Das finde ich nett: Bei Droemer-Knaur gibt es eine Leselounge – zumindest auf der Internet-Seite des Verlages. Dort wiederum gibt es eine Rubrik, die sich »auf dem roten Teppich« nennt. Und dort bin jetzt auch ich aufgeführt, was mich sehr freut.
Man zitiert in der Überschrift als mein »theoretisches Motto« etwas, das ich viel zu selten schaffe: »nicht stressen lassen!«. Eine sehr schöne Seite mit einigen netten Fragen und einigen hoffentlich interessanten Antworten. Mein erstes Interview gewissermaßen zu »Das blutende Land« ...
Es passiert einiges um mich herum, und nicht alles gefällt mir. Vieles fasziniert mich, vieles interessiert mich – und das soll Thema dieses Blogs sein.
27 Oktober 2017
Lächelnd in Dreieich
Ach herrje: Dieses Foto will ich echt niemandem vorenthalten – es wurde am Samstag, 14. Oktober 2017, in Dreieich aufgenommen. Fotografin war Christina Hacker, die meine Lesung während des BuchmesseCons besuchte. Wie es sich für einen Gelegenheitsautor gehört, war ich entsprechend stolz auf mein Werk und hielt es gern in die Kamera.
Dabei gab es dann tatsächlich eine Situation, in der ich lächelte. Das ist recht selten – meist ziehe ich ein ernsthaftes Gesicht, wenn sich eine Kamera auf mich richtet. Aber in diesem Moment war ich offenbar gelöst und stolz zugleich.
Dabei gab es dann tatsächlich eine Situation, in der ich lächelte. Das ist recht selten – meist ziehe ich ein ernsthaftes Gesicht, wenn sich eine Kamera auf mich richtet. Aber in diesem Moment war ich offenbar gelöst und stolz zugleich.
26 Oktober 2017
Kazor war ein Werbe-Comic
Ein ungewöhnlicher Comic, der 1999 veröffentlicht wurde und der damals an Freunde sowie Kunden des Transgalaxis-Versandes ging: »Kazor – In fremder Galaxie« erschien im Sommer jenen Jammers im Form eines Piccolos, also eines streifenförmigen Comic-Heftes. (An dieses Format erinnern sich nur Sammler oder eben ältere Comic-Leser wie ich.)
Der Zeichner und Autor war Harry Messerschmidt, der im Februar 2017 leider schon verstorben ist. Ich lernte ihn nie kennen, obwohl wir indirekt über Jahre hinweg zusammenarbeiteten: Er lieferte beispielsweise Cartoons, Zeichnungen und Comics für die Raketenheftchenserie, für die ich tätig bin, und deren Begleitprodukte.
Sein Stil war klassisch, orientierte sich an dem, was in den 50er-Jahren durchaus modern gewesen war. Das passte zu den Piccolo-Heften im Allgemeinen und ihrer Geschichte.
Auch inhaltlich unterscheidet sich »Kazor« kaum von den alten Heften: Die Geschichte ist eher schlicht, alles andere als intellektuell, und sie ist zeichnerisch in ihrem eindeutigen Schwarz-Weiß ebenfalls in diese Zeit einzuordnen.
Als originell kann man die Story allerdings doch bezeichnen: Die Geschichte kommt ohne jeglichen menschlichen Helden aus. Zu sehen sind nur monströse Außerirdische, die sich über Probleme unterhalten, die ich beim ersten Durchlesen nicht richtig kapierte. Aber da »der Planet der Kar-Zoa« ja auch »viele hundert Millionen Lichtjahre« von der Erde entfernt ist, dürfte das nicht so schlimm sein.
Harry Messerschmidt machte viele dieser Piccolo-Comics. Ich besitze einen ganzen Stapel davon, und diese werde ich wohl mal wieder neu lesen. Die meisten zählen zu Serien und wurden regulär im Comic-Fachhandel verkauft. »Kazor« war etwas Besonderes – schön!
Der Zeichner und Autor war Harry Messerschmidt, der im Februar 2017 leider schon verstorben ist. Ich lernte ihn nie kennen, obwohl wir indirekt über Jahre hinweg zusammenarbeiteten: Er lieferte beispielsweise Cartoons, Zeichnungen und Comics für die Raketenheftchenserie, für die ich tätig bin, und deren Begleitprodukte.
Sein Stil war klassisch, orientierte sich an dem, was in den 50er-Jahren durchaus modern gewesen war. Das passte zu den Piccolo-Heften im Allgemeinen und ihrer Geschichte.
Auch inhaltlich unterscheidet sich »Kazor« kaum von den alten Heften: Die Geschichte ist eher schlicht, alles andere als intellektuell, und sie ist zeichnerisch in ihrem eindeutigen Schwarz-Weiß ebenfalls in diese Zeit einzuordnen.
Als originell kann man die Story allerdings doch bezeichnen: Die Geschichte kommt ohne jeglichen menschlichen Helden aus. Zu sehen sind nur monströse Außerirdische, die sich über Probleme unterhalten, die ich beim ersten Durchlesen nicht richtig kapierte. Aber da »der Planet der Kar-Zoa« ja auch »viele hundert Millionen Lichtjahre« von der Erde entfernt ist, dürfte das nicht so schlimm sein.
Harry Messerschmidt machte viele dieser Piccolo-Comics. Ich besitze einen ganzen Stapel davon, und diese werde ich wohl mal wieder neu lesen. Die meisten zählen zu Serien und wurden regulär im Comic-Fachhandel verkauft. »Kazor« war etwas Besonderes – schön!
25 Oktober 2017
Noch einmal in den Herbst geradelt
In diesen Tagen und Wochen nutze ich buchstäblich jede freie Stunde bei Sonnenlicht und halbwegs vernünftigen Temperaturen, um noch einmal mit dem Rad loszufahren. Schließlich kenne ich mich gut genug: Wenn es mal dunkel und kalt ist, mache ich das nicht mehr – dann bleibe ich abends daheim, wo ich letztlich bei heißem Tee und dudeliger Musik versacke. Es gibt Gründe, warum ich früher immer im Herbst nach Afrika reiste.
Ein Ziel, das ich immer wieder ansteuere, ist das Naturschutzgebiet in Neureut. Dort ist es wirklich schön, und man ist als Radfahrer so gut wie allein.
Gelegentlich sieht man andere Leute, einzelne Radfahrer oder auch Spaziergänger mit Hund. Die sportlichen Radler, also die mit den tollen Rädern und in den bunten Klamotten, die steuern so langweilige Ziele nicht an.
Wenn ich da mit offenen Augen und nicht in rasendem Tempo fahre, eröffnen sich mir immer wieder Blicke auf die Natur – oder was, was von ihr übrig geblieben ist –, bei denen man meinen könnte, das sei nicht Karlsruhe. Keine fünf Kilometer davon entfernt beginnt schließlich der Ölhafen, gibt es die großen Raffinerien ...
Aber manchmal denke ich, ich sei in einem weit entfernten Ort, und dann komme ich mir vor wie in so einem verwunschenen Fantasy-Land.
Ein Ziel, das ich immer wieder ansteuere, ist das Naturschutzgebiet in Neureut. Dort ist es wirklich schön, und man ist als Radfahrer so gut wie allein.
Gelegentlich sieht man andere Leute, einzelne Radfahrer oder auch Spaziergänger mit Hund. Die sportlichen Radler, also die mit den tollen Rädern und in den bunten Klamotten, die steuern so langweilige Ziele nicht an.
Wenn ich da mit offenen Augen und nicht in rasendem Tempo fahre, eröffnen sich mir immer wieder Blicke auf die Natur – oder was, was von ihr übrig geblieben ist –, bei denen man meinen könnte, das sei nicht Karlsruhe. Keine fünf Kilometer davon entfernt beginnt schließlich der Ölhafen, gibt es die großen Raffinerien ...
Aber manchmal denke ich, ich sei in einem weit entfernten Ort, und dann komme ich mir vor wie in so einem verwunschenen Fantasy-Land.
24 Oktober 2017
Vier Personen für einen Roman
»Um was geht’s denn in deinem Roman?«, wurde ich in jüngster Zeit gelegentlich gefragt. Ich fing dann immer an, etwas von Politik und Problemen, von Krieg und Magie zu erzählen. Aber eigentlich geht’s ja um Menschen. Und deshalb nutze ich die Gelegenheit, kurz die vier wichtigsten Personen des Romans »Das blutende Land« vorzustellen.
Sardev Örhun ist die Hauptperson: Seine Tat (die kann man ja schon in der Leseprobe nachvollziehen) löst einige der folgenden Ereignisse aus, und um ihn gruppieren sich letztlich viele andere Ereignisse. Als Sohn eines Freibauern kommt er gewissermaßen aus dem Mittelstand des Landes Patloren.
Shorrn Mekeis stammt ebenfalls aus Patloren, er steht aber auf der anderen Seite: Als Raureiter gehört er zu einer Art berittener Polizei, die in diesem Landstrich für Ordnung sorgt und auch mal einen Verbrecher jagt. Im Zweifelsfall folgt er den Befehlen der Leute, die ihn bezahlen.
Nesh-Tilan stammt aus Eskoh – und sein Volk, die Eskoher, kontrolliert die gesamte bekannte Inselwelt, zu der auch das Land Patloren gehört. Das Imperium des Dreizacks, wie die Eskoher ihren Staat nennen, wird von mächtigen Häusern regiert, die jeweils ihre eigenen Ziele verfolgen. Das bekommt Nesh-Tilan hautnah mit, der als Verwalter in das abgelegene Hügelland von Patloren zieht – will er Karriere machen, muss er dafür sorgen, dass er in Eskoh auffällt.
Und Zarg-Nolesa? Sie ist ebenfalls aus Eskoh, aber ihre Ziele bleiben den meisten Leuten ziemlich unklar. In gewisser Weise kann man sie als zweite Hauptperson des Romans betrachten, eine junge Frau ohne Moral, aber mit klaren Befehlen.
Sie alle treffen sich immer mal wieder, sie haben nicht unbedingt gemeinsame Vorstellungen von ihrer Zukunft – aber letztlich müssen sie sich alle mit dem sogenannten Brodem auseinandersetzen. Über den wiederum will ich an dieser Stelle nichts ausplaudern …
Sardev Örhun ist die Hauptperson: Seine Tat (die kann man ja schon in der Leseprobe nachvollziehen) löst einige der folgenden Ereignisse aus, und um ihn gruppieren sich letztlich viele andere Ereignisse. Als Sohn eines Freibauern kommt er gewissermaßen aus dem Mittelstand des Landes Patloren.
Shorrn Mekeis stammt ebenfalls aus Patloren, er steht aber auf der anderen Seite: Als Raureiter gehört er zu einer Art berittener Polizei, die in diesem Landstrich für Ordnung sorgt und auch mal einen Verbrecher jagt. Im Zweifelsfall folgt er den Befehlen der Leute, die ihn bezahlen.
Nesh-Tilan stammt aus Eskoh – und sein Volk, die Eskoher, kontrolliert die gesamte bekannte Inselwelt, zu der auch das Land Patloren gehört. Das Imperium des Dreizacks, wie die Eskoher ihren Staat nennen, wird von mächtigen Häusern regiert, die jeweils ihre eigenen Ziele verfolgen. Das bekommt Nesh-Tilan hautnah mit, der als Verwalter in das abgelegene Hügelland von Patloren zieht – will er Karriere machen, muss er dafür sorgen, dass er in Eskoh auffällt.
Und Zarg-Nolesa? Sie ist ebenfalls aus Eskoh, aber ihre Ziele bleiben den meisten Leuten ziemlich unklar. In gewisser Weise kann man sie als zweite Hauptperson des Romans betrachten, eine junge Frau ohne Moral, aber mit klaren Befehlen.
