ENPUNKT-Tagebuch
Es passiert einiges um mich herum, und nicht alles gefällt mir. Vieles fasziniert mich, vieles interessiert mich – und das soll Thema dieses Blogs sein.
06 Juni 2025
Zu Emos in die Provinz
(Von den heutigen Emos möchte ich gar nicht sprechen; das ist etwas völlig anderes, finde ich. Da ist ja nur der Name mit der alten Zeit identisch.)
Darum geht es in der aktuellen Folge meines Fortsetzungsromans »Der gute Geist des Rock’n’Roll«, der in der aktuellen OX-Ausgabe 180 veröffentlicht wird. Mein Ich-Erzähler ist im Juni 1996 in einem badischen Dorf unterwegs – einem Vorort eigentlich – und schaut sich dort ein Konzert an. Es spielt eine Band, und deren Musik wird als Powerviolence bezeichnet. Für jemanden, der mit Punkrock sozialisiert worden ist, kann so eine Begegnung mit neuer Musik durchaus anstrengend sein …
Ich hoffe, es ist mir in diesem Teil der Fortsetzungsgeschichte gelungen, einen Teil des damaligen Zeitgeistes einzufangen. Punkrock war und ist in gewisser Weise konservativ; wenn es etwas Neues gab, wurde es immer kritisch beäugt. So war es 1982, so war es 1988, so war es 1996, und so ist es sicher auch heute noch – nur bekomme ich es nicht mehr großartig mit.
05 Juni 2025
Der zweite Fall für Skarabäus Lampe
Meike Stoverock hat eine phantastische Welt erschaffen, in der Tiere wie Menschen agieren: Hasen und Löwen spazieren in Anzügen oder Abendkleidern herum, Vögel tragen Uniform, und sogar Fische sind in dieser Welt daheim, müssen aber ihre Sauerstoffversorgung anders regeln. Die Autorin folgt damit einer alten Tradition der Phantastik, die Tiere vermenschlicht, und sie macht das sehr originell und sehr gut.
Worum geht es in diesem Fall für Skarabäus Lampe? Der Vater des berühmten Detektivs stirbt; er war ein bekannter Archäologe, der auf der ganzen Welt forschte und Ausgrabungen leitete. Doch ausgerechnet bei der Trauerfeier gibt es einen Mord, und Skarabäus wird klar: Der Tod seines Vaters war kein Zufall, sondern ebenfalls ein Mord. In einer unruhigen Zeit, in der die Stadt von Demonstrationen und Polizeigewalt erschüttert wird, muss der Detektiv in der bürgerlichen Gesellschaft ermitteln …
Was sich in der Zusammenfassung anhört wie ein ganz klassischer Krimi, ist es im Roman auch. Alle Verdächtigen sind quasi in einem Raum – in diesem Fall in einem Museum –, während die Polizei das Gebäude abriegelt und außerhalb ein Bürgerkrieg droht. Der Detektiv muss ermitteln, ihm stehen aber nur wenige Möglichkeiten zur Verfügung, und die Polizei behandelt ihn mit Misstrauen. Zu allem Überfluss scheinen ihm alle Personen, die er verhört, eine neue, sehr kritische Sicht auf seinen Vater zu vermitteln.
Dieser Krimi wird von der Autorin durch die vielen phantastischen Ideen quasi überhöht. Die Tiere, die miteinander verkehren, die ungewöhnlichen Dialoge – das alles wirkt lebendig und so glaubhaft, wie man es sich eben vorstellen kann. Meike Stoverock bietet eine Fülle origineller Figuren auf, die der Romanhandlung immer ordentlich Tempo geben. Das machte mir bei der Lektüre richtig Spaß – man muss sich allerdings auf die doch etwas schräge phantastische Welt einlassen.
»Tod im Museum« ist gelungenes Lesefutter, eine tolle Mischung aus Krimi und Fantasy im weitesten Sinne. Wer sich nicht so richtig rantraut, möge sich die Leseprobe auf der Internet-Seite des Verlags anschauen – veröffentlicht wurde der Roman bei Klett-Cotta.
Man muss übrigens nicht den ersten Band mit Skarabäus Lampe kennen, um »Tod im Museum« verstehen zu können; beide Bände sind sehr unabhängig voneinander.
(Die Rezension hatte ich bereits im März auf der PERRY RHODAN-Seite; heute komme ich endlich dazu, sie auch an dieser Stelle unterzubringen ...)
04 Juni 2025
Ich will Adam Riese sehen
Was mich aber dieser Tage verblüffte: Es gibt einen Entertainer, der in Münster eine lokale Berühmtheit ist und sich Adam Riese nennt. Die Presse berichtet wohlwollend über ihn, er lädt allerlei Leute zu seiner Show ein und ist so etwas wie eine Prominenz.
Und er war in seinem früheren Leben der Sänger von Äni(x)Väx. Ich glaube, das ist ein Grund für mich, mal wieder nach Münster zu fahren und mir eine Adam-Riese-Show anzusehen ...
03 Juni 2025
Künstlerische Umsetzung des Literatur-Klassikers
»Moby Dick«. der große Roman von Hermann Melville, zählt zu den Klassikern der Weltliteratur. Bill Sienkiewicz ist einer der großen Comic-Künstler überhaupt, der mit seinem visionären Stil schon viele Werke veröffentlicht hat. Was geschieht, wenn ein Künstler wie er ein großes Literaturwerk umsetzt? Die Comic-Adaption von »Moby Dick« ist als starker Hardcover-Band im Splitter-Verlag erschienen.
Man muss fair sein: Der Roman ist umfangreich, und es ist schier unmöglich, ihn in einen Comic umzusetzen, ohne dass dabei viele Details verloren gehen. Sienkiewicz entschloss sich bei seiner Arbeit offensichtlich dazu, die Romanvorlage in Fragmente zu zerlegen, aus denen er einzelne Seiten machte. Man kann der Geschichte deshalb eigentlich nur folgen, wenn man den Roman oder zumindest eine Verfilmung kennt.
Die Geschichte des Matrosen Ismael, der sich Captain Ahab bei dessen Jagd auf den Weißen Wal anschließt, wird von Sienkiewicz in Gemälde mit wenig erklärendem Text und Sprechblasen zerlegt. Die Bilder sind sehr künstlerisch, deuten oft nur Umrisse an oder geben Szenerien als farbige Gemälde wieder. Der Comic-Maler interpretiert mehr, als das er erzählt.
Es ist – wenn man so will – eine künstlerische Annäherung an ein großes Werk. Das ist dann überzeugend, wenn man den Stil des Künstlers schätzt. Das ist aber verwirrend, wenn man darauf hofft, eine Graphic Novel über einen Literatur-Klassiker zu lesen. Ich fand's gut, fremdelte zeitweise aber schon. Deshalb empfehle ich unbedingt, die Leseprobe auf der Internet-Seite des Splitter-Verlags anzuschauen.
