29 März 2019

Spätwestern vor mexikanischer Kulisse

Dass ich ein Fan der Serie »Durango« bin, habe ich gelegentlich schon geschrieben. Seit die Western-Comics von Yves Swolfs in den frühen 80er-Jahren hierzulande erstmals veröffentlicht worden sind, finde ich sie ziemlich klasse. Mittlerweile wird die Gesamtausgabe im Splitter-Verlag veröffentlicht, und ich las dieser Tage endlich den zweiten Band.

Dieser Band enthält drei Bände, die allesamt im Grenzbereich zwischen den amerikanischen Südstaaten und dem Norden von Mexiko spielen. Erzählt wird in den Alben »Amos«, »Wilde Sierra« und »Das Schicksal des Desperados«, wie Durango – ein schweigsamer Mann, der extrem schnell schießen kann – in den späten 90er-Jahren des 19. Jahrhunderts die Grenze nach Mexiko übertreten will und dort auf den Banditen Amos trifft.

Die Handlung ist stets knallig. Man reitet durch die Gegend, man schießt sich gegenseitig tot; alle Männer sind Banditen, alle Frauen zumindest in Gefahr. Immerhin hat Durango so etwas wie eine Moral und ist im Zweifelsfall dazu bereit, die Schwachen gegen die Mörder zu beschützen.

Der »Bodycount« in den Geschichten ist hoch. Eigentlich sind es schon keine Western mehr, sondern Episoden aus einem fürchterlichen Bürgerkrieg. Hinterhalte werden gelegt, Siedlungen und Festungen überfallen, es kommt zu offenen Gefechten in der Wüste und im Bergland, bei denen Dutzende von Männern fallen.

Swolfs ist ein hervorragender Erzähler; man merkt den Geschichten an, wie sehr er den klassischen Italo-Western der späten 60er-Jahre liebt. Trotz aller Gewalt sind die Geschichten durchaus komplex, sie haben starke Charaktere, die der Comic-Künstler durch Dialoge und Bilder klar unterscheidbar macht.

Dazu kommen die beeindruckenden Zeichnungen, in denen die Wüste ebenso lebendig wird wie die Gesichter der Menschen. Schroffe Felsen, verzerrte Gesichter, knallharte Action, die gnadenlose Sonne – in den frühen 80er-Jahren führte Swolfs den Western-Comic zu einem neuen Höhepunkt. Der zweite Band der »Durango«-Gesamtausgabe belegt das erneut aufs Beste.

28 März 2019

Mit dem Rücken zur Nacht

Wer sich – wie ich – immer mal wieder über die fürchterliche Musik im Radio ärgert und sich fragt, warum es denn keine deutschsprachige Popmusik gibt, bei deren Texte man nicht brechen muss, der sollte sich einfach das Stück »Mit dem Rücken zur Nacht« anhören oder auch bei YouTube anschauen. Es stammt von der Band Schreng Schreng & La La, und es ist wirklich deutschsprachiger Pop – man darf wohl auch »Liedermacher« dazu sagen.

Schon klar: Die beiden Musiker stammen aus der Punk-Szene, und der Sänger wurde vor allem durch seine Band Love A bekannt. Aber das mindert nicht meine Freude an dem Stück, das man sich auch mehrfach anhören kann.

Das Gitarrenspiel ist sehr nett, der Sänger hat eine angenehme Stimme. Der Text ist in sich stimmig, das Video ausgesprochen schön. Ach, schaut's euch einfach selbst an!

Leipzig war ein Con

Vor einer Woche fuhr ich nach Leipzig, seither schwelge ich in Erinnerungen. Und je länger die schöne Messe zurück liegt, desto klarer wird mir, woher meine Begeisterung eigentlich kommt: Leipzig war und ist ein Con. Dazu muss ich wohl ein wenig länger ausholen.

Als der Begriff »Con« erstmals im deutschsprachigen Raum auftauchte und man ihn anfangs sogar mit »K« schrieb, war Science Fiction mehrheitlich eine Veranstaltung für junge Männer. Ein »Con« war ein Treffen, ein Kongress, und man traf sich, um zu diskutieren, Club-Interna zu verhandeln, Autoren zu treffen, Fanzines zu machen, an der eigenen Karriere zu feilen und vor allem auch Bier zu trinken.

Als ich 1979 in die Fan-Szene kam, gab es im Wesentlichen zwei Arten von Cons: die seriösen und die fannischen. Die seriösen Cons hatten ein Programm. Bei ihnen lasen Autoren aus ihren Werken, es wurde diskutiert, häufig auch über politische Inhalte. Bei den fannischen Cons – wie ich sie jahrelang veranstaltete – wurde vor allem viel Bier getrunken und viel gealbert. Die Science Fiction bildete die Grundlage für soziale Kontakte.

In den 90er-Jahren mehrten sich die sogenannten MediaCons, die sich vor allem an Filmen und Fernsehserien orientierten. Der Begriff »Con« wurde nun weiblich, und seither gibt es auch so Dinge wie »Tattoo Conventions«, die mit dem eigentlichen »Con« logischerweise nichts zu tun haben, wohl aber mit einer »Star Trek«-Veranstaltung.

Und heute? Allenthalben wird beklagt, auch von mir, dass das klassische Science-Fiction-Fandom so gut wie ausgestorben sei. Es gibt MediaCons und ComicCons, und es gibt allerlei Veranstaltungen, die irgendwie mit Science Fiction zu tun haben, bei denen ich aber schon angesichts des Programms weiß, dass es mich dorthin nicht verschlagen wird. (Der BuchmesseCon ist eine lobenswerte Ausnahme. Er boomt geradezu.)

Doch es gibt längst neue Formen der Veranstaltung: Ich habe das LiteraturCamp in Heidelberg schon dreimal besucht und halte es für eine wunderbare Verlängerung des klassischen Cons in die heutige Zeit, wenngleich die phantastische Literatur eine Randerscheinung ist. Aber viele Leute treffen sich, diskutieren über Literatur, streiten sich auch mal, trinken und essen gemeinsam – alles wie bei einem Con.

Und so war es auch in Leipzig. Der Bereich der Halle 2, in dem ich mich aufhielt, war geprägt von Science Fiction und Fantasy. Heerscharen von interessierten Lesern drängten sich um die Stände der kleinen Verlage – die in gewisser Weise die Nachfolger von Fanzines und Club-Publikationen sind, auch was die Auflagen angeht –, sie hörten sich die Lesungen an, sie diskutierten und holten sich Autogramme. Best gelaunte Autoren und Künstler waren unterwegs, man duzte sich flächendeckend, und von den sonst häufig feststellbaren Streitereien bekam ich nichts mit.

Leipzig war eine Messe, schon klar, und sie war ganz schön teuer. Zugleich aber hatte sie mehr vom »Con-Feeling« früherer Zeiten als mancher Con, den ich in den vergangenen Jahren besucht habe.

27 März 2019

Kommunikation vier punkt null

Mir ist das sogenannte Internet 4.0 oder wie immer das heißt, ziemlich egal. Mir ist völlig gleichgültig, ob Maschinen und andere Dinge miteinander kommunizieren können. Mir reicht es nämlich aus, dass ab und zu die Dinge in meiner Wohnung direkt mit mir kommunizieren.

So mein Fernseher. Der ist alt und echt betagt, aber er spricht zu mir. »Du willst mich also rauswerfen«, sagt er vorwurfsvoll. Dabei verzieht er keine Miene. Kunststück, er ist ja auch ausgeschaltet. Aber die Glasfront spiegelt mein Gesicht, da kann ich viel hinein interpretieren.

»So pauschal kann man das nicht sagen«, weiche ich aus, als sei ich ein Politiker in irgendeiner blöden Talkshow.

»Erinnere dich doch daran, wieviel Zeit wir miteinander verbracht haben«, versucht er es mit schönen Worten. »1998 hast du mich gekauft, ich war dein erster Fernseher überhaupt.«

»Ja.« Ich nicke traurig. Meine Eltern hatten keinen Fernseher, aus religiösen Gründen. Als ich allein wohnte, brauchte ich keinen. Ich sorgte dafür, dass mein Leben spannend blieb, und ich lese ohnehin lieber, als in eine Glotze zu starren.

»Erinnere dich daran, wie du mich gekauft hast. Wie du mich die Treppe hochgeschleppt und mich installiert hast.« Der Fernseher klingt ein wenig weinerlich.

