bänden – die »Montalbano«-Krimis sind immer gut geeignet für eine lockere Unterhaltung, die aber mit deutlichen Spuren von Tiefgang kombiniert wird ...

Im aktuellen Fall ist der eigentliche Mord fast eine Nebensache. Interessanter lesen sich die Verwirrungen des Commissarios und seine Probleme mit den Veränderungen in seinem Leben. Der erfolgreiche Polizist kommt nicht damit klar, dass er älter wird, und er schämt sich nicht nur einmal für die Politik seines Landes.

In solchen Szenen lässt sich feststellen, dass Andrea Camilleri alles andere als ein Autor oberflächlicher Urlaubskrimis war – in seinen Werken ging es immer auch um die Politik und ihre Auswirkung auf die einzelnen Menschen. Diesmal kommt eine philosophische Note hinzu, ausgelöst durch die Diskussion um das Theater und die Figuren, die darin auftreten.

Seien wir realistisch: Wer ein regelmäßiger Leser der »Montalbano«-Serie ist – so wie ich –, wird an diesem Buch seine Freude haben. Wer die Serie bisher nicht kennt, muss nicht unbedingt bei diesem Alterswerk einsteigen; viele Hinweise zur psychologischen Seite des Helden sind ohne Vorkenntnisse nicht so leicht zu verstehen, denke ich ...

(Ich habe mir die Hardcover-Version gekauft. Es gibt natürlich auch ein E-Book. Und mit dem Taschenbuch ist in absehbarer Zeit ebenfalls zu rechnen. Und alles gehört zum Programm von Bastei-Lübbe.)

12 März 2024

Ein historischer Comic, der beeindruckt

Um es gleich zu sagen: Der Comic »1629 – oder die erschreckende Geschichte der Schiffbrüchigen der Jakarta« ist ein absoluter Prachtband, der allerdings auch etwas hochpreisig ist. Der Umschlag des Buches sieht großartig aus, die gesamte Gestaltung des dicken Werkes beeindruckt schon, und die Geschichte sowie die Bilder haben mich dazu gebracht, jede Seite mehrfach anzuschauen.

Dabei klingt die Geschichte auf den ersten Blick gar nicht spektakulär: Es geht um die Reise eines niederländischen Schiffes vom Hafen in Holland aus bis in die Kolonien, also ins heutige Indonesien. Bei dieser Fahrt gibt es neben den üblichen Matrosen und Soldaten sowie einigen Passagieren zwei Besonderheiten: Es reist eine Frau aus einer »besseren Familie« mit, und es befinden sich Kisten mit Unmengen von Geld und Silber an Bord. Das alles sorgt quasi automatisch für Spannungen.

Als Comic-Autor ist mir Xavier Dorison seit Jahren ein Begriff; er hat sich in vielen Genres bewährt. Bei diesem Comic griff er auf Archive zurück und erzählt nun eine Geschichte, die auf historischen Fakten beruht. Seine Darstellung einer Schifffahrt kommt mir extrem realistisch vor. Die sozialen Gegensätze werden von ihm krass dargestellt.

Die Schiffsführung herrscht mit eiserner Hand über die Matrosen; die Strafen sind barbarisch und werden derb geschildert. Bei den sozialen Unterschieden geht Dorison bis ins Detail: Die Scheiße läuft buchstäblich auf die Köpfe der armen Passagiere hinunter.

Das alles setzt Timothé Montaigne mit einer brachialen Realitätsnähe in Szene. Große Ansichten des Schiffes und des Meeres gehören ebenso dazu wie Details der Gesichter und der Hände. Man merkt dem Künstler an, wie sehr er sich mit den Schiffen vertraut gemacht hat; das wirkt alles lebensecht und real.

Schon klar, das ist nicht jedermanns Geschmack; dieser Blick auf die Realität des 17. Jahrhunderts ist streckenweise schon grob. Aber die Bilder vergisst man nicht!

Starker Comic!

11 März 2024

Ein Tafelbild aus Wolfenbüttel

Ich bin wirklich nicht besonders gut darin, Vorträge, Referate und Seminare durchzuplanen. Das führt unweigerlich dazu, dass meine Tafelbilder, die ich auf ein Flipchart oder eben auf eine Schiefertafel male, nie hundertprozentig »sauber« sind. Allein schon deshalb, weil ich als guter Schwabe der Ansicht bin, man sollte nicht zu viel Papier verschwenden, und deshalb dazu neige, so eine Seite von oben bis unten vollzumalen.

