Es passiert einiges um mich herum, und nicht alles gefällt mir. Vieles fasziniert mich, vieles interessiert mich – und das soll Thema dieses Blogs sein.
30 November 2023
Im Mekong-Delta
Vor allem die Seitenarme im Delta faszinierten mich. Sie waren teilweise still. Ruhig floss das Wasser, rechts und links vom Strauchwerk gesäumt. Die großen Städte schienen weit entfernt zu sein, man hörte keinen Straßenlärm, höchstens das Summen und Brummen des Bootsmotors. Und das Surren der Stechmücken, wobei sich das in Grenzen hielt. (In Vietnam wurde ich nicht so fürchterlich verstochen, wie mir das im Senegal ergangen war.)
Es ist zu befürchten, dass ich nie wieder eine solche Reise machen werde. Solange ich beim Betrachten alter Bilder noch die Erinnerungen in mir habe, kann ich das verschmerzen …
Damage Done aus Würzburg
Die Platte selbst wurde 1996 aufgenommen, sie enthält knalligen Hardcore, der ohne jegliches Metal-Gewichse auskommt. Die Stücke kommen auf den Punkt, die englischsprachigen Texte beschäftigen sich mit allgemein gültigen Themen wie dem Ärger mit der Polizei und dergleichen.
Insofern sind die Band und ihre Platte sehr typisch für die Hardcore-Szene der 90er-Jahre: Zwar gab es zu dieser Zeit haufenweise Dogmatiker aller Art, aber aus diesem Szene-Hickhack schien sich die Band herauszuhalten. Anhören kann man sich das auch Jahrzehnte danach immer noch richtig gut. Schön!
29 November 2023
Ein Schönschwätzer in Gallien
Die einzelnen »Asterix«-Geschichten bieten schon immer im Wesentlichen zwei grundsätzliche Möglichkeiten: Entweder kommt eine Bedrohung in das gallische Dorf und seine Umgebung – etwa ein Seher oder eine Trabantenstadt –, oder Asterix und Obelix reisen in die Ferne, besuchen Goten oder Belgier, das Morgenland oder Amerika. »Die weiße Iris« konzentriert sich stark auf das gallische Dorf und seine Bewohner mit ihren Eigenheiten. Und das gelingt richtig gut.
Gallische Dörfler, die sich sonst gern prügeln, werden ebenso zur Achtsamkeit erzogen wie römische Legionäre, die zwar immer noch in den Krieg ziehen, aber auch gern mal mit dem Feind diskutieren. Sogar die Wildschweine werden sanftmütig und wollen eher spielen, als in Panik vor Obelix wegzurennen. Und wenn im gallischen Dorf der Barde auftritt, wird er nicht verprügelt, sondern mit höflicher Beachtung beschenkt. Alle sind gut zueinander, alle unterliegen einem Bann von Gutmenschentum.
Für die Texte ist Fabrice Caro zuständig, der als Fabcaro auftritt und ein wenig zu viel Dialog in die Sprechblasen packt. Vor lauter Text kann man kaum noch die Bilder erkennen – dafür sind die Texte wirklich mit exzellenter Qualität. Sie sind satirisch und ironisch, sie greifen aktuelle gesellschaftliche Themen auf und ziehen sie ins Lächerliche.
Und nach wie vor ist Didier Conrad – wie bei den vorherigen Alben – für die Grafik zuständig. Das macht er nach wie vor gut. Die Zeichnungen sind klassisch, auf Modernismen wird verzichtet, und sie überzeugen auch in den Details. So hatte ich viel Freude an dem possierlichen Hund Idefix.
»Die weiße Iris« ist eine hervorragende »Asterix«-Geschichte, die sich leider nur an Erwachsene richtet. Früher war der gallische Held für Kinder wie Erwachsene zugänglich, das hat sich offenbar geändert.
Ich fühlte mich dennoch sehr gut unterhalten, und ich war von der Story und den Zeichnungen überzeugt. Na also!
