Wie absurd mittlerweile manche Diskussionen geführt werden, belegt die Auseinandersetzung um den Renn- oder Lauf-Hidschab. Hier hat sich das Unternehmen Decathlon in eine Auseinandersetzung begeben, die es letztlich nur verlieren konnte.
Dazu ist zu sagen: Ich finde es nicht gut, wenn sich Frauen verschleiern, eine Burka oder einen Hidschab tragen – sie fügen sich damit in ein patriarchales System ein und ordnen sich einer Logik unter, die ihre Freiheit beraubt, auch wenn sie das anders sehen mögen. Gleichzeitig bin ich der Ansicht, dass eine Frau tragen kann, was sie will – also eben auch einen Hidschab oder ein Kopftuch.
(Mich stört die Kopftuch tragende Verkäuferin in unserer Konditorei um die Ecke nicht im geringsten. Eine Kopftuch tragende Lehrerin fände ich nicht korrekt.)
Decathlon wollte einen Hidschab einführen, den Frauen beim Sport tragen können. Dieses Produkt sollte es zuerst nur in Marokko geben, dann aber überlegte man sich, es auch in Frankreich in den Handel zu bringen. Aufgrund einer massiven Reaktion in der Öffentlichkeit entschloss man sich nun, den Hidschab nicht in Frankreich anzubieten.
Meiner Ansicht nach ist das ein Fehler: Es gibt nun mal Frauen, die auf die muslimische Kopfbedeckung Wert legen. Sie müssen dann auch in der Lage sein, mit dieser Kopfbedeckung in der Öffentlichkeit aufzutreten und beispielsweise Sport zu treiben.
Also ist es richtig, dass es Produkte gibt, die sie nutzen können. Verbietet oder verdrängt man solche Produkte, bringt man solche Frauen nicht dazu, selbstbewusst das Kopftuch abzulegen, sondern man treibt sie aus der Öffentlichkeit.
Mir ist eine Person, die selbstbewusst und frei ihren Sport absolviert – auch mit Hidschab –, lieber als eine Person, die sich daheim versteckt oder glaubt, sich verstecken zu müssen. Jede Person muss das Recht haben, sich so anzuziehen, wie sie es für richtig hält – basta.
Es passiert einiges um mich herum, und nicht alles gefällt mir. Vieles fasziniert mich, vieles interessiert mich – und das soll Thema dieses Blogs sein.
28 Februar 2019
27 Februar 2019
Als alter Mann im »Jungle«
Schreibe ich heute über Ereignisse – natürlich in einer sehr romanhaften Form –, die im Jahr 1996 spielen, stelle ich immer wieder fest, wie viele Szenerien sich in meinem Kopf richtig gut eingeprägt haben und welche ich komplett vergessen habe. Die Kellerräume der »Haifischbar« im besetzten Haus in Karlsruhe – der »Steffi« – habe ich derart gut im Gedächtnis, dass ich beim Schreiben entsprechender Szenen mir schon fast zutraue, die Zahl einzelner Treppenstufen exakt zu bestimmen.
Dabei ist ja alles, was ich schreibe, sehr anonymisiert. Ich erwähne den Namen des besetzten Hauses nicht, zumindest habe ich es nicht vor, und ich tu' so, als ob es sich nicht gerade um Karlsruhe handle – aber es ist natürlich alles gut zu erkennen.
Wovon ich spreche? Von »Der gute Geist des Rock'n'Roll«. in der aktuellen Ausgabe 142 des OX-Fanzines erschien die siebzehnte Folge meines Fortsetzungsromans, der nach wie vor versucht, die Widersprüche einzufangen, die für mich der Punk und der Hardcore in der Mitte der 90er-Jahre hatten. Und dazu zählte dann eben auch, dass man als Punkrocker auf eine sogenannte Jungle-Party ging und sich dort fürchterlich alt vorkam.
Wer das alles auch lesen will, soll sich das OX am Kiosk kaufen; dort kann man es immer öfter finden. Oder eben auf seiner Internet-Seite abonnieren – ein stets lohnenswertes Heft!
Dabei ist ja alles, was ich schreibe, sehr anonymisiert. Ich erwähne den Namen des besetzten Hauses nicht, zumindest habe ich es nicht vor, und ich tu' so, als ob es sich nicht gerade um Karlsruhe handle – aber es ist natürlich alles gut zu erkennen.
Wovon ich spreche? Von »Der gute Geist des Rock'n'Roll«. in der aktuellen Ausgabe 142 des OX-Fanzines erschien die siebzehnte Folge meines Fortsetzungsromans, der nach wie vor versucht, die Widersprüche einzufangen, die für mich der Punk und der Hardcore in der Mitte der 90er-Jahre hatten. Und dazu zählte dann eben auch, dass man als Punkrocker auf eine sogenannte Jungle-Party ging und sich dort fürchterlich alt vorkam.
Wer das alles auch lesen will, soll sich das OX am Kiosk kaufen; dort kann man es immer öfter finden. Oder eben auf seiner Internet-Seite abonnieren – ein stets lohnenswertes Heft!
26 Februar 2019
Ein Gebäude voller Teenager
Warum es mich in dieses Feriencamp verschlagen hatte, erfuhr ich nicht – oder ich hatte es vergessen, nachdem man es mir gesagt hatte. Ich irrte durch die Räumlichkeiten, stellte fest, dass ich von Jugendlichen umgeben war und dass die einzigen Menschen »über zwanzig« offenbar die Betreuer der Jugendlichen waren.
Manche Gänge durch das Gebäude waren verschlungen. Ich musste mich über steile Treppen quälen und mehrere Türen ausprobieren, bis ich es endlich schaffte, in einem Raum voller Spiegel ein bescheidenes Frühstück einzunehmen. Als einige Jugendliche in den Raum kamen und mich sahen, blieben sie stehen, tuschelten miteinander und verschwanden.
Später wollte ich ins Schwimmbad. Dort war viel los, Jugendliche sprangen von allen Seiten ins Schwimmbecken, lauter HipHop dröhnte durch die Halle. Genervt flüchtete ich. Bei diesem Lärm konnte ich weder lesen, noch sonstwie entspannen.
Vielleicht fand ich unterm Dach meine Ruhe. Ich stieg eine lange Wendeltreppe hoch, bis ich einen Balkon erreichte. Von dort aus hatte ich einen weiten Blick über das Land. Und wachte auf, bevor ich sehen konnte, was es zu sehen gab ...
Manche Gänge durch das Gebäude waren verschlungen. Ich musste mich über steile Treppen quälen und mehrere Türen ausprobieren, bis ich es endlich schaffte, in einem Raum voller Spiegel ein bescheidenes Frühstück einzunehmen. Als einige Jugendliche in den Raum kamen und mich sahen, blieben sie stehen, tuschelten miteinander und verschwanden.
Später wollte ich ins Schwimmbad. Dort war viel los, Jugendliche sprangen von allen Seiten ins Schwimmbecken, lauter HipHop dröhnte durch die Halle. Genervt flüchtete ich. Bei diesem Lärm konnte ich weder lesen, noch sonstwie entspannen.
Vielleicht fand ich unterm Dach meine Ruhe. Ich stieg eine lange Wendeltreppe hoch, bis ich einen Balkon erreichte. Von dort aus hatte ich einen weiten Blick über das Land. Und wachte auf, bevor ich sehen konnte, was es zu sehen gab ...
Ein Western-Comic mit besonderen Helden
Seit die ersten Comics mit dem schnell schießenden Cowboy Lucky Luke erschienen sind, haben die Zeichner und Autoren alle möglichen Western-Elemente in ihren Geschichten verarbeitet: Gangster und Viehzüchter, Goldgräber und Indianer, Soldaten und Saloonbetreiber – sie alle fanden mehrfach ihren Platz. Auch ethnische Minderheiten wie Italiener oder Iren wurden häufig thematisiert. Es dauerte aber seine Zeit, bis auch einwandernde Juden als handelnde Personen bewusst ins Zentrum gestellt worden sind.
Im Band 95 der »Lucky Luke«-Serie ist dies der Fall. »Das gelobte Land« spielt schon im Titel mit dem jüdischen Mythos, in ein neues Land auszuwandern, in dem Milch und Honig fließen. In diesem Fall handelt es sich um Juden aus Osteuropa, die vor den dauernden Pogromen fliehen und sich im Wilden Westen eine neue Zukunft aufbauen wollen. Bei ihrem Weg durch die Weiten der Prärie steht ihnen Lucky Luke mit seinem treuen Pferd Jolly Jumper zur Seite.
Das klingt auf den ersten Blick vielleicht befremdlich. Denke ich an Witze über Juden, zucke ich erst einmal zusammen und reagiere ablehnend. Jul, der neue Texter bei »Lucky Luke«, bekommt das aber alles hin, ohne dass es peinlich wirkt.
Der Autor kennt offenbar die jüdische Kultur und die Eigenheiten der jddischen Sprache. Er schafft es, die Familie Stern bei ihrem Weg in den Wilden Westen mit allerlei Eigenarten zu karikieren, ohne dass es sie abwertet.
Allerlei Hinweise auf die heutige Populärkultur dürfen – wie bei »Lucky Luke« üblich – auch nicht fehlen. Oft genug gibt es also Anlass zum Schmunzeln.
Die Zeichnungen passen dazu. Achdé schafft es, den klassischen Stil der Serie beizubehalten und sie immer wieder aufzufrischen.
Wer die alten »Lucky Luke«-Geschichten kennt und liebt, wird sich nicht erschrecken; neuere Leser werden sich an den neuen Witzen erfreuen. Ein gelungener Comic über ein Thema, das ich zuerst für ein wenig heikel hielt.
Im Band 95 der »Lucky Luke«-Serie ist dies der Fall. »Das gelobte Land« spielt schon im Titel mit dem jüdischen Mythos, in ein neues Land auszuwandern, in dem Milch und Honig fließen. In diesem Fall handelt es sich um Juden aus Osteuropa, die vor den dauernden Pogromen fliehen und sich im Wilden Westen eine neue Zukunft aufbauen wollen. Bei ihrem Weg durch die Weiten der Prärie steht ihnen Lucky Luke mit seinem treuen Pferd Jolly Jumper zur Seite.
Das klingt auf den ersten Blick vielleicht befremdlich. Denke ich an Witze über Juden, zucke ich erst einmal zusammen und reagiere ablehnend. Jul, der neue Texter bei »Lucky Luke«, bekommt das aber alles hin, ohne dass es peinlich wirkt.
Der Autor kennt offenbar die jüdische Kultur und die Eigenheiten der jddischen Sprache. Er schafft es, die Familie Stern bei ihrem Weg in den Wilden Westen mit allerlei Eigenarten zu karikieren, ohne dass es sie abwertet.
Allerlei Hinweise auf die heutige Populärkultur dürfen – wie bei »Lucky Luke« üblich – auch nicht fehlen. Oft genug gibt es also Anlass zum Schmunzeln.
Die Zeichnungen passen dazu. Achdé schafft es, den klassischen Stil der Serie beizubehalten und sie immer wieder aufzufrischen.
Wer die alten »Lucky Luke«-Geschichten kennt und liebt, wird sich nicht erschrecken; neuere Leser werden sich an den neuen Witzen erfreuen. Ein gelungener Comic über ein Thema, das ich zuerst für ein wenig heikel hielt.
24 Februar 2019
Über einen Unfall mit Folgen
Ende der 80er- und Anfang der 90er-Jahre schrieb ich, vertraglich an eine Agentur gebunden, etliche Kurzgeschichten für Rätsel- und Frauenzeitschriften. Die Arbeit war gut bezahlt und nicht sonderlich anstrengend; manche meiner Texte wurden auch mehrfach veröffentlicht. Die meisten der Kurzgeschichten sind verschollen, weil sie mir nicht wichtig erschienen.
Ausgerechnet »Unfall mit Folgen« fällt durch dieses Raster. Heute hatte ich diese Geschichte wieder in der Hand; genauer gesagt, schaute ich die Datei durch. Immerhin wurde sie damals mit einem Computer getippt.
Bei der Geschichte handelt es sich um eine »Love Story«, was damals durchaus gewünscht war, aber irgendwie konnte ich sie nicht verkaufen – offenbar wollte keine Zeitschrift sie haben. Dabei enthält sie alles, was man zu jener Zeit wollte: eine überraschende Begegnung, ein Happy-End auf mehreren Ebenen. Und eine junge Frau lernt letztlich einen tollen Mann kennen – genau das, was eigentlich gewünscht wurde.
Ich gab mir redlich Mühe, alle Ziele zu erfüllen, die man mir für solche Geschichten setzte. Dass die Hauptfiguren in ein »Tanzlokal der gehobenen Klasse« gingen, klingt heute auch völlig absonderlich. 1989 oder 1990 erschien mir das offenbar erwähnenswert – immerhin ging es um Leute, die Bürojobs hatten.
Amüsant ist ohnehin, dass die Geschichte so altmodisch wirkt. Die Abwesenheit einer Krawatte wird erwähnt – damals trugen Angestellten fast immer eine Krawatte. Und weder das Internet noch ein Smartphone spielen eine Rolle – bei derselben Geschichte, die ich heute schreiben würde, müsste das auf jeden Fall mitwirken.
Und nun? Keine Ahnung. Vielleicht sollte ich wirklich mal einen Sammelband mit »klassischen Geschichten« veröffentlichen ...
Ausgerechnet »Unfall mit Folgen« fällt durch dieses Raster. Heute hatte ich diese Geschichte wieder in der Hand; genauer gesagt, schaute ich die Datei durch. Immerhin wurde sie damals mit einem Computer getippt.
Bei der Geschichte handelt es sich um eine »Love Story«, was damals durchaus gewünscht war, aber irgendwie konnte ich sie nicht verkaufen – offenbar wollte keine Zeitschrift sie haben. Dabei enthält sie alles, was man zu jener Zeit wollte: eine überraschende Begegnung, ein Happy-End auf mehreren Ebenen. Und eine junge Frau lernt letztlich einen tollen Mann kennen – genau das, was eigentlich gewünscht wurde.