Sie alle treffen sich immer mal wieder, sie haben nicht unbedingt gemeinsame Vorstellungen von ihrer Zukunft – aber letztlich müssen sie sich alle mit dem sogenannten Brodem auseinandersetzen. Über den wiederum will ich an dieser Stelle nichts ausplaudern …
23 Oktober 2017
Klar formuliertes Sachbuch über Demokratiefeinde
In den vergangenen Jahren – so sieht es aus es – ist die Demokratie in Mitteleuropa immer stärker unter Beschuss geraten. Die Demokratiefeinde formieren sich in allen möglichen Bereichen; der islamistische Terror und die neofaschistischen Bewegungen scheinen sich geradezu aufzuschaukeln. Da ist es durchaus sinnvoll, sich einmal in Ruhe anzuschauen, mit wem man es da eigentlich zu tun hat.
Der Wissenschaftler und Autor Claus Leggewie hat in einem Essay-Band, der zum Jahresende 2016 bei Suhrkamp erschienen ist, den Versuch unternommen, die »Anti-Europäer« – so der Titel seines Buches – in einem Band zu präsentieren. Der Massenmörder Anders Breivik aus Norwegen, der russische Nationalist Alexander Dugin und der Islamist Abu Musab al-Suri werden in diesem Buch zu den Protagonisten eines erbarmungslosen Kampfes, der gegen die westliche Lebensart gerichtet ist.
Damit scheinen viele Leser nicht so recht klarzukommen. Zumindest gewinne ich den Eindruck, wenn ich mir die »Rezensionen« im Netz anschaue. Manche verstehen offenbar nicht, dass Leggewie den Terror der Islamisten ablehnt, sich aber gegen eine pauschale Ablehnung von Muslimen ausspricht – was ich für selbstverständlich halte. Andere wiederum verstehen nicht, wieso er die drei unterschiedlichen Demokratiefeinde in einen Topf wirft.
Das tut der Autor, er rührt aber nicht um – wenn ich in diesem Bild bleiben darf. Er entwirft Porträts, die sowohl die persönliche Seite dieser Männer zeigt als auch die Hintergründe, vor denen sie agieren. Wieso ist ein Massenmörder wie Breivik trotz seiner Untaten so populär, woher kommt die Faszination für Dugin? Beides ist mir ebenso unverständlich wie die Begeisterung, die junge Leute für den Dschihad äußern können.
Leggewies Sachbuch gibt keine echte Antwort auf solche Fragen, es liefert Hintergründe. Was mir dabei gefallen hat: Es ist unterhaltsam geschrieben, die Fakten werden so vermittelt, dass man sie auch ohne umfangreiches Studium gut verstehen kann. Ein gewisses Grundwissen zur aktuellen Politik wird allerdings vorausgesetzt – aber das sollte man bei solchen Büchern eh mitbringen.
Besonders wichtig: Leggewie arbeitet mit einem umfangreichen Fußnoten-Apparat. So kann jemand, der sich genauer informieren möchte, die Quellen jederzeit nachprüfen. In Zeiten, wo ständig der irrwitzige Vorwurf der »Lügenpresse« erhoben wird, ist das sinnvoll – wobei ein Wissenschaftler wie Leggewie sowieso stets mit Fußnoten arbeiten dürfte ...
Das sehr lesenswerte Buch ist nach einem Jahr immer noch wichtig. Mit 15 Euro für 176 Seiten ist es nicht gerade preiswert, ich empfehle es aber dennoch für diejenigen, die gern ein wenig mehr Hintergrund mögen. (Wer sich einlesen möchte: Die Kollegen von Suhrkamp stellen auf ihrer Internet-Seite eine Leseprobe zur Verfügung.)
Der Wissenschaftler und Autor Claus Leggewie hat in einem Essay-Band, der zum Jahresende 2016 bei Suhrkamp erschienen ist, den Versuch unternommen, die »Anti-Europäer« – so der Titel seines Buches – in einem Band zu präsentieren. Der Massenmörder Anders Breivik aus Norwegen, der russische Nationalist Alexander Dugin und der Islamist Abu Musab al-Suri werden in diesem Buch zu den Protagonisten eines erbarmungslosen Kampfes, der gegen die westliche Lebensart gerichtet ist.
Damit scheinen viele Leser nicht so recht klarzukommen. Zumindest gewinne ich den Eindruck, wenn ich mir die »Rezensionen« im Netz anschaue. Manche verstehen offenbar nicht, dass Leggewie den Terror der Islamisten ablehnt, sich aber gegen eine pauschale Ablehnung von Muslimen ausspricht – was ich für selbstverständlich halte. Andere wiederum verstehen nicht, wieso er die drei unterschiedlichen Demokratiefeinde in einen Topf wirft.
Das tut der Autor, er rührt aber nicht um – wenn ich in diesem Bild bleiben darf. Er entwirft Porträts, die sowohl die persönliche Seite dieser Männer zeigt als auch die Hintergründe, vor denen sie agieren. Wieso ist ein Massenmörder wie Breivik trotz seiner Untaten so populär, woher kommt die Faszination für Dugin? Beides ist mir ebenso unverständlich wie die Begeisterung, die junge Leute für den Dschihad äußern können.
Leggewies Sachbuch gibt keine echte Antwort auf solche Fragen, es liefert Hintergründe. Was mir dabei gefallen hat: Es ist unterhaltsam geschrieben, die Fakten werden so vermittelt, dass man sie auch ohne umfangreiches Studium gut verstehen kann. Ein gewisses Grundwissen zur aktuellen Politik wird allerdings vorausgesetzt – aber das sollte man bei solchen Büchern eh mitbringen.
Besonders wichtig: Leggewie arbeitet mit einem umfangreichen Fußnoten-Apparat. So kann jemand, der sich genauer informieren möchte, die Quellen jederzeit nachprüfen. In Zeiten, wo ständig der irrwitzige Vorwurf der »Lügenpresse« erhoben wird, ist das sinnvoll – wobei ein Wissenschaftler wie Leggewie sowieso stets mit Fußnoten arbeiten dürfte ...
Das sehr lesenswerte Buch ist nach einem Jahr immer noch wichtig. Mit 15 Euro für 176 Seiten ist es nicht gerade preiswert, ich empfehle es aber dennoch für diejenigen, die gern ein wenig mehr Hintergrund mögen. (Wer sich einlesen möchte: Die Kollegen von Suhrkamp stellen auf ihrer Internet-Seite eine Leseprobe zur Verfügung.)
22 Oktober 2017
Gewaltfreie Kommunikation versus Massenschlägerei
Wenn man zu einem Geburtstag von jemandem eingeladen wird, den man schon lange kennt und immer für »recht jung« gehalten hat, und dann stellt es sich herus, dass diese Person ihren vierzigsten feiert, wird eine erst so richtig klar, wie alt man selbst ist ... So ging es mir am Freitagabend, 20. Oktober 2017, als ich über das stockdunkle Gelände des Alten Flugplatzes radelte, um auf eine Party zu fahren, die sich als Punkrock-Konzert tarnte.
Das »P8« ist ein extrem sympathischer Ort in der Nordstadt von Karlsruhe, ein soziokulturelles Zentrum, in dem ich noch nie war – was ich als echten Fehler empfinde. Die Räumlichkeiten wirken wie eine Mixtur aus Musik-Club und besetztem Haus, was ich positiv meine, und das Programm im »P8« ist so, dass ich da eigentlich viel öfter hinmüsste. Schauen wir mal.
Gut hundert oder hundertzwanzig Leute waren da; viele kannte ich vom Sehen. Ansonsten markierte ich mit zwei, drei anderen das obere Ende der Alterspyramide, was mich wenig störte: Es gab Bier, ich konnte mit anderen Leuten labern, und irgendwann spielte die erste Band.
Das waren Massenschlägerei aus Mannheim, die sich an einem witzigen Deutschpunk-Revival versuchten: Die Ansagen waren im lokalen Dialekt, der Sound rumpelte, die Texte klangen schwer nach den 80er-Jahren – ich amüsierte mich sehr, und das Publikum freute sich offenbar darüber.
Danach spielte eine Band, die an diesem Tag zum ersten Mal auf der Bühne stand und sich ironischerweise Gewaltfreie Kommunikation nannte: zwei Männer, zwei Frauen und ein Akkordeon. Für einen ersten Auftritt fand ich das alles ziemlich gut; die Stücke hatten Schwung und Schmackes, die Sängerin hatte eine gute Stimme, und das Akkordeon quiekte immer wieder schön dazwischen.
Die folgenden zwei Stunden verbrachte ich mit Bier und mehr oder weniger gelungenen Gesprächen. Als ich spät nachts mit dem Rad nach Hause eierte, nahm ich mir vor, nicht zum letzten Mal diesen Konzertort besucht zu haben ...
Das »P8« ist ein extrem sympathischer Ort in der Nordstadt von Karlsruhe, ein soziokulturelles Zentrum, in dem ich noch nie war – was ich als echten Fehler empfinde. Die Räumlichkeiten wirken wie eine Mixtur aus Musik-Club und besetztem Haus, was ich positiv meine, und das Programm im »P8« ist so, dass ich da eigentlich viel öfter hinmüsste. Schauen wir mal.
Gut hundert oder hundertzwanzig Leute waren da; viele kannte ich vom Sehen. Ansonsten markierte ich mit zwei, drei anderen das obere Ende der Alterspyramide, was mich wenig störte: Es gab Bier, ich konnte mit anderen Leuten labern, und irgendwann spielte die erste Band.
Das waren Massenschlägerei aus Mannheim, die sich an einem witzigen Deutschpunk-Revival versuchten: Die Ansagen waren im lokalen Dialekt, der Sound rumpelte, die Texte klangen schwer nach den 80er-Jahren – ich amüsierte mich sehr, und das Publikum freute sich offenbar darüber.
Danach spielte eine Band, die an diesem Tag zum ersten Mal auf der Bühne stand und sich ironischerweise Gewaltfreie Kommunikation nannte: zwei Männer, zwei Frauen und ein Akkordeon. Für einen ersten Auftritt fand ich das alles ziemlich gut; die Stücke hatten Schwung und Schmackes, die Sängerin hatte eine gute Stimme, und das Akkordeon quiekte immer wieder schön dazwischen.
Die folgenden zwei Stunden verbrachte ich mit Bier und mehr oder weniger gelungenen Gesprächen. Als ich spät nachts mit dem Rad nach Hause eierte, nahm ich mir vor, nicht zum letzten Mal diesen Konzertort besucht zu haben ...
20 Oktober 2017
Im Parka an der Tankstelle
Die Benzinpreise zogen in jenen Tagen und Wochen an, sie übersprangen die Grenze von einer Mark pro Liter. Der Supermarkt, in dem ich neben dem Gymnasium arbeitete, versuchte trotzdem, die Preise niedrig zu halten; entsprechend war der Ansturm.
Meist verließ ich die Schule gegen ein Uhr mittags, fuhr mit dem Bus nach Hause, aß etwas und fuhr dann mit dem Fahrrad zur Arbeit an der Tankstelle. Samstags schwänzte ich manchmal die Schule, um morgens früh zur Arbeit zu erscheinen.
Es waren die frühen 80er-Jahre, ich war jung und bekam keinen Pfennig Taschengeld. Ich wollte aber Krachmusik, Heftromane und Comics kaufen, ich wollte ins Kino gehen und Bier trinken – also brauchte ich Geld, und dafür musste ich arbeiten.
Der Samstag, den ich mein ganzes Leben lang nicht vergessen werde, war besonders. Das Wetter war feucht und kühl, und die Autofahrer standen in endlosen Schlangen, um bei uns zu tanken. Ich hatte mir eine Palette ins Freie gelegt, auf der ich die meiste Zeit stand; die Kälte kroch nämlich von unten in die Füße.