27 November 2023
Schlappe Fahrradsaison '23
Wenn ich am heutigen Tag auf das Jahr 2023 zurückblicke – und bei diesem Thema kann ich das schon –, fällt mir zu meinen sprtlichen Aktivitäten nicht viel ein. Damit meine ich nicht die fast täglichen Fahrten mit dem Rad zum Einkaufen oder in die Kneipe. Gemeint sind Radtouren, wobei die bei mir bei einer Stunde losgehen – für echte Tourenradler ist das wohl eher albern.
Im Jahr 2023 hatte ich keine einzige Radtour, die länger war als eine Stunde. Ich war weder in der Pfalz, noch war ich im Elsass, ich fuhr nicht in den Schwarzwald hoch – die Bergdörfer bei Karlsruhe zählen noch nicht so richtig – und war nicht im Kraichgau unterwegs. Es reichte zu einigen kurzen Trips in die nähere Umgebung, und das führt am Ende zu einer enttäuschenden Bilanz.
Ausreden gibt es genug: Vor Juni kann ich kaum radeln, weil mich davor die Allergien zu sehr plagen. Im Juli hatte ich Corona, und die Spätfolgen plagten mich noch Wochen danach. Und im Sommer regnete es teilweise ergiebig, was auch kein Spaß machte. Als es wieder besser ging, legte ich mich mit dem Rad in den Dreck und fuhr danach erst mal zehn Tage lang nicht mehr in den Wald.
Aber seien wir ehrlich: Der Hauptgrund ist und war die Arbeit. Wer morgens in aller Frühe anfängt und trotzdem erst um 19 Uhr nach Hause kommt, kann sich größere sportliche Aktivitäten einfach abschminken. Unterm Strich waren mir also die Abenteuer eines Weltraumfahrers wichtiger als meine eigene Gesundheit. So schlau war das nicht.
Wenn ich also einen Vorsatz für 2024 äußern kann, sollte ich das früh tun: Das muss künftig – wieder – anders werden!
24 November 2023
Depressive Gegenwart, spannende Vergangenheit
Mir war bei der Planung bereits klar, dass die Haupthandlung »in weiten Teilen depressiv geprägt« sein würde; das sollte aber auch meine Sicht auf die Punk-Szene des Jahres 1986 sein: viele Drogen, viele kaputte Leute. Aus diesem Grund sollte der Roman »viele zerstörerische Aktionen« enthalten.
Ich plante aber weiter: »Damit das nicht zu negativ rüberkommt, müssen die positiven Segmente in der Rückblend-Ebene auftauchen.« An meine eigene Überlegung hielt ich mich allerdings selbst nicht gut genug.
Deshalb skizzierte ich folgendermaßen: »Diese Ebene zeigt, wie Peter Punk überhaupt zum Punk kam, damals 1977 bis 1979, wie er als junger Punk in Stuttgart No-Future-Aktionen am laufenden Band machte, wie ab 1982 die jungen Punks mit ihren ›lächerlichen Nietenjacken‹ kamen und die älteren Punks auch verschreckten, wie die Szene in Stuttgart bereits ab 1983 anfing, ins Drogen-Umfeld abzukippen, wie Peter Pank immer mehr in den Kreislauf aus Alkohol und No-Future-Denken hineinsteuerte, wie er sogar meinte, mit der Bundeswehr dagegensteuern zu können, und sich dadurch immer mehr ins Loch brachte. Die Rückblend-Ebene landet irgendwann im Herbst 1986, also an dem Punkt, an dem die Haupthandlung anfängt.«
Davon setzte ich immerhin einen Teil um, wie sich später zeigen sollte. Im ersten Band nehmen die Rückblenden gut ein Viertel des Romans ein, vielleicht auch ein Drittel. Bei den späteren Bänden ließ ich sie ausfallen, weil ich lieber eine stringente Handlung haben wollte.