Ganz so schlimm war es nicht, als ich am gestrigen Sonntag in Wolfenbüttel kurz darstellte, welche Möglichkeiten es gibt, im deutschsprchigen Raum eine Kurzgeschichte mit Science-Fiction- und Fantasy-Hintergrund zu veröffentlichen. Ich nannte nur die Publikationen und Verlage, bei denen ich mich einigeraßen auskannte, verwies auf die Zeitschrift »Federwelt« und ließ mich am Ende bereitwillig auf die Diskussion über die Plattform Wattpad ein, von der ich sehr angetan bin.

Dass sich aus diesem kurzen Vortrag eine Reihe von Diskussionen ergab, versteht sich wohl von selbst ... Autorinnen und Autoren sind allesamt Individualisten – es ist nicht immer einfach, sie »auf Spur« zu halten und eine Diskussion soweit einzugrenzen, dass sie nicht zu lang dauert.

Ein perfektes Tafelbild wäre hier vielleicht dann doch von Vorteil. Man weiß es nicht – ich werde das wohl nie hinbekommen ...

09 März 2024

Der zweite Tag mit Stilkritik

Heute bin ich bereits den zweiten Tag in Wolfenbüttel und an der dortigen Bundesakademie. Das eigentliche Seminar begann ich gestern bereits mit einer Art Vortrag. Ich erzählte den Autorinnen und Autoren – »aus gegebenem Anlass«, wie man so schön sagt –, was für mich Unwörter sind und wie man sie vermeidet. Warum Begriffe wie »Maßnahme« nicht gut sind und warum man ein Wort wie »beziehungsweise« meiden sollte – und so weiter.

Am heutigen Tag ging mein Co-Dozent Olaf Brill ebenfalls auf Stil und Grammatik ein. Er hatte Klassiker wie »Deutsch für Profis« dabei, mit deren Hilfe er auch über Stil referierte. Viele Aussagen hatte ich zwar irgendwann auch gelesen, aber längst vergessen. Ich fand es selbst gut, einige dieser Aussagen mal wieder zu Gehör zu bekommen.

Ansonsten machten wir fleißig Textarbeit, in dem wir die Texte besprachen, die von den Autorinnen und Autoren eingereicht worden waren. Und wir stellten eine Schreibaufgabe, die von allen Anwesenden erfolgreich – und mit unterschiedlichsten Ergebenissen – gemeistert wurde. Wie immer fand ich die Ergebnisse sehr interessant!

08 März 2024

Wolfenbüttel trotz Bahnstreik

An diesem Wochenende halte ich mich zum wiederholten Mal in Wolfenbüttel auf. An der dortigen Bundesakademie für kulturelle Bildung bin ich einer von zwei Dozenten für ein Seminar, das sich an Autorinnen und Autoren richtet, die phantastische Kurzgeschichten schreiben. 

(Klar, manche schreiben zudem Romane. Und wie ich seit heute weiß, haben praktisch alle einen unveröffentlichten Fantasy-Roman in der Schublade ...)

Die Anreise gestaltete sich eher anstrengend. Ich hatte eine Fahrkarte mit Platzreservierung für die Deutsche Bahn, aber die ließ ich stornieren. Wegen des Bahnstreiks war ich mir sicher, dass ich es mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht schaffen würde, zeitig an der Akademie zu sein.

Die Fahrt mit dem Auto verlief besser als geplant, vor allem ohne Stau. Und da ich gute Musik an Bord hatte, die laut aus den Boxen krachte, kam ich gut durch den Verkehr. Nun schauen wir, was alles passieren wird – der erste Seminartag ist vorüber.

Mein Co-Dozent ist in diesem Jahr der Autor und Redakteur Olaf Brill. Wir kamen heute schon flott in das Seminar hinein; die teilnehmenden Leute sind allesamt engagiert. Aber am Abend wartet dann doch eher ein Bier auf mich ...

07 März 2024

Die gesegnete Königin

Ein Blick auf Punkrock-Klassiker – Teil fünf 

Auch wenn ich selbst es langsam kaum noch hören kann, ist »God Save The Queen« eines der Stücke, die mich in den späten 70er-Jahre geradezu umfegten. Die Sex Pistols sah ich nie live, aber ich weiß noch gut, wie ich das Lied zum ersten Mal im Radio hörte und wie es mich elektrisierte. Die Wut auf das System, die Ablehnung gängiger Bürgerlichkeit – das alles wurde klar auf den Punkt gebracht.

Die Band veröffentlichte eine einzige Langspielplatte, die für die Punkrock-Szene wegweisend war, wurde vor allem aber durch ihre Auftritte berühmt. Das ist alles bekannt und wurde von unzähligen Journalisten und Doktoranden bis zum Erbrechen seziert. Mir sind diese »seriösen« Betrachtungen zu einem großen Teil sehr zuwider.