Ich gab mir redlich Mühe, alle Ziele zu erfüllen, die man mir für solche Geschichten setzte. Dass die Hauptfiguren in ein »Tanzlokal der gehobenen Klasse« gingen, klingt heute auch völlig absonderlich. 1989 oder 1990 erschien mir das offenbar erwähnenswert – immerhin ging es um Leute, die Bürojobs hatten.
Amüsant ist ohnehin, dass die Geschichte so altmodisch wirkt. Die Abwesenheit einer Krawatte wird erwähnt – damals trugen Angestellten fast immer eine Krawatte. Und weder das Internet noch ein Smartphone spielen eine Rolle – bei derselben Geschichte, die ich heute schreiben würde, müsste das auf jeden Fall mitwirken.
Und nun? Keine Ahnung. Vielleicht sollte ich wirklich mal einen Sammelband mit »klassischen Geschichten« veröffentlichen ...
22 Februar 2019
Der gelbe Sound der Revolution
Mit Revolutionen ist es so eine Sache, mit Aufständen und Widerstandsbewegungen, mit Demonstrationen und Aufmärschen: Wann immer viele Leute gemeinsam auf die Straße gehen und man in einer Menge unterwegs ist, fühlt man sich stärker. Es hat etwas »Faschistisches« und gleichzeitig »Geiles«, mit vielen anderen Parolen zu rufen, gemeinsam zu laufen und zu rennen, vielleicht auch mal etwas zu werfen oder kaputtzumachen. Ich kann das aus verschiedenen Gründen sehr gut verstehen.
Bis in die neunziger Jahre hinein waren große, auch aufrührerische Demonstrationen eine Sache der »Linken«, und ich setze das bewusst in An- und Abführungszeichen. Gegen die Startbahn West und gegen Wackersdorf, für besetzte Häuser und die Umwelt, für Flüchtlinge und gegen Nazis – ich habe selbst an zahlreichen Demonstrationen teilgenommen und werde das sicher auch in Zukunft tun.
Aber ich muss mir einfach überlegen, mit wem ich laufe und an wessen Seite ich welche Parole rufe. Ich werde nie vergessen, wie ich mich fühlte, als ich in den 80er-Jahren bei einem »Ostermarsch« in Stuttgart war: Auf der einen Seite wehten die Fahnen der Kommunisten sowie irgendwelcher kurdischen Splittergruppen, auf der anderen Seite beteten irgendwelche Superchristen. Damit wollte ich nichts zu tun haben, also ging ich danach auf keinen Ostermarsch mehr.
Oder in den 90er-Jahren, als ich gegen den Kosovokrieg demonstrieren wollte. Ich drehte um, als ich die Kundgebung sah – unter einem Meer von serbischen Flaggen wollte ich nicht für Frieden demonstrieren.
Viele »Linke« hatten damit kein Problem, ich schon. Für mich gibt es keinen guten und schlechten Nationalismus – ich halte Nationalismus generell für fragwürdig.
Als ebenso fragwürdig betrachte ich derzeit die »Gelbwesten«. Weniger auf die in Frankreich, bei denen aber auch immer mehr seltsame Fraktionen auflaufen: Ab dem Moment, wenn aus einer »Gelbwesten«-Demonstration heraus antisemitische Parolen gerufen werden, ist das Thema erledigt – aber das müssen die Franzosen selbst entscheiden.
Wenn hierzulande die »Gelbwesten« auflaufen, formieren sich seltsame Grüppchen. Beinharte Nazis, verwirrte Ökospinner und beknackte Linke rufen zu den Demonstrationen auf, fordern irgendwas und machen es sehr schwer, das Ganze ernstzunehmen. In diesem Gebräu gegensätzlicher Meinungen und verwirrenden Aussagen machen dann auch noch Leute mit, mit denen ich nicht am Tisch sitzen oder auf einer Demonstration laufen möchte.
So schön eine gewisse Romantik der Revolution ja sein mag – siehe einleitend –, so klar ist es auch, dass ich nicht mit Leuten in einer Reihe laufen kann, die faschistische, nationalistische oder antisemitische Thesen verbreiten. Für mich sind die »Gelbwesten« hierzulande nicht diskutabel: zu unsauber in ihrer Abtrennung.
Gruselig finde ich, wie viele Menschen dann mehr oder weniger heimlich ihre Sympathie für die Bewegung zeigen: Endlich zeige man es »mal denen da oben« oder »so ein bisschen Revolution tut gut« oder »wir sollten mehr von den Franzosen lernen«. Der gelbe Sound der Revolution klingt für mich zu sehr nach Stiefeltritten und zu wenig nach Demokratie.
Bis in die neunziger Jahre hinein waren große, auch aufrührerische Demonstrationen eine Sache der »Linken«, und ich setze das bewusst in An- und Abführungszeichen. Gegen die Startbahn West und gegen Wackersdorf, für besetzte Häuser und die Umwelt, für Flüchtlinge und gegen Nazis – ich habe selbst an zahlreichen Demonstrationen teilgenommen und werde das sicher auch in Zukunft tun.
Aber ich muss mir einfach überlegen, mit wem ich laufe und an wessen Seite ich welche Parole rufe. Ich werde nie vergessen, wie ich mich fühlte, als ich in den 80er-Jahren bei einem »Ostermarsch« in Stuttgart war: Auf der einen Seite wehten die Fahnen der Kommunisten sowie irgendwelcher kurdischen Splittergruppen, auf der anderen Seite beteten irgendwelche Superchristen. Damit wollte ich nichts zu tun haben, also ging ich danach auf keinen Ostermarsch mehr.
Oder in den 90er-Jahren, als ich gegen den Kosovokrieg demonstrieren wollte. Ich drehte um, als ich die Kundgebung sah – unter einem Meer von serbischen Flaggen wollte ich nicht für Frieden demonstrieren.
Viele »Linke« hatten damit kein Problem, ich schon. Für mich gibt es keinen guten und schlechten Nationalismus – ich halte Nationalismus generell für fragwürdig.
Als ebenso fragwürdig betrachte ich derzeit die »Gelbwesten«. Weniger auf die in Frankreich, bei denen aber auch immer mehr seltsame Fraktionen auflaufen: Ab dem Moment, wenn aus einer »Gelbwesten«-Demonstration heraus antisemitische Parolen gerufen werden, ist das Thema erledigt – aber das müssen die Franzosen selbst entscheiden.
Wenn hierzulande die »Gelbwesten« auflaufen, formieren sich seltsame Grüppchen. Beinharte Nazis, verwirrte Ökospinner und beknackte Linke rufen zu den Demonstrationen auf, fordern irgendwas und machen es sehr schwer, das Ganze ernstzunehmen. In diesem Gebräu gegensätzlicher Meinungen und verwirrenden Aussagen machen dann auch noch Leute mit, mit denen ich nicht am Tisch sitzen oder auf einer Demonstration laufen möchte.
So schön eine gewisse Romantik der Revolution ja sein mag – siehe einleitend –, so klar ist es auch, dass ich nicht mit Leuten in einer Reihe laufen kann, die faschistische, nationalistische oder antisemitische Thesen verbreiten. Für mich sind die »Gelbwesten« hierzulande nicht diskutabel: zu unsauber in ihrer Abtrennung.
Gruselig finde ich, wie viele Menschen dann mehr oder weniger heimlich ihre Sympathie für die Bewegung zeigen: Endlich zeige man es »mal denen da oben« oder »so ein bisschen Revolution tut gut« oder »wir sollten mehr von den Franzosen lernen«. Der gelbe Sound der Revolution klingt für mich zu sehr nach Stiefeltritten und zu wenig nach Demokratie.
21 Februar 2019
Ein Gaston auf der Leinwand
Ich bin ein großer Fan der »Gaston«-Comics, die der große französische Comic-Künstler Franquin entwickelt und gezeichnet hat. Der anarchistische Charme des Büroboten, der durch den Verlag schlurft und ständig Chaos anrichtet, machte mir schon Spaß, als ich noch nicht einmal wusste, wie es in einem Verlag zugeht. Seit ich das weiß, finde ich die »Gaston«-Comics noch besser.
Also war ich sehr darauf gespannt, die aktuelle Verfilmung anzuschauen. Im Kino verpasste ich sie – vielleicht lief sie bei uns auch nicht –, also holte ich mir die DVD. Das ist dann doch echte Fan-Begeisterung … Und wenn man sich den Film so aus der Ferne anschaut, wurde sehr viel vom Comic übernommen.
Der junge Schauspieler Théo Fernandez sieht wirklich so aus, wie man sich Gaston vorstellt. Sein grüner Rollkragenpullover, seine Tiere, sein altersschwaches Auto, sein schlapper Gang – das alles kennt man aus den Comics. Auch viele Figuren sind eins zu eins übernommen, übrigens auch sprachlich. Mademoiselle Jeanne ist im Deutschen eben Fräulein Trudel, und das wurde bei der Synchronisation auch so gemacht.
Die Idee, aus einem Verlag ein Start-Up-Unternehmen zu machen, fand ich gut. Verlage sind altmodisch, Start-Ups gelten als modern; bei ihnen kann man den Alltag in einem Büro besonders verzerrt zeigen. Streckenweise gelang das auch sehr gut, leider eben nicht konsequent.
Letztlich versuchte der Film zu sehr, einige der Witze – sie sind im Original eine halbe oder ganze Seite lang – zu einer Story zu verbinden. Dabei musste er scheitern. Eine Aneinanderreihung von Gags, verbunden durch eine eher schlappe Handlung, funktioniert einfach nicht.
Seien wir sehr fair: Die »Gaston«-Verfilmung ist nur beinharten Fans zu empfehlen. Leuten wie mir beispielsweise. Ich habe die DVD nicht weggeschenkt, sondern erst einmal behalten. Vielleicht gefällt mir der Film nach dem Genuss einiger Biere besser …
Also war ich sehr darauf gespannt, die aktuelle Verfilmung anzuschauen. Im Kino verpasste ich sie – vielleicht lief sie bei uns auch nicht –, also holte ich mir die DVD. Das ist dann doch echte Fan-Begeisterung … Und wenn man sich den Film so aus der Ferne anschaut, wurde sehr viel vom Comic übernommen.
Der junge Schauspieler Théo Fernandez sieht wirklich so aus, wie man sich Gaston vorstellt. Sein grüner Rollkragenpullover, seine Tiere, sein altersschwaches Auto, sein schlapper Gang – das alles kennt man aus den Comics. Auch viele Figuren sind eins zu eins übernommen, übrigens auch sprachlich. Mademoiselle Jeanne ist im Deutschen eben Fräulein Trudel, und das wurde bei der Synchronisation auch so gemacht.
Die Idee, aus einem Verlag ein Start-Up-Unternehmen zu machen, fand ich gut. Verlage sind altmodisch, Start-Ups gelten als modern; bei ihnen kann man den Alltag in einem Büro besonders verzerrt zeigen. Streckenweise gelang das auch sehr gut, leider eben nicht konsequent.
Letztlich versuchte der Film zu sehr, einige der Witze – sie sind im Original eine halbe oder ganze Seite lang – zu einer Story zu verbinden. Dabei musste er scheitern. Eine Aneinanderreihung von Gags, verbunden durch eine eher schlappe Handlung, funktioniert einfach nicht.
Seien wir sehr fair: Die »Gaston«-Verfilmung ist nur beinharten Fans zu empfehlen. Leuten wie mir beispielsweise. Ich habe die DVD nicht weggeschenkt, sondern erst einmal behalten. Vielleicht gefällt mir der Film nach dem Genuss einiger Biere besser …
20 Februar 2019
Harry Potter auf virtuellen Straßen
Die Welt von Harry Potter fand ich immer faszinierend. Ich las zwar nicht alle Bücher – nur die ersten vier –, fand aber die Filme meist sehr gut. Das ist phantastische Unterhaltung für meinen Geschmack. Umso interessanter finde ich, dass mit »Wizards Unite« nun ein Spiel vorbereitet wird, das die »Harry Potter«-Welt in die Straßen ganz gewöhnlicher Städte bringen soll. Zu Muggeln wie mir also ...
Das hat man sich im Prinzip so vorzustellen, wie das, was seit über zwei Jahren unter dem Titel »Pokémon Go« zahlreiche Leute in unsere Nachbarschaft bringt. Bei dem Pokémon-Suchen ziehen Leute mit ihren Smartphones durch die Gegend, treffen sich an irgendwelchen Verkehrskreuzungen, sammeln irgendwelchen Kram ein, trainieren irgendwelche virtuellen Viecher und führen sogar Kämpfe gegeneinander. Das ist sicher lustig, wenn man es selbst betreibt, ist für die Anwohner aber durchaus skurril bis nervig.
Künftig gibt es immerhin gesetzliche Änderungen. Laut Medienberichten hat sich das Entwicklerstudio Niantic darauf eingelassen, künftig entsprechenden Abstand zu Wohnhäusern zu halten.
Man kann also so ein Pokémon-Viech nicht irgendwo in einen Garten platzieren, der dann von Dutzenden oder gar Hunderten von Jägern und Sammlern gestürmt wird. Das finde ich dann auch okay. Bisher gilt die Anordnung nur in den Vereinigten Staaten, sie wird sicher auch bald in irgendeiner Form in Mitteleuropa erlassen.
Wie aber wird das mit Harry Potter weitergehen? Ziehen dann bald verkleidete Fans durch unser Wohnviertel, duellieren sich bald Zauberer und Elfen auf unserem Platz? Es bleibt spannend.
Vielleicht sollte man sich Gedanken über eine Folgewirtschaft machen: Irgendjemand muss den Potter-Fans, die so ein Wizard-Ding jagen, doch auch Essen und Trinken verkaufen ...
Das hat man sich im Prinzip so vorzustellen, wie das, was seit über zwei Jahren unter dem Titel »Pokémon Go« zahlreiche Leute in unsere Nachbarschaft bringt. Bei dem Pokémon-Suchen ziehen Leute mit ihren Smartphones durch die Gegend, treffen sich an irgendwelchen Verkehrskreuzungen, sammeln irgendwelchen Kram ein, trainieren irgendwelche virtuellen Viecher und führen sogar Kämpfe gegeneinander. Das ist sicher lustig, wenn man es selbst betreibt, ist für die Anwohner aber durchaus skurril bis nervig.