Mir fiel wohl selbst auf, dass nicht einmal mein Konzept in diesen Phasen besonders positiv klang. »Was auf den ersten Blick jetzt auch depressiv klingen mag, ist es natürlich nicht«, schrieb ich deshalb. Bei den Rückblenden sollen also auch einzelne Personen mit ihren »Schicksalen« dargestellt werden, und das müsse »beim besten Willen nicht negativ« sein.
Offensichtlich hatte ich vor, nicht nur über Peter Meißner alias Peter Pank zu schreiben, sondern auch andere Figuren in den Fokus zu rücken. Im Nachhinein bin ich sehr froh, dass ich das nicht getan habe. Der Roman und seine Folgebände wären dann vielleicht »literarischer« geworden, aber es wäre etwas ganz anderes herausgekommen …
23 November 2023
Jagdfieber zum Taschenkalender
Wie sich herausstellte, enthielt der Kalender neben dem üblichen Kalendarium allerlei Texte von jungen Autorinnen und Autoren. Kein Wunder: Er wurde vom Bundesring junger Autoren e.V. herausgegeben, verantwortlich für den Inhalt war Esher Hermann. Und am 29. März 1987 war ein Text von mir enthalten – was mich damals sehr erfreute.
Er trug den Titel »Jagdfieber«, war ursprünglich 1985 geschrieben worden und gehörte wohl zu den Texten, die ich damals eingereicht hatte. Tatsächlich ist der Text gar nicht schlecht; ich hatte mir echt Mühe gegeben.
Und manchmal klingt er ja fast prophetisch: »Flog westwärts / über den großen Fluss / hinein ins Neuland.« An Computer dachte ich 1985 aber noch nicht so oft ...
22 November 2023
Schmales Buch mit historischem Inhalt
»Die Inschrift« spielt im Jahr 1940, kurz nachdem Italien offiziell an der Seite der Deutschen in den Weltkrieg eingetreten war. In dem sizilianischen Ort, in dem auch die Montalbano-Romane spielen, kommt es zu einer Konfrontation im Haus des Vereins »Faschismus und Familie«, an dessen Ende ein alter Mann tot auf der Erde liegt. Er gilt als Held des Faschismus, er wird geehrt, seine junge Witwe erhält eine Rente, und eine Straße wird nach ihm benannt. Doch dann tauchen Fragen auf …
Camilleris Novelle erschien als Hardcover-Bändchen bei Kindler, extrem großzügig gesetzt und somit echt nur für beinharte Fans interessant. Es sind keine 80 Seiten, und die werden durch reichlich »leere« Seiten sehr luftig präsentiert. Ich las das sehr gern und werde das Büchlein sicher mal wieder lesen – aber …
Dabei lohnt sich die Lektüre durchaus: Der Autor zeigt die bizarren Seiten des Faschismus mit einem augenzwinkernden Humor, der viel Freude macht. Es ist eine Satire auf eine düstere Zeit und verrät mehr über die Jahre unter dem »Duce« wie manch dickleibiges Werk.
Als »historischer Roman« taugt das nichts, es ist letztlich eine gelungene Erzählung, verfasst von einem meisterhaften Autor. Und Fans wie ich mögen das …
20 November 2023
Eine behagliche Bäckerei
Vor mir strahlte das Schaufenster durch die Dämmerung. Ich überquerte die Straße und erreichte die Eingangstür. Unter einem kleinen Vordach blieb ich stehen. Während ich die Schuhe abklopfte und auch den dicksten Schnee von meiner Jacke entfernte, spähte ich ins Innere. Ein Schimmer von rötlich-goldenem Licht erhellte den Raum.
Ich trat ein. Eine Glocke an der Tür machte klar, dass jemand in die Bäckerei trat.