02 Juni 2025
Ich bin ein Systemling
Heute amüsierte mich ein gewisser Martin. Der schreibt gern von den Machenschaften des Tiefen Staates und freut sich öffentlich darüber, nicht geimpft zu sein.
Er hatte mich öffentlich angegriffen. Ich sei ja Autor, er werde nie ein Buch von mir kaufen. Ich konterte » höflich siezend – via Twitter –, worauf er mich beleidigte. Ich blieb höflich und schrieb wieder zurück. Daraufhin bezeichnete er mich als »Systemling«, was immer das sein mag, und blockierte mich.
So liebe ich die Brüder von der anderen Feldpostnummer: immer ein riesiges Geschrei anstimmen, und sobald ein bisschen Gegenwind kommt, wird blockiert und abgewiegelt. Ich glaube, ich bleibe weiterhin bei Twitter. Leider nicht mehr aus den Gründen, weshalb ich so lange auf dieser Plattform aktiv war ...
30 Mai 2025
Grenze an der Grenze
Bereits in den 70er-Jahren waren die Kontrollen an der Grenze zwischen Deutschland und Frankreich sehr oberflächlich. Wenn mein Vater mit uns in seinem VW-Käfer an die Rheinbrücke kam, wurden wir üblicherweise durchgewunken. Die Personalausweise hatte man zur Hand, aber man brauchte sie nicht, alles kein Problem – das gleiche bei der Rückfahrt.
Und lange vor den Schengen-Verträgen war klar, dass Grenzen zwischen Deutschland und Frankreich ein Unding sind. Ich überquerte seitdem sehr oft die Grenze und wurde nie kontrolliert. In den vergangenen Jahren fuhr ich sogar mehrfach mit dem Rad einfach durch den Wald oder entlang des Rheins oder durch irgendwelche Weinberge und stand unversehens in Frankreich.
Das ist jetzt anders. Als ich kürzlich ins Elsass fuhr, gab es auf der anderen Stra0enseite einen riesigen Stau: Die deutsche Polizei hatte die Straße gesperrt und Zelte errichtet. Eine improvisierte Grenzabfertigung war entstanden, wo nun Leute kontrolliert wurden. Schon klar: ein Ergebnis unserer neuen Regierung – man will die illegale Migration stoppen, löst aber damit vor allem Stau und Ärger auf.
Als ich am gleichen Tag aus dem Elsass zurück in die Pfalz wollte, nahm ich eine Nebenstrecke, eine der vielen kleinen Straßen. Dort wurde nicht kontrolliert. Logisch – so viele Polizisten hat man ja gar nicht zur Verfügung, um jede Gemeindestraße zu blockieren. Aber mal ehrlich: Wenn schon so ein Durchschnittsdeutscher wie ich auf die Idee komme, auf eine Nebenstrecke auszuweichen – was wird dann einer dieser ach so schwerkriminellen Schleuser machen? Der stellt sich doch bestimmt nicht in die Schlange am offiziell kontrollierten Grenzübergang, sondern nimmt den Radweg entlang des Rheins oder eine ganz normale Dorfstraße ...
28 Mai 2025
Zwei phantastische Comics für Kinder
Unter dem Label Toonfish veröffentlicht der Splitter-Verlag seit mehreren Jahren phantastische Comics, die sich vor allem an Kinder und Jugendliche richten. Heute will ich euch zwei aktuelle Bände vorstellen, die jeweils den Auftakt zu einer größeren Geschichte bilden.
Aucha / Isabelle Lemaux-Piedfert: Die vergessenen Welten
Im Jahr 1920: Amy ist ein aufgeschlossenes Mädchen, das gerne forscht und von unstillbarer Neugierde erfüllt ist. Sie schafft es, ihren Vater, einen bekannten Forschungsreisenden, dazu zu bringen, sie nach Mittelamerika mitzunehmen. Dort hilft sie ihm bei den Ausgrabungen alter Maya-Tempel, geht aber bald ihre eigenen Wege.
So beginnt der erste Band von »Die vergessenen Welten«. Vordergründig geht es um uralte Kristallschädel und eine Jagd nach Atlantis, daneben wird aber auch erzählt, wie ein Mädchen gegen die Regeln seines Standes aufgebehrt und versucht, eigene Wege einzuschlagen. Die Geschichte ist turbulent, sie hat einen phantastischen Charakter, erinnert mit ihrem abenteuerlichen Grundton aber eher an »Indiana Jones« oder »Tomb Raider«.
Der Comic-Autorin Aucha gelingt es hervorragend, die Figur eines 13 Jahre alten Mädchens so zu beschreiben, dass man ihm gern durch das Abenteuer folgt. Andeutungen erster Liebe gibt es ebenso wie das Aufbegehren einer Generation – schön gemacht!
Die Bilder von Isabelle Lemaux-Piedfert ergänzen das sehr gut; sie sind schwungvoll, entsprechen dem aktuellen Stil und dürften der angepeilten Zielgruppe gefallen. Auch als erwachsener Leser macht die Lektüre Spaß.
Das erste Hardcover-Album der neuen Reihe trägt den Titel »Der Schädel von Lubaantun«, umfasst 80 Seiten und kostet 17,95 Euro. Mithilfe der ISBN 978-3-98721-722-7 kann man es überall im Comicfach- und Buchhandel bestellen.
Audrey Alwett / Nora Moretti: Der Garten der Feen
Mitte des 19. Jahrhunderts in der Normandie: Lucie ist ein aufgewecktes Mädchen, ein junger Teenager also, und hat wenig Lust darauf, aus dem mondänen Paris in ein Schloss auf dem Land zu ziehen. Doch schnell erkennt sie, dass dort nicht nur eine seltsame Familie auf sie wartet, mit der sie ihre Probleme hat, sondern auch ein geheimnisvoller Garten, in dem es tatsächlich Feen gibt.
Außer Lucie kann diese anscheinend niemand sehen, selbst der Garten ist vor den Augen anderer Menschen verborgen. Kein Wunder, dass das Mädchen alles versucht, um hinter dessen Geheimnis zu kommen – wobei Lucie bald feststellt, dass die Mysterien der Feen mit der Geschichte ihrer Familie verknüpft sind …
Die Comic-Autorin Audrey Alwett hat sich bei dieser gelungenen Phantastik-Serie, die sich vor allem an Mädchen richtet, vom Kinderbuch-Klassiker »Der geheime Garten« beeinflussen lassen, entwickelt auf dessen Basis aber eine eigenständige Geschichte, die sich flott lesen lest. Gelungen sind zudem die Bilder der Künstlerin Nora Moretti; die Figuren und die Hintergründe haben manchmal einen leichten Manga-Anflug, entsprechen stets dem Standard jener aktueller Comics, die sich an Jugendliche richten.