Ich kassierte an den Zapfsäulen direkt ab, lief dabei zwischen den Autos und den Zapfsäulen hin und her. Theoretisch konnten sechs Autos parallel betankt werden; es war viel los. Das Bargeld steckte ich in die Taschen meines Parkas, weil es der offizielle »Geldbeutel« bald nicht mehr fassen konnte.
Irgendwann verlor ich den Überblick, wieviel Geld ich einnahm. Die meisten Leute machten den Tank voll und ließen hinterher einen 50- oder 100-Mark-Schein bei mir. Mit einer Karte zahlte niemand, alles wurde in bar entrichtet. Manche Leute wollten Belege, die ich handschriftlich ausstellte.
Und nebenbei musste ich noch das Leergut annehmen und zählen; das Leergutlager war direkt neben der Tankstelle. Das war ganz praktisch, weil ich so immerhin für einige Sekunden in meinem kleinen Büro durchatmen und die Wärme genießen konnte.
Zwischendurch hatte ich Mini-Pausen: Wenn jemand von den Kollegen kam, um etwas im Getränkelager zu erledigen, rannte ich zur Toilette; in der Zeit musste er die Kunden beruhigen, die unbedingt bezahlen wollten, oder er nahm sogar Geld an, wenn sie es passend hatten. Zweimal ließ ich mir belegte Brötchen bringen. Weil wir personell unterbesetzt waren, kam ich von der Tankstelle nicht weg.
Die Benzindämpfe lullten mich fast ein, die feuchte und kühle Luft sorgte dafür, dass ich nicht einschlief. An den unaufhörlichen Stress – hier die Tankstelle, da die Leergutannahme, beides mit Rechnen verbunden – hatte ich mich in den Tagen zuvor schon gewöhnt.
Alle waren entsetzt, als ich am späten Nachmittag – es dunkelte bereits – zur Abrechnung ins Büro des Supermarkts trat und zeigte, was ich in der Innentasche meines Parkas hatte. Ich brauchte eine Weile, bis ich alles geleert hatte; sogar die Hosentaschen hatte ich voll.
Die Scheine bildeten einen großen Haufen Papier auf dem Tisch. Sogar zwei 500-Mark-Scheine waren darunter, ich hatte das Geld achtlos in alle Taschen gestopft.
Die Verkäuferinnen starrten mich an. Ich trank heißen Kaffee mit einem Schuss Schnaps, weil ich ziemlich durchgefroren war, und überließ der Chefkassiererin das genaue Zählen. Weil es so viel Geld war, wurde zweimal gezählt; zwischendurch wurde nachgemessen, wieviel Benzin und Diesel aus den Tanks entnommen worden war.
Am Ende hatte ich über 30.000 Mark in den Taschen, einen Haufen zerknülltes Papier, das mir in diesen Augenblicken völlig egal war. Mein Stundenlohn betrug sechs oder sieben Mark, mehr bekam man nicht in diesem Jahr.
Ich war 17 Jahre alt, hatte den Kopf voller Flausen, träumte von Raumschiffen und hörte Krachmusik, las Heftromane und Comics, die alle anderen doof fanden, arbeitete und schrieb Geschichten. Aber es wäre mir nie in den Sinn gekommen, auch nur eine Mark von diesem Geld für eigene Zwecke abzuzweigen.
Meist verließ ich die Schule gegen ein Uhr mittags, fuhr mit dem Bus nach Hause, aß etwas und fuhr dann mit dem Fahrrad zur Arbeit an der Tankstelle. Samstags schwänzte ich manchmal die Schule, um morgens früh zur Arbeit zu erscheinen.
Es waren die frühen 80er-Jahre, ich war jung und bekam keinen Pfennig Taschengeld. Ich wollte aber Krachmusik, Heftromane und Comics kaufen, ich wollte ins Kino gehen und Bier trinken – also brauchte ich Geld, und dafür musste ich arbeiten.
Der Samstag, den ich mein ganzes Leben lang nicht vergessen werde, war besonders. Das Wetter war feucht und kühl, und die Autofahrer standen in endlosen Schlangen, um bei uns zu tanken. Ich hatte mir eine Palette ins Freie gelegt, auf der ich die meiste Zeit stand; die Kälte kroch nämlich von unten in die Füße.
Ich kassierte an den Zapfsäulen direkt ab, lief dabei zwischen den Autos und den Zapfsäulen hin und her. Theoretisch konnten sechs Autos parallel betankt werden; es war viel los. Das Bargeld steckte ich in die Taschen meines Parkas, weil es der offizielle »Geldbeutel« bald nicht mehr fassen konnte.
Irgendwann verlor ich den Überblick, wieviel Geld ich einnahm. Die meisten Leute machten den Tank voll und ließen hinterher einen 50- oder 100-Mark-Schein bei mir. Mit einer Karte zahlte niemand, alles wurde in bar entrichtet. Manche Leute wollten Belege, die ich handschriftlich ausstellte.
Und nebenbei musste ich noch das Leergut annehmen und zählen; das Leergutlager war direkt neben der Tankstelle. Das war ganz praktisch, weil ich so immerhin für einige Sekunden in meinem kleinen Büro durchatmen und die Wärme genießen konnte.
Zwischendurch hatte ich Mini-Pausen: Wenn jemand von den Kollegen kam, um etwas im Getränkelager zu erledigen, rannte ich zur Toilette; in der Zeit musste er die Kunden beruhigen, die unbedingt bezahlen wollten, oder er nahm sogar Geld an, wenn sie es passend hatten. Zweimal ließ ich mir belegte Brötchen bringen. Weil wir personell unterbesetzt waren, kam ich von der Tankstelle nicht weg.
Die Benzindämpfe lullten mich fast ein, die feuchte und kühle Luft sorgte dafür, dass ich nicht einschlief. An den unaufhörlichen Stress – hier die Tankstelle, da die Leergutannahme, beides mit Rechnen verbunden – hatte ich mich in den Tagen zuvor schon gewöhnt.
Alle waren entsetzt, als ich am späten Nachmittag – es dunkelte bereits – zur Abrechnung ins Büro des Supermarkts trat und zeigte, was ich in der Innentasche meines Parkas hatte. Ich brauchte eine Weile, bis ich alles geleert hatte; sogar die Hosentaschen hatte ich voll.
Die Scheine bildeten einen großen Haufen Papier auf dem Tisch. Sogar zwei 500-Mark-Scheine waren darunter, ich hatte das Geld achtlos in alle Taschen gestopft.
Die Verkäuferinnen starrten mich an. Ich trank heißen Kaffee mit einem Schuss Schnaps, weil ich ziemlich durchgefroren war, und überließ der Chefkassiererin das genaue Zählen. Weil es so viel Geld war, wurde zweimal gezählt; zwischendurch wurde nachgemessen, wieviel Benzin und Diesel aus den Tanks entnommen worden war.
Am Ende hatte ich über 30.000 Mark in den Taschen, einen Haufen zerknülltes Papier, das mir in diesen Augenblicken völlig egal war. Mein Stundenlohn betrug sechs oder sieben Mark, mehr bekam man nicht in diesem Jahr.
Ich war 17 Jahre alt, hatte den Kopf voller Flausen, träumte von Raumschiffen und hörte Krachmusik, las Heftromane und Comics, die alle anderen doof fanden, arbeitete und schrieb Geschichten. Aber es wäre mir nie in den Sinn gekommen, auch nur eine Mark von diesem Geld für eigene Zwecke abzuzweigen.
Labels:
Erinnerungen,
Freudenstadt,
Kürzestgeschichte
19 Oktober 2017
Im Sommer 1983 kam das achte SAGITTARIUS
Wieder einmal blicke ich auf die Ausgabe 8 meines Fanzines SAGITTARIUS. Ich war 19 Jahre alt, verdiente mein Geld damit, in einem Supermarkt und an einer Tankstelle zu arbeiten, und ging aufs Gymnasium. Wenn ich Zeit zum Träumen hatte, konnte ich mich nicht entscheiden, ob ich lieber Science-Fiction-Autor oder lieber Science-Fiction-Redakteur werden wollte.
Mein Fanzine SAGITTARIUS kam im Juni 1983 heraus; es umfasste nur 36 Seiten im A4-Format und war für meine Verhältnisse richtig gut gestaltet. Das Cover hatte ich professionell gestalten lasen; mithilfe eines Bekannten, der in einer Druckerei arbeitete und Zugang zu einer Fotosatzmaschine hatte. Der Innenteil wurde mit meiner klapperigen Schreibmaschine getippt, das Innenseiten-Layout bastelte ich mit Letraset-Buchstaben, einem Lineal und einem dünnen Filzstift, einer Schere und einer Tube mit Alleskleber.
Von den Personen, deren Namen das Cover zieren, habe ich nur noch zu einer Kontakt: Ulrich Bettermann habe ich zwar seit Jahren nicht mehr persönlich gesehen, aber immerhin vermitteln die Sozialen Netzwerke so etwas wie eine »Brieffreundschaft«. Manfred Borchard ist leider schon gestorben, mit ihm hatte ich jahrzehntelang ganz altmodisch Briefe gewechselt.
Das Titelbild stammt von Thomas Franke, der damals in der DDR wohnte und den ich vor einigen Jahren endlich einmal auf einer Buchmesse kennenlernte. Seine Grafiken beeindruckten mich damals sehr, er wollte in Druckwerken aus dem Westen bezahlt werden. (Und ich erinnere mich düster, dass bei meinem Paket etwas schiefging.)
Ansonsten ... blättere ich heute das Fanzine durch, macht es mich tatsächlich stolz. Für damalige Verhältnisse war es etwas besonderes, die Mischung war außergewöhnlich. Heute würde man wohl eher ein E-Book machen oder stellt die entsprechenden Texte einfach auf eine Internet-Seite. SAGITTARIUS mochte ich sehr!
Mein Fanzine SAGITTARIUS kam im Juni 1983 heraus; es umfasste nur 36 Seiten im A4-Format und war für meine Verhältnisse richtig gut gestaltet. Das Cover hatte ich professionell gestalten lasen; mithilfe eines Bekannten, der in einer Druckerei arbeitete und Zugang zu einer Fotosatzmaschine hatte. Der Innenteil wurde mit meiner klapperigen Schreibmaschine getippt, das Innenseiten-Layout bastelte ich mit Letraset-Buchstaben, einem Lineal und einem dünnen Filzstift, einer Schere und einer Tube mit Alleskleber.
Von den Personen, deren Namen das Cover zieren, habe ich nur noch zu einer Kontakt: Ulrich Bettermann habe ich zwar seit Jahren nicht mehr persönlich gesehen, aber immerhin vermitteln die Sozialen Netzwerke so etwas wie eine »Brieffreundschaft«. Manfred Borchard ist leider schon gestorben, mit ihm hatte ich jahrzehntelang ganz altmodisch Briefe gewechselt.
Das Titelbild stammt von Thomas Franke, der damals in der DDR wohnte und den ich vor einigen Jahren endlich einmal auf einer Buchmesse kennenlernte. Seine Grafiken beeindruckten mich damals sehr, er wollte in Druckwerken aus dem Westen bezahlt werden. (Und ich erinnere mich düster, dass bei meinem Paket etwas schiefging.)
Ansonsten ... blättere ich heute das Fanzine durch, macht es mich tatsächlich stolz. Für damalige Verhältnisse war es etwas besonderes, die Mischung war außergewöhnlich. Heute würde man wohl eher ein E-Book machen oder stellt die entsprechenden Texte einfach auf eine Internet-Seite. SAGITTARIUS mochte ich sehr!