Künftig gibt es immerhin gesetzliche Änderungen. Laut Medienberichten hat sich das Entwicklerstudio Niantic darauf eingelassen, künftig entsprechenden Abstand zu Wohnhäusern zu halten.
Man kann also so ein Pokémon-Viech nicht irgendwo in einen Garten platzieren, der dann von Dutzenden oder gar Hunderten von Jägern und Sammlern gestürmt wird. Das finde ich dann auch okay. Bisher gilt die Anordnung nur in den Vereinigten Staaten, sie wird sicher auch bald in irgendeiner Form in Mitteleuropa erlassen.
Wie aber wird das mit Harry Potter weitergehen? Ziehen dann bald verkleidete Fans durch unser Wohnviertel, duellieren sich bald Zauberer und Elfen auf unserem Platz? Es bleibt spannend.
Vielleicht sollte man sich Gedanken über eine Folgewirtschaft machen: Irgendjemand muss den Potter-Fans, die so ein Wizard-Ding jagen, doch auch Essen und Trinken verkaufen ...
19 Februar 2019
Mein Gedächtnis und trügerische Bilder
Wann ich zuletzt in Böblingen war, wusste ich nicht, als ich an diesem Montagabend mein Auto durch die schwäbische Stadt steuerte. In den 80er-Jahren hatte ich allerlei Punk-Konzerte in Böblingen besucht, und ich vermutete, dass es gut dreißig Jahre her war, seit ich das letzte Mal durch die Straßen gelaufen und gefahren war.
Ich stellte fest: In meinem Gedächtnis stimmte keine einzige Erinnerung mit der Wirklichkeit überein. Verblüfft stellte ich beispielsweise fest, dass Böblingen ein bisschen hügelig war. In meiner Erinnerung war die Stadt flach. Ich hatte auch keinerlei Bilder von kleinen Häusern im Sinn, nichts von schwäbischer Gemütlichkeit.
Die öden Vororte und die Wohnblocks überraschten mich nicht, die gab und gibt es ja überall. Da sah Böblingen aus wie alle anderen Mittelstädte in Baden-Württemberg. Aber die beschauliche Innenstadt verblüffte mich völlig.
Wieder einmal wurde mir bewusst, wie trügerisch die eigene Erinnerung ist, wenn sie nicht durch Bilder und Aufzeichnungen gestützt wird. Vielleicht hätte ich mir vorher historische Fotos aus den 80er-Jahren anschauen müssen. Aber das hätte sicher nicht viel am eigentlichen Problem – dem schwankenden Gedächtnis – geändert.
Ich stellte fest: In meinem Gedächtnis stimmte keine einzige Erinnerung mit der Wirklichkeit überein. Verblüfft stellte ich beispielsweise fest, dass Böblingen ein bisschen hügelig war. In meiner Erinnerung war die Stadt flach. Ich hatte auch keinerlei Bilder von kleinen Häusern im Sinn, nichts von schwäbischer Gemütlichkeit.
Die öden Vororte und die Wohnblocks überraschten mich nicht, die gab und gibt es ja überall. Da sah Böblingen aus wie alle anderen Mittelstädte in Baden-Württemberg. Aber die beschauliche Innenstadt verblüffte mich völlig.
Wieder einmal wurde mir bewusst, wie trügerisch die eigene Erinnerung ist, wenn sie nicht durch Bilder und Aufzeichnungen gestützt wird. Vielleicht hätte ich mir vorher historische Fotos aus den 80er-Jahren anschauen müssen. Aber das hätte sicher nicht viel am eigentlichen Problem – dem schwankenden Gedächtnis – geändert.
18 Februar 2019
Spannendes Kompendium zum »neuen« Deutschrock
Um es vorwegzunehmen: Ich kann mit dem sogenannten Deutschrock nichts anfangen, der im Gefolge von Bands wie den Böhsen Onkelz und Frei.Wild richtiggehend populär geworden ist. Für meine Ohren ist das Hardrock mit meist dämlichen Texten, die häufig eine rebellische Attitüde mit patriotischem Unterton verbinden. Wobei ich mich nicht gut auskenne, mein Urteil also ein echtes Vor-Urteil ist ...
Ich kann allerdings unterscheiden, glaube ich zumindest. Wenn sich jemand als Patriot bezeichnet und stolz auf »seinen« Bodensee ist oder auf »sein« Südtirol oder sonst was, ist mir das wesensfremd. Das unterscheidet den Deutschrocker nicht unbedingt vom Volksmusiker, was den Inhalt angeht – trennt ihn aber im Normalfall immer noch vom Nazi.
Deshalb finde ich so ein Buch wie das von Klaus Farin zusammengestellte »Deutschrock – 30 Fragen 55 Bands« richtiggehend wichtig. Befragt wurden haufenweise Bands, von denen ich noch nie gehört habe. Nur einige waren mir bislang ein Begriff, teilweise aber eher vor einem Oi!-Hintergrund. (Wiens No. 1 hielt ich etwa immer für eine Oi!-Band.)
Bei den Namen leuchtet bei manchem Menschen sicher die Alarmglocke auf: Wer sich Berserker nennt oder Endgegner, muss sich kritische Fragen anhören, finde ich. (Allerdings erinnere ich mich gut an Zeiten, in denen es Punk-Bands wie Stoßtrupp und Oberste Heeresleitung gab ...) Bei Killerton oder Vollblut kann alles mögliche dahinter stecken.
Einig sind sich die Bands darin, dass sie rockige Musik machen, meist von der lauten Art. Und dass ihre Texte zum größten Teil in der deutschen Sprache gesungen oder eben gebrüllt werden. Was hat diese Szene aber sonst so gemeinsam? (Von »unsereins« wird sie ja gern in die »Grauzone« gesteckt, was jegliches Nachfragen unnötig macht ...)
Die Bands beantworten Fragen zu ihrer inhaltlichen Ausrichtung, aber auch zu Politik. Was sei für sie Deutschrock, warum müsse man sich als Deutschrocker von der rechtsradikalen Szene abgrenzen, und wie sei das mit dem Patriotismus für sie?
Ich finde die Aussagen und Ansichten, die auf den 240 kleinformatigen und sehr eng gedruckten Seiten zusammengefasst worden sind, spannend und lesenswert. Am Stück lesen kann man das nicht, ich brauchte längere Zeit dafür. Nicht nur, weil mir die meisten Bands unbekannt waren, sondern auch deshalb, weil ich aus dem Kopfschütteln nicht herauskam.
Rechtsradikales verkündet keiner, zum Patriotismus haben viele ein positives Verhältnis, andere bezeichnen sich als links, einige als unpolitisch, viele versuchen sich gegen die Extremen abzugrenzen, und alle haben etwas gegen die Medien und ihre Lügen. Das ist nicht immer gerade schlau argumentiert, häufig aber nachvollziehbar. Gelegentlich wird kritisch nachgefragt, meist lässt Klaus Farin die Bands aber mit ihren »O-Tönen«, die er natürlich entsprechend gekürzt und zusammengefasst hat.
Ich werde sicher kein Fan dieser Musikrichtung werden und mir wohl auch nie einen Tonträger von Analgewitter, Unantastbar oder Verlorene Freiheit kaufen – aber dieses lesenswerte Buch gab meinen Einblick in eine Szene, von der ich so gut wie nichts weiß. Empfehlenswert!
Ich kann allerdings unterscheiden, glaube ich zumindest. Wenn sich jemand als Patriot bezeichnet und stolz auf »seinen« Bodensee ist oder auf »sein« Südtirol oder sonst was, ist mir das wesensfremd. Das unterscheidet den Deutschrocker nicht unbedingt vom Volksmusiker, was den Inhalt angeht – trennt ihn aber im Normalfall immer noch vom Nazi.
Deshalb finde ich so ein Buch wie das von Klaus Farin zusammengestellte »Deutschrock – 30 Fragen 55 Bands« richtiggehend wichtig. Befragt wurden haufenweise Bands, von denen ich noch nie gehört habe. Nur einige waren mir bislang ein Begriff, teilweise aber eher vor einem Oi!-Hintergrund. (Wiens No. 1 hielt ich etwa immer für eine Oi!-Band.)
Bei den Namen leuchtet bei manchem Menschen sicher die Alarmglocke auf: Wer sich Berserker nennt oder Endgegner, muss sich kritische Fragen anhören, finde ich. (Allerdings erinnere ich mich gut an Zeiten, in denen es Punk-Bands wie Stoßtrupp und Oberste Heeresleitung gab ...) Bei Killerton oder Vollblut kann alles mögliche dahinter stecken.
Einig sind sich die Bands darin, dass sie rockige Musik machen, meist von der lauten Art. Und dass ihre Texte zum größten Teil in der deutschen Sprache gesungen oder eben gebrüllt werden. Was hat diese Szene aber sonst so gemeinsam? (Von »unsereins« wird sie ja gern in die »Grauzone« gesteckt, was jegliches Nachfragen unnötig macht ...)
Die Bands beantworten Fragen zu ihrer inhaltlichen Ausrichtung, aber auch zu Politik. Was sei für sie Deutschrock, warum müsse man sich als Deutschrocker von der rechtsradikalen Szene abgrenzen, und wie sei das mit dem Patriotismus für sie?
Ich finde die Aussagen und Ansichten, die auf den 240 kleinformatigen und sehr eng gedruckten Seiten zusammengefasst worden sind, spannend und lesenswert. Am Stück lesen kann man das nicht, ich brauchte längere Zeit dafür. Nicht nur, weil mir die meisten Bands unbekannt waren, sondern auch deshalb, weil ich aus dem Kopfschütteln nicht herauskam.
Rechtsradikales verkündet keiner, zum Patriotismus haben viele ein positives Verhältnis, andere bezeichnen sich als links, einige als unpolitisch, viele versuchen sich gegen die Extremen abzugrenzen, und alle haben etwas gegen die Medien und ihre Lügen. Das ist nicht immer gerade schlau argumentiert, häufig aber nachvollziehbar. Gelegentlich wird kritisch nachgefragt, meist lässt Klaus Farin die Bands aber mit ihren »O-Tönen«, die er natürlich entsprechend gekürzt und zusammengefasst hat.
Ich werde sicher kein Fan dieser Musikrichtung werden und mir wohl auch nie einen Tonträger von Analgewitter, Unantastbar oder Verlorene Freiheit kaufen – aber dieses lesenswerte Buch gab meinen Einblick in eine Szene, von der ich so gut wie nichts weiß. Empfehlenswert!
Als Oasis noch Promos verschickten ...
Eigentlich waren Oasis im Jahr 2000 schon richtig groß. Die britische Band hatte Millionen von Platten verkauft und galt als relevant. Trotzdem verschickte man offenbar Promo-CDs an kleine Radiosender oder Fanzinemacher. So kam ich in den Besitz der Promo-CD für die EP »Go Let It Out«.
Damals fand ich die CD ziemlich lahm, legte sie in einen Stapel, und dort geriet sie in Vergessenheit. Mittlerweile ist sie volljährig, sie ist echt achtzehn Jahre alt und gilt komplett als Oldie. Niemand hasst mehr Oasis, und niemand liebt sie mehr – die Band ist ein wenig in der Versenkung verschwunden. Also kann ich mir so eine CD in aller Ruhe anhören, ohne mich popkulturell abgrenzen zu müssen.
Und ich stelle fest: So schlecht ist das alles gar nicht.
Enthalten sind drei eingängige Stücke, die man im weitesten Sinne als Gitarren-Pop bezeichnen könnte. Rock-Musik würde ich das nie nennen, die Band ist weit entfernt von rotzigem Rock'n'Roll. Die drei Stücke sind recht lang, jedes um die vier Minuten, das zieht sich ein wenig.
Dabei sind sie richtig gut gemacht. Trotz des Langsam-Tempos entfalten die Stücke auf der »Go Let It Out« einen eigenen Sog. Das Gitarrengefiedel ist mir manchmal zu ausgedehnt, dafür wird es aber auch dreckig gespielt. Und mit »Let's All Make Believe« sowie »(As Long As They've Got) Cigarettes In Hell« sind zwei B-Stücke enthalten, die recht gute Texte enthalten.
Mal ganz ernsthaft: Käme diese EP heute heraus und stünde nicht der Name der bekannten Band auf dem Cover, würde man sie in die Alternative- oder Emo-Schublade stecken und alle wären glücklich. Ohrwurm-Charakter haben die Stücke durchaus.
Damals fand ich die CD ziemlich lahm, legte sie in einen Stapel, und dort geriet sie in Vergessenheit. Mittlerweile ist sie volljährig, sie ist echt achtzehn Jahre alt und gilt komplett als Oldie. Niemand hasst mehr Oasis, und niemand liebt sie mehr – die Band ist ein wenig in der Versenkung verschwunden. Also kann ich mir so eine CD in aller Ruhe anhören, ohne mich popkulturell abgrenzen zu müssen.
Und ich stelle fest: So schlecht ist das alles gar nicht.
Enthalten sind drei eingängige Stücke, die man im weitesten Sinne als Gitarren-Pop bezeichnen könnte. Rock-Musik würde ich das nie nennen, die Band ist weit entfernt von rotzigem Rock'n'Roll. Die drei Stücke sind recht lang, jedes um die vier Minuten, das zieht sich ein wenig.
Dabei sind sie richtig gut gemacht. Trotz des Langsam-Tempos entfalten die Stücke auf der »Go Let It Out« einen eigenen Sog. Das Gitarrengefiedel ist mir manchmal zu ausgedehnt, dafür wird es aber auch dreckig gespielt. Und mit »Let's All Make Believe« sowie »(As Long As They've Got) Cigarettes In Hell« sind zwei B-Stücke enthalten, die recht gute Texte enthalten.