Mit »Die Feenhirtin« ist ein schöner Start in eine moderne Fantasy-Serie gelungen. Der erste Band ist als Hardcover erschienen; er umfasst 72 Seiten und kostet 17,95 Euro. Mithilfe der ISBN 978-3-98721-365-6 kann man das Buch überall im Comicfach- und Buchhandel bestellen.
(Diese Doppel-Rezension erschien bereits im März auf der Internet-Seite der PERRY RHODAN-Serie; hier teile ich sie aus Gründen der Dokumentation auch endlich ...)
27 Mai 2025
Gesamtausgabe eines Phantastik-Klassikers
Ich lieh die drei Bände oft aus, irgendwann waren sie völlig zerfleddert, und irgendwann waren sie verschwunden. Deshalb war ich sehr froh, als beim Splitter-Verlag eine schicke Hardcover-Ausgabe erschien, die nicht nur die drei originalen Alben enthält, sondern auch ein umfangreiches Nachwort mit Texten und Bildern – ich mag so etwas ja sehr.
Die Geschichte lässt sich sehr kompliziert und detailreich erzählen, oder man beschränkt sich auf die grundlegenden Motive. Das will ich versuchen: Charles ist ein Comic-Künstler, der ein wenig punkig aussieht und sich vor allem mit Leuten umgibt, die ebenfalls punkig aussehen, entsprechende Frisuren haben und auf ihren Jacken provokante Aussagen oder Buttons spazierentragen. Er bezieht eine düstere Wohnung in einem eigentlich schönen Viertel von Brüssel, wo er in immer seltsamere Visionen verfällt und langsam – wie es aussieht – den Verstand verliert …
Hat er es mit echten Geistern zu tun, bildet er sich alles nur ein? Seine Freunde, die ihm helfen wollen, werden ebenfalls in den Bann des Gebäudes gezogen. Die alptraumhaften Szenen halten bis zum Ende an, eine echte Auflösung gibt es nicht.
»L’état morbide« ist nach allen Jahren immer noch klasse: Die Geschichte ist mysteriös und spannend, als Leser tappt man ebenso im Dunkeln wie die Hauptfigur. Die unheimlichen Elemente gestalten die Handlung gruselig, und das liest sich nach wie vor faszinierend.
Die grafische Gestaltung überzeugt ebenfalls. Daniel Hulet hat einen Stil, der realistisch wirkt, auch und gerade bei den phantastischen Szenen; seine Figuren sehen glaubhaft aus, das alte Haus wirkt dämonisch, manche Szenen sind voller Fratzen, die man mit großem Staunen betrachtet.
»L’état morbide« ist immer noch ein überragender Phantastik-Comic. Starke Gesamtausgabe – unbedingt empfehlenswert!
26 Mai 2025
Die kleinen Dinge in einem Dorf
Der Film lebt von seinen Hauptdarstellern, die mir allesamt aus anderen Filmen bekannt waren. Julia Piaton spielt die Lehrerin Alice, die im Nebenberuf die Bürgermeisterin eines kleinen Dorfes ist. Michel Blanc wiederum spielt den Rentner Émile, der nicht lesen kann und sich als echter Sturkopf erweist. Und wie in solchen Fällen üblich: Die beiden müssen sich zusammenraufen.
Letztlich aber ist der Film vor allem das Porträt eines Dorfes, dessen Bewohner sich abgehängt fühlen. Es gibt keine Kneipe mehr, keinen Laden, nichts. Und wenn die Schule auch noch geschlossen wird, steuert das hübsche kleine Dorf auf sein Ende zu. Also versuchen die Bewohner alles, um ihre Schule zu retten.
Natürlich ist das letztlich ein Märchen. Dorfbewohner sind Menschen wie alle anderen auch – sie halten leider nicht so schön zusammen, wie es in diesem Film erzählt wird, sondern es gibt Nazis und Trottel unter ihnen, nette und engagierte Leute, Querköpfe und alles andere auch. Aber ich mag es dann doch, wenn mir in einem Film vermittelt wird, wie es sein könnte, wenn die Leute solidarisch wären und mit Witz und Engagement gegen blöde Bedingungen vorgehen würden.
So ist »Es sind die kleinen Dinge« ein Film, der keine große Geschichte erzählt, sondern Menschen in den Mittelpunkt stellt und sie vielleicht ein wenig schöner darstellt, als sie es wirklich wären. Es ist gut gemachte Unterhaltung mit einem ernsthaften Kern – und das ist das, was viele französische Komödien unterm Strich auszeichnet. Empfehlenswert!
23 Mai 2025
Finale im Eispalast
Mit der Folge 51.2, die den Titel »Im Reich der Alraune – Hekates Garten« trägt, spielen noch einmal Yetis eine Rolle, ebenso mysteriöse Wurzeln, die im Hochgebirge wachsen. Es gibt aber auch einen Palast im ewigen Eis und mysteriöse Erinnerungen an eine Vergangenheit, die der Dämonenkiller Dorian Hunter gar nicht mehr kennt.
Ganz klar: Mit dieser Folge werden erneut Verknüpfungen hergestellt. Wer die Serie gut kennt, freut sich bestimmt darüber; wer neu einsteigt, ist an diesen Stellen womöglich überfordert. Coco Zamis und ihre magischen Talente sind aber spannende Elemente, der Kampf um den Eispalast liefert reichlich Action – und damit entsprechende Hörspiel-Akustik.
Die Handlung ist spannend, die Dialoge und die Geräusche sind toll. Und mit der allerletzten Szene gibt es noch eine handfeste Überraschung für die Hörerinnen und Hörer dieses Zweiteilers. Klasse!
22 Mai 2025
Saarland-Hardcore von 1988
Die Platte bietet zwölf Stücke mit knalligem Hardcore-Punk und englischen Texten, wie er damals häufig gespielt wurde. Die Stücke sind schnell, sie enthalten immer wieder Tempowechsel, sie werden druckvoll gespielt, und sie bollern manchmal ordentlich durch. Das Schlagzeug poltert engagiert, die Gitarre singt geradezu und gibt so die Melodie vor; der Sänger hat eine Stimme, die man sich merkt und die vor allem auf der ersten Platte irgendwie gequetscht klingt. Das macht die Band eigenständig und ähnelt nicht den anderen Gruppen jener Tage.
Teilweise sind die Stücke arg lang, manche über fünf Minuten lang. Eigentlich finde ich das ja blöd, aber hier stört es mich gar nicht. So ist »My friend« mit über fünf Minuten echt gedehnt, gleichzeitig aber der »Hit« der Platte, der gut ins Ohr geht und mich tatsächlich an »Lo Spiritua Continua« von Negazione erinnert. Bei den englischsprachigen Texten werden politische und gesellschaftlche Themen verhandelt, die Band äußert ihren Missmut zur aktuellen Zeit, verzichtet aber auf plattes Polit-Gebolze,
Mit all ihren Spannungen und ihrer Dynamik ist die Platte frisch geblieben; sie gefällt mir immer noch, nicht nur unter historischen Gesichtspunkten. Es ist immer noch Musik, bei der ich Pogo oder Slamdance betreiben könnte ... Starke Scheibe – immer noch empfehlenswert!