Und wie ich mich erinnere. Verkauft hat ihn mir ein Techniker, der am Wochenende ebenso besoffen wie ich durch die »Kombe« in Karlsruhe stolperte. »Für das Geld kriegst du kein besseres Gerät«, versprach er. Also investierte ich 699 Mark und schleppte abends den superschweren Fernseher in seiner gigantischen Umverpackung allein die Treppe hoch.

»Du hast Umzüge und Baustellen überstanden«, sage ich und seufze. »Und viele Talkshows.«

Nachdem ich 1998 den Fernseher gekauft hatte, ein Stück der altehrwürdigen Firma Schneider, war ich fasziniert von dem, was ich zu sehen bekam. Vor allem, wenn ich nachts von einem Punk-Konzert nach Hause kam, abgerissen und angetrunken, setzte ich mich gern noch mit einem Bier oder zweien oder dreien vor die Glotze und zappte mich durch das Nachtprogramm. So sah ich Wiederholungen von Bärbel-Schäfer- und Hans-Meiser-Sendungen, die mein Weltbild stark erweiterten.

»Und das soll jetzt alles vorüber sein«, klagt der Fernseher. »Wir waren fast Freunde, obwohl du mich so schlecht behandelt hast.«

Er hat recht. Schuldbewusst senke ich den Kopf. Zweimal fiel er herunter, beides Mal auf die Röhre. Die Kunststoffwand riss, die Glasscheibe blieb heil. Es war, als sollten wir ewig zusammen bleiben.

»Ich hab immer zu dir gehalten«, sage ich. »Auch als mich alle verlachten und als altmodischen Mann belächelten.«

»Sie haben dich als geizigen Schwaben belächelt«, korrigiert mir der Fernseher.

»Aber man wirft ja auch nichts weg, wenn es noch gut geht«, protestiere ich. »Warum soll ich mir so einen neumodischen Mist kaufen, so einen Flachbildkram, wenn die olle Röhre noch tut?«

»Aber jetzt willst du es doch tun.«

»Jaaaaa«, sage ich gedehnt. »Weil man mit dir nicht mehr viel machen kann.«

Im Sommer 2017 wurde das Leitungssystem umgestellt, seither kann ein alter Kasten wie der meine keine Signale mehr aus dem Kabelnetz empfangen. Ich brauche einen neuen Fernseher oder einen Adapter, der vielleicht dazu ausreicht, weiterhin mit der alten Kiste zu glotzen. Aber ich weiß selbst, dass ich langsam keine Lust mehr auf das alte Ding habe.

»Es ist doch so«, versuche ich es höflich, »ich will auch mal eine Serie bei Netflix gucken oder einen Film streamen, und ich will die aktuellen Programme in all ihrer Pracht sehen.«

»Alles neumodischer Kram«, behauptet der Fernseher. »Willst du wirklich jeden Pickel im Gesicht eines Talkshow-Politikers sehen, jede Schminkfurche bei einer auffälligen Schauspielerin? Früher hat's doch auch gereicht.«

»Ja, früher.« Ich seufze. »Aber früher ist früher. Und ich will in die neue Zeit gehen. Ich brauche ein Gerät für das neue Jahrzehnt, du bist aus einem anderen Jahrtausend.«

»Du doch auch«, schnappt der Fernseher. »Du bist noch viel älter als ich. Was wirst du sagen, wenn sie dich irgendwann packen und auf die Straße stellen? Wie gehst du damit um, wenn du demnächst aufs Altenteil rollst?«

Darauf kann ich nichts sagen. Das wissen wir beide. Ich stehe auf und schaue nach dem Weinglas auf dem Tisch.

Ein Chardonnay funkelt im Glas, ein Wein aus der Appelation Viré-Clessé. Früher hätte eine Dose Bier dort gestanden, ich hätte nicht einmal gewusst, was eine Appelation ist, und ich hätte denjenigen, der so etwas weiß, aus tiefstem Herzen verachtet.

»Ich kann versuchen, ab und zu mit der Zeit zu gehen«, sage ich, als ich den Raum verlasse. »Du nicht, du bist nur eine Maschine.«

»Aber wenn wir Maschinen die Welt übernehmen, wenn das Internet sieben punkt null oder sonst etwas kommt und wenn ich als Gespenst durch die digitalen Netze spuke – was machst du dann?« Der Fernseher zetert und tobt, und er tut es noch, als ich die Tür hinter mir schließe.

Ich schäme mich ein wenig. Als sich im Bad auf einmal der uralte Föhn mit dem Fernseher solidarisiert, erkenne ich ... Ach, das ist dann doch eine andere Geschichte!

26 März 2019

Ich erinnere mich an Biby

Es verschwimmt viel im Nebel der Erinnerung, und das ist normal. Aber ich erinnere mich noch gut, welchen prägenden Eindruck Josef Wintjes auf mich in den frühen 80er-Jahren machte. Und ich weiß noch, wie verblüfft ich auf die Todesmeldung starrte, die im Jahr 1995 bei mir eintraf.

Josef Wintjes, Jahrgang 1947, war ein Mitwirkender in der Alternativkultur der späten 60er-Jahre. Er förderte kleine Verlage und Literaturzeitschriften, verdiente mit ihnen auch sein Geld. In seinem »Ulcus Molle Info« schrieben er – und viele andere Autoren – über die sogenannte Alternativpresse, die unter seiner Ägide wuchs und gedieh.

Mancher Verlag, den man heute noch kennt, fing in dieser Zeit an, wuchs in den 70er-Jahren und brauchte Wintjes irgendwann nicht mehr. Die kleinen Verlage lernten, mit der Zeit zu gehen, und vertrieben ihre Bücher über das Barsortiment. Und die Hippies und Spontis der späten 60er-Jahre lernten in den 70er-Jahren nicht nur, dass Geldverdienen irgendwie cool war, sondern bestellten Bücher direkt beim Buchladen um die Ecke.

Das Literarische Informationszentrum verlor in den 80er-Jahren an Bedeutung. Ich war jahrelang ein fester Kunde, ich kaufte viele Bücher und Zeitschriften, die ich mit staunenden Augen durchblätterte. Später versuchte sich Wintjes mit der Zeitschrift »Impressum« an einem Dienst für Autoren und Verleger. (Nicht alles, was er veröffentlichte, war wirklich gut. Keine Frage ...)

In den 90er-Jahren mehrten sich seine Aufrufe, bei ihm einzukaufen. Das Geld wurde knapp, viele Kleinverleger zahlten ihre Rechnungen nicht. Der stets gemütlich wirkende »Biby«, dem ich nur einmal gegenüberstand, kam mit der neuen Zeit nicht mehr so gut klar. Was ihn ausgemacht hatte, war für die meisten nicht mehr so wichtig.

Als er 1995 starb, war ich schockiert. Mit seinen Arbeiten war Wintjes jemand, der Zeitschriften wie die »Federwelt« vorwegnahm, der die Selfpublisher-Szene schon in den 60er-Jahren förderte, als man den Begriff nicht kannte, und der stets seine Sympathie für Kleinverlage und unbekannte Autoren hatte.

Man müsste ihm eigentlich ein Denkmal setzen.

25 März 2019

Wenn ein Geheimagent endlich heiratet ...

Wenn man bedenkt, dass die Comic-Seite »Percy Pickwick« schon seit Jahrzehnten erscheint, muss man sich wundern, dass sie hierzulande außerhalb der Fan-Szene so wenig bekannt ist. Dabei zählt die Serie zu den Perlen der frankobelgischen Comic-Unterhaltung, dort allerdings unter anderem Namen veröffentlicht.

Die wunderbare Gesamtausgabe der »Percy Pickwick«-Geschichten im Toonfish-Verlag halte ich für absolut lobenswert, aber um die soll es an dieser Stelle gar nicht gehen: Mit »Just Married« liegt der Einzelband 24 der Serie vor, ein neues Abenteuer also, für das Humor-Spezialisten Turk und Zidrou verantwortlich zeichnen.

Um es kurz zu erläutern: Eine Serie von Attentaten, die ausgerechnet bei Hochzeiten begangen werden, erschüttern das britische Königreich. Percy Pickwick, der eigentlich längst pensionierte Geheimagent, soll tätig werden. Man will eine Falle für die Attentäter aufstellen – und damit diese glaubhaft ist, muss der eigenbrötlerische Geheimagent einfach selbst heiraten.