Mal ganz ernsthaft: Käme diese EP heute heraus und stünde nicht der Name der bekannten Band auf dem Cover, würde man sie in die Alternative- oder Emo-Schublade stecken und alle wären glücklich. Ohrwurm-Charakter haben die Stücke durchaus.
17 Februar 2019
Severin Gröbner in der Orgelfabrik
Die Orgelfabrik in Durlach war am Freitag, 15. Februar 2019, nicht gerade überfüllt. Drei, vier Dutzend Besucher waren gekommen, um Severin Gröbner auf der Bühne zu sehen. Dabei war der Kabarettist aus Österreich schon in der Orgelfabrik aufgetreten, er hätte also einigermaßen bekannt sein können – bei mir war es ja auch eher Zufall, dass ich im Saal saß.
Ich bereute es keinen Augenblick lang.
Severin Gröbner begann damit, dass er den Weltuntergang für den nächsten Morgen ankündigte. Dann erzählte er viel von Taxigutscheinen – ein Gag, den ich kaum erklären kann –, war zeitweise sehr sarkastisch und politisch und bekam immer wieder die Kurve zurück zu Albernheiten.
Er hielt sich nicht mit der Tagespolitik auf, wenngleich Politiker aus Österreich, den USA oder Deutschland durchaus erwähnt wurden. Meist aber ließ er seine sarkastischen Aussagen gegen Menschen los, die sich zu viel im Internet bewegen und dort jeden Unfug glauben.
Einige im Publikum überforderte er. Das Paar hinter uns diskutierte gelegentlich halblaut über seine Formulierungen. »Bass-Soli?«, fragte er. »Was ist denn das?« Und sie gab ehrlich zurück: »Keine Ahnung.«
Das Programm trug den Titel »Der Abendgang des Unterlands«, wurde mit gelegentlichen Liedern musikalisch untermalt, schwankte geschickt zwischen albern und sarkastisch, politisch und persönlich. Mir gefiel es sehr gut, und ich würde diesem Kleinkünstler ein größeres Publikum wünschen.
Ich bereute es keinen Augenblick lang.
Severin Gröbner begann damit, dass er den Weltuntergang für den nächsten Morgen ankündigte. Dann erzählte er viel von Taxigutscheinen – ein Gag, den ich kaum erklären kann –, war zeitweise sehr sarkastisch und politisch und bekam immer wieder die Kurve zurück zu Albernheiten.
Er hielt sich nicht mit der Tagespolitik auf, wenngleich Politiker aus Österreich, den USA oder Deutschland durchaus erwähnt wurden. Meist aber ließ er seine sarkastischen Aussagen gegen Menschen los, die sich zu viel im Internet bewegen und dort jeden Unfug glauben.
Einige im Publikum überforderte er. Das Paar hinter uns diskutierte gelegentlich halblaut über seine Formulierungen. »Bass-Soli?«, fragte er. »Was ist denn das?« Und sie gab ehrlich zurück: »Keine Ahnung.«
Das Programm trug den Titel »Der Abendgang des Unterlands«, wurde mit gelegentlichen Liedern musikalisch untermalt, schwankte geschickt zwischen albern und sarkastisch, politisch und persönlich. Mir gefiel es sehr gut, und ich würde diesem Kleinkünstler ein größeres Publikum wünschen.
15 Februar 2019
Am Himmel die Götter – nachgeschaut
Ich schreibe zwar viel zu selten, aber ich schaffe es immer wieder, eine Geschichte zu vollenden. Und gelegentlich werden meine Texte sogar veröffentlicht. Ein schönes Beispiel dafür ist die Geschichte ich »Am Himmel die Götter«, die ich dieser Tage in der Hand hatte – ich ging sie noch einmal durch, weil ich derzeit Geschichten von mir für eine mögliche Sammlung zusammenpacke.
Als ich sie 2013 schrieb, bahnte sich die sogenannte Flüchtlingskrise noch nicht an. Trotzdem geht es um Polizisten und Flüchtlinge, die in einer nahen Zukunft aufeinander treffen. Warum schrieb ich einen solchen Text?
Für die Anthologie-Reihe »Phantastischer Oberrhein«, die im Schillinger-Verlag erscheint, wurden damals Geschichten gesucht. Ich wollte einen Science-Fiction-Text schrieben, der in der Region spielt, in der ich lebe und arbeite.
Also nahm ich an, dass in einer nahen Zukunft die Dämme an der Nordsee wegen des Klimawandels brechen würden. Man müsste Millionen von Niederländern evakuieren und als Flüchtlinge in Süddeutschland ansiedeln. Das wiederum würde zu Konflikten führen – meine zwei Hauptfiguren als Angehörige der Bürgerpolizei sollten sie austragen.
Weil mir das nicht genügte, füge ich noch die phantastische Figur der sogenannten Neugötter ein. Als ich mit der Arbeit an dem Text fertig war, stellte ich fest, dass es eigentlich der Anfang zu einem größeren Text sei könnte, vielleicht sogar eines Romans. Womöglich böte »Am Himmel die Götter« auch die Chance, weitere Geschichten zu den Neugöttern zu erzählen. An Ideen mangelte es ja nie.
Es haperte an der Zeit, wie so oft. Und deshalb steht »Am Himmel die Götter« allein da, eine Geschichte mit einem sehr offenen Ende, die einen schlaglichtartigen Blick in eine nahe Zukunft wirkt und am Rande eines Dorfes namens Bischweier spielt. Irgendwie schade, aber leider nicht zu ändern. Vielleicht schaffe ich es wirklich, sie in eine Anthologie oder dergleichen zu packen. Den einen oder anderen Leser wünsche ich ihr ja schon.
(Bibliografische Notizen: Ich vollendete die Geschichte am 16. April 2013. Sie wurde Ende 2015 in dem Sammelband »Morgestraich« abgedruckt, der als Hardcover-Band erschien.)
Als ich sie 2013 schrieb, bahnte sich die sogenannte Flüchtlingskrise noch nicht an. Trotzdem geht es um Polizisten und Flüchtlinge, die in einer nahen Zukunft aufeinander treffen. Warum schrieb ich einen solchen Text?
Für die Anthologie-Reihe »Phantastischer Oberrhein«, die im Schillinger-Verlag erscheint, wurden damals Geschichten gesucht. Ich wollte einen Science-Fiction-Text schrieben, der in der Region spielt, in der ich lebe und arbeite.
Also nahm ich an, dass in einer nahen Zukunft die Dämme an der Nordsee wegen des Klimawandels brechen würden. Man müsste Millionen von Niederländern evakuieren und als Flüchtlinge in Süddeutschland ansiedeln. Das wiederum würde zu Konflikten führen – meine zwei Hauptfiguren als Angehörige der Bürgerpolizei sollten sie austragen.
Weil mir das nicht genügte, füge ich noch die phantastische Figur der sogenannten Neugötter ein. Als ich mit der Arbeit an dem Text fertig war, stellte ich fest, dass es eigentlich der Anfang zu einem größeren Text sei könnte, vielleicht sogar eines Romans. Womöglich böte »Am Himmel die Götter« auch die Chance, weitere Geschichten zu den Neugöttern zu erzählen. An Ideen mangelte es ja nie.
Es haperte an der Zeit, wie so oft. Und deshalb steht »Am Himmel die Götter« allein da, eine Geschichte mit einem sehr offenen Ende, die einen schlaglichtartigen Blick in eine nahe Zukunft wirkt und am Rande eines Dorfes namens Bischweier spielt. Irgendwie schade, aber leider nicht zu ändern. Vielleicht schaffe ich es wirklich, sie in eine Anthologie oder dergleichen zu packen. Den einen oder anderen Leser wünsche ich ihr ja schon.
(Bibliografische Notizen: Ich vollendete die Geschichte am 16. April 2013. Sie wurde Ende 2015 in dem Sammelband »Morgestraich« abgedruckt, der als Hardcover-Band erschien.)
14 Februar 2019
Von Ngaoundéré nach Foumban
Aus der Serie »Ein Bild und eine Geschichte«
Von meinem Aufenthalt in Kamerun – ich war dort 1999 – werde ich noch viele Jahre zehren. Schaue ich mir die Bilder an, werden unweigerlich die Erinnerungen wach. Unter anderem fuhr ich mit wechselnden Minibussen und einer Übernachtung in einer Provinzstadt von Nagoundéré nach Foumban.
Man muss klar sagen: Ich fuhr aus dem eher trockenen Zentrum des Landes durch ausgedehnte Waldgebiete bis hinein in eine Ackerbauregion; ich verließ den französischsprachigen Sektor und kam langsam in die Nähe des englischsprachigen Bereiches des Landes. Und der Bus rollte teilweise über Straßen, die sehr eng waren oder sich entlang von tiefen Tälern erstreckten. Über Dutzende von Kilometern gab es »Wellblechpisten«, die einen ordentlich durchrüttelten.
Manchmal rollten wir stundenlang durch Wälder und durch Buschland, die so gut wie menschenleer waren. Man sah keine Dörfer am Horizont, kaum ein Fahrzeug begegnete uns. Erst in der Nähe der nigerianischen Grenze wirkte die Gegend ein bisschen dichter besiedelt. (Ach ja: Europäer oder sonstige »Weiße« sah ich tagelang keine.)
Irgendwo im Buschland nordöstlich von Foumban war eine Brücke teilweise eingestürzt, offenbar schon vor Monaten. Die Leute waren einigermaßen sauer deshalb, weil sie niemand reparierte.
Wir mussten alle aussteigen und zu Fuß dem Bus vorausgehen oder ihm folgen. Ganz langsam und schwer wackelnd rollte der Bus über die Brücke, neigte sich dabei bedenklich mal zur einen und mal zur anderen Seite. Erst danach konnten wir weiterfahren.
Der Junge, der auf dem Foto neben dem Bus steht, war der Assistent des Fahrers. Er sorgte dafür, dass das Gepäck gut auf dem Dach verstaut wurde – auch mein Seesack – und dass während der Fahrt alles korrekt verlief. Ich fragte ihn vorher, ob ich ihn fotografieren dürfe; alle anderen Menschen habe ich von hinten fotografiert.
Von meinem Aufenthalt in Kamerun – ich war dort 1999 – werde ich noch viele Jahre zehren. Schaue ich mir die Bilder an, werden unweigerlich die Erinnerungen wach. Unter anderem fuhr ich mit wechselnden Minibussen und einer Übernachtung in einer Provinzstadt von Nagoundéré nach Foumban.
Man muss klar sagen: Ich fuhr aus dem eher trockenen Zentrum des Landes durch ausgedehnte Waldgebiete bis hinein in eine Ackerbauregion; ich verließ den französischsprachigen Sektor und kam langsam in die Nähe des englischsprachigen Bereiches des Landes. Und der Bus rollte teilweise über Straßen, die sehr eng waren oder sich entlang von tiefen Tälern erstreckten. Über Dutzende von Kilometern gab es »Wellblechpisten«, die einen ordentlich durchrüttelten.
Manchmal rollten wir stundenlang durch Wälder und durch Buschland, die so gut wie menschenleer waren. Man sah keine Dörfer am Horizont, kaum ein Fahrzeug begegnete uns. Erst in der Nähe der nigerianischen Grenze wirkte die Gegend ein bisschen dichter besiedelt. (Ach ja: Europäer oder sonstige »Weiße« sah ich tagelang keine.)
Irgendwo im Buschland nordöstlich von Foumban war eine Brücke teilweise eingestürzt, offenbar schon vor Monaten. Die Leute waren einigermaßen sauer deshalb, weil sie niemand reparierte.
Wir mussten alle aussteigen und zu Fuß dem Bus vorausgehen oder ihm folgen. Ganz langsam und schwer wackelnd rollte der Bus über die Brücke, neigte sich dabei bedenklich mal zur einen und mal zur anderen Seite. Erst danach konnten wir weiterfahren.
Der Junge, der auf dem Foto neben dem Bus steht, war der Assistent des Fahrers. Er sorgte dafür, dass das Gepäck gut auf dem Dach verstaut wurde – auch mein Seesack – und dass während der Fahrt alles korrekt verlief. Ich fragte ihn vorher, ob ich ihn fotografieren dürfe; alle anderen Menschen habe ich von hinten fotografiert.
13 Februar 2019
Ben Calvin Hary im Interview
Aus der Serie »Drei Fragen an …«
Ben Calvin Hary ist eigentlich Webseiten-Entwickler von Beruf, was ihn offenbar nicht auslastet. Er tummelt sich als YouTuber vor der Kamera und schreibt Romane. Im Herbst 2018 erschien sein Roman »Koshkin und die Kommunisten aus dem Kosmos« im Atlantis-Verlag, den ich mit viel Vergnügen gelesen habe.
Aus diesem Grund führte ich mit dem Autor dieses Interview. Es wurde per Mail geführt.
Klaus N. Frick: Wie würdest du deinen Roman beschreiben? Als Satire, als Klamauk, als Science Fiction im weitesten Sinne?
Ben Calvin Hary: Das mag den ein oder anderen Leser überraschen, aber nichts von alledem. Mein erstes Ziel war von Anfang an, einen spannenden Abenteuerroman zu schreiben. Klar wollte ich einen heiteren Text in die Welt setzen, aber der Humor sollte in erster Linie von den Figuren rühren und eben nicht vom Klamauk.
Ich habe eine Theorie, was erfolgreiche humoristische Literatur angeht: Sie muss mir beim zweiten, dritten oder vierten Lesen genausogut gefallen wie beim ersten Mal. Pointen verbrauchen sich aber, und auch Skurriles ist einem irgendwann so vertraut, dass es zum Normalen wird. Wenn mir jedoch die Charaktere am Herzen liegen und die Geschichte an sich interessant ist, lese ich beispielsweise ein Buch wie Douglas Adams’ »Der Elektrische Mönch« auch zum zwölften Mal mit Freude. Der Text muss also vor allen Dingen als Geschichte funktionieren. Die Komik darf bei mir nie Selbstzweck sein.