21 Mai 2025
Krimi-Klassiker, erneut gelesen
Marlowe ist in gewisser Weise stilprägend, bis heute beeinflusst seine Darstellung zahlreiche Schriftsteller. Der Detektiv wird in Fälle verwickelt, die nicht nur mit Kriminalität zu tun haben, sondern auch seinen moralischen Kompass in Frage stellen. Als »Schnüffler« steht er nie an der Spitze der Gesellschaft, sondern ist auf der »unteren Etage« unterwegs, wo er immer wieder den Unrat wegschaffen soll, den reiche Leute hinterlassen.
So auch in »Der große Schlaf«. Marlowe wird von einem schwerreichen, aber sehr alten Mann engagiert, auf seine Töchter aufzupassen. Die sind jung und ein bisschen zu wild; sie haben sich mit den falschen Männern eingelassen und verkehren in einem Milieu, in dem ein Menschenleben nicht viel und Moral gar nichts gilt. Marlowe zieht seinen Auftrag durch, ohne mit der Wimper zu zucken, legt sich mit den jungen Frauen ebenso an wie mit Gangstern und der Polizei, und irgendwann hat er zwar keinen Auftrag mehr, macht aber ohne Pause weiter.
Das alles erzählt der Autor in einem Ton, der schnörkellos und oft nüchtern ist, manchmal mit Spuren von Sarkasmus unterlegt. Die Dialoge sind spannend und treiben die Handlung voran, die szenischen Beschreibungen sind knapp, ufern nie aus und bringen die Angelegenheit immer auf den Punkt. Chandler war ein Meister darin, Szenen so zu schreiben, dass sie im Kopf des Lesers gleich ein Bild ergaben.
Ob die neue Übersetzung wirklich besser ist als die alten, kann ich nicht beurteilen. Mittlerweile bekam ich zwei ältere Versionen des Romans in deutscher Sprache geschenkt. Die werde ich mir irgendwann genauer anschauen, das interessiert mich ja wirklich.
Generell aber gilt: Der Roman ist immer noch klasse!
20 Mai 2025
Überraschung aus dem Saarland
Aber so ein Geburtstagsfest in der »Alten Hackerei« ist stets eine Gelegenheit, Leute zu treffen, die man schon lange nicht mehr gesehen hat. Also stand ich lange mit einer Bierflasche in der Hand im Biergarten herum und laberte mit Leuten.
Dabei wurde mir ein Mann vorgestellt, den ich zuerst nicht erkannte, bis klar wurde, wen ich vor mir hatte: Gurke erwies sich als der Sänger der Band, die an diesem Abend aufspielen sollte und der früher bei Crowd Of Isolated gesungen hatte. Die hatte ich in den späten 80er-Jahren mehrfach gesehen, sie hatten sogar einmal in unserem Jugendzentrum in Freudenstadt gespielt. Wir hatten uns seit über dreißig Jahren nicht mehr gesehen.
Diesem Gespräch mit dem Austausch von »was machst du eigentlich?« und »was ist denn aus dem und der geworden?« folgten weitere Gespräche mit anderen Leuten. So verpasste ich den Auftritt von Aka Rinde fast komplett: ein Gitarrist auf der Bühne, der mit einem Fuß nebenbei ein Schlagzeug bediente und dazu in deutscher Sprache sang. Das war sicher nicht schlecht, an diesem Abend aber nicht meine Tasse Bier. Ich hätte konzentriert zuhören müssen, und dazu war ich nicht in der Stimmung. Dann doch lieber Bier trinken und labern.
Bis Trust Issues auf der Bühne standen. Das war Gurkes aktuelle Band, die es seit 2019 gibt, die ich nur vom Namen her kannte und die ich noch nie live gesehen hatte. Die vier Herren auf der Bühne waren allesamt nicht mehr die Jüngsten; die Haare waren dünn oder grau. Aber das passte zum Publikum, in dem die ganz jungen Leute ebenfalls eine Minderheit bildeten.
Was die Band auf der Bühne bot, war alles andere als Alte-Männer-Musik. Serviert wurde Hardcore-Punk, wie man ihn in den späten 80er-Jahren oft gehört hatte, mit ordentlich Wumms und viel Schmackes, mit Melodie und sichtlicher Spielfreude. Der Sänger sprang auf der Bühne und im Publikum herum, als sei er immer noch Anfang der zwanzig, die Band grinste sich eins und verbreitete gute Laune.
Das alles sprang auf das Publikum über und wurde von dem quasi auf die Bühne reflektiert. Es gab keinen heftigen Pogo, aber die meisten Leute bewegten sich, und vorne wurde auch ein bisschen gehüpft. Ich zappelte altersgerecht ein bisschen an meinem Stehplatz herum und hüpfte zwei-, dreimal, weil es nicht anders ging. Ansonsten freute ich mich, grinste von einem Ohr zu anderen und johlte vor Begeisterung.
»Das ist wie früher!«, meinte irgendwann einer zu mir. »Aber ein Früher, wie wir es uns heute oft verklären.«
Damit hatte er recht: Trust Issues überzeugten an diesem Abend echt. Starke Band, tolles Konzert!
19 Mai 2025
Schlimmer kommen?
Hätte es wirklich schlimmer kommen können? Klar: Eine absolute Mehrheit der AfD wäre schlimmer. Eine Koalition aus CDU und AfD wäre schlimmer. Eine Koalition aus Christ- und Sozialdemokraten ist keine völlige Katastrophe, sondern die derzeit einzige Möglichkeit, überhaupt eine halbwegs funktionierende Regierung hinzubekommen.
Aber muss ich das wirklich gut finden? Muss ich mich achselzuckend damit abfinden, dass nun eine Koalition aus grauen Mäusen das Land regiert, eine Koalition aus Leuten, die – wenn es gut läuft – alles so lassen wollen, wie es schon immer war, oder es – wenn es noch blöder kommt – in eine Richtung drehen wollen, die ich grausig finde.
Das laute Geschrei in Sachen Migration, das von beiden Parteien der aktuellen Regierung kommt, ist für mich widerwärtig. Das Ignorieren von Klimawandel und Umweltschäden finde ich erschütternd. Das Eindreschen auf Menschen, die arm sind – aus welchen Gründen auch immer –, ist an Peinlichkeit kaum zu überbieten: Politiker, die in ihrem ganzen Leben noch nie »richtig gearbeitet« haben, singen das Hohelied auf fleißige Arbeitnehmer.
Mir ist klar, dass Sozial- und Christdemokraten keine Liebeskoalition gegründet haben. Mir ist klar, dass man Kompromisse eingehen muss. Aber müssen die auf diesem erschütternden Niveau sein? Muss der Hass auf Ausländer und arme Leute wirklich das sein, was ich allem von dieser Regierung abbekomme?