Im weiteren Verlauf der Handlung spielen zwei durchgeknallte Fotografen, eine gut aussehende Polizistin, der Vater von Percy Pickwick und ein selbst ernannter Erbnachfolger von Napoleon Bonaparte wichtige Rollen in einem turbulenten Comic. Es gibt Rückblicke auf die Vergangenheit, Verfolgungsjagden und Action und – ja! – tatsächlich auch Tote.

Ich amüsierte mich bei der Lektüre. Wenn Autoren und Zeichner vom Kontinent aus der Sicht von Briten erzählen und dann Witze über Franzosen machen, ist das witzig, zumindest für mich. Auch die Witze über alte Schwüre unter Studenten fand ich gelungen.

Schnell erzählt, flott gezeichnet: »Just Married« ist kein Comic für die Ewigkeit, aber einfach gut gemachte Comic-Unterhaltung, wie ich sie mag.

Sagen wir es so: Wer die Welt von »Percy Pickwick« noch nicht kennt und sich überlegt, ob er oder sie die Gesamtausgabe kaufen soll, könnte mit diesem Band zumindest einen Test unternehmen. Die Leseprobe auf der Verlagsseite hilft möglicherweise auch weiter.

Haufenweise Schwabenfakten

Auch wenn ich seit über zwanzig Jahren in Karlsruhe lebe, macht mein Dialekt es jedem klar, dass ich ein gebürtiger Schwabe bin. Die Zeiten, in denen mir das unangenehm war, sind lange vorüber – und das ist gut so. Umso schöner, dass mir dann ein Buch wie »111 Gründe, Schwaben zu lieben« bestätigt, dass es überhaupt keinen Grund gibt, an meinem Schwabendasein zu zweifeln.

Verfasst hat dieses Sachbuch der Journalist und Filmemacher Jo Müller, den ich seit Beginn der 80er-Jahre kenne. Es ist als Taschenbuch im Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf erschienen und trägt den schönen Untertitel »Eine Liebeserklärung an die schönste Region der Welt«.

Ich nehme an, der Autor meint das ernst – ich würde das so nicht unterschreiben, merkte aber bei der Lektüre des Buches, wie wenig ich über Schwaben und Württemberg wirklich weiß. Jo Müller liefert haufenweise Fakten über Dinge, vom denen ich in über fünfzig Jahren noch nichts gehört habe.

Die einzelnen Beiträge beziehen sich auf die sprachlichen Eigenheiten ebenso wie auf die schönen Urlaubsregionen, die der Großraum Württemberg hat. Es werden schwäbische Persönlichkeiten gewürdigt und die verschiedenen Leckereien abgefeiert, die es im Südwesten gibt. Sogar die gern als langweilig geschmähte Landeshauptstadt kommt gut weg und wird gelobt.

Der Autor weiß, wovon er spricht. Als Journalist kommt er seit vielen Jahren viel herum, und er kennt sich aus. Die Sympathie zu Land und Leuten – er zitiert unglaublich viele Menschen – kommt überall zutage, und das überträgt sich auch auf den Leser. Die Texte sind durchaus ernsthaft, zeigen aber immer wieder einen augenzwinkernden Humor und verweisen darauf, dass man in Schwaben auch gern lacht.

Okay, ein wenig Kritik muss sein: Ich hätte den Texten mehr Luft gewünscht. Manchmal sind die Absätze arg lang, reihen sich die Sätze gar zu dicht aneinander. Da hätten gern mehr Absätze rein können, auch auf die Gefahr hin, dass das Buch dann noch mal ein paar Seiten mehr bekommt. Eine Liebeserklärung braucht schließlich ein wenig Luft ...

»111 Gründe, Schwaben zu lieben« ist ein Buch zwischen Journalismus und Lobpreisung, das mir viel Freude bereitet hat. Es ist 320 Seiten stark, die einzelnen Kapitel lesen sich sehr kurzweilig. Schöne Lektüre!

Wer einen Schwaben oder eine Schwäbin in seinem sozialen Umfeld hat, kann das Buch diesem oder dieser auf jeden Fall schenken – große Freude ist hier gewiss! Und das meine ich sehr ernsthaft.

24 März 2019

Eine Prise Blues

Kaum ist der Trubel der Buchmesse vorüber, tritt auch schon ein wenig der Messe-Blues ein. Zurück geht es über die Autobahn, den Kopf voller neuer Gedanken und Ideen, Eindrücke und Gesprächen. Es waren irrsinnig viele Gespräche, eine ununterbrochene Kommunikation mit Hunderten von Menschen.

Was mich immer beeindruckt: wie schnell man offen miteinander umgeht, wie schnell ein Umgang entsteht, den ich positiv finde. Die Leute an den kleinen Phantastik-Verlagen, die Leser/innen, die Verlagsleute aus den größeren Verlagen – sie alle verströmten gute Laune und positive Energie. In Zeiten, in denen man manchmal glaubt, die Welt würde nur von Idioten bewohnt, ist so eine Lage schon wie eine Utopie.

Ob sich Leipzig unter kommerziellen Gesichtspunkten lohnt, kann ich nicht sagen. Ich kann für mich nur sagen, dass es mir viel Freud bereitet hat. Eine wunderschöne Messe geht für mich an diesem Sonntagabend zu Ende ...

23 März 2019

Tag drei erfolgreich absolviert

Die meisten Leute können sich nicht so richtig vorstellen, was man auf einer Buchmesse den ganzen Tag so macht. Das ist normal. Ich kann mir schließlich auch nicht so richtig vorstellen, was ein Schweinezüchter, ein Steuerprüfer oder ein Hochleistungssportler, eine Grafikerin, eine Kinderärztin oder eine Bundeskanzlerin den ganzen Tag über machen.

Am heutigen Tag machte ich auf der Leipziger Buchmesse eigentlich nur eins: Ich redete. Und ich redete. Und wenn ich eine Pause hatte, redete ich wohl mit mir selbst, der Sonne am Himmel oder der frischen Luft. Ich kam nicht aus dem Redefluss heraus, fühlte mich zwar nicht immer wohl damit, konnte aber nicht aufhören.

In vielen Gesprächen mit Autorinnen und Autoren ging es um die aktuelle Situation im Buchhandel. Viele Leute scheinen sich Sorgen zu machen, bei vielen Leuten sind die Umsätze eingebrochen, gibt es schlichtweg weniger verkaufte Bücher und damit auch ein geringeres Einkommen. Das sind subjektive Eindrücke, klar – aber vor allem die Schreibenden, die von Verkäufen leben und nicht von staatlichen Subventionen, haben offenbar mehr Probleme als vor einigen Jahren.

Wenn ich mir das alles dann so durch den Kopf gehen lasse und mit einem Bier nachspüle, ist es wohl schon besser, wenn ich als angestellter Redakteur tätig bin und nicht andere Dinge versuche. Die Gelegenheitsschriftstellerei kann ich als »Hobby« mehr schlecht als recht betreiben – aber dann ist es nicht so schlimm, wenn riesige Erfolge ausbleiben ...

22 März 2019

28 Stunden in Leipzig

So schnell können Tage an einem vorüberrauschen. Am Vormittag des Donnerstags, 21. März 2019, startete ich in Karlsruhe zu meiner Fahrt nach Leipzig, wo ich die diesjährige Leipziger Buchmesse besuchen wollte. Ich entschloss mich spontan, über Nürnberg zu fahren, weil dort keine Staus gemeldet wurde, rollte dann mit meine Dienstwagen gefühlte 200 Kilometer durch Baustellen und Tempo-80-Zonen und fragte mich hinterher, ob es nicht schneller gewesen wäre, die zwei Staus bei Heidelberg und so zu überwinden.

Aber das sind Luxusprobleme, die man leicht bewältigen kann. Ich hörte die neue Razzia-Platte im Auto – sie klingt wirklich wie früher, und das ist hier positiv gemeint – und die Promo-CD der Band Kontrolle, die ich unglaublich toll fand. Zwischendurch hörte ich immer wieder ein Hörbuch der Romanserie, für die ich tätig bin, und kam so guter Dinge durch.