Aber im Herzen ist »Koshkin« auch eine Liebeserklärung an die Science Fiction von einst. Wenn also jemand ein Etikett drankleben möchte, bin ich mit sowas wie »heitere SF-Persiflage vor historischem Hintergrund« durchaus einverstanden.
Klaus N. Frick: Wie bist du eigentlich darauf gekommen, ausgerechnet die fünfziger Jahre als Hintergrund zu nehmen? Meist siedeln SF-Autoren ihre Geschichten entweder in ihrer aktuellen Zeit oder eben in der Zukunft an.
Ben Calvin Hary: Das hatte mehrere Gründe. Ich bin zum einen ein großer Verehrer klassischer Hollywood-Filme und würde mich als einigermaßen passionierten Amateur-Filmhistoriker bezeichnen. Zu der Zeit, in der ich die Idee zu »Koshkin« entwickelte, schaute ich viele SF-Meisterwerke aus den Fünfzigern und Sechzigern – Werke wie »Der Tag, an dem die Erde stillstand«, »Das Ding aus einer anderen Welt« oder »Metaluna 4 antwortet nicht«.
Die Liebe zur Retro-SF entdeckte ich außerdem früh. Als Kind las ich beispielsweise diese Serie mit den bunten Raketenheftchen, von denen du womöglich auch schon mal gehört hast. Die Idee, dieser Ära der Phantastik eine Hommage zu widmen, kam mir nie bewusst. Das lag für mich auf der Hand.
Zum anderen verfolgte mich die Figur eines polternden Wissenschaftlers, die zu gewissen Teilen von meinem zwischenzeitlich verstorbenen Schwiegervater inspiriert war. Der war ein Ingenieur polnischer Herkunft, der damals zwar schon seit über zwanzig Jahren in Deutschland lebte und hier absolut integriert war, aber stets wirkte, als würde er sich noch immer deplatziert fühlen.
Ich erlebte ihn als hochintelligenten und meist herzlichen, aber auch als launischen und innerlich resignierten Mann, der sich vom Leben und »dem System« betrogen fühlte. Diese Tragik wollte ich wiedergeben. Das war die Grundlage für die entwurzelte Existenz des Russen Boris Koshkin, den ich zu diesem Zweck ins ferne Amerika verfrachtete.
An diesem Punkt begannen beide Ideen – Hommage an die SF der 50er und die Koshkin-Figur – zusammenzuwachsen. Die Assoziation »Kalter Krieg« und »Space Race« drängte sich mir förmlich auf. Der Rest ergab sich beim Schreiben.
Klaus N. Frick: Wenn man’s genau nimmt, ist dein Roman ganz schön brutal (Lebewesen werden bei lebendigem Leib von Würmern aufgefressen) – das fällt nur nicht auf, weil die Getöteten im Prinzip ja aufrecht gehende Pflanzen sind. War dir dieser Sadismus überhaupt bewusst?
Ben Calvin Hary: Ich würde sogar noch weiter gehen und speziell den dritten Akt über Strecken als reinrassige Splatterkomödie bezeichnen. Als junger Erwachsener war ich Teil einer Clique von, wie ich uns heute bezeichnen würde, zu spät geborenen Cineasten. Eine besonders eigene Faszination übten auf uns die frühesten Werke von Peter Jackson und Sam Raimi aus, und gelegentlich bricht sich diese postpubertäre Begeisterung fürs Abartige auch heute noch bei mir Bahn.
Also ich habe diese Gore-Elemente schon sehr bewusst im Roman eingesetzt. Die »Fructoiden« gehen ja auch nicht gerade zimperlich mit den Humanoiden um. Akkallah’Pi-Mennitah, mein Bösewicht, ist ein ganz schön blutrünstiges Früchtchen. Aber auch das ist beim Schreiben passiert und war ursprünglich gar nicht geplant.
Du erwähnst die Killerwürmer. Dahinter steckte zum Beispiel eine ziemlich pragmatische Überlegung. Ich brauchte eine Waffe, mit der meine Helden ihre Entführer das Fürchten lehren konnten. Und wovor hätte ein intelligentes Obst wohl die größte Angst? Fraßfeinde, also Würmer, fand ich recht naheliegend. Was sowas dann im Detail für die Protagonisten bedeutet und wie es sich für sie anfühlt, erforsche ich gemeinsam mit meinen Figuren bei der Niederschrift. Und das zelebriere ich dann gern.
Klaus N. Frick: Danke für das Interview.
Ben Calvin Hary: Es war mir ein Fest.
Ben Calvin Hary ist eigentlich Webseiten-Entwickler von Beruf, was ihn offenbar nicht auslastet. Er tummelt sich als YouTuber vor der Kamera und schreibt Romane. Im Herbst 2018 erschien sein Roman »Koshkin und die Kommunisten aus dem Kosmos« im Atlantis-Verlag, den ich mit viel Vergnügen gelesen habe.
Aus diesem Grund führte ich mit dem Autor dieses Interview. Es wurde per Mail geführt.
Klaus N. Frick: Wie würdest du deinen Roman beschreiben? Als Satire, als Klamauk, als Science Fiction im weitesten Sinne?
Ben Calvin Hary: Das mag den ein oder anderen Leser überraschen, aber nichts von alledem. Mein erstes Ziel war von Anfang an, einen spannenden Abenteuerroman zu schreiben. Klar wollte ich einen heiteren Text in die Welt setzen, aber der Humor sollte in erster Linie von den Figuren rühren und eben nicht vom Klamauk.
Ich habe eine Theorie, was erfolgreiche humoristische Literatur angeht: Sie muss mir beim zweiten, dritten oder vierten Lesen genausogut gefallen wie beim ersten Mal. Pointen verbrauchen sich aber, und auch Skurriles ist einem irgendwann so vertraut, dass es zum Normalen wird. Wenn mir jedoch die Charaktere am Herzen liegen und die Geschichte an sich interessant ist, lese ich beispielsweise ein Buch wie Douglas Adams’ »Der Elektrische Mönch« auch zum zwölften Mal mit Freude. Der Text muss also vor allen Dingen als Geschichte funktionieren. Die Komik darf bei mir nie Selbstzweck sein.
Aber im Herzen ist »Koshkin« auch eine Liebeserklärung an die Science Fiction von einst. Wenn also jemand ein Etikett drankleben möchte, bin ich mit sowas wie »heitere SF-Persiflage vor historischem Hintergrund« durchaus einverstanden.
Klaus N. Frick: Wie bist du eigentlich darauf gekommen, ausgerechnet die fünfziger Jahre als Hintergrund zu nehmen? Meist siedeln SF-Autoren ihre Geschichten entweder in ihrer aktuellen Zeit oder eben in der Zukunft an.
Ben Calvin Hary: Das hatte mehrere Gründe. Ich bin zum einen ein großer Verehrer klassischer Hollywood-Filme und würde mich als einigermaßen passionierten Amateur-Filmhistoriker bezeichnen. Zu der Zeit, in der ich die Idee zu »Koshkin« entwickelte, schaute ich viele SF-Meisterwerke aus den Fünfzigern und Sechzigern – Werke wie »Der Tag, an dem die Erde stillstand«, »Das Ding aus einer anderen Welt« oder »Metaluna 4 antwortet nicht«.
Die Liebe zur Retro-SF entdeckte ich außerdem früh. Als Kind las ich beispielsweise diese Serie mit den bunten Raketenheftchen, von denen du womöglich auch schon mal gehört hast. Die Idee, dieser Ära der Phantastik eine Hommage zu widmen, kam mir nie bewusst. Das lag für mich auf der Hand.
Zum anderen verfolgte mich die Figur eines polternden Wissenschaftlers, die zu gewissen Teilen von meinem zwischenzeitlich verstorbenen Schwiegervater inspiriert war. Der war ein Ingenieur polnischer Herkunft, der damals zwar schon seit über zwanzig Jahren in Deutschland lebte und hier absolut integriert war, aber stets wirkte, als würde er sich noch immer deplatziert fühlen.
Ich erlebte ihn als hochintelligenten und meist herzlichen, aber auch als launischen und innerlich resignierten Mann, der sich vom Leben und »dem System« betrogen fühlte. Diese Tragik wollte ich wiedergeben. Das war die Grundlage für die entwurzelte Existenz des Russen Boris Koshkin, den ich zu diesem Zweck ins ferne Amerika verfrachtete.
An diesem Punkt begannen beide Ideen – Hommage an die SF der 50er und die Koshkin-Figur – zusammenzuwachsen. Die Assoziation »Kalter Krieg« und »Space Race« drängte sich mir förmlich auf. Der Rest ergab sich beim Schreiben.
Klaus N. Frick: Wenn man’s genau nimmt, ist dein Roman ganz schön brutal (Lebewesen werden bei lebendigem Leib von Würmern aufgefressen) – das fällt nur nicht auf, weil die Getöteten im Prinzip ja aufrecht gehende Pflanzen sind. War dir dieser Sadismus überhaupt bewusst?
Ben Calvin Hary: Ich würde sogar noch weiter gehen und speziell den dritten Akt über Strecken als reinrassige Splatterkomödie bezeichnen. Als junger Erwachsener war ich Teil einer Clique von, wie ich uns heute bezeichnen würde, zu spät geborenen Cineasten. Eine besonders eigene Faszination übten auf uns die frühesten Werke von Peter Jackson und Sam Raimi aus, und gelegentlich bricht sich diese postpubertäre Begeisterung fürs Abartige auch heute noch bei mir Bahn.
Also ich habe diese Gore-Elemente schon sehr bewusst im Roman eingesetzt. Die »Fructoiden« gehen ja auch nicht gerade zimperlich mit den Humanoiden um. Akkallah’Pi-Mennitah, mein Bösewicht, ist ein ganz schön blutrünstiges Früchtchen. Aber auch das ist beim Schreiben passiert und war ursprünglich gar nicht geplant.
Du erwähnst die Killerwürmer. Dahinter steckte zum Beispiel eine ziemlich pragmatische Überlegung. Ich brauchte eine Waffe, mit der meine Helden ihre Entführer das Fürchten lehren konnten. Und wovor hätte ein intelligentes Obst wohl die größte Angst? Fraßfeinde, also Würmer, fand ich recht naheliegend. Was sowas dann im Detail für die Protagonisten bedeutet und wie es sich für sie anfühlt, erforsche ich gemeinsam mit meinen Figuren bei der Niederschrift. Und das zelebriere ich dann gern.
Klaus N. Frick: Danke für das Interview.
Ben Calvin Hary: Es war mir ein Fest.
12 Februar 2019
Von Treffen und Breitsitzern
Ich finde es manchmal amüsant, bewusst darauf zu achten, wie sich Begriffe verändern. Deutsche Begriffe sind nicht besser als Fremdwörter, klingen manchmal aber treffender. Neuerdings wird alles mit englischen Begriffen aufgeladen, was oft treffender ist als der vorherige Begriff, manchmal aber albern wird.
Mein Lieblingsbegriff in den vergangenen Jahren war immer das schöne Wort »Rendezvous«. Wenn man das so liest und hört, sieht man doch geradezu ein Paar vor sich, das sich umwirbt, das sich unterhält, das sich vielleicht auch verliebt. Ich könnte es als »romantisches Treffen« übersetzen, aber da wäre immer noch ein Fremdwort dran, und es klingt nicht so gut wie das französische Fremdwort.
Heute benutzt man das Wort »Date« – und wenn ich das höre und sehe, erkenne ich durchstrukturierte Abläufe, bei denen klar ist, dass beim zweiten Date ein Kuss und beim dritten Date dann schon Sex zu folgen hat. Ein Date klingt nach Terminkalender, nach Tinder und hektischem Wischen auf dem Smartphone. Der Begriff passt zum Vorgang.
Mein zweites Lieblingsbeispiel betrifft etwas weniger schönes. Ich meine einen jungen Mann, der sich in der Straßenbahn so breitbeinig auf einem Sitz niederlässt, dass neben ihm niemand mehr Platz findet. Früher nannte man eine solche Sitzhaltung in schöner Höflichkeit schlichtweg »GPH«, also »Genitalien-Präsentier-Haltung«, abgeleitet vom Verhalten von Pavianen. Das ist ein schöner Begriff.
Heute werde ich ja meist in englischen Fachbegriffen belehrt. Ein solches Verhalten gilt neuerdings als »Manspreading«, was superwissenschaftlich klingt. Aber seien wir ehrlich: »männliches Scheißbenehmen« ist klarer. Ich würd's nicht als »MSB« abkürzen. Aber ich bin ja auch nur Redakteur und kein Sozialwissenschaftler.
Mein Lieblingsbegriff in den vergangenen Jahren war immer das schöne Wort »Rendezvous«. Wenn man das so liest und hört, sieht man doch geradezu ein Paar vor sich, das sich umwirbt, das sich unterhält, das sich vielleicht auch verliebt. Ich könnte es als »romantisches Treffen« übersetzen, aber da wäre immer noch ein Fremdwort dran, und es klingt nicht so gut wie das französische Fremdwort.
Heute benutzt man das Wort »Date« – und wenn ich das höre und sehe, erkenne ich durchstrukturierte Abläufe, bei denen klar ist, dass beim zweiten Date ein Kuss und beim dritten Date dann schon Sex zu folgen hat. Ein Date klingt nach Terminkalender, nach Tinder und hektischem Wischen auf dem Smartphone. Der Begriff passt zum Vorgang.
Mein zweites Lieblingsbeispiel betrifft etwas weniger schönes. Ich meine einen jungen Mann, der sich in der Straßenbahn so breitbeinig auf einem Sitz niederlässt, dass neben ihm niemand mehr Platz findet. Früher nannte man eine solche Sitzhaltung in schöner Höflichkeit schlichtweg »GPH«, also »Genitalien-Präsentier-Haltung«, abgeleitet vom Verhalten von Pavianen. Das ist ein schöner Begriff.
Heute werde ich ja meist in englischen Fachbegriffen belehrt. Ein solches Verhalten gilt neuerdings als »Manspreading«, was superwissenschaftlich klingt. Aber seien wir ehrlich: »männliches Scheißbenehmen« ist klarer. Ich würd's nicht als »MSB« abkürzen. Aber ich bin ja auch nur Redakteur und kein Sozialwissenschaftler.