Ja, es hätte schlimmer kommen können. Aber ich finde die aktuelle Regierung wirklich schlimm.
16 Mai 2025
Zweimal wurde ich »verarbeitet«
Rainer Schorms Geschichte trägt den Titel »Der Barbarossa-Effekt« und ist wie eine klassische Kurzgeschichte aufgebaut. Figuren treten auf, es gibt Dialoge und szenische Beschreibungen – und am Ende wird der Bezug zu mir hergestellt. Sehr schön erzählt; darüber freute ich mich sehr.
Nils Hirseland liefert mit »Für eine Handvoll Likes« ebenfalls eine gelungene Ergänzung. Der Autor, seit einiger Zeit als Vorsitzende der PERRY RHODAN-FanZentrale bekannt, erzählt in seiner Geschichte von einem Redakteur, der sich mit »Einhornkiller«-Romanen beschäftigt. Der Vergleich erheiterte mich gleich mehfach, die Geschichte an sich machte mir ebenfalls große Freude.
Wieder einmal fühlte ich mich sehr geschmeichelt; zwei gelungene Storys zu meinem Geburtstag. So macht mir das Buch immer noch große Freude!
14 Mai 2025
Dustin Hoffman als Cheyenne
»Little Big Man« gilt als Western, was nur eingeschränkt richtig ist. Wenn man wollte, könnte man den Streifen als Indianerfilm bezeichnen; andere bezeichnen ihn als Anti-Western oder als Western-Satire. Alles ist richtig – und doch nicht.
Zur Handlung nur so viel: Der Film spielt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ein Junge wird von den Cheyenne adoptiert und wächst bei den »Menschenwesen« – so nennen sie sich selbst – auf, obwohl er ein Weißer ist. Er bekommt den Anfang der Indianerkriege mit, versucht sich bei den Weißen, ist zwischendurch Quacksalber und Revolverheld, landet wieder bei den Cheyenne und nimmt – gegen seinen Willen – am Washita-Massaker und an der Schlacht am Little Big Horn teil.
Der Film ist mal skurril und witzig, mal unglaublich tragisch; Dustin Hoffman spielt einen jungen Mann, der staunend und ein wenig tölpelhaft durch den sogenannten Wilden Westen stolpert und nie so richtig weiß, wohin er gehört. Der Film wurde 1970 gedreht; man kann ihn natürlich politisch deuten – oder eben als einen realitätsnahen Film über den Untergang der Prärie-Indianer anschauen.
Empfehlenswert. Immer noch!
13 Mai 2025
Das Schwarze Brett der Kompanie
Aber ich war Gefreiter in der Ausbildungskompanie und er ein Rekrut im zweiten Monat. Wir waren beide wehrpflichtige Soldaten, aber ich war sein Vorgesetzter. Er gehörte zu den Rekruten, deren Zimmer in direkter Nähe zu den Offiziersbüros lagen; sie wurden öfter kontrolliert, bekamen aber auch viel mit.
Ich hielt an. »Ja?«
Eigentlich war bereits Dienstschluss, die Zeit zwischen Abendessen und verordneter Bettruhe. Die Rekruten hatten frei, ich hatte ebenfalls frei. Und eigentlich wollte ich in das Zimmer, das ich mit einigen anderen Gefreiten bewohnte, um dort ein wenig zu lesen. Doch der Rekrut, der vor mir stand, wirkte unsicher und stur zugleich.
»Der Oberleutnant …«, fing er an, unterbrach sich dann, als ob er nicht wüsste, was er sagen sollte.
Ich ahnte es. »Hat er wieder etwas ans Schwarze Brett gepinnt?«, fragte ich.
Der Rekrut nickte nur.
»Ich kümmere mich«, versprach ich. »Danke, dass Sie mir das gesagt haben.« Ich nickte ihm zu und drehte mich um.
Bis zum Schwarzen Brett waren es nur ein Dutzend Meter. Es war im Eingangsbereich des Gebäudes befestigt, direkt neben dem Treppenhaus. Hier wurden Aushänge angebracht, die die gesamte Kompanie betrafen; hier hing gelegentlich auch ein offizielles Schreiben des Verteidigungsministeriums.
Es war streng verboten, private Aushänge am Schwarzen Brett anzubringen. Es war ebenso streng verboten, Dinge abzuhängen, ohne dafür einen offiziellen Befehl des Kompaniechefs zu erhalten. Die Regeln waren eindeutig; in diesem Frühsommer 1985 herrschte noch die Wehrplicht, und niemand konnte sich vorstellen, dass der Warschauer Pakt bald zusammenbrechen würde.
Ich blieb vor dem Schwarzen Brett stehen. Links unten hing ein Zeitungsartikel, der am Nachmittag nicht dort angebracht gewesen war. Schriftart und Inhalt wiesen darauf hin, dass er aus der »Nationalzeitung« stammte, dem rechtsradikalen Blatt, das ich gelegentlich bei den Unteroffizieren und auch bei den Offizieren gesehen hatte.
Mir war der Oberleutnant oft durch seine Sprüche aufgefallen. Jeder wusste, dass er Naziblätter las, und jeder wusste, dass er immer wieder heimlich Ausschnitte aus der Zeitung am Schwarzen Brett befestigte. So wie auch jeder zu wissen schien, dass ich sie immer abnahm, wenn ich davon erfuhr. Ein Rekrut traute sich noch nicht, das Schwarze Brett zu »säubern«, was mir einleuchtete, ich sah es mittlerweile als meine Aufgabe an.
Ich las den Dreck nicht, den der Oberleutnant für wichtig gehalten hatte, sondern riss ihn herunter, zerknüllte ihn und warf ihn einige Meter weiter in einen Mülleimer.
Als ich die Treppe hinaufging, hörte ich ein leises »Danke« aus dem Flur. Dann wurde die Tür zu einem Zimmer geschlossen. Achselzuckend ging ich weiter.
12 Mai 2025
Saskia aus Calw
Das kann natürlich nicht sein; sie trat erst in die SPD ein, als ich die Partei schon verlassen hatte. Theoretisch hätten wir uns trotzdem über den Weg laufen müssen: Sie wuchs in Renningen auf, wo ich oft war – dort wohnte Günther Freunek, und wir machten zusammen Fanzines –, sie engagierte sich im Jugendzentrum Weil der Stadt, das ich auch kannte, und sie tourte mit einer Gitarre als Straßenmusikerin herum.
Ich habe sie aber nie bewusst kennengelernt, kann nichts über sie persönlich sagen und weiß nicht einzuschätzen, wie ihre Rolle in der SPD ist und war. Ich stelle nur fest, dass ich sie aufgrund ihrer Biografie durchaus sympathisch fand. Solche Entwicklungen, wie Esken sie durchlebte, sind und waren mir ja nie fremd.