In Leipzig empfingen mich schönes Wetter und gutgelaunte Menschen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sich das Wetter drehen würde – aber das hatte ich im vergangenen Jahr auch gedacht. So absolvierte ich fleißig Termine, sprach mit Lesern und tat das, was man auf einer Messe eben macht: Man redet zu viel, man trinkt zu wenig, man isst falsche Dinge.

So rasten der Donnerstag und der Freitag an mir vorüber. Schauen wir, wie das Wochenende wird; immerhin dürfte die wahre Besucherwelle noch kommen ...

20 März 2019

»Maddrax« wird 500

Ich habe lange überlegt, ob ich in meiner Funktion als Redakteur der Konkurrenz etwas schreiben soll oder als jemand, der die phantastische Literatur mag. Mittlerweile bin ich sicher, dass es sinnvoller ist, wenn ich mich persönlich äußere. Dann wird es nicht versehentlich als offizielle Aussage aufgefasst.

Die Serie »Maddrax« kenne ich seit vielen Jahren – sie wird vom Bastei-Lübbe-Verlag veröffentlicht, erscheint alle zwei Wochen und zählt zur phantastischen Literatur. In munterer Weise vermengen die Autoren allerlei Elemente von Science Fiction, Fantasy und Horror, zeitaktueller Kritik und ein wenig Popliteratur. Es hängt davon ab, wer welchen Roman schreibt; entsprechend vielseitig ist die stilistische wie inhaltliche Ausrichtung der Serie.

Ich lese jeden Roman an, blättere darin herum und bekomme so im Groben mit, um was es eigentlich geht. Als Experten würde ich mich nicht bezeichnen, und komplett gelesen habe ich schon lange keinen Roman der Serie mehr. Das wird sich jetzt ändern – dieser Tage ist nämlich der Band 500 erschienen, und der liegt schon daheim auf meinem »dringend zu lesen«-Stapel.

Sascha Vennemann schrieb »Zeitbeben«. So lautet der Titel von Band 500. Ich bin sehr darauf gespannt.

Den Kollegen möchte ich an dieser Stelle gratulieren. Ich weiß selbst sehr gut, wie kompliziert das Geschäft geworden ist, und wie schwer es ist, eine Serie im Handel zu halten. Dass »Maddrax« die Nummer 500 erreichen würde, hätte ich nie gedacht. Das ist eine starke Leistung, Respekt!

19 März 2019

Reiter im Schneenebel

Ich irrte zu Fuß durch die Nacht. Nebelschwaden trieben über die Straße, es war kalt, und die Straße lag voller Schnee. Rechts und links von mir türmten sich Berge aus Eis und Schnee auf, als hätte es in den vergangenen Wochen einen bitteren Winter gegeben. Aber ich wusste nicht genau, wo ich war. Es sah zwar so aus, als sei ich im Wald zwischen Freudenstadt und Dietersweiler unterwegs, wie in den 80er-Jahren, aber mir war verwirrenderweise bewusst, dass ich in Bayern unterwegs war.

Wegen des Wetters sah ich nicht viel, ich konnte mich im Brausen und Tosen des Windes nicht orientieren. Dann aber näherte ich mich einer Stelle, wo der Wald offenbar aufriss. Eine Woge aus Schnee und Eis raste vor meinem Gesicht vorbei, verschwand auf der linken Seite in der Dunkelheit. Ich hörte den Lärm, der wie die Wilde Jagd toste und brüllte, und dann kam schon wieder eine riesige Woge von der rechten Seite, um an mir vorbeizurasen.

Aus einem Grund, der sich mir nicht erschloss, erkannte ich, was sich vor meinen Augen abspielte: Ich war Zeuge eines Pferderennens, das mitten im Schneesturm ausgetragen wurde. Da sah ich auch schon die Tiere: Groß waren sie, mit riesigen Köpfen und roten Augen. Sie schnaubten vor Energie, die Reiter auf ihren Rücken waren nicht zu erkennen.

Hier würde mir niemand helfen können, das wusste ich. Also ging ich weiter und erreichte eine Straße. Hier war vor Stunden geräumt worden. Ich ging zwischen den Schneebergen dahin, stapfte durch den Neuschnee, fror und zitterte.

Von hinten hörte ich ein Auto, es dröhnte durch die Nacht. Ich stellte mich an den Straßenrand, hob aus altem Reflex heraus den Daumen. Der Fahrer ignorierte mich, das Auto zischte an mir vorbei. Hilflos sah ich ihm nach.

Da sah ich, dass es irgendwohin abbog. So schnell ich konnte, rannte ich in die Richtung, wohin das Auto gerollt war. Ich sah es nicht mehr, stapfte weiter durch die Nacht und den Schnee.

Bis ich auf einmal merkte, dass ich über eine Glasplatte ging, verstärkt durch schwere Stahlstreben. Unter mir war Wasser, das eine Kuppel offenbar bis an den Rand gefüllt hatte. Ich sah Menschen in Badekleidung, die sich durch das Wasser bewegten, mal mehr, mal weniger elegant.

Von unten grinste mich ein Mann an. Er klopfte mit der flachen Hand gegen die Scheibe, fand es vielleicht komisch, dass ich durch die Nacht stapfte, während er durch warmes Wasser schwamm. Wütend starrte ich zurück. Was sollte ich tun?

Da wachte ich auf.

18 März 2019

Drei verzweifelte Menschen

Bereits im Jahr 1933 veröffentlichte der große französische Schriftsteller Georges Simenon den schmalen Roman »Die Selbstmörder«. Bei Diogenes wurde er in der leider mittlerweile vom Markt genommenen Reihe »ausgewählten Romane« als Band fünf veröffentlicht. Ich las ihn in den vergangenen Tagen und ließ mich zum wiederholten Mal in eine Geschichte hineinziehen, die traurig und spannend zugleich war.

Ein junger Mann und ein Mädchen unterhalten in einer französischen Kleinstadt eine verheimlichte Affäre, die aus wenigen Worten und ausgiebigem Knutschen besteht. So richtig gut kennen sich die beiden nicht, und dennoch flüchten sie nach Paris – weil sich der junge Mann vom Vater des Mädchens bedroht fühlt. Dort schlagen sie sich mehr schlecht als recht durch, mit Gaunereien und Gelegenheitsarbeiten.

Der Vater folgt in seiner Verzweiflung. Er versucht, seine Tochter wiederzufinden, wobei er sich auf die Hilfe eines Detektivs verlässt. Seine Suche macht ihn besessen, so sehr, dass er die Briefe seiner Frau aus der Provinz ignoriert oder gar nicht versteht.

So treiben drei Menschen durch Paris, die nichts mit ihrem Leben anzufangen wissen. Sie alle sind verzweifelt, und alles, was sie tun, treibt sie noch tiefer in die tragische Situation hinein. Man möchte sie während der Lektüre ständig alle drei am Kragen schnappen und kräftig durchschütteln – es ist ein echtes Elend.

Die Lektüre von »Die Selbstmörder« ist nicht leicht, weil die Geschichte so aussichtslos erscheint und auf ein zerstörendes Ende zusteuert. Trotzdem schafft Simenon es, die Figuren so zu schildern, dass man mit ihnen mitleidet und wissen will, wie alles ausgeht.

Dabei macht der Autor einige Dinge, die ich einem Autor normalerweise nicht verzeihe: Er springt durch die Erzählperspektiven, wechselt sie manchmal sehr hektisch; dann wieder rafft er die Handlung auf ungewohnte Weise, um später eine Szene mit allen Details zu schildern. Damit trägt er zur fiebrigen Atmosphäre dieses Großstadtromans der dreißiger Jahre bei.

Georges Simenon wirkt in diesem Roman nicht wie ein Krimi-Schriftsteller, sondern wie einer, der versucht, einen Gesellschaftsroman im kleinen Format zu schaffen. Dabei blickt er auf die »kleinen Leute«, nicht auf die Reichen und Schönen. Faszinierend.

(Übrigens: Mir war keine der handelnden Personen sympathisch. Als Leser mochte ich weder das Mädchen noch den jungen Mann und schon gar nicht den spießig-verzweifelten Vater. Sie alle haben keinen klaren Plan, sie alle vertrödeln gewissermaßen ihre Zeit und steuern alle miteinander immer tiefer in die jeweilige Krise hinein.)

Das Ende einer Hörspiel-Ära

Die »John Sinclair«-Hörspiele sind sehr erfolgreich, sie zählen sicher zu den beliebtesten Hörspielen im deutschsprachigen Raum. Auch ich höre sie gern an, obwohl ich die Romane mit dem Geisterjäger nicht sonderlich mag. Aber in Form der Hörspiele finde ich sie oft klasse.