Die gläserne Theke war voll mit Kuchen und Torten sowie anderen Leckereien. An drei, vier Tischchen in der Ecke saßen Leute, tranken Kaffee und unterhielten sich. Eine schmale Wendeltreppe führte nach oben. Hinter dem Tresen stand eine junge Frau, die mit strahlendem Lächeln einen älteren Mann mit Wollmütze bediente.
Sie sah auf und zwinkerte mir zu. »Dein Zimmer ist frei!«, rief sie mir zu. Einige Leute drehten ihre Gesichter zu mir. Von einem der hinteren Tische wurde ich gegrüßt, aber ich erkannte nicht, wer es war.
»Danke«, gab ich zurück und wandte mich nach links. Die Wendeltreppe war steil, und ich hatte immer das Gefühl, mit dem Kopf gegen eine der Stufen über mir zu stoßen. Aber ich kam unangefochten nach oben.
Ein langer Flur wartete auf mich. Auf dem Holzboden knarrten meine Schritte. Die Lampen an den Wänden spendeten nur ein schwaches Licht, aber es reichte aus. Mit wenigen Schritten kam ich zu einer Holztür auf der rechten Seite.
Ich schloss auf und trat ein. Behagliche Wärme empfing mich. Auf dem kleinen Arbeitstisch stand mein Computer. Ich legte meine dicke Jacke ab, zog die Schuhe aus und holte die dicken Socken aus einem kleinen Schrank. Als ich mich an den kleinen Tisch setzte, den Blick auf das Fenster gerichtet das Schneetreiben direkt vor mir, holte ich tief Luft.
Es wurde Zeit, dass ich loslegte. Da wachte ich auf.
17 November 2023
Vorlesetag mit dem Sams
Ich erzählte ganz kurz von mir: dass ich gerne lese, dass ich deshalb als Beruf viel lesen und schreiben müsse. Das fanden sie schon mal interessant. Ich zeigte einige Beispiele meiner Arbeit; das war nichts für Erstklässler, schon klar, aber sie fanden die Titelbilder mit den Raumschiffen und den Außerirdischen toll.
Die Begeisterung war allerdings größer, als ich »Das Sams und der blaue Drache« präsentierte. Die Serie von Paul Maar feierte in diesem Jahr ihren fünfzigsten Geburtstag, und ich erinnerte mich daran, wie ich das erste »Sams«-Buch gelesen hatte. Das Buch mit dem blauen Drachen ist aktuell, das kannten also auch die Kinder noch nicht, die daheim vorgelesen bekommen.
Ich hatte das Gefühl, dass ihnen die Geschichte gefiel. Ich zeigte zwischendurch einige Bilder aus dem Buch, und am Ende bedankten sich die Kinder allesamt artig bei mir. Unterm Strich war’s wieder einmal ein schöner Ausflug für mich – zu einem Publikum, das sich für Geschichten begeistern kann.
16 November 2023
Blauer Schimmer im Hotel
»Für mich ist ein Zimmer reserviert«, sagte ich und nannte meinen Namen und den Namen des Verlags. »Für zwei Nächte.«
Der Rezeptionist verzog keine Miene. Meine abgerissene Erscheinung, meine Lederjacke, meine Stiefel und meine abstehenden Haare schienen ihn nicht zu stören.
Wir erledigten die Anmeldung, alles verlief in professioneller Atmosphäre. Er reichte mir meinen Zimmerkarte, dann bückte er sich und schob mir ein Handtuch über den Tresen.
»Es regnet heute ab und zu«, sagte er im leichten Singsang, den ich in Köln bei Schritt und Tritt vernahm. »Und da besteht die Gefahr, dass Ihre Haare abfärben. Und wir wollen ja kein blaues Kissen haben. Es wäre nett, wenn Sie immer das Handtuch auf das Kissen legen könnten.«
Ich nahm das Kissen und bedankte mich dafür. In der Nacht benutzte ich es tatsächlich, nachdem ich mich lang auf der Straße herumgetrieben und zu viel Kölsch getrunken hatte.