Internationaler Blick auf die Fan-Szene
Als Autor von international erfolgreichen Thrillern wurde Stieg Larsson bekannt. Sein früher Tod sorgte zudem dafür, dass sich um diesen Autor mittlerweile immer mehr Mythen ranken. Immerhin wissen die meisten Leute auch, dass er sich politisch engagierte und beispielsweise in der Antifa aktiv war.
Was aber kaum jemandem bekannt ist – ich wusste ebenfalls nichts davon –, ist die Tatsache, dass Stieg Larsson jahrelang sehr aktiv in der schwedischen Science-Fiction-Szene war. Er schrieb für Fanzines, er gab Fanzines heraus, er war im Vorstand von Vereinen. Am Ende der 70er-Jahre zog er sich vom Fandom zurück, ab 1980 war er »gafia«, wie man das früher nannte.
Das weiß ich alles, nachdem ich die Ausgabe 34 des Fanzines »CounterClock« gelesen habe. Herausgegeben wird das Fanzine von Wolf von Witting, den ich seit den frühen 80er-Jahren vom Namen her kenne und irgendwann auch persönlich kennenlernte. Der schwedische Fan lebt in Italien und schreibt auf Englisch, hat zudem jahrelang eine deutschsprachige Science-Fiction-Serie gelesen, für die ich heute arbeite – das ist alles sehr international.
Und sein Fanzine ist eine wunderbare Präsentation der internationalen Fan-Szene. Meine liebste Heftromanserie wird erwähnt – Wolf gab 1979/1980 eine PERRY RHODAN-Verarsche in deutscher Sprache heraus –, es gibt Blicke auf Cons und Fans aus aller Welt, dazu Leserbriefe und vieles anderes mehr.
Sehr schön an diesem bunten Paket an Informationen und Erinnerungen – alles in englischer Sprache! – ist ohnehin der Preis: »CounterClock« ist kostenlos, man kann es sich über die Internet-Seite »efanzines« als PDF herunterladen. Ein lohnenswertes Fanzine, wie ich finde!
Was aber kaum jemandem bekannt ist – ich wusste ebenfalls nichts davon –, ist die Tatsache, dass Stieg Larsson jahrelang sehr aktiv in der schwedischen Science-Fiction-Szene war. Er schrieb für Fanzines, er gab Fanzines heraus, er war im Vorstand von Vereinen. Am Ende der 70er-Jahre zog er sich vom Fandom zurück, ab 1980 war er »gafia«, wie man das früher nannte.
Das weiß ich alles, nachdem ich die Ausgabe 34 des Fanzines »CounterClock« gelesen habe. Herausgegeben wird das Fanzine von Wolf von Witting, den ich seit den frühen 80er-Jahren vom Namen her kenne und irgendwann auch persönlich kennenlernte. Der schwedische Fan lebt in Italien und schreibt auf Englisch, hat zudem jahrelang eine deutschsprachige Science-Fiction-Serie gelesen, für die ich heute arbeite – das ist alles sehr international.
Und sein Fanzine ist eine wunderbare Präsentation der internationalen Fan-Szene. Meine liebste Heftromanserie wird erwähnt – Wolf gab 1979/1980 eine PERRY RHODAN-Verarsche in deutscher Sprache heraus –, es gibt Blicke auf Cons und Fans aus aller Welt, dazu Leserbriefe und vieles anderes mehr.
Sehr schön an diesem bunten Paket an Informationen und Erinnerungen – alles in englischer Sprache! – ist ohnehin der Preis: »CounterClock« ist kostenlos, man kann es sich über die Internet-Seite »efanzines« als PDF herunterladen. Ein lohnenswertes Fanzine, wie ich finde!
11 Februar 2019
Wenn alte Punks neu überzeugen ...
Dass Punkrock irgendwann mal eine »alternde« Szene werden würde, konnte man sich in den späten 70er- und frühen 80er-Jahren nicht vorstellen. Alle, die sich mit Punkrock beschäftigten, waren jung und fühlten sich jung. Das ist lange her – und ein Musiker wie Dave Smalley, der irgendwann mal stilprägend war, ist heute wirklich nicht mehr der Jüngste.
Zuletzt fiel er mir vor allem durch politische Äußerungen auf, durch sein Engagement für die »Conservative Punks«, und danach war er geradezu abgemeldet für mich. Seine Verdienste für die Szene, die er mit Bands wie Dag Nasty oder All erreicht hatte, waren auf einmal wie ausgelöscht. Aber gut, ich verzeihe ja auch.
Vor allem, wenn er eine neue Band hat, die er in edler Bescheidenheit mit Dave Smalley & The Bandoleros bezeichnet und mit denen er eine Platte veröffentlicht hat. Die trägt den Titel »Join The Outsiders«, liefert elf Mal hochmelodischen und knalligen Punk mit einem Schuss Hardcore und ist richtig gut. Da war und bin ich dann doch baff.
Klar, Dave Smalley konnte schon früher mit Melodien umgehen, das hat er nicht verlernt. Manchmal ist mir in den Stücken zu viel Gitarrengefiedel enthalten, sonst aber gibt es kompakten und coolen Sound, wie ich ihn immer gern hören mag. Das ist dann nicht super-originell, aber man kann ja nicht alles haben.
Eine gelungene Platte, die an den frühen MelodyCore erinnert, die immer druckvoll ist und bei der man nach dem zweiten Anhören schon den Ohrwurm-Charakter mancher Stücke erkennen kann. Damit hat sich Dave Smalley eindrucksvoll zurückgemeldet, würde ich sagen ...
Zuletzt fiel er mir vor allem durch politische Äußerungen auf, durch sein Engagement für die »Conservative Punks«, und danach war er geradezu abgemeldet für mich. Seine Verdienste für die Szene, die er mit Bands wie Dag Nasty oder All erreicht hatte, waren auf einmal wie ausgelöscht. Aber gut, ich verzeihe ja auch.
Vor allem, wenn er eine neue Band hat, die er in edler Bescheidenheit mit Dave Smalley & The Bandoleros bezeichnet und mit denen er eine Platte veröffentlicht hat. Die trägt den Titel »Join The Outsiders«, liefert elf Mal hochmelodischen und knalligen Punk mit einem Schuss Hardcore und ist richtig gut. Da war und bin ich dann doch baff.
Klar, Dave Smalley konnte schon früher mit Melodien umgehen, das hat er nicht verlernt. Manchmal ist mir in den Stücken zu viel Gitarrengefiedel enthalten, sonst aber gibt es kompakten und coolen Sound, wie ich ihn immer gern hören mag. Das ist dann nicht super-originell, aber man kann ja nicht alles haben.
Eine gelungene Platte, die an den frühen MelodyCore erinnert, die immer druckvoll ist und bei der man nach dem zweiten Anhören schon den Ohrwurm-Charakter mancher Stücke erkennen kann. Damit hat sich Dave Smalley eindrucksvoll zurückgemeldet, würde ich sagen ...
Comic-Leckerbissen für Kinofreunde
Über die Comic-Serie »Ekhö – Spiegelwelt« schrieb ich in diesem Blog schon einmal. Ich lobte den ersten Band mit dem schönen Titel »New York«, weil ich die flotte Fantasy-Mixtur sehr mochte. Mittlerweile bin ich mit der Lektüre der Serie weiter vorangeschritten, das Rezept scheint immer das gleiche zu sein.
Die zwei Helden von der Erde bereisen stets eine andere Stadt in der Spiegelwelt, wo sie – und an ihrer Seite die Leser – darüber staunen, was sich alles gegenüber unserer Welt verändert hat. Sie werden in einen Kriminalfall verwickelt, den sie irgendwie lösen. Dabei gibt es einiges an nackter Haut zu sehen und eine Reihe von skurrilen Szenen zu bestaunen. Ich habe den Verdacht, dass das irgendwann langweilig werden könnte.
Trotzdem möchte ich auf den dritten Band der Serie verweisen. »Hollywood Boulevard« spielt, wie der Name schon andeutet, in Hollywood, aber in einem Hollywood, in dem es keinen Strom gibt, in dem Taxis von Dinosauriern gezogen werden, in dem aber trotzdem der riesige Schriftzug von den Hügel hinter der Stadt heruntergrüßt und Filme gedreht werden.
Auch wenn man die Serie nicht kennt, sollte man sich diesen Band anschauen. Vor allem Kinofreunde kommen auf ihre Kosten: Die alten Hollywood-Zeiten werden ebenso verarbeitet wie neue Kinofilme. Der »Fluch der Karibik« und »Harry Potter« geben sich ein Stelldichein, neben Marilyn Monroe spielt auch Liz Taylor – alle Personen natürlich in anderen Inkarnationen – eine wichtige Rolle. King Kong taucht auf, bekannte Produzenten, Regisseure und Schauspieler haben Nebenrollen ... es macht einen großen Spaß, den Band nach erfolgter Lektüre noch einmal gründlich durchzuschauen.
Wie bei den vorherigen Teilen wird auch dieses Comic-Album durch die schnellen Dialoge von Christophe Arleston vorangetrieben, es lebt aber vor allem von den coolen Zeichnungen, die Alessandro Barbucci beisteuert. Zahlreiche Details bereichern die Bilder, so dass die Spiegelwelt fast schon real wirkt.
Mir hat der Ausflug in das Hollywood der Spiegelwelt sehr gut gefallen, wenngleich er die Gesamtstory nicht weitergebracht hat. Aber das ist bei mancher Serie »made in Hollywood« ja auch nicht anders ...
Die zwei Helden von der Erde bereisen stets eine andere Stadt in der Spiegelwelt, wo sie – und an ihrer Seite die Leser – darüber staunen, was sich alles gegenüber unserer Welt verändert hat. Sie werden in einen Kriminalfall verwickelt, den sie irgendwie lösen. Dabei gibt es einiges an nackter Haut zu sehen und eine Reihe von skurrilen Szenen zu bestaunen. Ich habe den Verdacht, dass das irgendwann langweilig werden könnte.
Trotzdem möchte ich auf den dritten Band der Serie verweisen. »Hollywood Boulevard« spielt, wie der Name schon andeutet, in Hollywood, aber in einem Hollywood, in dem es keinen Strom gibt, in dem Taxis von Dinosauriern gezogen werden, in dem aber trotzdem der riesige Schriftzug von den Hügel hinter der Stadt heruntergrüßt und Filme gedreht werden.
Auch wenn man die Serie nicht kennt, sollte man sich diesen Band anschauen. Vor allem Kinofreunde kommen auf ihre Kosten: Die alten Hollywood-Zeiten werden ebenso verarbeitet wie neue Kinofilme. Der »Fluch der Karibik« und »Harry Potter« geben sich ein Stelldichein, neben Marilyn Monroe spielt auch Liz Taylor – alle Personen natürlich in anderen Inkarnationen – eine wichtige Rolle. King Kong taucht auf, bekannte Produzenten, Regisseure und Schauspieler haben Nebenrollen ... es macht einen großen Spaß, den Band nach erfolgter Lektüre noch einmal gründlich durchzuschauen.
Wie bei den vorherigen Teilen wird auch dieses Comic-Album durch die schnellen Dialoge von Christophe Arleston vorangetrieben, es lebt aber vor allem von den coolen Zeichnungen, die Alessandro Barbucci beisteuert. Zahlreiche Details bereichern die Bilder, so dass die Spiegelwelt fast schon real wirkt.
Mir hat der Ausflug in das Hollywood der Spiegelwelt sehr gut gefallen, wenngleich er die Gesamtstory nicht weitergebracht hat. Aber das ist bei mancher Serie »made in Hollywood« ja auch nicht anders ...
10 Februar 2019
Wenn das Berufliche zu privat wird ...
In sehr eigener Sache: Ich stelle fest, dass ich an diesem Sonntag nichts wirklich »Privates« bloggen kann. Privat gibt es Dinge, die mich beschäftigen, das ist normal. Aber alles, was ich in diesen Stunden im Kopf habe, ist eine Veranstaltung, die ich in München hinter mich gebracht habe und die ja eigentlich – wenn man es genau nimmt – streng beruflich war.
Im Auftrag der Serie, für die ich tätig bin, weilte ich in München. Ich hatte keine Zeit, private Dinge zu betreiben; schon das Frühstück und das Abendessen waren beruflich belegt. Ging ich aus dem Literaturhaus auf die Straße, traf ich Leser. Stand ich am Pissoir, pinkelte ein Leser neben mir. Trank ich ein Bier im Restaurant, wurde ich fotografiert.
Die Autoren sind die Stars unserer Serie, als Redakteur bin ich logischerweise nicht so wichtig. Und ebenso logisch ist, dass wir insgesamt keinen Promi-Status besitzen. Das finde ich angenehm, die Autoren sicher auch. Aber man merkt schon, wie die »Sozialen Medien« die Umgebung von Schriftstellern und Redakteuren verändern – das war 1999 noch nicht so, und 1980 konnte man an so etwas nicht einmal denken.
Nach einem anstrengenden Tag, der irrsinnig viele Gespräche mit sich brachte, ist das Gehirn wie formatiert. Nicht mal der geistige Plattenspieler, der sich bei mir sonst automatisch in Gang setzt, spielt heute keinen Punkrock und keinen Hardcore. Das Gehirn ist in der Science-Fiction-Welt, das Berufliche hat das Private offenbar völlig überlagert ...
Im Auftrag der Serie, für die ich tätig bin, weilte ich in München. Ich hatte keine Zeit, private Dinge zu betreiben; schon das Frühstück und das Abendessen waren beruflich belegt. Ging ich aus dem Literaturhaus auf die Straße, traf ich Leser. Stand ich am Pissoir, pinkelte ein Leser neben mir. Trank ich ein Bier im Restaurant, wurde ich fotografiert.