Deshalb war ich besonders gespannt darauf, wie sich die Nummer 100 der Serie präsentiert. Sie trägt den Titel »Das Ende« – was sollte sich dahinter verbergen? Der Geisterjäger selbst segnet natürlich nicht das Zeitliche, auch wenn er allerlei Gegner zu bekämpfen hat.

Tatsächlich hört einer der Sprecher auf: Frank Glaubrecht sprach John Sinclair in den bisherigen Folgen. Es gibt tatsächlich Sequenzen, in denen der Sinclair der Zukunft auftaucht – also der neue Sprecher – und auch der Sinclair der Vergangenheit eine kleine Rolle hat. Der bisherige Sprecher kann sich auch noch in einer persönlich klingenden Ansprache von seinen Fans verabschieden. Eine schöne Geste!

Ansonsten ist der Inhalt der Doppel-CD sicher knallig genug, um die Fans zu begeistern. Der Kaiser der Vampire taucht ebenso auf wie allerlei andere Höllenkreaturen oder die »Alten von Atlantis«. Magische Gegenstände poltern haufenweise durch die Handlung, eine – schwer nach Science Fiction riechende – Pyramide aus seltsam-blauen Material schaukelt durch Raum und Zeit, es wird viel geballert, gebrüllt und gestorben, und am Ende sind einige Leute tot.

Klar: Das ist keine Folge für Neulinge. Hier werden viele Handlungsfäden zusammengeführt, und über echte Logik darf man bei »John Sinclair« sowieso nie nachdenken. Aber gut gemacht ist das Hörspiel wie immer schon.

So wird eine hektische Verfolgungsjagd durch die Straßen von London inszeniert, es gibt Kämpfe zwischen den Dimensionen und eine witzige Szene in einer Kneipe auf einer griechischen Insel – das alles wird mit starken Geräuschen, kurzen Musik-Sequenzen und richtig guten Sprechern toll illustriert. So müssen Hörspiele sein, denke ich, um die Hörerinnen und Hörer heute zu fesseln.

Für die »Sinclair«-Fans ist diese Nummer hundert sicher ein Fest: so viele Bösewichte auf einem Haufen! Wer die Serie nicht kennt, wird damit wenig anfangen können. Ich fand's gut gemacht, aber inhaltlich einfach zu überzogen. Allerdings bin ich ja auch kein echter Fan ...

17 März 2019

Ein negativer Smily ins Gesicht

Ich fahre mit dem Rad durch die Erbprinzenstraße. Es nieselt, die Temperaturen sind wieder gefallen, und es geht ein unangenehmer Wind. Außer mir ist niemand auf der Straße.

Die Anzeigentafel, auf die ich zuradle, blinkt mich hektisch an. »Langsam«, zeigt sie in roten Großbuchstaben.

Ich denke mit der Selbstironie, zu der ich nach dem Training noch fähig bin: »Stimmt, ich bin verdammt langsam.«

Dann kommt so ein Negativ-Smily in Rot, also ein rotes Gesicht, das die Mundwinkel nach unten gezogen hat. Ganz klar: Ich werde öffentlich getadelt.

Das sieht niemand außer mir, also ist es mir egal. Mit derselben lahmarschigen Geschwindigkeit wie vorher radle ich weiter.

Und frage mich verzweifelt: Wie langsam muss man an dieser Stelle eigentlich fahren, damit einem die Stadtverwaltung kein schlechtes Gewissen einredet, man sei ein »Fahrradraser«? Haben die eigentlich sonst keine anderen Probleme?

15 März 2019

In der Nationalbibliothek

Warum ich auf die Idee kam, in der Deutschen Nationalbibliothek nach mir selbst zu gucken, weiß ich gar nicht mehr. Sicher zählte Eitelkeit zu den wichtigsten Grundlagen dafür. Ich stellte fest, dass es tatsächlich einen Eintrag zu mir gab, wunderte mich über die Kombination aus »Schwerpunkt Science-Fiction und Fantasy« und »Afrikareisender« – dort war ich seit 2004 nicht mehr –, fühlte mich aber doch sehr geschmeichelt.

Gleichzeitig wunderte ich mich. Klar, bei den »Publikationen« und »Autor von« ist die Bibliothek gut aufgestellt. Die Aufzählung scheint zu stimmen, und dass »Die Jenseitsinsel« fehlt, kann nicht verwundern – die Novelle erschien ja nicht in einem »seriösen« Buchverlag mit ISBN und dergleichen, kann deshalb auch nicht aufgefunden werden.

Bei »Publikationen« und »Beteiligt an« sieht es schon deutlich skurriler aus. In der Liste tauchen Titel auf, die ich allein geschrieben habe, aber auch Werke aus meiner Arbeit, an denen ich maximal als Chefredakteur beteiligt war. Müsste man danach gehen, hätte die Deutsche Nationalbibliothek mittlerweile gut hundert »Silberbände« und dergleichen aufzulisten.

Das wäre nicht korrekt, schon klar – aber warum sind dann einige wenige in der Liste, die anderen aber nicht? Aber vielleicht sollte ich mir über solche Listen eh keine großen Gedanken machen.

14 März 2019

Das digitale Dachau

Im Januar 1986 veröffentlichte der Heyne-Verlag eine Anthologie, die den auffälligen Titel »Das digitale Dachau« trug. Sie wurde von Wolfgang Jeschke zusammengestellt und präsentierte eine umfangreiche Auswahl an internationaler Science Fiction – nicht nur aus dem englischsprachigen Raum.

Warum ich mich immer wieder gern daran erinnere, hat einen einfachen Grund: Von mir ist die Kurzgeschichte »Sternfahrt« enthalten, die ich zwei oder drei Jahre zuvor beim Heyne-Verlag eingereicht hatte.

Mit den Autorinnen C. J. Cherryh und Kate Wilhelm sowie den Autoren George R. R. Martin und Ian Watson sind in dem Buch Leute vertreten, die schon damals zu den großen Namen gehörten. Sie gewannen in jenen Jahren Preise und wurden nicht nur in den USA mit umfangreichen Romanen veröffentlicht. Heutzutage dürften auch die meisten Genreleser nur noch den Namen von George R. R. Martin kennen – und das nicht wegen seiner Science Fiction, sondern wegen seiner Fantasy.

Darüber hinaus ist eine Reihe von Autoren in dem Buch zu finden, die ich nicht kannte und deren Namen mir bis heute nicht viel sagen. Sie stammten aus Italien und Russland – aber ich wüsste beispielsweise heute mit Giuseppe Pederiali nichts mehr anzufangen. Man muss fairerweise sagen: So dürfte es diesen Autoren damals mit den Namen aus Deutschland gegangen sein.

Hans Zakel kannte ich immerhin; er schrieb für viele Fanzines und hatte auch in meinem eigenen Fanzine veröffentlicht. Die anderen Namen waren mir teilweise sehr fremd.

Insgesamt aber hatte Wolfgang Jeschke ein Taschenbuch zusammengestellt, dessen Mischung einiges an Überraschungen bot. Die bekannten amerikanischen Autorinnen und Autoren sorgten dafür, dass auch unbekannte Leute wie ich in der Anthologie veröffentlicht werden konnten.

Ich war damals extrem stolz auf die Veröffentlichung, erinnere mich aber noch gut daran, wie wenig mein soziales Umfeld damit anfangen konnte. Weder meine Verwandtschaft noch die Leute im örtlichen Jugendzentrum fanden das spannend.

Das Problem mit den Filterblasen, die nicht immer passen können, gab's also schon damals ...

13 März 2019

Cons und andere Zumutungen

Noch in den 90er-Jahren, als ich bereits Redakteur war und mein Geld mit Science Fiction verdiente, fuhr ich gern auf die Treffen von Science-Fiction-Fans, also auf die sogenannten Cons. Ich hatte von 1981 bis 1992 selbst Cons veranstaltet und mochte die Treffen mit Gleichgesinnten. Aber ich stellte von Jahr zu Jahr fest, wie wenig Spaß mir das alles machte, und deshalb ging ich auf immer weniger Cons.