Der korrekte Rezeptionist hatte recht. Das Handtuch hatte am nächsten Morgen einen blauen Schimmer.
15 November 2023
Wie eine schöne Phantastik-Idee elend versackt
Der Anfang packte mich ja: Der Held ist ein riesiger Typ, der weiße Augen und weiße Haare hat, der als Außenseiter am Rand der Gesellschaft steht und immer in Schwierigkeiten steckt. Er ist einsam, er lebt in einem schmuddeligen Zimmer – doch er weiß nicht, dass er eine mysteriöse Bestimmung hat.
Die wird ihm klar, als er erkennt, dass er in Wirklichkeit kein echter Mensch ist, sondern zu einem Volk gehört, das unter der Erde lebt. Dort gibt es unterirdische Reiche; es gibt Ladengeschäfte und Schulen, und alles ist ein bisschen so wie bei den Menschen. Auch dort muss sich der seltsame Mann mühsam durchsetzen; anscheinend gehört er nirgends so richtig hin.
Spätestens ab dem Punkt, an dem die Unterwelt erklärt wird, warf mich die Autorin aus ihrem Werk hinaus. Die unterirdische Welt ähnelt sehr der Oberwelt; lustigerweise sprechen die Leute dort unten die gleichen Sprachen wie oben: Die Unterwelt unter England spricht englisch, die unter Deutschland logischerweise deutsch. Wie es mit sprachlichen Minderheiten oder Einwanderergesellschaften aussieht, verschweigt uns die Autorin leider.
Okay, es ist der erste Roman von Izzy Kramer, und der Anfang ist echt stark. Dann aber hätte der Wortschatten-Verlag, der das Buch veröffentlicht hat, der Autorin eine Lektorin oder einen Lektor zur Seite stellen müssen, der ihr bei der Story hilft. Der Weltenbau wirkt nicht durchdacht, die Konflikte sind sehr einfach. Am Ende des Romans blätterte ich mehr, als dass ich las, weil ich wissen wollte, wie er ausgeht.
Seien wir fair: Es gibt einige spannende Ansätze in diesem Werk; mich konnte es unterm Strich nicht packen.
14 November 2023
Sie sind wirklich sehr putzig
Mit »Die Gnome von Troy« liegt eine Variante vor, die von Lanfeust und seinen Freunden als Kindern erzählt. Erschienen ist zuletzt der vierte Band, der den schönen Titel »Zu putzig« trägt und bei dessen Lektüre ich mehrfach schallend lachen musste.
Wobei ich klar sagen muss: Der Humor ist sicher nicht jedermanns Sache. Er ist manchmal echt grob, er ist alles andere als politisch korrekt oder niveauvoll. Es geht um Fäkalien, Innereien und Sex – unter anderem – und um die groben Späße, die von den fiktiven Kindern von Troy so gespielt werden.
Christophe Arleston hat eine Freude daran, solch einen Humor zu zelebrieren; das sieht man schon bei den »Lanfeust«-Geschichten und anderen Comics, die er geschrieben hat. Das ist gelegentlich unter der Gürtellinie, aber die Pointen treffen. Jede Geschichte in diesem Band ist eine Seite lang, und sie endet immer mit einer Pointe.
In eine skurrile und immer treffende Grafik setzt das Ganze jener Zeichner um, mit dem Arleston seit langer Zeit zusammenarbeitet: Didier Tarquin kann phantastische Welten erschaffen, er illustriert Action und schnelle Bewegungen, er hält die Waage zwischen »funny« und halbwegs realistisch.
Wer sich auf die »Gnome« einlässt, braucht vielleicht einen guten Magen, vor allem aber ein Herz für schlechte Scherze. Dann wird er oder sie mit komischer Fantasy belohnt. Wenn das nichts ist ...