Höre ich mir das zynische Lied über Queen Elizabeth heute an, wird mir klar, warum die Band damit bekannt wurde und warum man sie entweder hasste oder liebte. Rein musikalisch lockt das heute niemandem mehr hinter dem Ofen vor … der Zahn der Zeit.

06 März 2024

Mutanten und Masken

Eine Zukunft, deren Zeit einigeraßen unbestimmt ist, die aber eindeutig nach einem schrecklichen Atomkrieg liegt: Die Menschen leben in einer Gesellschaft, die einer Diktatur ähnelt und in der seltsame Regeln gelten. Unter anderem werden immer wieder Jagden veranstaltet.

Ein Mensch wird ausgewählt, und unbekannte Männer setzen sich auf seine Spur, um ihn zu töten. Eine Möglichkeit zur Flucht ist die »tote Stadt«, über die nur wenig bekannt ist. Dort leben Mutanten, seltsame Menschen, die ihre Gesichter hinter Masken verbergen müssen.

Das alles ist der Ausgangspunkt für »Die tote Stadt«, einen Science-Fiction-Roman von William Voltz, der 1965 zum ersten Mal erschien und mehrfach nachgedruckt worden ist. Die Ausgabe, die ich las, erschien 1987 als Moewig-Taschenbuch. Aktuell gibt es den Roman nicht in gedruckter Form zu kaufen – außer gebraucht –, man kann sich aber die E-Book-Version herunterladen.

»Die tote Stadt« ist ein echtes Frühwerk von Voltz, und es lässt sich heute noch erstaunlich gut lesen. Die Motive sind bekannt,Voltz hat sie später immer wieder selbst in seine Romane eingebaut: Menschen, die ihre Gesichter hinter Masken verbergen, eine zerstörte Erde nach einem Atomkrieg, die Hoffnung auf ein Weiterleben der Menschheit auf einer fernen Welt.

Das Ganze ist spannend erzählt, es gibt viel Action und Verfolgungsjagden, und am Ende wird die Auflösung des Ganzen ein wenig arg »auf dem letzten Drücker« präsentiert. Das war damals durchaus üblich, das Werk passt also in seine Zeit – und man kann klar feststellen, dass Voltz schon 1965 wusste, wie man eine gute Science-Fiction-Geschichte mitreißend und durchaus glaubhaft erzählt.

Der Autor hat später wichtigere Werke geschrieben, »Die tote Stadt« lohnt aber auch heute noch eine Lektüre. Schöner Science-Fiction-Klassiker!

05 März 2024

Der dritte »Sammelbant«

Mit der Figur des kleinen Jungen Hartmut hat sich der Comic-Zeichner Hartmut Klotzbücher – er signiert als »Haggi« – schon vor langer Zeit in der deutschsprachigen Comic-Geschichte verewigt. Die Figur wurde in Heften vorgestellt, sie tauchte als Werbemaskottchen des Carlsen-Verlags auf, und ich mochte sie immer.

Mittlerweile liegen die »Hartmut«-Geschichten als Sammelbände im Gringo-Verlag vor, und ich las dieser Tage endlich den »Sammelbant 3«. Der trägt den schönen Titel »Der Hartmut hat schon fiel erlept«.

Die Inhalte kannte ich praktisch schon alle aus den Heften, aber das macht nichts. »Hartmut«-Geschichten mag ich seit dem ersten Tag, auch wenn sich dieses Mal bei der Lektüre erste Ermüdungserscheinungen einstellten.

Das liegt vielleicht daran, dass der Witz irgendwann doch ausgereizt ist: Hartmut ist ein kleiner Junge, der als ganz schlichte Strichzeichnung dargestellt wird und der so spricht, wie man sich das von Kindern vorstellt, die aus Schwaben kommen. Aus »erzählt« wird so ein »verzelt«, um ein Beispiel zu nennen.

Bei den kurzen Geschichten, die sich nur über eine Seite erstrecken, funktioniert das meist gut. Hartmut ist halt ein Junge, der Dinge falsch versteht und nicht richtig einordnet. Das ist dann mal blöd, wenn er beispielsweise über Prostitution stolpert, aber durchaus witzig, wenn er Widersprüche in der Erwachsenensprache aufgreift.

Sind die Geschichten länger, gefallen sie mir nicht mehr. Dann wirkt der spontane Witz nicht so gut, dann verlassen den Comic-Künstler offenbar seine Gags. Vielleicht war die Zeit für den guten Hartmut auch irgendwann vorüber.