Klar: Es ist Arbeit, und die Cons sind stets am Wochenende. Damit verbringe ich dann immer ein Wochenende mit Arbeit. Das führt letztlich dazu, dass es mir keine Freude mehr bereitet, auf einen solchen Con zu fahren.

In diesem Jahr habe ich für mich bislang zwei Cons vorgemerkt, dazu eine Fan-Veranstaltung, die wir vom Verlag organisiert hatten und die bereits in der Vergangenheit liegt. Im Mai fahre ich nach Osnabrück und besuche dort die PERRY RHODAN-Tage, nutze aber den Freitagabend für einen privaten Besuch. Und im Oktober steht der BuchmesseCon in Dreieich vor mir, das ist seit vielen Jahren eine Pflichtveranstaltung.

Damit ist das Jahr eigentlich ausgebucht. Allerdings überlege ich mir ernsthaft, den ACD-Con zu besuchen. Die alljährlichen Treffen des ATLAN-Clubs Deutschland, in dem ich seit den 80er-Jahren Mitglied bin, sind ja eher Grillpartys als seriöse Veranstaltungen; da könnte es mir also auch »halbprivat« gefallen. Schauen wir mal ...

12 März 2019

Ein Nachmittag in Chinon

Bevor ich in der Loire-Region unterwegs war, hatte ich von Chinon noch nichts gehört – ein Beleg dafür, wie wenig ich mich in Frankreich im Allgemeinen und mit Wein im Besonderen auskenne. Weil der Reiseführer den Ort empfahl, fuhren wir dahin, bummelten durch die schmalen Straßen entlang des Berges, aßen eine Kleinigkeit, schwitzten ein wenig, schauten uns die alten Burgruinen an und waren insgesamt sehr von dem Ort angetan.

Chinon ist ruhig, geradezu beschaulich, eine französische Kleinstadt, wie geschaffen für einen dieser Filme, die man in Deutschland so mag: ein wenig verträumt, ein wenig spinnert, insgesamt aber mit guter Stimmung. Zumindest bei unserem Aufenthalt dort hatte ich das Gefühl, dass die Leute in Chinon eine gelassene Lebensart haben.

Entlang des Flusses Vienne stehen große Bäume, die Schatten spenden. Man kann auf alten Mauern sitzen, dem Wasser zuschauen, das träge vor einem vorbeifließt, man kann auch ein Eis essen und sich generell gut fühlen. Oder man kann durch die Gassen stromern. Beides ist schön.

Was man tunlichst nicht machen sollte: am hellichten Tag einen Chinon-Wein trinken. Die Rotweine aus der Region sind kräftig, schon ein kleines Glas ballert einem den halben Kopf weg. Ich mochte das »Probiererle« sehr, beging aber einen schweren Fehler: Ich vergaß, genügend Wein zu kaufen, um den Kofferraum zu füllen.

Andererseits muss man es positiv sehen: Jetzt habe ich einen weiteren Grund, mal wieder nach Chinon zu fahren. Die Weine dort lohnen sicher einen zweiten Besuch.

11 März 2019

Interessanter Genre-Mix mit starker Grafik

Um es einleitend zu sagen: Es gibt einen ganzen Strauß von Comics, die der Autor Sylvain Cordurié entwickelt hat und die sich mit Sherlock Holmes und übernatürlichen Phänomenen beschäftigen. Viele von ihnen sind im Splitter-Verlag erschienen, ich finde sie allesamt irgendwie cool, verstehe sie aber nicht komplett.

Das kommt daher, dass die Bände zwar selbständig wirken, aber immer irgendwie Fortsetzungen sind, in denen Anspielungen auf andere Bände vorkommen und die offen enden. Zuletzt las ich »Sherlock Holmes und die Zeitreisenden«, das bereits 2016 erschienen ist und im Prinzip aus zwei Alben besteht, die man in einem schicken Hardcover-Band zusammengefasst hat.

Die Geschichte spielt im Jahr 1894, und das London dieser Zeit fängt Vladimir Krstic-Laci in seiner teilweise sehr opulenten Grafik hervorragend ein: Kutschen rollen durch prächtige Straßen, sowohl die Frauen als auch die Männer tragen schicke Kleidung, die Interieurs der Gebäude überzeugen ebenso wie die Landschaftsbilder – rein grafisch ist der Comic absolut gelungen. (Wozu sicher die passende Farbgebung durch Axel Gonzalbo beiträgt.)

Hauptfigur ist Sherlock Holmes, der nicht mehr als Detektiv tätig ist, sondern eine Buchhandlung betreibt. Doch dann taucht ein Gelehrter auf, der anscheinend eine Zeitreise hinter sich gebracht hat, und Holmes wird als Ermittler reaktiviert. Er stößt – offenbar zum wiederholten Mal – hinein in ein Netz aus Verschwörungen und Intrigen, das sich durch England und vor allem die höfische Gesellschaft zieht.

Das Netz hat nicht nur mit Wissenschaft zu tun, sondern auch mit Magie, mit Telepathie und einer Reihe von weiteren übersinnlichen Themen. Sogar die Königin ist darin verstrickt, und die Lösung des Falles wird einigermaßen kompliziert.

Ganz ehrlich: Verstanden habe ich nicht alles. Die Figuren haben allesamt Beziehungen zueinander, die aus früheren Comics stammen, in denen beispielsweise Vampire durch London marodiert sind. Spannend wirkte das alles, und die Zusammenhänge sind interessant.

Sherlock Holmes als Figur funktioniert sichtlich auch im Comic und in einem Genre-Mix, wie ich ihn so noch nicht gesehen habe. Eine Prise Krimi, viel Science Fiction und Fantasy, das Ganze dazu noch gut gezeichnet und spannend erzählt – das macht neugierig auf die anderen Bände des Themas, die bei Splitter erschienen sind.

Vielleicht erkenne ich dann mehr Zusammenhänge?

Quatsch-Schlager-Deutschpop

Auf solche Texte muss man erst einmal kommen: »Der Rasen ist gemäht / der Zaun ist repariert / und so vermute ich / dass hier nichts mehr passiert.« Ähnliche Reime sind auf der Platte »tiefsee« der Band Ja König Ja oft zu finden, immer haarscharf zwischen genial und irrsinnig vorbeizischend, immer mal wieder zu einem Grinsen anlassgebend.

Veröffentlicht wurde die Platte schon 1999, verantwortlich war mit Detlef Diederichsen einer der deutschsprachigen Musik-Päpste. Es war die dritte Platte der Band, die es immer noch gibt und die alle Schaltjahre neue Tonträger veröffentlicht. Die damals vier Musiker spielten gekonnt mit ihren zwischen Dada und Besinnlichkeit flirrenden Texten und der teilweise schrammeligen Musik.

Es ist ganz eindeutig Popmusik, aber sie ist absichtlich minimal gehalten. Da quiekt die Orgel, da wird die Gitarre gern variabel eingesetzt, wenn nicht gerade alles vor sich hinschunkelt, darüber plätschern die Stimmen in einem lockeren Tonfall.

Und dann die Lieder! Gesungen wird über Bob Dylan und sein uneheliches Kind, über Tuberkulose und ertrinkende Männer; es gibt ganz eindeutig keine ernsthaften Inhalte. Vielleicht kann man in die Texte etwas hineininterpretieren, vielleicht sind sie bewusst albern – das ist egal.

»tiefsee« ist eine originelle Platte, die weit vom Punk weg ist, die irgendwie in den Kontext der Hamburger Schule gehören dürfte, dafür aber dann doch nicht intellektuell genug ist. Das ist auch nach all den Jahren noch durchaus lauschenswert.

10 März 2019

Warum ich kein guter Amerikaner sein konnte

Ich ging ins »Long Beach Cafe«, das sich gleich um die Ecke des Motels befand, in dem ich mich einquartiert hatte. Ich musste nur eine Gasse durchqueren, in der sich der Unrat in verborgenen Winkeln sammelte, dann über einen Parkplatz gehen, und ich war da. Die Einrichtung des Cafés erwies sich als eine Orgie in Grün: grüne Lederpolster auf den Bänken, viel Grün an den Wänden, eine grün gestaltete Speisekarte.

Die Werbung versprach »giant omelettes«. Nach nach dem sportlichen Vortag, an dem ich mit dem Rad durch die Gegend gefahren und lange spazieren gegangen war, fühlte ich mich hungrig und wie abgemagert. Also bestellte ich nach kurzem Überlegen ein Veggie Omelette; das sollte reichen.