13 November 2023
Die Borograven und der Pluckerwank
Ich habe mich wohl getäuscht. Derzeit lese ich die Übersetzung eines amerikanischen Krimis, und dort stieß ich auf folgende Formulierung: »Gar milbig war'n die Borograven.« Darüber stolperte ich prompt, obwohl ich’s im ersten Moment nett fand. Aber dann grübelte ich ein wenig.
Zwar bin ich kein Übersetzer, und mein Englisch ist nicht berauschend, aber mir war klar, dass es im Original »All mimsy were the borogoves« heißen musste. Der Übersetzer hatte diesen Unsinnssatz halt einfach so wörtlich wie möglich in die deutsche Sprache übertragen.
Dabei gibt's eine halbwegs offizielle Übersetzung, die ich immer noch großartig finde: »Gar elump war der Pluckerwank.« (Wer jetzt nicht weiß, wovon ich spreche, möge in der Wikipedia nachgucken. Oder in seiner/ihrer Ausgabe von »Alice im Wunderland« und dort vergleichen.)
Ich gestehe: In solchen Fällen finde ich mich selbst ziemlich rechthaberisch. Aber ich musste nach den »Borograven« das Buch erst einmal zur Seite legen ...
10 November 2023
Original indisch
Aber seit Wochen sehe ich in Karlsruhe immer wieder eine Aufschrift, und ich muss jedes Mal grinsen. Mir ist schon klar, was die Leute, die das Lokal betreiben, mit ihren drei Zeilen meinen, aber die »Original Indische Cousine« finde ich trotzdem sehr lustig …
09 November 2023
Rasanter Comic in starkem Stil
Die Geschichte spielt in einer großen europäischen Stadt, die wie eine Mischung aus Brüssel und Paris anmutet; die Handlung scheint in den 70er-Jahren angesiedelt zu sein, wenn man die Autos als Maßstab heranziehen kann. Hauptfigur der Geschichte ist Francois, ein einsamer Mann, der viel zu viel raucht und viel zu wenig auf seine Gesundheit achtet. Er arbeitet als Fahrer für eine Wäscherei, bekommt seit Jahren keine Gehaltserhöhung und hofft auf ein wenig Glück für sich.
Seine Hoffnung ist das Lottospielen, er träumt vom großen Los. Irgendwann, so glaubt er, wird es kommen, und danach kann er sich auch vorstellen, die attraktive Kioskbesitzerin und ihr Kind einzuladen. Aber er stößt auf einen Mordfall, mit dem er natürlich nichts zu tun hat, und findet eine Tasche mit einer Unmenge von Geld. Damit könnte er sein Leben auf einen Schlag verändern …
Joris Mertens erzählt seine Geschichte mit einem lakonischen Grundton. Der Autor kommt ohne lange Dialoge aus, die Figuren unterhalten sich meist knapp. Es gibt Seiten, auf denen kein einziges Wort gesprochen wird, die nur von den kargen Gesten der Figuren oder einem Blick in das zerknitterte Gesicht von Francois beherrscht werden.
Die Handlung ist vor allem am Anfang eher hoffnungslos, behält aber eine Spannung bei, die bis zum Ende anhält. Und wenn man den Comic zuklappt, hallt in einem der »Sound« der Geschichte noch länger nach.
Das liegt natürlich auch an den Bildern. Mertens hat einen Stil, wie es ihn selten gibt. Er ist realistisch, allerdings mit leichten Verzerrungen. Viele Seiten wirken, als seien sie nur grob schraffiert worden. Das zeigt sich vor allem bei den großen Ansichten der Stadt, der Häuser oder der nächtlichen Straßen.
Der ununterbrochene Regen, der die Geschichte als tragikomisches Element begleitet, wird durch die künstlerische Darstellung zu einem zentralen Thema. Das ist eindrucksvoll und originell – das muss man echt gesehen haben! (Ich empfehle, die Leseprobe auf der Online-Seite des Verlags anzuschauen.)
Die Geschichte fesselt durch den Ton der Erzählung, ebenso durch die Bilder. Beides prägt sich rasch ein. Lohnenswert!