18 Oktober 2017
40 Jahre Deutscher Herbst
»Die sind nicht so allein«, sagte mein Vater. »Bei uns in der Firma gibt's einige, die finden gut, was die machen.« Er sprach von der Roten Armee Fraktion, also den Terroristen von der »Baader-Meinhof-Bande«, wie man das damals bezeichnete. »Die meinen, es ist gut, wenn's auch mal welche von denen da oben abkriegen.«
Der sogenannte Deutsche Herbst ist in diesen Tagen genau vierzig Jahre her, und ich erinnere mich sehr gut daran. Ich habe die Bilder im »Stern« vor Augen, die blutüberströmte Terroristen auf einer Doppelseite zeigen. Das Schleyer-Bild kann ich mir nur in der Schwarzweiß-Version vorstellen, als die ich es in allen Zeitungen vor Augen geführt bekam.
Ich sehe noch den Hausmeister, der mit einem dicken Filzstift vor dem Fahndungsplakat stand, das in der Schule hing, und immer dann einen fetten Strich durch ein Gesicht zog, wenn ein Terrorist erschossen oder verhaftet wurde. »Wieder oiner erwischt«, sagte er befriedigt, als hätte er persönlich geschossen.
Die RAF war mir als Kind und Jugendlicher höchst suspekt. In den 80er-Jahren las ich gern das »Angehörigen-Info«, in dem die Angehörigen und Freunde der Inhaftierten über die Haftbedingungen informierten. Ich fand aber nie gut, dass die Terroristen politische Gegner erschossen und bei ihrem Feldzug gegen die Republik buchstäblich über Leichen gingen.
Aber wenn heute alle möglichen Leute behaupten, die RAF habe nie einen Rückhalt in der Bevölkerung gehabt, so kann das nicht stimmen. Meine Erinnerung sagt etwas anderes: Wenn ganz stinknormale Fabrikarbeiter in einer spießigen kleinen Stadt im Schwarzwald hinter vorgehaltener Hand ihre Sympathien äußerten, waren diese Arbeiter bestimmt keine Avantgarde.
Vierzig Jahre nach alledem bleiben vor allem die Bilder – die Zeitzeugen sind alt, haben viel vergessen und erinnern sich höchst subjektiv. Man wird wohl nie die Wahrheit über den Deutschen Herbst komplett erfahren.
Der sogenannte Deutsche Herbst ist in diesen Tagen genau vierzig Jahre her, und ich erinnere mich sehr gut daran. Ich habe die Bilder im »Stern« vor Augen, die blutüberströmte Terroristen auf einer Doppelseite zeigen. Das Schleyer-Bild kann ich mir nur in der Schwarzweiß-Version vorstellen, als die ich es in allen Zeitungen vor Augen geführt bekam.
Ich sehe noch den Hausmeister, der mit einem dicken Filzstift vor dem Fahndungsplakat stand, das in der Schule hing, und immer dann einen fetten Strich durch ein Gesicht zog, wenn ein Terrorist erschossen oder verhaftet wurde. »Wieder oiner erwischt«, sagte er befriedigt, als hätte er persönlich geschossen.
Die RAF war mir als Kind und Jugendlicher höchst suspekt. In den 80er-Jahren las ich gern das »Angehörigen-Info«, in dem die Angehörigen und Freunde der Inhaftierten über die Haftbedingungen informierten. Ich fand aber nie gut, dass die Terroristen politische Gegner erschossen und bei ihrem Feldzug gegen die Republik buchstäblich über Leichen gingen.
Aber wenn heute alle möglichen Leute behaupten, die RAF habe nie einen Rückhalt in der Bevölkerung gehabt, so kann das nicht stimmen. Meine Erinnerung sagt etwas anderes: Wenn ganz stinknormale Fabrikarbeiter in einer spießigen kleinen Stadt im Schwarzwald hinter vorgehaltener Hand ihre Sympathien äußerten, waren diese Arbeiter bestimmt keine Avantgarde.
Vierzig Jahre nach alledem bleiben vor allem die Bilder – die Zeitzeugen sind alt, haben viel vergessen und erinnern sich höchst subjektiv. Man wird wohl nie die Wahrheit über den Deutschen Herbst komplett erfahren.
17 Oktober 2017
Schrammelgitarrenpunkrock aus Oldenburg
Ich gestehe, dass ich eine Weile brauchte, bis ich in die neue Platte von Bitume reinkam. Klar, sie ist nicht typisch – die Band hat eine rein Akustik-Scheibe aufgenommen. Und anfangs vermisste ich schon das Wummern eines elektronisch verstärkten Basses. Aber gut!, Akustik ist jetzt auch in Punkrock-Kreisen angesagt, wie die vielen Liedermacher beweisen oder Singer-Songwriter, wie man das neudeutsch nennt.
Im Prinzip besteht »Aku« aus Akustik-Versionen von Stücken, die seit Jahren zum Repertoire der Band zählen. Die Songs werden live gespielt, sie finden sich im Original auf den unterschiedlichsten Platten. In den hier präsentierten Versionen sind sie aber extrem selten.
Tatsächlich klingt das alles ziemlich gut. Lässt man sich darauf ein, sind die Stücke so schmissig, wie man es von der Band gewohnt ist. Die Melodien gehen ins Ohr, die Texte sind eh gut: keine Politparolen, eher persönliche Aussagen, alles ein wenig schlauer formuliert als beim durchschnittlichen Deutschpunk.
Klar, dass es musikalisch dann auch in andere Richtungen geht. Die Stücke plunkern manchmal in Bereiche, die man von der Band eher nicht kennt. Es wird ein wenig geschunkelt, es kommen Elemente rein, die man eher bei irgendwelchen Polka-Kapellen vermutet – eine Mischung, die man echt an sich ranlassen muss.
Aber cool ist das Ganze schon. Ich bekam die CD, nachdem ich mich an sie gewöhnt hatte, tagelang nicht aus dem CD-Player raus.
Im Prinzip besteht »Aku« aus Akustik-Versionen von Stücken, die seit Jahren zum Repertoire der Band zählen. Die Songs werden live gespielt, sie finden sich im Original auf den unterschiedlichsten Platten. In den hier präsentierten Versionen sind sie aber extrem selten.
Tatsächlich klingt das alles ziemlich gut. Lässt man sich darauf ein, sind die Stücke so schmissig, wie man es von der Band gewohnt ist. Die Melodien gehen ins Ohr, die Texte sind eh gut: keine Politparolen, eher persönliche Aussagen, alles ein wenig schlauer formuliert als beim durchschnittlichen Deutschpunk.
Klar, dass es musikalisch dann auch in andere Richtungen geht. Die Stücke plunkern manchmal in Bereiche, die man von der Band eher nicht kennt. Es wird ein wenig geschunkelt, es kommen Elemente rein, die man eher bei irgendwelchen Polka-Kapellen vermutet – eine Mischung, die man echt an sich ranlassen muss.
Aber cool ist das Ganze schon. Ich bekam die CD, nachdem ich mich an sie gewöhnt hatte, tagelang nicht aus dem CD-Player raus.
Fortsetzung der großen Space-Opera
Kämpfe zwischen Robotern und Menschen ... Ein Roboter in Gestalt eines kleinen Jungen ... Ein Mann und eine Frau, die halb Roboter, halb Mensch ist, in inniger Umarmung ... Ein galaktisches Reich in großer Bedrängnis ... In dem aufregenden Science-Fiction-Comic »Descender« wird echt nichts ausgelassen.
Ich habe dieser Tage den vierten Band gelesen, auf den ich schon geradezu hungrig gewartet habe. Er treibt die Geschichte um einige wichtige Aspekte weiter, bringt vor allem die Hauptfiguren in neue Bedrängnis und lässt mich dann gleich sehnsüchtig auf den nächsten Band warten.
Ganz klar: Mit »Descender« hat Jeff Lemire erneut einen starken Comic geschrieben. Ich mochte seinen »Sweet Tooth« sehr, und ich fand seine Superhelden-Geschichten ebenfalls gut – ein echtes Meisterstück ist aber seine große Saga um Menschen und Roboter, um Gefühle und Ängste, in einem Science-Fiction-Universum, das auf seine emotionale Weise ganz andere Wege geht.
Der Charme der Geschichte kommt aber auch aus den Zeichnungen. Dustin Nguyen bleibt sich im vierten Band treu: Seine Bilder wirken oft fahrig, wie Skizzen, über die Wasserfarbe gespritzt worden ist. Gerade damit erzeugen sie eine Stimmung, wie man sie von anderen SF- oder Superheldengeschichten nicht kennt.
Wenn im vierten Hardcover-Band der deutschsprachigen Ausgabe der große Krieg offenbar direkt bevorsteht, ist die Spannung natürlich groß. Ich giere aber viel eher nach den weiteren Entwicklungen auf emotionaler Ebene: Wie werden sich die Figuren in welcher Stimmung entscheiden, wie wird es weitergehen?
(Wer jetzt an dieser Stelle eine ausführliche Inhaltsangabe vermisst, den muss ich vertrösten. Sie ist sowieso nicht verständlich, wenn man die vorherigen Bände der Serie nicht kennt. Wer mag, schaue sich die Leseprobe auf der Internet-Seite des Splitter-Verlages an; das erklärt vielleicht mehr ...)
Ich habe dieser Tage den vierten Band gelesen, auf den ich schon geradezu hungrig gewartet habe. Er treibt die Geschichte um einige wichtige Aspekte weiter, bringt vor allem die Hauptfiguren in neue Bedrängnis und lässt mich dann gleich sehnsüchtig auf den nächsten Band warten.
Ganz klar: Mit »Descender« hat Jeff Lemire erneut einen starken Comic geschrieben. Ich mochte seinen »Sweet Tooth« sehr, und ich fand seine Superhelden-Geschichten ebenfalls gut – ein echtes Meisterstück ist aber seine große Saga um Menschen und Roboter, um Gefühle und Ängste, in einem Science-Fiction-Universum, das auf seine emotionale Weise ganz andere Wege geht.
Der Charme der Geschichte kommt aber auch aus den Zeichnungen. Dustin Nguyen bleibt sich im vierten Band treu: Seine Bilder wirken oft fahrig, wie Skizzen, über die Wasserfarbe gespritzt worden ist. Gerade damit erzeugen sie eine Stimmung, wie man sie von anderen SF- oder Superheldengeschichten nicht kennt.
Wenn im vierten Hardcover-Band der deutschsprachigen Ausgabe der große Krieg offenbar direkt bevorsteht, ist die Spannung natürlich groß. Ich giere aber viel eher nach den weiteren Entwicklungen auf emotionaler Ebene: Wie werden sich die Figuren in welcher Stimmung entscheiden, wie wird es weitergehen?
(Wer jetzt an dieser Stelle eine ausführliche Inhaltsangabe vermisst, den muss ich vertrösten. Sie ist sowieso nicht verständlich, wenn man die vorherigen Bände der Serie nicht kennt. Wer mag, schaue sich die Leseprobe auf der Internet-Seite des Splitter-Verlages an; das erklärt vielleicht mehr ...)
16 Oktober 2017
Wie ich auf der Messe langsam rot wurde ...
Eines meiner amüsantesten Messegespräche entwickelte sich zufällig. Ich schaute am Freitag noch einmal beim Stand des Dryas-Verlages vorbei, um mich dort zu verabschieden. Sandra Thoms, die Verlagsleiterin, hatte vor bald zehn Jahren meinen Kurzgeschichtenband »Das Tier von Garoua« verlegt, wofür ich ihr immer noch sehr dankbar bin.
Sie saß mit drei anderen Frauen am Tisch, ich wurde in die Runde eingeladen. Die anderen Frauen gehörten zum Verlag Plaisir d'Amour, mit dem sich der Dryas-Verlag den Gemeinschaftsstand teilte: die Verlegerin und zwei Autorinnen, alle drei witzig und schlagfertig.