Während ich auf das Essen wartete und meinen Kaffee trank, dessen Tasse ständig nachgefüllt wurde, betrachtete ich das Publikum. Viele Geschäftsleute hatten sich eingefunden, Männer in Anzug und Krawatte und Frauen in Business-Kostümen. Andere Leute sahen aus wie Vertreter, die eine Nacht im Motel verbracht hatten, oder eben Handwerker, die sich auf den nächsten Einsatz vorbereitet hatten. Sie alle aßen und tranken in rasantem Tempo.

Als das Essen kam, war ich erst einmal völlig irritiert. Allein das Omelette war so groß, dass ich es kaum schaffte; es hätte für zwei Personen locker gereicht. Dazu kamen Unmengen von Bratkartoffeln, die ebenfalls eine komplette Mahlzeit ergeben würden; die Leute im Café meine Pfanne zu Hause bis an den Rand gefüllt.

Dazu wurden mir noch zwei Toastbrote gereicht. Völlig verstört blickte ich auf den riesigen Berg von Essen, bevor ich vom Eiswasser trank und loslegte.

Ich wurde von meinen Eltern dazu erzogen, meinen Teller leerzuessen und mir nicht mehr zu bestellen, als ich essen könne. Bis heute ist es mir ein Greuel, Nahrungsmittel wegzuwerfen, und ich vermeide das, wo ich nur kann.

An diesem Tag ging es nicht anders. Ich sah Leute, die ebenfalls nur die Hälfte ihre Mahlzeit schafften, andere aber futterten alles.

Viel Zeit zum Zuschauen hatte ich nicht, weil ich mit dem Essen beschäftigt war. Die Kellnerin kam auch kurz danach, fragte schnell, ob denn alles in Ordnung sei und ob ich noch mehr wolle. Als ich verneinte, schmiss sie mir auch schon die Rechnung auf den Tisch und rauschte davon.

Von wegen Dienstleistungsgesellschaft Amerika, dachte ich und schaute dem anderen Kellner zu, der am Nachbartisch in etwa drei Sekunden die Fläche abwischte und dann zwei Servietten sowie eine Besteck-Garnitur hinpfefferte. Schnell waren sie ja, das musste man ihnen lassen.

Ich allerdings nicht. Schamhaft aß ich das Omelette, hatte noch Stunden danach ein fürchterliches Füllegefühl, futterte einige der Kartoffeln, ließ den Toast unberührt stehen, und dann verließ ich das Long Beach Cafe in einem schwankenden Gang, als hätte ich auf einen Schlag sechs Kilogramm Fett mehr auf dem Körper.

Es hätte für drei Leute meiner Statur gereicht. Mindestens. Und mir war hinterher einiges klarer, woher denn die Dickleibigkeit gewisser Amerikaner kam.

09 März 2019

Manuskripte bewerten lassen

Zu den Dingen, von denen sich Verlagsleute in diesen Monaten immer wieder faszinieren lassen, zählen »Big Data« und weitergehende Analysen. Es wäre schließlich einfacher, wenn man mehr Bestseller hätte, um die hohen Kosten, die ein Verlag nun mal mit sich bringt, besser wieder einzuspielen.

Dummerweise lassen sich Bestseller kaum planen. Wenn man einen Autor oder eine Autorin hat, die immer »funktionieren«, fällt das vielleicht einfacher; eine Garantie für die Zukunft ist das trotzdem nicht. Und Planbarkeit wäre doch zu schön.

In der Ausgabe 9 des »buchreport.express«, die am 28. Februar 2019 erschienen ist, wurde ein Interview mit Alexander Woge veröffentlicht. Er ist Geschäftsführer einer Firma, die als »Verlagsdienstleister« antritt. In diesem Interview geht es um Künstliche Intelligenz und wie man sie in Verlagen einsetzen kann. Das Thema scheint derzeit sehr viele Menschen in den Verlagen umzutreiben.

Woge formuliert es sehr schön: Er sehe »spannende Entwicklungsmöglichkeiten … auch im Bereich der Textanalyse«. Dabei gehe es um die »semantische Analyse« von Texten. Noch konkreter: Man könnte also ein Manuskript »anhand von bestimmten Modellen bewerten lassen«, bevor man es von einem Lektor »eingehend begutachten« lässt.

Die schöne neue Welt der Bücher, es ist der Traum vieler Verlagsleute. Man könnte vielleicht sogar die Lektorate weitestgehend einsparen, man könnte ganz viel »outsourcen«, und man könnte vor allem irrsinnig viel Geld sparen.

Wie schön wäre es, könnte ein Verlag nur die Romane veröffentlichen, die sicher funktionieren! Wie schön wäre es, könnte man so veröffentlichen, dass man keinen Ausschuss hätte und nur Erfolge! Ich sehe sie schon seit Monaten genau so denken und überlegen, die Krämerseelen, die sich »Verleger« nennen und nur an Geld denken, nicht aber an Inhalte.

Was mich bei all diesen Gedanken immer tröstet: Solange es Autorinnen und Autoren gibt, die einfach schreiben, was sie wollen, und Leser/innen, die in der Lage sind, selbst zu denken und selbst nach ihrem Stoff zu suchen, solange können die Computer und die Künstlichen Intelligenzen noch nicht die Literatur übernehmen!

08 März 2019

Green Book

»Boah, ist Aragorn dick geworden«, rutschte es mir heraus, als ich erkannte, wer eine der zwei Hauptrollen in dem Spielfilm »Green Book« spielte: Es war tatsächlich Viggo Mortensen, den ich als Aragorn aus der »Herr der Ringe«-Trilogie kannte. Die andere Hauptperson waren mit kein Begriff – aber ich bin auch kein Experte in Sachen Schauspielerei und informiere mich vor Kinovorstellungen eh viel zu wenig über die Filme und die Leute, die bei ihnen mitmischen.

Trotzdem ließ ich mich bereitwillig auf »Green Book« ein. Der Film hat den einen oder anderen Preis gewonnen, er ist derzeit in aller Munde, aber mich interessierte das Thema auch so. Vom Grundsatz her war's eine Komödie mit zwei Leuten, die sich anfangs nicht leiden können und die sich am Ende geradezu anfreunden. Solche Geschichten kennt man öfter, in »Ziemlich beste Freunde« und anderen Filmen stieß eben ein reicher Weißer auf einen armen Schwarzen, und die beiden näherten sich an – hier ist es gewissermaßen anders.

In den frühen 60er-Jahren fahren ein hochgebildeter Pianist mit schwarzer Haut und ein eher schlichter Weißer gemeinsam durch die Südstaaten. Der Schwarze gibt Konzerte, wird von den Medien und seinen Gastgebern sehr geschätzt, während der Weiße sich eher als Chauffeur sieht und immer mehr auch als Leibwächter. Denn recht schnell wird klar, dass die Gegensätze zwischen den beiden zwar groß sind, die Feindschaften von außen aber viel größer: Der allgegenwärtige Rassenhass wird in dem Film immer wieder thematisiert.

Man muss den Film nicht über den grünen Klee loben. Ich fand ihn sehr unterhaltsam, und ich würde ihn jederzeit empfehlen. Man lernt nicht unbedingt viel Neues über die Beziehungen zwischen Schwarz und Weiß, man kann aber einen interessanten Jazz-Pianisten entdecken – von dem ich noch nie gehört hatte –, und man wird mit einem gelungenen Unterhaltungsstreifen belohnt.

»Green Book« ist ein Streifen, der in mal amüsanter, mal knalliger Weise klarmacht, wie unsinnig der Gedanke ist, dass man Menschen in Rassen einteilen und sie entsprechend bewerten könnte. Dass dies manchmal ein wenig platt rübergebracht wird, störte mich nicht. Lohnender Film!

07 März 2019

Acrataka treffen auf Escöria

Das ist mal ein Brett: Die Split-EP der kanarischen Band Acrataka und der brasilianischen Band Escöria erhielt ich durch einen Tausch »Papier gegen Vinyl« im Anschluss an meine Lesung im Pfälzerwald. Und ich finde, ich habe da ein gutes Geschäft gemacht (die andere Seite hoffentlich auch) – das bolzt doch ziemlich, das Stückchen Vinyl, das 2016 erschienen ist und den Titel »Crisis« trägt.

