»Und dann haben mir die Arschgeigen mein Pfeifchen ausgeklopft und ausgekratzt, um auch wirklich jedes Milligramm zu erwischen, was ich bei mir haben könnte.« Enke redete sich in Rage. Sein Gesicht war gerötet, und das lag nicht nur am Bier, das er schon reichlich genossen hatte.
»So sind sie halt, unsere Freunde und Helfer«, gab ich spöttisch zurück. »Ihr Job ist nun mal, die Drogenkriminalität in unserer Stadt zu bekämpfen, und da bist du ihnen echt blöd gekommen.«
»Ja ja«, maulte Enke. Er wollte sich nicht beruhigen. »Verdammte Cops! Die sollen mich ab und zu in Ruhe einen quarzen lassen, und alles ist in bester Ordnung.«
Wir hielten uns in meiner Wohnung auf, die sich in der Nähe des Marktplatzes von Freudenstadt befand. Zwischen uns stand ein Kasten mit Alpirsbacher Klosterbräu. Einige Besucher saßen auf dem Fußboden, andere hatten sich auf Stühlen bequem gemacht. Enke balancierte auf einem Stapel von ungelesenen Fanzines, den er so gegen die Wand geschoben hatte, dass er darauf sitzen konnte.
Die anderen hatten ebenfalls einige Geschichten beizutragen. Ich erzählte von Kontrollen im Park – »keine hundert Meter von meiner Wohnung entfernt behandeln die mich wie einen Schwerverbrecher« –, Michel schilderte ebenfalls eine Drogen-Razzia. »Dabei kiffe ich gar nicht«, empörte er sich, »aber weil ich lange Haare habe, musste ich mich auf der Wache komplett ausziehen.«
Am Ende einer Empörungswelle, an der wir uns alle beteiligt hatten, saßen wir da, jeder sein Bier in der Hand, und sahen uns wütend vor. Enke hatte die Idee der Stunde: »Das können wir uns nicht gefallen lassen. Wir nehmen Rache an der Polizei.«
»Genau.« Für Ideen solcher Art war ich immer zu haben, vor allem dann, wenn ich zu viel getrunken hatte. »Wir ziehen vor die Wache und schmeißen ihnen die Fenster ein. Bis die aus der Tür raus sind, haben wir uns längst verzogen. Die kriegen uns nie.«
Enke strahlte. »Du hast doch sicher noch Böller.«
»Ja, ich bewahre ja immer einige auf«, gestand ich. »So einen China-Kracher kann man auch im Sommer schön einsetzen.«
»Genau! Wir schießen die Scheiben kaputt, dann schleudern wir die Böller in die Wache.« Er lachte auf. »Was meinst du, was die Bullen da für einen Schreck bekommen werden?«
»Super!«, rief Michel. »Wenn wir das alle gleichzeitig machen, gibt es einen ordentlichen Kracher.«
Wir berauschten uns an der Idee und schmiedeten eine Reihe von Plänen. Wir überlegten uns, wer sich an welches Fenster stellen würde, wer von woher Steine und wer dann die Böller zu schleudern hatte. Wir legten die Gruppen fest: Einige sollten vom Parkplatz aus werfen, die anderen von der Straße her – ein Angriff von zwei Seiten würde die Polizisten völlig verwirren.
Ich steigerte mich in die Ideen hinein. Endlich einmal konnten wir es der Polizei zeigen, endlich einmal würden die jungen Leute unserer kleinen Stadt zeigen, dass sie sich nicht unterkriegen ließen.
Bis ich zum entscheidenden Punkt kam: »Wie hauen wir eigentlich ab? Ich meine: Wir schmeißen denen die Scheiben kaputt, wir werfen ihnen Kracher in die Bude. Und dann?«
Enke war verwirrt. »Wir laufen natürlich hierher und verstecken uns in deiner Wohnung.«
Während die anderen in der Runde beifällig nickten, kam bei mir ein Rest von Intelligenz zurück. »Das blicken die doch. Ich meine … da rennt eine Gruppe von Leuten von der Polizei weg, nachdem es bei denen gekracht hat, und rennt lautstark in das Haus hier. Das merken sogar die Cops, dass wir das waren.«
»Was sollen die schon merken?« Michel winkte ab. »Die Cops sind blöde, das wissen wir alle, das blicken die nie.«
»Na ja.« Ich wiegte den Kopf. »Und wenn doch? Dann haben sie uns in der Falle. Und jeder wird sich gleich denken können, dass ich was damit zu tun habe.«
Alle starrten mich an. Einige Sekunden lang herrschte eisiges Schweigen. Dann unterdrückte Enke einen Rülpser, was zu einem seltsamen Pfeifen führte, und alle lachten los.
»Du bist echt feige«, sagte er dann langsam. »Ich hätte gedacht, dass du mehr drauf hast.«
Noch einmal versuchte ich es zu erklären. »Wir können das alles tun, aber wir kommen nicht von den Cops weg, ohne dass die kapieren, wohin wir rennen. Die sind schnell hinter uns her, und dann stürmen sie die Bude. Und dann?«
Alle redeten durcheinander. Der Tenor war eindeutig: Sie wollten sofort losziehen und Rache nehmen, und ich war ein feiger Hund, der den Schwanz einzog. Verzweifelt wagte ich es, ernsthafte Argumente anzubringen, aber das brachte nichts.
»Ich mach da nicht mit«, sagte ich dann. »Das ist zu riskant. Und je länger ich drüber nachdenke, desto blöder finde ich die Idee.
»Mann, Mann, Mann …« Enke schüttelte den Kopf. »Echt, das ist schlapp. So wird das nichts mit der Revolution.«