Und ruckzuck waren wir in einem Gespräch, in dem es um Sex mit Dinosauriern, Sex mit Tentakelmonstern und andere Dinge ging. Ich erfuhr, dass vor allem Frauen die Bücher kaufen würden, in denen es um BDSM ginge, dass dies kein Genre für Männer sei, und andere Dinge. Ich nehme an, dass ich nicht nur einmal rot wurde.
Das Beste war, als ich auf ein Titelbild schaute. Dann sagte ich nachdenklich, die Schrift sei nicht gut. »Die kann man nicht gut lesen«, meinte ich.
Die Frauen lachten mich aus. Niemand würde sich die Schrift anschauen. Wichtiger sei doch der Mann dahinter. Und erst dann erkannte ich den im düsteren Hintergrund stehenden Mann mit nacktem Oberkörper und perfekter Bauchmuskulatur.
In dieser Gesprächsrunde lernte ich viel ... Und ich glaube seitdem fest: Bevor ich versuchen würde, Liebesromane oder andere Romane für Plaisir d'Amour zu schreiben, müsste ich mich in manche Themen noch richtig tief einarbeiten ...
Sie saß mit drei anderen Frauen am Tisch, ich wurde in die Runde eingeladen. Die anderen Frauen gehörten zum Verlag Plaisir d'Amour, mit dem sich der Dryas-Verlag den Gemeinschaftsstand teilte: die Verlegerin und zwei Autorinnen, alle drei witzig und schlagfertig.
Und ruckzuck waren wir in einem Gespräch, in dem es um Sex mit Dinosauriern, Sex mit Tentakelmonstern und andere Dinge ging. Ich erfuhr, dass vor allem Frauen die Bücher kaufen würden, in denen es um BDSM ginge, dass dies kein Genre für Männer sei, und andere Dinge. Ich nehme an, dass ich nicht nur einmal rot wurde.
Das Beste war, als ich auf ein Titelbild schaute. Dann sagte ich nachdenklich, die Schrift sei nicht gut. »Die kann man nicht gut lesen«, meinte ich.
Die Frauen lachten mich aus. Niemand würde sich die Schrift anschauen. Wichtiger sei doch der Mann dahinter. Und erst dann erkannte ich den im düsteren Hintergrund stehenden Mann mit nacktem Oberkörper und perfekter Bauchmuskulatur.
In dieser Gesprächsrunde lernte ich viel ... Und ich glaube seitdem fest: Bevor ich versuchen würde, Liebesromane oder andere Romane für Plaisir d'Amour zu schreiben, müsste ich mich in manche Themen noch richtig tief einarbeiten ...
15 Oktober 2017
Das blutende Land in Dreieich
Für mein Selbstwertgefühl hatten die Verantwortlichen des BuchmesseCons in Dreieich vorgesorgt: Meine Lesung fand in einem kleinen Raum statt, der auch mit zehn Besuchern nicht völlig leer gewirkt hätte. Es kamen erfreulicherweise einige Personen mehr, so dass am Ende alle Sitzplätze belegt waren und manche Besucher sogar stehen mussten.
Ich hatte meine Auszüge aus »Das blutende Land« zwar einmal daheim geübt, aber offenbar nicht gut genug. Das merkte ich bei gelegentlichen Stotterern und Verlesern. Zumindest ärgerte sich darüber niemand offensichtlich, die Zuhörer amüsierten sich eher.
Zuerst erzählte ich ein wenig über mich und mein Buchprojekt, dann las ich den Prolog vor. Den finde ich immer noch gut, er stellt die Hauptfigur vor und macht die »Tonality« des Romans klar, zeigt also, in welche Richtung die Handlung gehen könnte.
Ich plauderte ein wenig, deutete einige Dinge zum Inhalt an und las eine Szene aus dem ersten Kapitel, die einen der Bösewichte vorstellt. Dabei stolperte ich ein wenig zu oft und war erleichtert, als ich fertig war – man weiß ja nie so richtig, wie was bei den Zuhörern ankommt.
Danach beantwortete ich Fragen. Auf eine war ich gar nicht vorbereitet: Um was es denn eigentlich ginge? Ich stellte fest, dass es gar nicht so einfach ist, ein 500-Seiten-Buch, an dem man ein Jahr lang gearbeitet hat, in wenigen Sätzen so zusammenzufassen, dass es allgemein verständlich ist. (Ich werde es demnächst im Blog nachholen.)
Auf die anderen Fragen ging ich hoffentlich souveräner ein. Ich merkte dann schon, wie ich ins Schwitzen geriet, und war sehr froh, als der »Room Master« mir das Zeichen gab, ich müsste jetzt aufhören. Aber meine Buchvorstellung von »Das blutende Land« bewertete ich als positiv.
Ich hatte meine Auszüge aus »Das blutende Land« zwar einmal daheim geübt, aber offenbar nicht gut genug. Das merkte ich bei gelegentlichen Stotterern und Verlesern. Zumindest ärgerte sich darüber niemand offensichtlich, die Zuhörer amüsierten sich eher.
Zuerst erzählte ich ein wenig über mich und mein Buchprojekt, dann las ich den Prolog vor. Den finde ich immer noch gut, er stellt die Hauptfigur vor und macht die »Tonality« des Romans klar, zeigt also, in welche Richtung die Handlung gehen könnte.
Ich plauderte ein wenig, deutete einige Dinge zum Inhalt an und las eine Szene aus dem ersten Kapitel, die einen der Bösewichte vorstellt. Dabei stolperte ich ein wenig zu oft und war erleichtert, als ich fertig war – man weiß ja nie so richtig, wie was bei den Zuhörern ankommt.
Danach beantwortete ich Fragen. Auf eine war ich gar nicht vorbereitet: Um was es denn eigentlich ginge? Ich stellte fest, dass es gar nicht so einfach ist, ein 500-Seiten-Buch, an dem man ein Jahr lang gearbeitet hat, in wenigen Sätzen so zusammenzufassen, dass es allgemein verständlich ist. (Ich werde es demnächst im Blog nachholen.)
Auf die anderen Fragen ging ich hoffentlich souveräner ein. Ich merkte dann schon, wie ich ins Schwitzen geriet, und war sehr froh, als der »Room Master« mir das Zeichen gab, ich müsste jetzt aufhören. Aber meine Buchvorstellung von »Das blutende Land« bewertete ich als positiv.
14 Oktober 2017
Wie ich in Halle 3.0 zum Fanboy mutierte ...
Am Freitagmittag wurde ich schlagartig zu einem pickeligen Science-Fiction-Fan – und ich war nicht darauf vorbereitet. Am Stand von Cross Cult signierte nämlich Nnedi Okorafor, deren Roman »Lagune« ich so toll gefunden hatte. Ich bin also gewissermaßen ein Fan dieser Autorin, die eine extrem coolen Eindruck machte und überhaupt nicht wie ein »nerdiger« Science-Fiction-Autor wirkte.
Da saß sie also bei CrossCult, sah cool aus, und mir fielen die einfachsten englischen Vokabeln nicht mehr ein. Der eine oder andere Schubser netter CrossCult-Mitarbeiterinnen half, und so ließ ich mir immerhin den Roman »Wer fürchtet den Tod« signieren.
Die Autorin schrieb dabei nicht nur ihren Namen in das Buch, sondern malte auch die Kanten des Buchblocks an. So habe ich eine künstlerisch gestaltete Ausgabe dieses Buches, was echt cool ist.
Danach versuchte ich mich ein wenig an Konversation, die wahrscheinlich auch eher uncool und peinlich war. Ich stotterte herum, plapperte von meinen Afrikareisen und dass ich Nigeria immer für gefährlich gehalten habe.
Sie lächelte und meinte, in Nigerie sei es manchmal sehr »rough« – aber ich vermute, sie hielt mich einfach für das, was ich war, für einen Fanboy nämlich. Aber irgendwie hatte das dann auch was ...
Da saß sie also bei CrossCult, sah cool aus, und mir fielen die einfachsten englischen Vokabeln nicht mehr ein. Der eine oder andere Schubser netter CrossCult-Mitarbeiterinnen half, und so ließ ich mir immerhin den Roman »Wer fürchtet den Tod« signieren.
Die Autorin schrieb dabei nicht nur ihren Namen in das Buch, sondern malte auch die Kanten des Buchblocks an. So habe ich eine künstlerisch gestaltete Ausgabe dieses Buches, was echt cool ist.
Danach versuchte ich mich ein wenig an Konversation, die wahrscheinlich auch eher uncool und peinlich war. Ich stotterte herum, plapperte von meinen Afrikareisen und dass ich Nigeria immer für gefährlich gehalten habe.
Sie lächelte und meinte, in Nigerie sei es manchmal sehr »rough« – aber ich vermute, sie hielt mich einfach für das, was ich war, für einen Fanboy nämlich. Aber irgendwie hatte das dann auch was ...
13 Oktober 2017
Wer zwischen den Städten pendelt
Ich kam am Donnerstag gut aus der Messe heraus, bummelte in aller Gemütsruhe zum Bahnhof, aß dort noch eine Portion Pommes – wenn schon Buchmesse, dann auch richtig tolles Essen – und fuhr danach mit der Bahn nach Hause. Das war alles in allem doch sehr angenehm; ich finde dieses Vorgehen nach wie vor gut.
Am Freitag fuhr ich mit dem Auto zur Messe. Schließlich würde ich abends auf einer Veranstaltung sein, und das könnte ja wieder sehr lang dauern; die Rückfahrt mit der Bahn wird da zu einem Vabanque-Spiel.
Weil ich mich mit den Straßen der Region gut auskannte, mied ich zwischen Karlsruhe und Mannheim praktisch die Autobahn und nahm die gut ausgebaute Landstraße. Womit ich aber nicht rechnen konnte: Ausgerechnet an diesem Freitag wurde an der B 36 stark gebaut.
Meine Laune blieb gut, die Musik und das Hörbuch im Auto trugen dazu bei. Ich kam einigermaßen pünktlich zur Messe, traf gleich die ersten Bekannten, kam zeitig zum ersten Termin und stürzte mich so ins Gewühl. Wenn eine Baustelle das einzige Problem einer solchen Messe ist, kann eigentlich sonst nichts schiefgehen.
Am Freitag fuhr ich mit dem Auto zur Messe. Schließlich würde ich abends auf einer Veranstaltung sein, und das könnte ja wieder sehr lang dauern; die Rückfahrt mit der Bahn wird da zu einem Vabanque-Spiel.
Weil ich mich mit den Straßen der Region gut auskannte, mied ich zwischen Karlsruhe und Mannheim praktisch die Autobahn und nahm die gut ausgebaute Landstraße. Womit ich aber nicht rechnen konnte: Ausgerechnet an diesem Freitag wurde an der B 36 stark gebaut.
Meine Laune blieb gut, die Musik und das Hörbuch im Auto trugen dazu bei. Ich kam einigermaßen pünktlich zur Messe, traf gleich die ersten Bekannten, kam zeitig zum ersten Termin und stürzte mich so ins Gewühl. Wenn eine Baustelle das einzige Problem einer solchen Messe ist, kann eigentlich sonst nichts schiefgehen.
12 Oktober 2017
Auf der Rolltreppe
Die Kollegin Philine vom Marketing und ich sind auf dem Messegelände unterwegs, wir nehmen angesichts des schönen Wetters die außen verlaufende Rolltreppe, die Halle 3.0 mit Halle 3.1 verbindet. Von hinten nähert sich uns eine Dame. Ich denke, sie will vorbei, weiche aus, stelle mich hinter Philine und nicke ihr zu.