Acrataka ist eine Band von den Kanarischen Inseln; woher genau, ist auch eher egal. Die fünf Bandmitglieder spielen rasenden HC-Punk der klassischen Schule; der Sänger brüllt, die Gitarre sägt, und das Schlagzeug poltert. Dass die Aufnahmequalität nicht besonders gut ist, stört mich nicht. Geboten werden vier politische Stücke – auch ohne Sprachkenntnisse erkenne ich, dass es um den Krieg, um Revolutionen oder die Ablehnung jeglicher Autorität geht. Knallig und klar.

Auch Escöria macht keinen Sound für ruhige Gemüter; die Band aus Rio Grande in Brasilien spielt Crust-Punk, und der ist ja schon per Definition wütend und laut. Die Band gibt's seit 1996 – auf der Split-EP sind zwei Stücke enthalten, die ebenfalls sehr politisch wirken. Die vier Herren lassen's auf jeden Fall ordentlich knallen.

(Dass wir uns klar verstehen: Jeden Tag kann ich mir so ein Geboller nicht reinziehen. Ab und zu muss aber eine tüchtige Portion Hardcore-Punk einfach sein.)

Der deutsche SF-Klassiker in Comic-Form

(Um es vorwegzunehmen: Ich weiß nicht, warum diese Rezension hier so spät erscheint. Der Comic, um den es geht, wurde bereits 2016 veröffentlicht. Man kann ihn aber immer noch kaufen, und ich möchte ihn zumindest kurz empfehlen.)

In den 70er-Jahre setzte die deutschsprachige Science-Fiction-Serie »Mark Brandis« echte Maßstäbe. Die Geschichten spielten nicht – wie etwa bei PERRY RHODAN – in den Tiefen der Milchstraße, sondern zwischen den Welten und Monden des Sonnensystems; Außerirdische tauchten nicht auf, und an überlichtschnelle Raumfahrt dachte niemand. Verfasst wurden die Romane von Nikolai von Michalewski, sie faszinierten damals zahlreiche Jugendliche.

Mittlerweile gibt es die Serie in neuer Form: Als Paperback liegt sie beim Mohlberg-Verlag vor, die Hörspiele erscheinen bei Universal und sind eine zeitgemäße Umsetzung des Klassikers. Seit Ende 2016 existiert eine Comic-Umsetzung. Es gibt bereits mehrere Bände, ich las bisher nur den ersten Band.

Die Texte orientieren sich am ersten Roman, der den Titel »Bordbuch Delta VII« trägt, und setzen diesen ziemlich genau um. (Wer also die Original-Geschichte kennt, wird keine Überraschungen erleben.) In einer nahen Zukunft hat sich die Menschheit ins All ausgebreitet; es gibt Kolonien auf dem Mond, dem Mars und der Venus. Während sich auf der Erde die Machtblöcke kritisch gegenüberstehen, stoßen abenteuerlustige Raumfahrer wie Mark Brandis immer tiefer ins All vor.

Es kommt zu einem Putsch auf der Erde, Brandis schließt sich dem Widerstand gegen die Militärmachthaber an. Demokratische Raumfahrer kämpfen also gegen faschistische Usurpatoren – so lässt sich die Handlung der frühen »Mark Brandis«-Serie zusammenfassen. Das war spannend, das ist immer noch spannend, und das transportiert der Comic in gelungener Weise.

Michael Vogt versteht sein Handwerk; er hat die klassische Science-Fiction-Geschichte sehr gut in die heutige Zeit transportiert. Künstlerisch finde ich ihn nicht immer überzeugend: Seine Darstellungen von Raumschiffen und futuristischen Gebäuden sind großartig. Bei Personen hat er seine Schwierigkeiten, vor allem die Gesichter sind nicht gerade optimal. Aber darüber kann ich angesichts der gelungenen Story locker hinwegsehen.

Der erste Teil des »Mark Brandis«-Comics ist gut gelungen, mit Luft nach oben. Weitere Teile sind bereits erschienen, diese muss ich mir wohl dringend besorgen. Wer Comics und Science Fiction mag, sollte hier auf jeden Fall mal einen Blick reinwerfen!

02 März 2019

Wieder einmal Jingo

In den späten 80er-Jahren, als die Hardcore-Welt noch in Ordnung war und unsereins sich selbst zu einer kleinen, verschworenen Gemeinschaft gehörte, zählten auch Jingo de Lunch aus Berlin zu den Helden – nicht zuletzt durch die beeindruckende Stimme und Live-Präsenz der Sängerin. Ich sah die Band in dieser Phase einmal und war begeistert; beim zweiten Mal war das in den 90er-Jahren, und da wandelte die Band bereits auf metallischen Pfaden.

In den Nuller-Jahren veröffentlichte Rookie Records eine CD mit dem schönen Titel »The Independent Years«, was sich schon mal wie ein klares Statement anhört. Die Platte präsentiert 21 Stücke aus den Jahren 1987 bis 1989, die noch mal zeigen, warum Leuten wie mir damals die Band so gut gefiel.

Die Stücke haben stets eine metallische Kante, was sich vor allem an der Gitarre zeigt. Sie bleiben aber stets melodisch und klingen vor allem sehr eigenständig, nicht nur wegen der Stimme, die für damalige Verhältnisse einfach sensationell klang.

Seien wir ehrlich: Heute hätte so ein Sound wahrscheinlich gar keine Chance mehr, weil er nicht in eine Szene-Schublade passt. Ich würde womöglich wegen der Metal-Anteile abwinken und sagen, dass mir das nicht gefalle. Den »echten« Metal-Fans dürfte es zu schrubbig sein, wer Punkrock mag, wird mit der Musik auch wenig anfangen können, und für »Indie«-Fans ist das alles eh zu uncool.

Heute würde sich Jingo de Lunch mit diesen Stücken zwischen alle Stühle setzen. Wahrscheinlich tat die Band das damals ebenfalls, weshalb sie ja auch nur der »harten Szene« gefiel. Die CD ist eine schöne Erinnerung daran. Und ganz klar: Wer die Band bislang nicht kannte oder nur ihre Metal-Phase in den 90er Jahren im Kopf hat, sollte mal nach dieser Platte Ausschau halten.

01 März 2019

Mit den Andromeda Nachrichten ins neue Jahr

Die Ausgabe 264 der »Andromeda Nachrichten« muss ich unbedingt empfehlen – dieses Fanzine des Science-Fiction-Clubs Deutschland e.V. (SFCD) kommt einem optimalen Magazin für meine liebste Literaturgattung mit dieser Nummer am nächsten. Damit hat Michael Haitel, der als Chefredakteur fungiert, eine richtig schöne Zusammenstellung geliefert, die auch Leser außerhalb des Vereins interessieren sollte.

Was mir diesmal gut gefallen hat: Es gibt einige längere Beiträge, die eher grundsätzlicher Natur sind. So erzählt Uwe Lammers in »E-Books – Das Echo der Zukunft« davon, wie sich aus seiner Sicht das E-Book-Geschäft entwickelt hat. Ich würde da einiges anders sehen, finde die Zusammenstellung der Daten und Fakten aber sehr lesenswert, vor allem für Leute, die sich mit dem Thema bisher nur am Rande beschäftigten.

Vom selben Autor gibt es einen Beitrag über »Alternative Weltentwürfe in der Science Fiction«, der vor allem durch viele Informationen und Hinweise glänzt und trotz seiner wissenschaftlichen Sprache gut lesbar ist. Ebenfalls interessant: Clemens Nissen schreibt über »Existenzphilosophie«, wirft also einen intellektuellen Blick auf die »Seele der Science Fiction«.

Darüber hinaus bietet das Heft auf 116 Seiten im A4-Format eine schöne Mischung aus Artikeln – etwa zu Steampunk-Veranstaltungen –, Rezensionen und Informationen. So stelle ich mir ein unterhaltsames Fanzine vor, so sind die »Andromeda Nachrichten« ein gelungenes Aushängeschild für den dienstältesten Verein in der deutschsprachigen Science-Fiction-Szene.

Das Magazin bekommen alle Vereinsmitglieder im Rahmen ihres Mitgliedsbeitrages geschickt. Man kann es auch abonnieren oder einzeln bestellen – hierzu verweise ich auf die Internet-Seite des Vereins. Und man kann sie auch kostenlos herunterladen, was ich hiermit ausdrücklich empfehlen möchte.