Die Art und Weise, wie die Partei mit ihr umgeht, finde ich trotzdem schäbig. Ich habe die SPD schon lange nicht mehr gewählt und kann mir nicht vorstellen, das mal wieder zu tun. Eine Partei, die ihren sozialen Kern verloren hat, ist für mich nicht mehr interessant. Und eine Partei, die sichtlich versucht, eine engagierte Sozialdemokratin an den Rand zu drängen – die Motive kenne ich nicht, sie sind mir letztlich egal –, verhält sich schäbig.
09 Mai 2025
Mönche, Yaks und Dämonen
Tatsächlich verlagert sich die Handlung nach Nepal. Warum es Dorian Hunter und Coco Zamis dorthin zieht, wird am Anfang in einem Rückblick erzählt. Dann geht die eigentliche Handlung los, die mehr an ein klassisches Abenteuer erinnert und nicht die üblichen Kämpfe mit Monstern und Dämonen zum Thema hat.
Man trifft sich mit Freunden und Bekannten in Kathmandu, dann beginnt man den Aufstieg in den Himalaya. Geschichten über Yetis, die als gefährlich bezeichnet werden, machen die Runde. Seltsame Mönche in roten Klamotten greifen an. Das Wetter macht unseren Helden zu schaffen.
Alles in allem ist das eine richtig »normale« Folge, die den Aufstieg auf mehrere tausend Meter glaubhaft erzählt. Starke Geräusche – etwa eine Lawine – und lebensnahe Dialoge prägen das Hörspiel, das an einer Stelle aufhört, die mich natürlich auf den zweiten Teil der Doppelfolge neugierig macht.
Das ist übrigens eine »Dorian Hunter«-Folge, die man auch potenziellen Neulingen empfehlen kann. Zwar tauchen viele Begriffe auf, die man nicht gleich kapieren wird – die eigentliche Handlung funktioniert aber sehr gut ohne Vorkenntnisse.
08 Mai 2025
Vor achtzig Jahren
Der heutige Tag gilt zu Recht als ein Tag der Befreiung. Die alliierten Truppen befreiten Mitteleuropa von der Herrschaft der Deutschen; letztlich waren es auch deutsche Ortschaften, die von der Tyrannei der Nazis befreit wurden. Nur fühlten sich die Menschen damals nicht unbedingt befreit, was aus ihrer Sicht verständlich war.
Mein Vater wäre am 1. Mai 2025 hundert Jahre alt geworden. Am 8. Mai 1945 war er gerade einmal zwanzig geworden und hatte fast zwei Jahre als Soldat hinter sich gebracht – an der Ostfront wurde er zweimal schwer verwundet und erlebte deshalb das Kriegsende in einem Lazarett am Bodensee. Dort wurde er Kriegsgefangener der Franzosen.
Für ihn war das Kriegsende vor allem eine Erleichterung – er musste nicht mehr in den Krieg ziehen und konnte sich Hoffnung auf eine Heimkehr in das Dorf im Schwarzwald machen. »Befreit« fühlte er sich nicht. Wie auch? Er saß hinter Stacheldraht und war froh, dass er später als Elektriker für die französischen Streitkräfte arbeiten konnte.
Auch meine Mutter fühlte sich nicht befreit. Sie sprach vom »Umsturz« oder von der »schlechten Zeit«, wenn sie das Kriegsende meinte. Freudenstadt war abgebrannt, zahlreiche Frauen waren vergewaltigt worden, und noch Wochen nach der Eroberung herrschten Chaos und Willkür. Für meine Mutter war die direkte Zeit nach dem Krieg von Angst bestimmt, wie sie in den wenigen Erzählungen über diese Zeit sagte.
Meine Eltern waren in der Zeit des Nationalsozialismus aufgewachsen, für sie war das »normal«. Mein Vater bekam die deutschen Verbrechen mit, meine Mutter versicherte glaubhaft, nichts davon gewusst zu haben. Sie waren keine Nazis, aber sie waren jugendliche Mitläufer – so würde man das heute nennen.
Zumindest haben sie nie versucht, die Zeit des sogenannten Dritten Reiches zu verklären. Und mit den Nazis, die in späteren Jahrzehnten ihr Unwesen trieben, wollten sie nie etwas zu tun haben. Das rechne ich ihnen im Nachhinein hoch an.
07 Mai 2025
Ein Literatur-Krimi im besten Sinn
Die Hauptfigur ist ein gewisser Vince Corso, und er geht einem ungewöhnlichen Beruf nach. Er versteht sich als Bibliotherapeut – zu ihm kommen Menschen mit ihren Nöten, und er hilft ihnen unter anderem damit, dass er ihnen die richtige Literatur für ihr Leiden verspricht. Das klingt an dieser Stelle sicher sehr ungewöhnlich, wird im Roman aber glaubwürdig dargestellt. Als eine Frau auftaucht, die ihn eher als Detektiv beschäftigen will und nicht als Therapeuten, begibt sich Corso auf die Spur … er muss ein literarisches Rätsel lösen.
»Die Seele aller Zufälle« ist ein Roman, der sich nicht an die Regeln eines Krimis hält. Es gibt praktisch keine Action, die Polizei spielt so gut wie keine Rolle. Erzählt wird von einem Rätsel, und dessen Lösung ist in Büchern verborgen. Die werden dann ausgiebig zitiert, und auf sie wird hingewiesen.
Wer sich für Literatur interessiert, kommt in diesem Roman auf seine Kosten. Fabio Stassi zitiert viele italienische Autoren, von denen ich teilweise noch nicht einmal die Namen kannte,bringt aber auch deutschsprachige Autoren wie Franz Kafka oder Elias Canetti ins Spiel. Es wird ausgiebig zitiert, und man bekommt den Eindruck, es mit einem selten belesenen Autor zu tun zu haben.
Übrigens ist der Roman auch politisch. Er spielt in Rom, und es geht unter anderem um Migranten und deren Stellenwert in einer Gesellschaft, die immer rassistischer wird. Die einzige Action-Szene, sofern man das so nennen kann, ist dann auch eine Demonstration, die außer Kontrolle gerät und von der Polizei angegriffen wird.
Ich mochte »Die Seele aller Zufälle« sehr. Die Lektüre ist nicht immer einfach, und spannend ist das Buch nur in Maßen. Aber es steckt voller lesenswerter Details, die mir Freude bereitet haben.
Erschienen ist das Buch als Hardcover in der Edition Converso. Die sitzt in Karlsruhe, und ich stellte schamhaft fest, dass ich von diesem literarischen Verlag zuvor nie gehört hatte … Seit ich das weiß, habe ich mir vorgenommen, mehr von ihnen zu lesen – das Verlagsprogramm sieht interessant genug aus.
06 Mai 2025
In Auerbachs Keller
Unlängst schaffte ich es doch. Ich hatte eine gewisse Angst vor dem Lokal, weil ich befürchtete, in eine Touristenfalle zu geraten. Aber ich wurde angenehm überrascht.