Die Autoren sind die Stars unserer Serie, als Redakteur bin ich logischerweise nicht so wichtig. Und ebenso logisch ist, dass wir insgesamt keinen Promi-Status besitzen. Das finde ich angenehm, die Autoren sicher auch. Aber man merkt schon, wie die »Sozialen Medien« die Umgebung von Schriftstellern und Redakteuren verändern – das war 1999 noch nicht so, und 1980 konnte man an so etwas nicht einmal denken.
Nach einem anstrengenden Tag, der irrsinnig viele Gespräche mit sich brachte, ist das Gehirn wie formatiert. Nicht mal der geistige Plattenspieler, der sich bei mir sonst automatisch in Gang setzt, spielt heute keinen Punkrock und keinen Hardcore. Das Gehirn ist in der Science-Fiction-Welt, das Berufliche hat das Private offenbar völlig überlagert ...
07 Februar 2019
ANABIS und eine SF-Anthologie
Das Fanzine »Anabis« war zu Beginn der 60er-Jahre die einflussreichste Fan-Publikation Deutschlands; zumindest würde ich das heute so sehen. In regelmäßigen Abständen publizierten die Redakteure des Heftes auch Sonderdrucke, die besondere Inhalte präsentierten.
Besonders interessant ist der »Anabis Sonderdruck 4«, der im Dezember 1963 erschien, als eine spezielle Ausgabe zu Weihnachten also. Das Fanzine enthielt keine Artikel, keinen fannischen Kleinkram, keine Leserbriefe – sondern es veröffentlichte vier Kurzgeschichten auf seinen 22 Seiten, die im Umdruck-Verfahren hergestellt wurden.
Als wichtigste Geschichte wurde einer der besten Texte des amerikanischen Schriftstellers Robert A. Heinlein präsentiert. »Die grünen Hügel der Erde« besteht aus trockenen Dialogen und hymnischen Gedichten, aus einer Raumfahrer-Geschichte, die sich fast wie ein Western liest. Übersetzt wurde sie von Rolf C. Gindorf, der leider schon verstorben ist und zu jener Zeit zu den aktivsten Fans der deutschsprachigen Szene gehörte.
Sehr kurz und knapp sind die Geschichten der amerikanischen Autoren Richard Sternbach und Mack Reynolds. Beide Autoren sind heute so gut wie vergessen; für die damalige Zeit waren die Texte in ihrer Kürze auch fast unnormal.
Mit Henry Kuttner und C. L. Moore hatte der »Anabis Sonderdruck 4« allerdings noch ein prominentes Autorenpaar an Bord. Die beiden schlossen damit einen ungewöhnlichen Reigen an Texten ab.
1963 dürfte eine solche Sammlung beeindruckend gewesen sein; Science Fiction wurde vor allem in Form von Heftromanen veröffentlicht. Ob die Rechte für die Geschichten eingeholt wurden oder es sich bei dem Fanzine um eine Sammlung von Raubdrucken handelt, lässt sich heute kaum noch nachvollziehen – Geld wurde damit auf jeden Fall nicht verdient …
Besonders interessant ist der »Anabis Sonderdruck 4«, der im Dezember 1963 erschien, als eine spezielle Ausgabe zu Weihnachten also. Das Fanzine enthielt keine Artikel, keinen fannischen Kleinkram, keine Leserbriefe – sondern es veröffentlichte vier Kurzgeschichten auf seinen 22 Seiten, die im Umdruck-Verfahren hergestellt wurden.
Als wichtigste Geschichte wurde einer der besten Texte des amerikanischen Schriftstellers Robert A. Heinlein präsentiert. »Die grünen Hügel der Erde« besteht aus trockenen Dialogen und hymnischen Gedichten, aus einer Raumfahrer-Geschichte, die sich fast wie ein Western liest. Übersetzt wurde sie von Rolf C. Gindorf, der leider schon verstorben ist und zu jener Zeit zu den aktivsten Fans der deutschsprachigen Szene gehörte.
Sehr kurz und knapp sind die Geschichten der amerikanischen Autoren Richard Sternbach und Mack Reynolds. Beide Autoren sind heute so gut wie vergessen; für die damalige Zeit waren die Texte in ihrer Kürze auch fast unnormal.
Mit Henry Kuttner und C. L. Moore hatte der »Anabis Sonderdruck 4« allerdings noch ein prominentes Autorenpaar an Bord. Die beiden schlossen damit einen ungewöhnlichen Reigen an Texten ab.
1963 dürfte eine solche Sammlung beeindruckend gewesen sein; Science Fiction wurde vor allem in Form von Heftromanen veröffentlicht. Ob die Rechte für die Geschichten eingeholt wurden oder es sich bei dem Fanzine um eine Sammlung von Raubdrucken handelt, lässt sich heute kaum noch nachvollziehen – Geld wurde damit auf jeden Fall nicht verdient …
06 Februar 2019
Aniskauf und Dorfbummel
Die kleine Landgemeinde Flavigny-sur-Ozerain ist vor allem dadurch bekannt geworden, dass sie als Kulisse für den Film »Chocolat« diente, in dem Juliette Binoche und Johnny Depp die Hauptrollen spielten. Das ist lange her, aber noch immer reisen viele Menschen wegen des Films in den Ort. (Man muss sich allerdings schon sehr viel Mühe geben, die Schauplätze zu entdecken …)
Wir hatten eine ganz andere Mission, als wir nach Flavigny kamen: Wir wollten Bonbons kaufen. Aus Flavigny kommen nämlich die leckeren Anis-Bonbons, die man auch hierzulande kaufen kann. Ich mag die sehr, ich mag die unterschiedlichen Geschmacksrichtungen, und das interessierte mich.
Leider kamen wir ein wenig zu spät, um die Fabrik zu besichtigen. Wobei das kleine, sehr alt aussehende Gebäude eher aussieht wie eine Mischung aus Museum und Manufaktur; da kann man sich geradezu vorstellen, dass in diesem Gebäude die Bonbons noch von Hand gefertigt werden. Von außen konnte man durch Fenster gucken und bekam einen kleinen Einblick.
Und in einem Ladengeschäft bekam man gut Geld los – gleich mal so einen 1000-Gramm-Sack mit Anis-Bonbons ins Auto gepackt … Und natürlich musste ich mich vor den Anis-Lieferwagen stellen und uncool in die Welt gucken.
Es lohnt sich aber tatsächlich, die Gemeinde zu besichtigen. Man muss keine Bonbons kaufen, man muss den Film nicht kennen. Zwischen den alten Häusern scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Von einigen Stellen aus hat man einen schönen Blick auf das grüne Umland – ein Beispiel dafür, wie dörflich Frankreich außerhalb der großen Städte ist.
Altes Mauerwerk, Kopfsteinpflaster, alte Torbogen, einige Restaurants, Kunsthandwerker und ansonsten viel Ruhe: Flavigny sieht aus wie ein Museumsdorf, als hätte man für Touristen versucht, das alte Frankreich in die heutige Zeit zu hieven. Ich kann mir gut vorstellen, warum man damals »Chocolat« ausgerechnet in diesem Dorf drehte, und ich könnte mir gut vorstellen, in Flavigny auch mal wieder Zeit zu verbringen …
Wir hatten eine ganz andere Mission, als wir nach Flavigny kamen: Wir wollten Bonbons kaufen. Aus Flavigny kommen nämlich die leckeren Anis-Bonbons, die man auch hierzulande kaufen kann. Ich mag die sehr, ich mag die unterschiedlichen Geschmacksrichtungen, und das interessierte mich.
Leider kamen wir ein wenig zu spät, um die Fabrik zu besichtigen. Wobei das kleine, sehr alt aussehende Gebäude eher aussieht wie eine Mischung aus Museum und Manufaktur; da kann man sich geradezu vorstellen, dass in diesem Gebäude die Bonbons noch von Hand gefertigt werden. Von außen konnte man durch Fenster gucken und bekam einen kleinen Einblick.
Und in einem Ladengeschäft bekam man gut Geld los – gleich mal so einen 1000-Gramm-Sack mit Anis-Bonbons ins Auto gepackt … Und natürlich musste ich mich vor den Anis-Lieferwagen stellen und uncool in die Welt gucken.
Es lohnt sich aber tatsächlich, die Gemeinde zu besichtigen. Man muss keine Bonbons kaufen, man muss den Film nicht kennen. Zwischen den alten Häusern scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Von einigen Stellen aus hat man einen schönen Blick auf das grüne Umland – ein Beispiel dafür, wie dörflich Frankreich außerhalb der großen Städte ist.
Altes Mauerwerk, Kopfsteinpflaster, alte Torbogen, einige Restaurants, Kunsthandwerker und ansonsten viel Ruhe: Flavigny sieht aus wie ein Museumsdorf, als hätte man für Touristen versucht, das alte Frankreich in die heutige Zeit zu hieven. Ich kann mir gut vorstellen, warum man damals »Chocolat« ausgerechnet in diesem Dorf drehte, und ich könnte mir gut vorstellen, in Flavigny auch mal wieder Zeit zu verbringen …
05 Februar 2019
Heresy mal wieder
Ach, Hardcore ... Es gab mal eine Zeit, da stand dieser Begriff nicht für Karate-Pogo und irgendwelche Typen in Muskel-Shirts, die mir vom harten Leben auf der Straße erzählen wollen. Hardcore war die Weiterentwicklung von Punkrock, und Mitte der 80er-Jahre ein absoluter Kracher. Wenn ich das heute erzähle, schauen mich die Leute an und wundern sich, was der alte Mann vor ihnen eigentlich für einen Unsinn erzählt.
Mit eine der krachigsten Bands dieser Zeit waren Heresy, die unglaubliche Konzerte unter anderem in schwäbischen Käffern wie Geislingen an der Steige gaben: Stagediving und Slamdance erlebten damals ihre erste Hoch-Zeit. Ich sprang, ich schrie, ich stolperte, ich fiel – so lassen sich viele Konzerte zusammenfassen.
Bei dem britischen Label Boss Tuneage erschien in den Nuller-Jahren eine Reihe von Schallplatten, die alle Heresy-Werke zusammenfasste – »20 Reasons To End It All« war der dritte und abschließende Teil zum Werk der britischen Krach-Helden. Das hörte ich mir dieser Tage mal wieder an. Immer noch ein rasanter Sound, immer noch ein Erlebnis.
Essentiell für alle, die sich für den »echten« Hardcore interessieren. Ernsthaft!
Mit eine der krachigsten Bands dieser Zeit waren Heresy, die unglaubliche Konzerte unter anderem in schwäbischen Käffern wie Geislingen an der Steige gaben: Stagediving und Slamdance erlebten damals ihre erste Hoch-Zeit. Ich sprang, ich schrie, ich stolperte, ich fiel – so lassen sich viele Konzerte zusammenfassen.
Bei dem britischen Label Boss Tuneage erschien in den Nuller-Jahren eine Reihe von Schallplatten, die alle Heresy-Werke zusammenfasste – »20 Reasons To End It All« war der dritte und abschließende Teil zum Werk der britischen Krach-Helden. Das hörte ich mir dieser Tage mal wieder an. Immer noch ein rasanter Sound, immer noch ein Erlebnis.
Essentiell für alle, die sich für den »echten« Hardcore interessieren. Ernsthaft!
Die phantastisch!-Wundertüte
In den vielen Jahren ihrer Existenz hat sich die Zeitschrift »phantastisch!« zum führenden Blatt in Sachen Science Fiction und Fantasy im deutschsprachigen Raum entwickelt. Das liegt ein wenig daran, dass es keine ernsthafte Konkurrenz gibt, sicher ist das aber auch deshalb so, weil die Redaktion sauber arbeitet und in jeder Ausgabe eine schöne Mischung aus unterschiedlichsten Themen bietet.
Deshalb komme ich auch mit der Lektüre kaum nach und schaffte es erst dieser Tage, die Ausgabe 72 zu lesen. Das ist zugleich die Ausgabe 4/2018, schon einige Tage alt also. Aber das schadet nicht, die meisten Beiträge des 84 Seiten starken Magazins kann man ohne jeglichen Druck zur Aktualität lesen.
Das liegt nicht nur an Beiträgen, die bewusst auf die Vergangenheit verweisen. So blickt Achim Schnurrer im vierten Teil seiner Serie »Cinderalla, Beelzebub und ich« zum vierten Mal auf Klassiker des phantastischen Genres. Ein umfangreicher Beitrag befasst sich mit Werken des bereits verstorbenen Science-Fiction-Schriftstellers Harry Harrison.
Ebenso betrachtet das Magazin die aktuelle Szene. Der Comic-Zeichner Bela Sobottke wird in einem Interview vorgestellt, ebenso der Horror-Autor Tim Curran und der Übersetzer und Verleger Joachim Körber. Ein informativer Artikel stellt neue Kinder- und Jugendbücher vor, der Zeichner Richard Corben wird gewürdigt, und das Genre des Biopunks wird ins Licht gerückt.
Dazu kommen haufenweise Informationen, Rezensionen, Bilder, Comics und andere Dinge. Ich kann nicht einmal alles lesen, und ich ertappe mich bei der Lektüre der »phantastisch!« stets dabei, dass ich mir Bücher und Autoren aufschreibe, Zeichnerinnen und Filme, die ich noch nicht kenne und unbedingt kennenlernen möchte.
Ich schreib's nicht zum ersten Mal: Dieses Heft ist eine Wundertüte, die mich noch nie enttäuscht hat. Das gilt auch für die Ausgabe 72. (Zu beziehen beim Atlantis-Verlag. Ich empfehle ein Abonnement!)
Deshalb komme ich auch mit der Lektüre kaum nach und schaffte es erst dieser Tage, die Ausgabe 72 zu lesen. Das ist zugleich die Ausgabe 4/2018, schon einige Tage alt also. Aber das schadet nicht, die meisten Beiträge des 84 Seiten starken Magazins kann man ohne jeglichen Druck zur Aktualität lesen.
Das liegt nicht nur an Beiträgen, die bewusst auf die Vergangenheit verweisen. So blickt Achim Schnurrer im vierten Teil seiner Serie »Cinderalla, Beelzebub und ich« zum vierten Mal auf Klassiker des phantastischen Genres. Ein umfangreicher Beitrag befasst sich mit Werken des bereits verstorbenen Science-Fiction-Schriftstellers Harry Harrison.