Die Dame lächelt verlegen. »Ich habe Angst auf Rolltreppen«, sagt sie, »und ich fühle mich sicherer, wenn hinter mir jemand steht. Darf ich mich vor Sie stellen.«
Wir bestätigen. Sie stellt sich vor uns, presst die Hand auf den Handlauf und bedankt sich. Dann beginnt sie zu jammern. »Ohje, ist das hoch, ohje, geht's da tief runter.«
Philine versucht es mit einem Trost: »Dafür haben wir doch eine tolle Aussicht.«
Ich versuche es mit Humor: »Wenn Sie fallen, fange ich Sie auf. Es wird nichts passieren.«
Die Dame jammert und klagt, sie hat wirklich Angst. »Das mach ich sicher nie wieder«, gelobt sie lauthals.
Es ist eine sehr lange Rolltreppe. Bei schönem Wetter benutze ich sie gern – man sieht so viel. Aber an diesem Tag wird mir erstmals bewusst, dass sie für manche Leute auch einfach viel zu lang sein kann ...
Die Dame lächelt verlegen. »Ich habe Angst auf Rolltreppen«, sagt sie, »und ich fühle mich sicherer, wenn hinter mir jemand steht. Darf ich mich vor Sie stellen.«
Wir bestätigen. Sie stellt sich vor uns, presst die Hand auf den Handlauf und bedankt sich. Dann beginnt sie zu jammern. »Ohje, ist das hoch, ohje, geht's da tief runter.«
Philine versucht es mit einem Trost: »Dafür haben wir doch eine tolle Aussicht.«
Ich versuche es mit Humor: »Wenn Sie fallen, fange ich Sie auf. Es wird nichts passieren.«
Die Dame jammert und klagt, sie hat wirklich Angst. »Das mach ich sicher nie wieder«, gelobt sie lauthals.
Es ist eine sehr lange Rolltreppe. Bei schönem Wetter benutze ich sie gern – man sieht so viel. Aber an diesem Tag wird mir erstmals bewusst, dass sie für manche Leute auch einfach viel zu lang sein kann ...
Viertelstunde am Kolpingplatz
So eine Fahrt zur Buchmesse kann zu einer nervenzerfetzenden Angelegenheit werden. Vor allem, wenn man – wie ich – am Abend zuvor bemerkt, dass man seinen Terminplaner vergessen hat und man erst mal den Kollegen in der Firma bitten muss, das Ding per Mail nachzuschicken.
Aber so saß ich am Donnerstagmorgen, 12. Oktober 2017, pünktlich in der Straßenbahn, die mich zum Bahnhof bringen sollte. Alles sah gut aus, ich bekam auch den Wechsel der Bahnen am Europaplatz gut hin. Es war klar, dass es knapp werden würde – aber ich bin ja gut zu Fuß und war deshalb sehr optimistisch.
Dann kam der Kolpingplatz, und dort standen wir eine Viertelstunde lang. Es gab keine Durchsage, nichts, nur seltsame Geräusche, die von außen hereindrangen. Irgendwann kam die Durchsage, dass es ein Problem in der Straße vor uns gäbe, aber dann ging es auch schon weiter.
Sechs Minuten nach der offiziellen Abfahrtszeit meines Zuges kam ich am Hauptbahnhof an und machte mich schon auf allerlei gespannt. Doch manchmal ist auf die Bahn ja Verlass: Der ICE aus dem Süden hatte elf Minuten Verspätung. Und so konnte ich meine Reise gen Frankfurt dann doch antreten – in einem recht überfüllten Abteil allerdings (wenngleich ohne Leberwurstbrote).
11 Oktober 2017
Kotzan trifft im OX auf Peter
In einer Fortsetzungsgeschichte muss immer mal wieder eine neue Nebenfigur eingeführt werden. Wer wüsste das nicht besser als ich nach all den Jahren an der Roman-Front? Und das ziehe ich natürlich bei meinem aktuellen Fortsetzungsroman »Der gute Geist des Rock'n'Roll« durch.
In der Ausgabe 134 des OX-Fanzines, die nach einigen Verzögerungen nun endlich bei mir eingetroffen ist, grinsen mich die alten Herren von Slime vom Titelbild an. Das passt ein wenig zu meiner Hauptfigur – die macht den Punkrock-Zirkus schließlich lange genug mit und hat die frühen Zeiten von Slime mitbekommen.
In der Folge neun meines Fortsetzungsromans führe ich Kotzan ein. Der junge Mann ist Skinhead – kein Nazi natürlich – und kommt »aus einem brandenburgischen Kaff«, wohnt aber seit längerem in Süddeutschland. Mit ihm wird mein Ich-Erzähler, der nicht mehr Peter Pank genannt werden möchte, in den nächsten Folgen des Romans sicher einige Abenteuer verbringen.
Weil die Geschichte im Jahr 1996 spielt und nicht mehr in den 80er-Jahren, spielen Bands wie Slime übrigens keine Rolle mehr. Die »Peter Pank«-Trilogie siedelte ich in den 80er-Jahren an, da geht es ständig um Punkrock und Deutschpunk; der letzte Teil ist dann deutlich Hardcore-geprägt. Und jetzt?
Im Jahr 1996 herrschte ein wenig die Orientierungslosigkeit vor. Punkrock war einerseits zu einer Geldmaschinerie verkommen, bei der einige Bands richtig erfolgreich waren, während sich Hardcore in eine seltsame Richtung entwickelt hatte, mit der ich nichts mehr anfangen konnte. Ob und wie ich dieses Zeitgefühl in meinem Roman verarbeiten kann, werde ich noch sehen müssen ...
In der Ausgabe 134 des OX-Fanzines, die nach einigen Verzögerungen nun endlich bei mir eingetroffen ist, grinsen mich die alten Herren von Slime vom Titelbild an. Das passt ein wenig zu meiner Hauptfigur – die macht den Punkrock-Zirkus schließlich lange genug mit und hat die frühen Zeiten von Slime mitbekommen.
In der Folge neun meines Fortsetzungsromans führe ich Kotzan ein. Der junge Mann ist Skinhead – kein Nazi natürlich – und kommt »aus einem brandenburgischen Kaff«, wohnt aber seit längerem in Süddeutschland. Mit ihm wird mein Ich-Erzähler, der nicht mehr Peter Pank genannt werden möchte, in den nächsten Folgen des Romans sicher einige Abenteuer verbringen.
Weil die Geschichte im Jahr 1996 spielt und nicht mehr in den 80er-Jahren, spielen Bands wie Slime übrigens keine Rolle mehr. Die »Peter Pank«-Trilogie siedelte ich in den 80er-Jahren an, da geht es ständig um Punkrock und Deutschpunk; der letzte Teil ist dann deutlich Hardcore-geprägt. Und jetzt?
Im Jahr 1996 herrschte ein wenig die Orientierungslosigkeit vor. Punkrock war einerseits zu einer Geldmaschinerie verkommen, bei der einige Bands richtig erfolgreich waren, während sich Hardcore in eine seltsame Richtung entwickelt hatte, mit der ich nichts mehr anfangen konnte. Ob und wie ich dieses Zeitgefühl in meinem Roman verarbeiten kann, werde ich noch sehen müssen ...
10 Oktober 2017
Human Mess rotzen
In Bakersfield in Kalifornien hatte ich in den Nullerjahren mal einen Aufenthalt, weil der Bus eine halbe Stunde pausierte. In Erinnerung habe ich nur Tankstellen, Schnellimbisse und Einkaufszentren, wirklich nichts Besonderes.
Aus dieser Stadt kam in den Nullerjahren eine Band namens Human Mess. Sie brachte eine Langspielplatte und zwei EPs heraus, spielte rotzigen Hardcore und verschwand wieder. Ich habe immerhin die EP mit dem Titel »Uncaged Animal« – auch die ist nicht spektakulär.
Der Sound ist schrubbig, die fünf Stücke auf der EP haben insgesamt eine Länge von nicht viel mehr als fünf Minuten. Der Sänger keift, die Musiker rotzen; das macht durchaus Laune, ist unterm Strich aber arg gesichtslos. Zu No Way Records, dem Label der Band, passte das durchaus.
Die Texte sind übrigens nicht schlecht. »I cant's escape from myself«, schreit der Sänger im Titelstück. »This is a living hell.« Das ist konsequent, Hardcore-Punk eben, wie er sein muss. Keine Platte für die Ewigkeit, aber eine, die knallt. Was will ich mehr?
Aus dieser Stadt kam in den Nullerjahren eine Band namens Human Mess. Sie brachte eine Langspielplatte und zwei EPs heraus, spielte rotzigen Hardcore und verschwand wieder. Ich habe immerhin die EP mit dem Titel »Uncaged Animal« – auch die ist nicht spektakulär.
Der Sound ist schrubbig, die fünf Stücke auf der EP haben insgesamt eine Länge von nicht viel mehr als fünf Minuten. Der Sänger keift, die Musiker rotzen; das macht durchaus Laune, ist unterm Strich aber arg gesichtslos. Zu No Way Records, dem Label der Band, passte das durchaus.
Die Texte sind übrigens nicht schlecht. »I cant's escape from myself«, schreit der Sänger im Titelstück. »This is a living hell.« Das ist konsequent, Hardcore-Punk eben, wie er sein muss. Keine Platte für die Ewigkeit, aber eine, die knallt. Was will ich mehr?
09 Oktober 2017
Zwei neue Bekannte im Zug
Eigentlich hatte ich mich auf eine angenehme Zugfahrt eingestellt. Warum ich ein Abteil gebucht hatte, wusste ich nicht mehr. Aber ich saß am Gang, bekam so immer wieder frische Luft ab und stellte mich darauf ein, eine schöne Mischung aus Manuskripte-Arbeit, Lesen und Schlafen während der Fahrt als Programm zu absolvieren.
Doch ich hatte die Rechnung ohne die zwei Männer gemacht, die unterwegs zustiegen. Sie sprachen Schwäbisch, was ja nicht schlimm ist – vor allem nicht für mich, der ich denselben Dialekt benutze. Aber was sie redeten, war ziemlich anstrengend: Sie tauschten Belanglosigkeiten aus.
Offenbar kamen die beiden aus einem Dorf, in dem sie jeden kannten. Entsprechend verlief das Gespräch: Auf ein »weisch, was der Horschd g'macht hodd?« kam garantiert ein ebenso spannendes »Ha was, des ka jetzt nedd sei« oder ähnliches. Sie deklinierten ihre halbe Verwandtschaft durch und kamen zu keinem Ende.
Es war mir nicht möglich, mich auf ein Manuskript zu konzentrieren. Ich musste ihnen zuhören; wahrscheinlich war ich der einzige Mensch im Zug, der jedes Wort verstand. Mein Hirn schaltete nicht ab, es schaltete vielmehr auf Empfang. Ich litt in Gedanken.
Also versuchte ich zu schlafen, aber das funktionierte ebenfalls nicht. Die beiden redeten und redeten und redeten, und sie fanden kein Ende. Mein Hirn leider auch nicht: Wie ein Schwamm saugte es jede Belanglosigkeit in sich auf.
Ich überlegte mir schon, ob ich aufstehen und in den Speisewagen gehen sollte. Dort hatte ich sicher keine Ruhe für mein Manuskript und mich, aber es konnte nicht sooo schlimm sein. Aber wofür hatte ich eigentlich einen Platz reserviert?
Die beiden taten nichts Falsches – es war ja mein Fehler, dass ich nicht abschalten konnte. Aber dann taten sie etwas, das mich aus dem Abteil prügelte: Sie packten ihr Vesper aus. Der intensive Geruch nach Leberwurst drang in dicken Schwaden in jede Ritze des Abteils.
Ich war seit den frühen 90er-Jahren Vegetarier, als Kind aß ich gern Leberwurst, und mir macht der Geruch eigentlich nichts aus. Diese Wurst roch aber intensiv, ich hätte mich fast erbrochen. Meine Augen tränten, meine Nase juckte, die Ohren bluteten sowieso wegen des Geredes – zumindest im übertragenen Sinn.