Das Kellergewölbe war groß, zahlreiche Tische standen um die wuchtige Säulen herum, und alle waren besetzt. Weil so viele Leute anwesend waren, herrschte eine ziemliche Lautstärke; wer sich unterhalten wollte, musste also laut sprechen und erhöhte damit den Lärmpegel noch weiter. Aber damit musste man wohl rechnen, wenn man das Lokal betrat.
Was die Ausstattung angeht, so orientiert man sich an klassischen Vorbildern: Es gibt viel Holz zu sehen, und der Keller sieht wirklich aus, als stamme er vom Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts oder sei tatsächlich noch viel älter. Modern oder cool sah in diesen Räumlichkeiten nichts aus, aber damit war nicht zu rechnen. Letztlich sind es ja Fotomotive für die Touristen, zu denen wir an diesem Abend faktisch gehörten.
Das Bier schmeckte gut, die Weine probierte niemand an unserem Tisch. Aber das Essen fand ebenfalls seine Zustimmung: Unter anderem wurden die Wildschweingerichte sehr gelobt. Ich als Vegetarier fand aber mein Nudelgericht, das ich auf den Tisch gestellt bekam, sehr lecker. Da gab es nichts zu meckern – das war eine sehr ordentliche Gasthausküche, bei der ein pragmatischer und flotter Service zum positiven Gesamtpaket passte.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich mal wieder in dieses Kellergewölbe hinabsteigen werde. Schließlich gibt es in Leipzig genügend andere Lokale, in denen man zu Abend essen kann. Bereut habe ich es aber nicht.
Dinosaurier und andere alltägliche Probleme
»Natascha« allerdings ist seine bekannteste Schöpfung. Sie erscheint hierzulande bei Salleck Publications, und ich las zuletzt den sechsten Band der Gesamtausgabe.
Natascha ist eine Stewardess; sie sieht nicht nur gut aus, sie weiß sich auch in allen Situationen sehr gut zu behaupten. Ihr manchmal sehr trotteliger Kollege Walter ist ihr oft ein Klotz am Bein, gleichzeitig steht er jederzeit bereit, sie aus kniffligen Situationen zu befreien. Meist aber ist Natascha es, die Walter retten muss.
Unterschiedliche Autoren lieferten die Storys für diesen Band. Spielt »Die schwarze Witwe« im Innern eines Flugzeugs, in dem auf einmal Spinnen und Schlangen ihr Unwesen treiben, verschlägt es die Helden in »Natascha und die Dinosaurier« in ein abgeschnittenes Gebirgstal, wo sie auf Dinosaurier und andere Urzeitlebewesen treffen – im Prinzip ist das eine schon klassisch anmutende »Lost Race«-Geschichte.
»Das Felsenmeer« ist ein Thriller, der an der bretonischen Küste spielt – in einem Ort übrigens, den ich schon besucht habe –, und »Atoll 66« spielt in der Südsee, wo es aber allerlei kriminelle Machenschaften aufzuklären ist. Die Vielfalt der Geschichten ist groß, die Handlung stets turbulent, der künstlerische Ausdruck jederzeit hervorragend.
Man muss diesen klassischen franobelgischen Stil mögen; ich tu's ja. Die Geschichten richten sich nicht mehr nur an ein jugendliches Publikum, sind aber weiterhin jugendfrei. Es wird geschossen, es gibt Explosionen, und Menschen werden gelegentlich umgebracht; man sieht allerdings weiterhin kein Blut. Alle Geschichten sind aber in sich schlüssig und werden sehr dynamisch erzählt.
Man muss klar sagen: Wer »Natscha« schon immer mochte, wird auch diesen Sammelband mögen, der eher moderne Geschichten enthält. Alle anderen sollten unbedingt vorher die Leseprobe anschauen.
05 Mai 2025
Vier Jazzer bei Hemingway
Und so war ich am Freitag, 2. Mai 2025, in der »Hemingway Lounge«, die mit vielleicht fünfzig Besuchern sehr gut gefüllt war. Bei Jazz-Konzerten sitzt man herum, da steht und zappelt man nicht, sondern hört konzentriert zu und klatscht am Ende des Stückes und nach den jeweiligen Solo-Einlagen. An diesem Abend fand ich das zurückhaltende Verhalten schon ein wenig seltsam.
Denn Jim Snidero, ein Saxophonist aus New York, und seine drei Begleitmusiker legten gleich zu Beginn ein rasend schnelles Tempo vor. Der Schlagzeuger, der Basser und der Pianist folgten diesem Tempo; da war keine Langweile, da herrschte keine Ruhe, da wurde in rasender Geschwindigkeit gespielt. Ich war völlig baff und fühlte mich auf meinem Barhocker echt ein bisschen unwohl. Das war zwar kein Pogo, aber definitiv eine Musik, bei der ich normalerweise nicht hätte stillstehen können.
Aber auch die ruhigen Stücke konnten überzeugen. Die Band spielte hervorragend zusammen, die Übergänge waren allesamt stimmig. Dazwischen machte Snidero seine Ansagen in einem gut verständlichen Englisch, so dass man auch verstand, wenn er irgendwelche Klassiker interpretierte oder halt ein sehr ruhiges Stück über den Tod intonierte.
Das Publikum applaudierte brav, die Stimmung war sehr gut. Aber natürlich blieben alle brav an ihren Tischchen sitzen und bewegten sich nur, wenn sie etwas tranken oder aufs Klo gingen. Das klingt negativer, als es ist – so sind halt nun mal die Regeln bei einem Jazz-Konzert.
Ich fand’s super. Vor allem die schnellen Stücke fand ich großartig. Und so ging ich nach dem langen Konzert mit angetrunkenem Kopf und von der Musik gut gesättigt nach Hause – ein schöner Abend und sicher nicht der letzte für mich in der »Hemingway Lounge«.
02 Mai 2025
Die jungen Nazis im Blick
Das Heft zeigt wie immer die Zusammenhänge auf. Woher kommen Gruppierungen wie »Chemnitz Revolte«, wer sind die relevanten Leute bei ihnen, was sind ihre Ziele? Die teilweise sehr jungen Stiefelnazis hatten im vergangene Jahr CSD-Paraden gestört; queere Menschen scheinen ihr absolutes Feindbild zu sein. Teilweise lösen sich diese Neonazi-Gruppen schnell auf, teilweise werden sie aber auch größer.
Das »Antifa-Info« liefert bei solchen Themen stets die Hintergründe. Man stelle sich vor, jemand bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft würde so ein Heft abonnieren und damit arbeiten; da könnten die Beamten relevante Informationen für ihre Arbeit beziehen.
Neben dem Schwerpunkt auf die jungen Neonazis wirft das »Antifa-Info« diesmal auch Blicke auf andere Länder, etwa den Rechtsruck in Ungarn, neue Nazi-Gruppierungen in Island oder die sogenannten Proud Boys. Die Berichte sind teilweise echt gruselig. Deshalb ist es gut, dass ein Beitrag auch auf die aktuelle Situation eingeht und »die Antifa« dazu auffordert, sich angesichts der großen Herausforderungen stärker auf die eigene Struktur zu besinnen. (Grob vereinfacht.)