Ebenso betrachtet das Magazin die aktuelle Szene. Der Comic-Zeichner Bela Sobottke wird in einem Interview vorgestellt, ebenso der Horror-Autor Tim Curran und der Übersetzer und Verleger Joachim Körber. Ein informativer Artikel stellt neue Kinder- und Jugendbücher vor, der Zeichner Richard Corben wird gewürdigt, und das Genre des Biopunks wird ins Licht gerückt.
Dazu kommen haufenweise Informationen, Rezensionen, Bilder, Comics und andere Dinge. Ich kann nicht einmal alles lesen, und ich ertappe mich bei der Lektüre der »phantastisch!« stets dabei, dass ich mir Bücher und Autoren aufschreibe, Zeichnerinnen und Filme, die ich noch nicht kenne und unbedingt kennenlernen möchte.
Ich schreib's nicht zum ersten Mal: Dieses Heft ist eine Wundertüte, die mich noch nie enttäuscht hat. Das gilt auch für die Ausgabe 72. (Zu beziehen beim Atlantis-Verlag. Ich empfehle ein Abonnement!)
04 Februar 2019
Der General brachte Kippen
»Es ist grausig bei der Bundeswehr«, klagte ich meinem Vater, als ich zum ersten Mal an einem Wochenende nach Hause kam. Ende Oktober 1984 hatte ich mich zwar schon ein wenig an den Alltag in der Kaserne gewöhnt, aber ich bereute schon, den Wehrdienst nicht verweigert zu haben. »Am meisten hasse ich es, strammstehen zu müssen oder im Gleichschritt zu marschieren. So ein Quatsch!«
Wir saßen im Keller an einem Tisch und sortierten Nägel und Schrauben, die sich im Verlauf der vergangenen Monate angesammelt hatten, in die richtigen Fächer. Mein Vater wollte mehr Ordnung in das System bringen, das er in der neuen Werkstatt aufgebaut hatte.
»Strammstehen mussten wir auch viel«, sagte er ruhig. »Aber wenn es ernst wird, hört so ein Firlefanz auf.« Er blieb stehen, sah ohne Ausdruck ins Leere.
Ich kannte diesen Blick mittlerweile. Er setzte ihn nur selten auf, vielleicht häufiger, wenn niemand dabei war. Er war irgendwo in den vierziger Jahren.
»Was meinst du damit?«
»Na ja, wenn die Russen stürmen oder wenn du stürmst, wird nicht mehr strammgestanden und gesiezt. Da haben sich alle geduzt, der einfache Soldat und der Hauptmann, der Gefreite und der Leutnant.«
»Aber sicher nicht der General.«
»Der kam auch nach vorne in den Graben, wenn's ernst war. Dann hat er Zigaretten verteilt. Das war ein lockerer Typ, ein ganz junger, keiner von den scharfen Hunden. Und er blieb bis zum Ende bei der Division.«
Danach war das Thema beendet. Es war das einzige Mal, dass er über einen der Generäle sprach. Und auch das einzige Mal, dass er einen der »hohen Offiziere« mit positiven Worten bedachte.
Wir saßen im Keller an einem Tisch und sortierten Nägel und Schrauben, die sich im Verlauf der vergangenen Monate angesammelt hatten, in die richtigen Fächer. Mein Vater wollte mehr Ordnung in das System bringen, das er in der neuen Werkstatt aufgebaut hatte.
»Strammstehen mussten wir auch viel«, sagte er ruhig. »Aber wenn es ernst wird, hört so ein Firlefanz auf.« Er blieb stehen, sah ohne Ausdruck ins Leere.
Ich kannte diesen Blick mittlerweile. Er setzte ihn nur selten auf, vielleicht häufiger, wenn niemand dabei war. Er war irgendwo in den vierziger Jahren.
»Was meinst du damit?«
»Na ja, wenn die Russen stürmen oder wenn du stürmst, wird nicht mehr strammgestanden und gesiezt. Da haben sich alle geduzt, der einfache Soldat und der Hauptmann, der Gefreite und der Leutnant.«
»Aber sicher nicht der General.«
»Der kam auch nach vorne in den Graben, wenn's ernst war. Dann hat er Zigaretten verteilt. Das war ein lockerer Typ, ein ganz junger, keiner von den scharfen Hunden. Und er blieb bis zum Ende bei der Division.«
Danach war das Thema beendet. Es war das einzige Mal, dass er über einen der Generäle sprach. Und auch das einzige Mal, dass er einen der »hohen Offiziere« mit positiven Worten bedachte.
03 Februar 2019
Mit Brecht in Ettlingen
Ettlingen ist eine kleine Stadt bei Karlsruhe; dort gibt es ein schönes altes Kino. Neben den Filmen, die im großen Saal laufen, gibt es auch Filme, die im Vorraum gezeigt werden. In diesem Fall nennt man das dann »Candlelight Cinema« – nein, ich werde heute nicht über unnötige Anglizismen lästern, sondern freue mich darüber, dass es solche Einrichtungen überhaupt gibt.
Man sitzt in Sesselchen, man hat Tische vor sich, auf denen man sein Bier abstellen kann. Es sind wenige Leute da, die Stimmung ist entspannt. In diesem Rahmen sah ich dann endlich »Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm«, den ich im Herbst 2018 verpasst hatte.
Um es klar und kurz zu sagen: Ich kann zwar gut verstehen, dass der Film von vielen als blöd empfunden wurde und dass er verrissen wurde – ich fand ihn trotzdem toll. Lars Eidinger als arroganter Bertold Brecht fand ich überzeugend, die doppelt und dreifach gestaffelte Handlung (ein Theaterstück im Film und ein Film im Theaterstück) war großartig. Man musste sich darauf einlassen, wurde aber mit tollen Bildern und starken Szenen belohnt.
Klar, wer eine seriöse Umsetzung der »Dreigroschenoper« erwartete oder eine nüchterne Darstellung der Jahre 1928 bis 1933, der hatte Pech. Ich fand den Reigen aus Gesang und Tanz, aus wechselnden Perspektiven und verblüffenden Sichtweisen spannend. Diesen Film möchte ich auch mal wieder ansehen.
Man sitzt in Sesselchen, man hat Tische vor sich, auf denen man sein Bier abstellen kann. Es sind wenige Leute da, die Stimmung ist entspannt. In diesem Rahmen sah ich dann endlich »Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm«, den ich im Herbst 2018 verpasst hatte.
Um es klar und kurz zu sagen: Ich kann zwar gut verstehen, dass der Film von vielen als blöd empfunden wurde und dass er verrissen wurde – ich fand ihn trotzdem toll. Lars Eidinger als arroganter Bertold Brecht fand ich überzeugend, die doppelt und dreifach gestaffelte Handlung (ein Theaterstück im Film und ein Film im Theaterstück) war großartig. Man musste sich darauf einlassen, wurde aber mit tollen Bildern und starken Szenen belohnt.
Klar, wer eine seriöse Umsetzung der »Dreigroschenoper« erwartete oder eine nüchterne Darstellung der Jahre 1928 bis 1933, der hatte Pech. Ich fand den Reigen aus Gesang und Tanz, aus wechselnden Perspektiven und verblüffenden Sichtweisen spannend. Diesen Film möchte ich auch mal wieder ansehen.
02 Februar 2019
Ich versuche mich an MeWe
Den Slogan fand ich gut: »Dein Inhalt gehört dir. Du hast die Kontrolle über deine Interaktionen. Du entscheidest über deine Privatsphäre.« Okay, es sind eigentlich drei Slogans, aber damit versucht »MeWe«, das neue Netzwerk, seine Ziele zusammenzufassen. Weil ich sehen möchte, ob das Netzwerk sinnvoll ist, bin ich ihm beigetreten – auch deshalb, weil ich dort gleich einige Bekannte und Freunde getroffen habe, die sich das Netzwerk ebenfalls anschauen.
Das neue Netzwerk orientiert sich klar am großen Vorbild, die Bedienführung ist ähnlich intuitiv wie bei Facebook. Ich habe keine zwei Minuten gebraucht, um mich grob zurechtzufinden, habe aber bislang noch nicht den riesigen Wunsch, mich mit allen Details zu beschäftigen. Soziale Netzwerke sind in der Lage, einem viel Freizeit wegzufressen, und ich wollte mich nicht unbedingt schon wieder auf ein neues System einlassen. Auch wenn ich mich dagegen verwehre, verbringe ich doch viel Zeit bei Facebook und Twitter.
Ich gehöre sicher zu den wenigen Menschen, die es bereuen, wenn Google+ bald seine Funktion einstellt. Dort fand ich die Diskussionen immer erfreulich angenehm; dort gab es sogar Diskussionen. Schon klar, es liegt immer an der Blase, in der man sich bewegt – aber bei Google+ hielt sich die Zahl der Stänkerer erfreulich in Grenzen
Mal schauen, ob »MeWe« diese Lücke schließen kann. Ich bin aber auch jahrzehntelang ohne soziale Netzwerke ausgekommen, wie ich mir immer wieder vor Augen halten muss.
»MeWe« gibt es erst seit drei Jahren, und es ist eher klein. Die Funktionen sind einfach, und wenn man dort die Regeln einhält, zu denen man sich in punkto Datenschutz verpflichtet hat, könnte es wirklich eine spannende Ergänzung zu bisherigen Systemen werden. Der nächste »heiße Scheiß« wird es wohl kaum werden, dafür ist es dem Vorbild zu ähnlich. Aber für mich ist es eine schöne Spielwiese.
Das neue Netzwerk orientiert sich klar am großen Vorbild, die Bedienführung ist ähnlich intuitiv wie bei Facebook. Ich habe keine zwei Minuten gebraucht, um mich grob zurechtzufinden, habe aber bislang noch nicht den riesigen Wunsch, mich mit allen Details zu beschäftigen. Soziale Netzwerke sind in der Lage, einem viel Freizeit wegzufressen, und ich wollte mich nicht unbedingt schon wieder auf ein neues System einlassen. Auch wenn ich mich dagegen verwehre, verbringe ich doch viel Zeit bei Facebook und Twitter.
Ich gehöre sicher zu den wenigen Menschen, die es bereuen, wenn Google+ bald seine Funktion einstellt. Dort fand ich die Diskussionen immer erfreulich angenehm; dort gab es sogar Diskussionen. Schon klar, es liegt immer an der Blase, in der man sich bewegt – aber bei Google+ hielt sich die Zahl der Stänkerer erfreulich in Grenzen
Mal schauen, ob »MeWe« diese Lücke schließen kann. Ich bin aber auch jahrzehntelang ohne soziale Netzwerke ausgekommen, wie ich mir immer wieder vor Augen halten muss.
»MeWe« gibt es erst seit drei Jahren, und es ist eher klein. Die Funktionen sind einfach, und wenn man dort die Regeln einhält, zu denen man sich in punkto Datenschutz verpflichtet hat, könnte es wirklich eine spannende Ergänzung zu bisherigen Systemen werden. Der nächste »heiße Scheiß« wird es wohl kaum werden, dafür ist es dem Vorbild zu ähnlich. Aber für mich ist es eine schöne Spielwiese.
01 Februar 2019
Der dicke Sinclair ist da!
Die Serie »John Sinclair« ist mir seit vielen Jahren ein Begriff, nein, es sind schon Jahrzehnte. Als ich in den späten 70er-Jahren anfing, allerlei Heftromane zu lesen, waren diese Gruselheftromane auch dabei. Ich fand sie nicht besonders gut, und dann wurde ich eh von einer gewissen Raketenheftchenserie in ihren Bann gezogen. Den Kontakt zu »John Sinclair« verlor ich ziemlich.
In den vergangenen Jahren schaute ich immer wieder in die Romanhefte hinein. Ich hörte die Hörspiele, ich las immer mal wieder einige Seiten in den gedruckten Romanen. Auch wenn ich sicher nie ein Fan der Serie werde, finde ich die Entwicklungen stets spannend. Die Serie steuert eine neue Zeit an, sie wandelt sich, und das ist – von außen betrachtet – höchst interessant.
Der nächste Schritt in der Evolution ist dieser Tage erschienen. Bei Fischer TOR wurde das dickleibige Paperback »Sinclair – Dead Zone« veröffentlicht, für das Dennis Ehrhardt verantwortlich zeichnet. Diesen Autor kenne ich unter anderem als Produzenten der hervorragenden »John Sinclair«-Hörspiele; er kennt die Materie also, und er weiß, wie man eine klassische Serie modernisiert. Darüber hinaus kenne ich andere Texte von ihm.
Das Buch liegt nun daheim in meinem Lese-Stapel. Ich weiß noch nicht genau, wann ich dazu komme, es wirklich zu lesen, aber ich bin schon sehr gespannt darauf. Vielleicht werde ich doch noch zum »John Sinclair«-Fan …
In den vergangenen Jahren schaute ich immer wieder in die Romanhefte hinein. Ich hörte die Hörspiele, ich las immer mal wieder einige Seiten in den gedruckten Romanen. Auch wenn ich sicher nie ein Fan der Serie werde, finde ich die Entwicklungen stets spannend. Die Serie steuert eine neue Zeit an, sie wandelt sich, und das ist – von außen betrachtet – höchst interessant.
Der nächste Schritt in der Evolution ist dieser Tage erschienen. Bei Fischer TOR wurde das dickleibige Paperback »Sinclair – Dead Zone« veröffentlicht, für das Dennis Ehrhardt verantwortlich zeichnet. Diesen Autor kenne ich unter anderem als Produzenten der hervorragenden »John Sinclair«-Hörspiele; er kennt die Materie also, und er weiß, wie man eine klassische Serie modernisiert. Darüber hinaus kenne ich andere Texte von ihm.
Das Buch liegt nun daheim in meinem Lese-Stapel. Ich weiß noch nicht genau, wann ich dazu komme, es wirklich zu lesen, aber ich bin schon sehr gespannt darauf. Vielleicht werde ich doch noch zum »John Sinclair«-Fan …
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