Taumelnd stand ich auf, hielt mich an der Tür fest. Ich floh geradezu aus dem Abteil. An diesem Tag hatte ich wieder einmal einen Kampf verloren ...
Doch ich hatte die Rechnung ohne die zwei Männer gemacht, die unterwegs zustiegen. Sie sprachen Schwäbisch, was ja nicht schlimm ist – vor allem nicht für mich, der ich denselben Dialekt benutze. Aber was sie redeten, war ziemlich anstrengend: Sie tauschten Belanglosigkeiten aus.
Offenbar kamen die beiden aus einem Dorf, in dem sie jeden kannten. Entsprechend verlief das Gespräch: Auf ein »weisch, was der Horschd g'macht hodd?« kam garantiert ein ebenso spannendes »Ha was, des ka jetzt nedd sei« oder ähnliches. Sie deklinierten ihre halbe Verwandtschaft durch und kamen zu keinem Ende.
Es war mir nicht möglich, mich auf ein Manuskript zu konzentrieren. Ich musste ihnen zuhören; wahrscheinlich war ich der einzige Mensch im Zug, der jedes Wort verstand. Mein Hirn schaltete nicht ab, es schaltete vielmehr auf Empfang. Ich litt in Gedanken.
Also versuchte ich zu schlafen, aber das funktionierte ebenfalls nicht. Die beiden redeten und redeten und redeten, und sie fanden kein Ende. Mein Hirn leider auch nicht: Wie ein Schwamm saugte es jede Belanglosigkeit in sich auf.
Ich überlegte mir schon, ob ich aufstehen und in den Speisewagen gehen sollte. Dort hatte ich sicher keine Ruhe für mein Manuskript und mich, aber es konnte nicht sooo schlimm sein. Aber wofür hatte ich eigentlich einen Platz reserviert?
Die beiden taten nichts Falsches – es war ja mein Fehler, dass ich nicht abschalten konnte. Aber dann taten sie etwas, das mich aus dem Abteil prügelte: Sie packten ihr Vesper aus. Der intensive Geruch nach Leberwurst drang in dicken Schwaden in jede Ritze des Abteils.
Ich war seit den frühen 90er-Jahren Vegetarier, als Kind aß ich gern Leberwurst, und mir macht der Geruch eigentlich nichts aus. Diese Wurst roch aber intensiv, ich hätte mich fast erbrochen. Meine Augen tränten, meine Nase juckte, die Ohren bluteten sowieso wegen des Geredes – zumindest im übertragenen Sinn.
Taumelnd stand ich auf, hielt mich an der Tür fest. Ich floh geradezu aus dem Abteil. An diesem Tag hatte ich wieder einmal einen Kampf verloren ...
08 Oktober 2017
Eine Bestenliste für die phantastische Literatur
Der Ansatz ist grundsätzlich richtig: »Das Genre Phantastik in seiner gesamten Vielfalt soll in der Öffentlichkeit mehr Aufmerksamkeit und Anerkennung erhalten.« Entsprechend neugierig war ich auf das Ergebnis. Immerhin wollten die Online-Seite Literaturschock.de und das Phantastik-Autoren-Netzwerk (PAN) gemeinsam »die besten phantastischen Romane« eines jeweiligen Monats präsentieren.
Die erste Liste liegt vor – und ich finde, sie kann sich sehen lassen. Offenbar kennen sich die Juroren mit den Genres aus, sie haben eine schöne Auswahl getroffen. Immerhin solle der Schwerpunkt ja auch »auf textlich und/oder inhaltlich anspruchsvolleren Werken« liegen; dazu gehört dann auch, dass entsprechend begründet wird.
Sicher wird jede Person, die sich diese Liste anschaut, etwas zu kritisieren haben. Manchmal fehlt etwas, bei manchem Titel sind die Kriterien nicht eindeutig, und häufig kann man geschmäcklerisch sowieso anderer Ansicht sein. Aber schauen wir uns doch mal die zehn Titel für den Oktober 2017 an ...
Mit Nnedi Okorafors Roman »Lagune« leisten sich die Juroren einen starken Platz-Eins-Titel; mich hat das Werk im Jahr 2017 auch sehr angesprochen. Es ist eine Science-Fiction-Geschichte, die von der Grundidee nicht überrascht – wieder mal besuchen die Aliens die Erde. Was die Autorin aber aus der Idee macht, ist großartig; hier vermengen sich afrikanische Mythen und moderne Science Fiction.
Den Fantasy-Roman »Nevernight. Die Prüfung« von Jay Kristoff sagt mir nichts, sprach mich bislang nicht an – er wurde auf Platz zwei gehievt. Auf dem dritten Platz finde ich »Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten« von Becky Chambers, den ich angefangen und wieder abgebrochen habe, den ich aber noch einmal versuchen werde: eine optimistische Science Fiction im Jahr 2017 war mir vielleicht »too much«.
-»Vier Farben der Magie« von V. E. Schwab sagt mir nichts; der Fantasy-Roman sprach mich nicht an. Auf dem Stapel der noch zu lesenden Bücher liegt seit einem Jahr – seufz! – Andreas Brandhorsts Science-Fiction-Roman »Omni«. Auch auf Platz sechs ist ein SF-Titel; allerdings hat mich »Die drei Sonnen« von Cixin Liu bislang nicht angesprochen.
Wirklich überrascht hat mich »Exit West« von Mohsin Hamid. Der Roman ist bei DuMont erschienen, ich hatte den nicht im Visier, und deshalb finde ich es höchst interessant, dass so ein Werk auf Platz sieben steht. Gut!
»Sturm aus dem Süden« von T. S. Orgel ist der zweite Teil der »Blausteinkriege«; alle Welt sagt mir ja, dass das gut sei und ich es endlich mal lesen sollte. Konsequenterweise steht es auch auf der »Bestenliste«. Hm.
Mit »Skargat. Der Stern der Mitternacht« von Daniel Illger ist dann auch mal ein Roman auf der Liste, der mich so richtig gar nicht interessiert – aber das ist okay so. Zum Ausgleich liegt mit »Venus siegt« von Dietmar Dath ein weiterer Titel aus dieser Liste bei mir daheim im »Zum Lesen«-Stapel.
Hin wie her: eine schöne Mischung, eine spannende Liste. Respekt an die Jury – so darf das gern weitergehen!
07 Oktober 2017
Wie ich die Literaturtage verpasste
Auf einmal standen Leute auf dem Platz, an dem wir wohnen: Sie bauten ein Mikrofon auf, sie platzierten zwei Lautsprecherboxen. Jemand stellte sich hin und hielt eine kleine Ansprache, und einige Leute schauten und hörten zu, sie applaudierten.
Ich benötigte eine Weile, bis ich verstand, was vor meinen Augen ablief: Es war eine Lesung. Ein Autor stellte sein Manuskript vor, das Publikum hatte er offenbar gleich mitgebracht.
Ein Blick in das örtliche Informationsblatt machte mir klar: In Karlsruhe fanden irgendwelche Literaturtage statt, es gab überall in der Stadt Lesungen und andere öffentliche Veranstaltungen.
Und ich wusste nichts davon. Das machte mich einigermaßen sprachlos. Ich interessiere mich für Literatur, ich verdiene mein Geld damit, Science Fiction zu veröffentlichen – was ja schon zur Literatur zählt –, aber ich wusste nichts von dieser Veranstaltungsreihe.
Wahrscheinlich bin ich schrecklich ignorant. Vielleicht sollte ich mich stärker mit der literarischen Szene meiner Heimatstadt vernetzen. Dann wüsste ich so etwas im voraus.
Aber dann machte ich mir eines klar: Man kann nicht alles haben. Nie. Und das beruhigte mich ...
Ich benötigte eine Weile, bis ich verstand, was vor meinen Augen ablief: Es war eine Lesung. Ein Autor stellte sein Manuskript vor, das Publikum hatte er offenbar gleich mitgebracht.
Ein Blick in das örtliche Informationsblatt machte mir klar: In Karlsruhe fanden irgendwelche Literaturtage statt, es gab überall in der Stadt Lesungen und andere öffentliche Veranstaltungen.
Und ich wusste nichts davon. Das machte mich einigermaßen sprachlos. Ich interessiere mich für Literatur, ich verdiene mein Geld damit, Science Fiction zu veröffentlichen – was ja schon zur Literatur zählt –, aber ich wusste nichts von dieser Veranstaltungsreihe.
Wahrscheinlich bin ich schrecklich ignorant. Vielleicht sollte ich mich stärker mit der literarischen Szene meiner Heimatstadt vernetzen. Dann wüsste ich so etwas im voraus.
Aber dann machte ich mir eines klar: Man kann nicht alles haben. Nie. Und das beruhigte mich ...
06 Oktober 2017
Das blutende Land und der Con
Am heutigen Tag habe ich gleich zwei Gründe, mich zu freuen: Laut Verlagsauskunft ist heute mein Roman »Das blutende Land« bei Droemer-Knaur eingetroffen. Der Roman landet erst im November im Handel – aber üblicherweise erhalten Verlage von der Druckerei ihre Vorabexemplare.
Die schaut man sich üblicherweise an und freut sich meist auch drüber. Hoffentlich ist es in diesem Fall ebenso. Bei mir dauert es eine Weile, bis ich mich so richtig und öffentlich freuen kann. Aber ein wenig gejubelt wurde heute schon mal.
Der andere Grund, der mich freut, ist der BuchmesseCon. Dass ich bei dieser Veranstaltung mein Buch präsentieren werde, habe ich schon gelegentlich ausgeplaudert. Im Programmplan wird das Ganze mittlerweile schön präsentiert: am Samstag, 14. Oktober, um 18 Uhr in Dreieich also ...
Die Veranstalter haben mir harte Konkurrenz eingebaut: Beispielsweise stellt der Kollege Robert Corvus in einem anderen Roman seinen aktuellen Science-Fiction-Roman vor; dazu gibt es ein Kamingespräch mit Herbert W. Franke, dem Altmeister der deutschsprachigen Science Fiction. Das sind nur zwei der Höhepunkte an diesem Tag.
Ich bin dennoch optimistisch und hoffe, mich ein wenig auf die Lesung vorbereiten zu können. Wobei ich sicher nicht nur lesen werde, sondern auch ein wenig erzählen. Und dann lasse ich eh alles auf mich zukommen ...
Die schaut man sich üblicherweise an und freut sich meist auch drüber. Hoffentlich ist es in diesem Fall ebenso. Bei mir dauert es eine Weile, bis ich mich so richtig und öffentlich freuen kann. Aber ein wenig gejubelt wurde heute schon mal.
Der andere Grund, der mich freut, ist der BuchmesseCon. Dass ich bei dieser Veranstaltung mein Buch präsentieren werde, habe ich schon gelegentlich ausgeplaudert. Im Programmplan wird das Ganze mittlerweile schön präsentiert: am Samstag, 14. Oktober, um 18 Uhr in Dreieich also ...
Die Veranstalter haben mir harte Konkurrenz eingebaut: Beispielsweise stellt der Kollege Robert Corvus in einem anderen Roman seinen aktuellen Science-Fiction-Roman vor; dazu gibt es ein Kamingespräch mit Herbert W. Franke, dem Altmeister der deutschsprachigen Science Fiction. Das sind nur zwei der Höhepunkte an diesem Tag.
Ich bin dennoch optimistisch und hoffe, mich ein wenig auf die Lesung vorbereiten zu können. Wobei ich sicher nicht nur lesen werde, sondern auch ein wenig erzählen. Und dann lasse ich eh alles auf mich zukommen ...