Das »Antifa-Info« ist kein Strategieblatt, sondern eher ein Magazin für Hintergründe. Ich halte es für unverzichtbar und empfehle es allen Leuten, die mehr über die rechtsradikalen Umtriebe unserer Tage wissen wollen.
30 April 2025
Drei Schicksale in Marseille
Die »Aldebaran« ist ein Schiff, »gestrandet« in Marseille. Aus rechtlichen Gründen darf es nicht weiterfahren, die Besatzung wird entlassen und kann nach Hause. Doch zwei Männer bleiben an Bord: der libanesische Kapitän und der griechische Erste Offizier; später gesellt sich noch der türkische Funker dazu. Zwischen dem rostigen Rumpf des Schiffes und den Straßen von Marseille finden sie alle ihr Schicksal, mal tragisch, mal positiv.
Jean Claude Izzo wurde vor allem durch seine »Marseille-Trilogie« bekannt, für die er auch Literaturpreise bekam. Mit »Aldebaran« legte er Ende der 90er-Jahre ein Spätwerk vor, das ich endlich gelesen habe: ein packender Roman über Marseille und seine Menschen, das Mittelmeer und seine Seefahrt, weit entfernt davon, ein »normaler« Krimi zu sein, eher ein Stück faszinierender Literatur, streckenweise durchaus grob, dann aber doch voller Mitgefühl für die einzelnen Figuren.
Der Autor bleibt in seinem Roman, der sich flott lesen lässt, immer dicht an seinen Figuren dran, geht streckenweise tief in ihr Inneres hinein, wechselt dabei munter die Erzählperspektive – aber das macht er gekonnt, so dass ich damit gut klarkomme – und schafft es so, auf den vergleichsweise wenigen Seiten ein Sittenbild seiner Figuren und ihres Umfeldes zu zeichnen.
Dieses Sittenbild ist streckenweise heftig, unter anderem werden zwei Vergewaltigungen thematisiert. Sie werden nicht ausführlich geschildert, aber sie sind eindeutig genug.
Auf der anderen Seite schreibt der Autor immer wieder über die Liebe. Der Kapitän verzehrt sich nach seiner Frau, die er zurückgelassen hat und zu der er wohl nie zurückkehren wird. Die Ehe des Ersten Offiziers ist bereits zerbrochen, und in Marseille will er eine alte Liebe wiederfinden. Und der junge Funker, der nicht weiß, wohin er mit seinen Gefühlen soll, lässt sich in einer wirren Verliebtheit auf dumme und gefährliche Dinge ein.
Alles in allem ist »Aldebaran« ein sehr dicht erzählter Roman, der streckenweise zwar ein wenig grob ist, ansonsten aber die großen Gefühle ins Zentrum stellt und eine Stadt porträtiert. Ich fand ihn klasse.
(Erschienen ist er im Unionsverlag. Ich habe die Hardcover-Version, die schon vergriffen ist; es gibt ihn aber als Taschenbuch sowie als E-Book.)
29 April 2025
Rund 200 Schwurbler
Als ich mit meinem Rad den Schlossplatz in Karlsruhe erreichte, freute ich mich schon: Mich erwartete eine kämpferische Antifa-Demonstration. Transparente sicherten die Seiten ab, ich sah haufenweise Bunthaarige und Leute, die eindeutig zur Antifa gehörten. Auch die Polizei verhielt sich regelkonform und war mit Absperrgittern und allerlei Fahrzeugen angerollt; die Beamten hielten sich aber zurück.
Um zwölf Uhr sollte die Kundgebung der Antifa beginnen, um 13 Uhr die der Gruppierung »Gemeinsam für Deutschland«. An diesem Samstag, 26. April 2025, versammelten sich in mehreren Städten in der ganzen Republik diese Gruppierungen, die eine seltsame Mischung aus organisierten Neonazis, verwirrten Kleinbürgern, Coronaleugnern und Verschwörungsheinis aufwiesen.
Ich lauschte den Reden bei der Antifa-Demo, applaudierte brav, unterhielt mich mit Bekannten und hatte große Freude an der bunten Menge. Schätzungsweise 1200 bis 1500 Leute waren es; die genaue Zahl ließ sich schwer schätzen, weil sich ständig Leute von einer Ecke des Platzes zur anderen bewegten.
Ab 13 Uhr trafen die rechtsradikalen Demonstranten ein, von der Polizei bestens abgeschirmt. Wir begrüßten sie mit Parolen, Spott- und Hohngesängen. Auffallend viele Friedensfahnen waren zu sehen; das blauweiße »Peace«, die Friedenstauben und die schwarzrotgoldenen Banner bildeten eine Zusammenstellung, die ich widerwärtig fand.
Ab 14 Uhr hielten die Rechtsradikalen ihre Reden. Weil ich gut stand, bekam ich einen Teil davon mit. Lustig war der Mann, der das Lied »Meine Söhne gebe ich nicht« sang und dabei den Text vergaß – er war gegen Krieg und für Frieden, schien aber kein Problem mit dem Angriffskrieg Russlands zu haben.
Lustig fand ich ach die Rede, in der uns lang und breit erklärt wurde, wie die Antifa längst die Gesellschaft unterwandert habe. Sogar ein »Tagesschau«-Sprecher sowie Richter am Bundesverfassungsgericht gehörten zur Antifa. Das Gericht lag in Sichtweite beider Demonstrationen; mich hätte die Meinung des Gerichtss zu diesen Aussagen schon interessiert.
Ein Redner erläuterte in einer komplizierten Darstellung die Zusammenhänge zwischen Rockefeller, Greenpeace und der Lüge vom CO2; so richtig konnte ich ihm nicht folgen, weil die Parolen von unserer Seite dann doch lauter waren als der Lautsprecher der Nazis.
Ärgerlich fand ich, dass die Schwurbler ihren Sermon ungebremst über den Schlossplatz kippen konnten. Schön fand ich, dass sie nicht laufen konnten und zwischen Antifa-Kundgebung und Polizeisperren wie in einem Käfig standen.
Gegen Ende schien sich die Polizei ein wenig zu langweilen. Gruppen von Beamten spazierten an der Antifa-Demo vorbei, Hunde und Pferde wurden in Stellung gebracht. »Da weiß man schon, wo deren Feind steht«, sagte jemand zu mir. »Die wollen halt auch noch knüppeln«, meinte ein anderer. Da sich niemand provozieren ließ, wenn ich es richtig mitbekam, ging der Nachmittag friedlich zu Ende.
(Das Bild zeigt die Schwurbler in ihrem Gitterkäfig, wie sie andächtig einer weiteren Rede voller Verschwörungsquatsch lauschen.)