Ich habe mich über den dritten »Sammelband« trotzdem gut amüsiert. Wer diese Art Comics mag, sollte die »Hartmut«-Bände eh kennen; erschienen ist diese Ausgabe bei Gringo-Comics.

04 März 2024

Bücher im Obertor

Ich war zum ersten Mal in meinem Leben in Radolfzell, der kleinen Stadt am Bodensee. Als ich zum ersten Mal durch die Altstadt bummelte, stieß ich auf die Buchhandlung am Obertor, trat ein und kam so schnell nicht wieder hinaus – und als ich ging, hatte ich prompt wieder Bücher gekauft. (Um gleich zu spoilern: Während meines Aufenthalts in Radolfzell war ich sogar ein zweites Mal in der Buchhandlung.)

Aber warum denn eigentlich?

Das lässt sich so genau nicht sagen. Vielleicht lag es an der verwinkelten Art, wie sich die Räumlichkeiten aneinanderreihten, von einem Eingang zum anderen, um das Büro der Buchhandlung und eine Treppe nach oben herum. Das wirkte geheimnisvoll und ein wenig »verruschdelt«, sprich, damit wurde ich automatisch zum Stöbern eingeladen.

Vor allem, wenn man hinten anfängt, also über den Hof in die Buchhandlung kommt: Dort stolpert man zuerst über die Kinderbücher; über die Reisebücher kommt man irgendwann in den vorderen Teil des Ladens, wo man Krimis und allgemeine Literatur findet. Science Fiction fristet ein absolutes Schattendasein, das gleiche gilt für Comics – dafür scheint man sich bei der Literatur nicht nur auf die gängigen Verlag zu konzentrieren, sondern sortiert auch den Wagenbach-Verlag ordentlich ins Regal.

Die Angestellten machten einen kompetenten Eindruck; ich hörte einigen Gesprächen zu, die sie mit Kunden führten. Und so war der Laden das, den ich bei einer Buchhandlung liebe: Alles wirkt so, als ob es mit viel Verstand ausgesucht, und so fand ich eine kuratierte Auswahl an Büchern, die mir unaufdringlich präsentiert wurde.

Solche Läden liebe ich einfach!

01 März 2024

Quadro Nuevo auf der klag-Bühne

In der Stadt Gaggenau im Murgtal gibt es seit vielen Jahren einen Veranstaltungsort, und ich habe es in all den Jahren nie geschafft, dort einmal aufzuschlagen. Gemeint ist die klag-Bühne – frage mich niemand, wofür das »klag« steht –, in der ständig Konzerte und Kabarett-Abende stadttfinden.

Am Donnerstag, 29. Februar 2024, steuerten wir den Ort an. Wir waren zeitig dran, mehr als eine halbe Stunde vor Beginn betraten wir den Saal. Da war dieser schon so gut wie voll. Es gab keine Reihenbestuhlung, sondern es standen Tische und Stühle im Saal. Und um diese Tische saßen Leute, die aßen und tranken. Im Prinzip hatten wir es also mit einer Kneipe zu tun, bei der eben auch Musik live gespielt wurde.

Wir fanden einen guten Platz – lustigerweise am Presse-Tisch –, bestellten Getränke und sahen den anderen Leuten beim Essen zu; wir hatten daheim gegessen. Beim nächsten Mal würden wir das anders machen. Und irgendwann kamen dann die Musiker auf die Bühne.

Quadro Nuevo stammen aus Bayern, und die vier Männer hatte ich vor Jahren schon einmal gesehen. An diesem Abend präsentierten sie eine bunte Mixtur aus früheren Platten und Auftritten; wer mag, kann das als Jazz bezeichnen oder in die riesige Schublade der Weltmusik einordnen.

Ein Samba oder ein Tango aus Südamerika, eine Serenade aus Neapel, ausgedehnte Klaviersoli und viele andere musikalische Einflüsse reihten sich aneinander. Das war stilistisch sehr abwechslungsreich; manche Stücke waren ruhig, fast träumerisch, bei anderen wäre ich gern gestanden und hätte mich ein wenig bewegt. Die Leute von Quadro Nuevo sind redselig und machen einen sehr netten Eindruck; auf der Bühne wurde viel gescherzt, das Publikum lachte viel, und am Ende gab es einen langen Beifall.

Ich fand das Konzert großartig, eine abwechslungsreiche Mixtur der unterschiedlichsten Stile und das alles mit viel Humor und Augenzwinkern serviert. Quadro Nuevo werde ich sicher mal wieder sehen, und die klag-Bühne sollte ihc mir merken.