05 Oktober 2017
Ein Jung-Fan im Jahr 1966
Hubert Strassl, wohnhaft in Linz, zählte zu den ersten Science-Fiction-Fans in Österreich, die sich den entstehenden fannischen Strukturen beschäftigten. Bereits in den fünfziger Jahren knüpfte er erste Kontakte, im Herbst 1961 wurde er aktives Mitglied in der »Linzer Gruppe« – und fünf Jahre später schrieb er das 18 Seiten umfassende Fanzine »Fan in Fan 1«.
Das Titelbild entsprach dem Humor der damaligen Zeit: Wer 1966 nackte Brüste – wenngleich nur angedeutet – auf das Titelbild einer Science-Fiction-Publikation hievte, bekam durchaus Ärger. Auf der Leinwand sind mit »Pioneer« und »FAN« übrigens die Titelbilder damals aktueller Publikationen zu sehen. Der darunter stehende Spruch ist ironisch zu verstehen: »Schluss mit den Sex-Zeichnungen in Fanzines!«
Hubert Strassl hielt zu diesem Zeitpunkt die ersten fünf Ausgaben der »Futuristischen Amateur-Nachrichten« in den Händen, eine Zusammenstellung von Ego-Fanzines verschiedener Fans. Er arbeitete sie komplett durch, las sie chronologisch und erstellte danach eine kunterbunte Zitatensammlung.
Das Interessante daran: Selbst wenn man sich gut mit der Fan-Szene der 60er-Jahre auskennt, versteht man nur Teile. Mitarbeiter waren Menschen wie der Autor Walter Ernsting – unter seinem Pseudonym Clark Darlton viel bekannter –, der spätere Herausgeber und Anthologist Franz Rottensteiner, der heutige »Jazzland«-Chef Axel Melhardt und viele andere.
»Darlton ist also ein Mann, der aus Lust am Fabulieren schreibt und außerdem gezwungen ist, von dieser Tätigkeit zu leben«, formulierte Walter Ernsting über sch selbst – zu einer Zeit übrigens, als die erfolgreiche Science-Fiction-Serie, für die ich heute arbeite, noch nicht gestartet worden war. Und Franz Rottensteiner schrieb schon damals über Science-Fiction-Vereine: »Die Clubs sind nicht nur überflüssig, nein, sie sind auch noch schädlich.«
Damals wurden heftige Auseinandersetzungen geführt: »Nur so viel möchte ich sagen: Hefte und Leihbücher sind die Publikationsformen der Sub-Literatur, des Kitsches und auch des Schundes.« Das schrieb Franz Rottensteiner, der in der Folge von anderen Fans wie Walter Ernsting stark angegriffen wurde.
Andere sahen die Fan-Szene eher ironisch: »Ich persönlich glaube, dass der deutsche Fan nur aus Pflichtgefühl für die deutsche Spießbürgerlichkeit zu Sex in Fanzines sein empörtes ›NEIN‹ donnert«, meinte Otto Volkert.
Das Schöne bei diesem Fanzine von Hubert Strassl ist für mich: Es wirft – weil es nur extrem auszugsweise zitiert – grelle Lichter auf eine Szenerie, die sich vor meiner Geburt abspielte. Und es macht mir klar, dass manche Diskussion mit anderen Namen und Begriffen auch heute geführt werden könnte.
Das Titelbild entsprach dem Humor der damaligen Zeit: Wer 1966 nackte Brüste – wenngleich nur angedeutet – auf das Titelbild einer Science-Fiction-Publikation hievte, bekam durchaus Ärger. Auf der Leinwand sind mit »Pioneer« und »FAN« übrigens die Titelbilder damals aktueller Publikationen zu sehen. Der darunter stehende Spruch ist ironisch zu verstehen: »Schluss mit den Sex-Zeichnungen in Fanzines!«
Hubert Strassl hielt zu diesem Zeitpunkt die ersten fünf Ausgaben der »Futuristischen Amateur-Nachrichten« in den Händen, eine Zusammenstellung von Ego-Fanzines verschiedener Fans. Er arbeitete sie komplett durch, las sie chronologisch und erstellte danach eine kunterbunte Zitatensammlung.
Das Interessante daran: Selbst wenn man sich gut mit der Fan-Szene der 60er-Jahre auskennt, versteht man nur Teile. Mitarbeiter waren Menschen wie der Autor Walter Ernsting – unter seinem Pseudonym Clark Darlton viel bekannter –, der spätere Herausgeber und Anthologist Franz Rottensteiner, der heutige »Jazzland«-Chef Axel Melhardt und viele andere.
»Darlton ist also ein Mann, der aus Lust am Fabulieren schreibt und außerdem gezwungen ist, von dieser Tätigkeit zu leben«, formulierte Walter Ernsting über sch selbst – zu einer Zeit übrigens, als die erfolgreiche Science-Fiction-Serie, für die ich heute arbeite, noch nicht gestartet worden war. Und Franz Rottensteiner schrieb schon damals über Science-Fiction-Vereine: »Die Clubs sind nicht nur überflüssig, nein, sie sind auch noch schädlich.«
Damals wurden heftige Auseinandersetzungen geführt: »Nur so viel möchte ich sagen: Hefte und Leihbücher sind die Publikationsformen der Sub-Literatur, des Kitsches und auch des Schundes.« Das schrieb Franz Rottensteiner, der in der Folge von anderen Fans wie Walter Ernsting stark angegriffen wurde.
Andere sahen die Fan-Szene eher ironisch: »Ich persönlich glaube, dass der deutsche Fan nur aus Pflichtgefühl für die deutsche Spießbürgerlichkeit zu Sex in Fanzines sein empörtes ›NEIN‹ donnert«, meinte Otto Volkert.
Das Schöne bei diesem Fanzine von Hubert Strassl ist für mich: Es wirft – weil es nur extrem auszugsweise zitiert – grelle Lichter auf eine Szenerie, die sich vor meiner Geburt abspielte. Und es macht mir klar, dass manche Diskussion mit anderen Namen und Begriffen auch heute geführt werden könnte.
04 Oktober 2017
Letzte Radfahrt für 2017?
Ich vermute, dass es einer der letzten Tage in diesem Jahr 2017 war, an denen ich in leichter Kleidung auf dem Rad unterwegs war: ein T-Shirt und eine kurze Hose. Radfahrer, die mir entgegen kamen, trugen trotz Sonnenschein schon dicke Jacken, manche auch wärmende Mützen. In der Sonne hielt ich das für unnötig.
In flottem Tempo – damit ich ordentlich schwitzte – fuhr ich durch die Weststadt und durch Neureut, fegte durch das Naturschutzgebiet entlang des Kleinen Bodensees und stellte fest, dass es dort richtig warm war. Das sumpfige Wasser und der matschige Boden dampften geradezu, und dieser Dampf erzeugte eine gewisse Wärme.
Als ich das Naturschutzgebiet verließ und durch die Nordweststadt zurückfuhr, musste ich an einer Ampel halten. Zwei Jungs rannten auf der anderen Straßenseite auf mich zu, beide in Sportklamotten, beide zwischen zehn und zwölf Jahren alt. Sie beachteten mich nicht, waren vollkommen mit sich selbst beschäftigt.
Der eine der beiden spuckte auf den Boden, sie rannten weiter, dann hielten sie an der Ampel an. »Hey, du bist voll in meine Spucke gelaufen!«, schrie der eine. Der andere stieß ihn an, sie lachten beide und rempelten sich an, junge Leute voller Kraft im Körper und viel Blödsinn im Kopf.
Auf den letzten Kilometern wurde es doch recht frisch. Im Schatten fröstelte ich bereits, und ich fuhr einfach schneller; das erhitzte den Körper, und daheim wusste ich eine wärmende Dusche. Eine Mütze wäre vielleicht doch gut gewesen ...
Wenn es etwas gibt, dass ich beim Radfahren schätze, so sind es die vielen Eindrücke, die ich gewinne. Man sieht in einer Stunde mehrere Welten, lauter kleinen Universen, die sich nur am Rand berühren. Und man ist fern von irgendwelchem Polit-Dreck.
In flottem Tempo – damit ich ordentlich schwitzte – fuhr ich durch die Weststadt und durch Neureut, fegte durch das Naturschutzgebiet entlang des Kleinen Bodensees und stellte fest, dass es dort richtig warm war. Das sumpfige Wasser und der matschige Boden dampften geradezu, und dieser Dampf erzeugte eine gewisse Wärme.
Als ich das Naturschutzgebiet verließ und durch die Nordweststadt zurückfuhr, musste ich an einer Ampel halten. Zwei Jungs rannten auf der anderen Straßenseite auf mich zu, beide in Sportklamotten, beide zwischen zehn und zwölf Jahren alt. Sie beachteten mich nicht, waren vollkommen mit sich selbst beschäftigt.
Der eine der beiden spuckte auf den Boden, sie rannten weiter, dann hielten sie an der Ampel an. »Hey, du bist voll in meine Spucke gelaufen!«, schrie der eine. Der andere stieß ihn an, sie lachten beide und rempelten sich an, junge Leute voller Kraft im Körper und viel Blödsinn im Kopf.
Auf den letzten Kilometern wurde es doch recht frisch. Im Schatten fröstelte ich bereits, und ich fuhr einfach schneller; das erhitzte den Körper, und daheim wusste ich eine wärmende Dusche. Eine Mütze wäre vielleicht doch gut gewesen ...
Wenn es etwas gibt, dass ich beim Radfahren schätze, so sind es die vielen Eindrücke, die ich gewinne. Man sieht in einer Stunde mehrere Welten, lauter kleinen Universen, die sich nur am Rand berühren. Und man ist fern von irgendwelchem Polit-Dreck.
02 Oktober 2017
Spontan-Radio zu Deutschpunk
Auch am Sonntag, 1. Oktober 2017, war ich nicht in der Lage, eine
Radiosendung so gründlich vorzubereiten, wie ich das gern in all den
Jahren geschafft hatte. Aber das machte nichts: Spontan entschied ich
mich, im ENPUNKT-Radio im Querfunk
auf Deutschpunk-Klassiker zu setzen; da kannte ich mich einfach aus,
denn schließlich hatte ich all diese Bands irgendwann einmal gesehen.
Ich wollte nur nicht das ins Radio bringen, was jeder schon x-fach gehört hatte. Okay, die Neurotic Arseholes aus Minden, mit denen ich startete, hatte ich selbst schon mehrfach gespielt. Aber die Crowds aus München dürften nicht so bekannt sein, und irritierenderweise sind Blut & Eisen aus Hannover bei vielen Leuten nicht mehr präsent.
Dazu gab es ein wenig Canalterror aus Bonn und Emils aus Hamburg, die Killerpralinen aus Frankfurt, die großartigen LWS aus Wilhelmshaven – oder wo immer die damals offiziell herkamen – und zum Abschluss noch Rudolfs Rache aus ostfriesischen Kleinstädten wie Varel. Alles in allem eine großartige Mixtur, wie ich finde.
Ich wollte nur nicht das ins Radio bringen, was jeder schon x-fach gehört hatte. Okay, die Neurotic Arseholes aus Minden, mit denen ich startete, hatte ich selbst schon mehrfach gespielt. Aber die Crowds aus München dürften nicht so bekannt sein, und irritierenderweise sind Blut & Eisen aus Hannover bei vielen Leuten nicht mehr präsent.
Dazu gab es ein wenig Canalterror aus Bonn und Emils aus Hamburg, die Killerpralinen aus Frankfurt, die großartigen LWS aus Wilhelmshaven – oder wo immer die damals offiziell herkamen – und zum Abschluss noch Rudolfs Rache aus ostfriesischen Kleinstädten wie Varel. Alles in allem eine großartige Mixtur, wie ich finde.
Abonnieren
Posts (Atom)