Erschienen ist »Das große Los« als eindrucksvoller Hardcover-Band im Splitter-Verlag. Er ist 144 Seiten stark und kostet 35,00 Euro.
(Die Rezension kam bereits im Juli auf der Internet-Seite der PERRY RHODAN-Serie. An dieser Stelle hier bringe ich sie zur Dokumentation quasi.)
08 November 2023
Nie in Thailand
Er war gut zehn, zwölf Jahre jünger als ich, vielleicht auch mehr, ein von der Sonne gut gebräunter Mitteleuropäer mit Tätowierungen auf den Oberarmen und an den Waden, mit kurzen Haaren und einem fein ausrasierten Bart. Ich saß in einer Strandbar des Hotels, in dem wir uns für einige Tage auf den Kapverdischen Inseln einquartiert hatte.
Ich überlegte kurz, was ich sagen sollte. »Nein, in Thailand war ich nie, aber ich mit dem Fahrrad durch Westafrika gefahren«, hätte arrogant geklungen und wäre unnötig gewesen. Ich wollte mich in dieser Bar entspannen, mehr nicht, und in Ruhe ein Bier trinken. »Nein«, sagte ich ruhig, »das war ich noch nie.«
Er hob beide Arme. »Da musst du unbedingt hin, und dann musst du die legendäre Full Moon Party besuchen.« Er nannte mir den Namen eines Ortes und eines Hotels, und ich vergaß beides genau eine Sekunde später wieder komplett. »Da ist der Teufel los, das muss man erlebt haben.«
»Und warum ist die Party so legendär?«, fragte ich arglos.
»Die besten DJs, die besten Drinks, die beste Musik und der beste Beach, den du dir vorstellen kannst!« Er war geradezu euphorisiert und strahlte über das ganze Gesicht. »Du musst nach Thailand reisen, das musst du erleben.«
»Schauen wir mal«, sagte ich ausweichend. »Wenn ich mal wieder in der Gegend bin.« Immerhin war ich schon in Vietnam und Malaysia gewesen, hatte in Singapur und auf einigen indonesischen Inseln ein wenig Zeit verbracht. Aber ich verzichtete darauf, ihm das zu erzählen.
Es hätte sicher nichts gebracht. »Denk dran!«, sagt er. »Full Moon Party in Thailand.« Er nickte mir zu, dann ging er weiter.
»Aha«, sagte ich nur.
Dann blickte ich aufs Meer hinaus. Dort schimmerte der Vollmond, sein Licht verwandelte die Wellen in ein Meer aus glitzernden Flecken. Um das zu genießen, brauchte ich keinen DJ und keine Musik.
07 November 2023
Wir standen im Nieselregen
Es nieselte an diesem Freitagabend in Frankfurt. Ich benötigte frische Luft, Arndt ebenfalls. Ob er eine Zigarette rauchen wollte, weiß ich nicht mehr. Aber wir standen unter einem Vordach, die Straße war feucht, die Autos rollten vor uns vorüber, das Licht zuckte durch die Pfützen, und die Luft roch nach Abgasen und Großstadt.
Arndt war Gast beim Galaktischen Forum, das meine Kollegen und ich veranstalteten, und wir kannten uns nicht besonders gut. Und noch arbeitete er nicht regelmäßig mit unserer Redaktion zusammen.
Wir kamen ins Reden. Zuerst waren wir sehr oberflächlich, keiner konnte den anderen so richtig einschätzen. Ich trug einen dunklen Anzug und eine Krawatte, sah also so aus, wie man sich einen Chefredakteur vorstellte. Arndt hatte normale Kleidung an, fiel aber in jeder Gesellschaft auf, weil er eine Glatze hatte und sehr muskulös wirkte.
Unweigerlich kamen wir auf ein heikles Thema zu sprechen. Er ging von sich aus direkt darauf los: Dass er eine Glatze habe, sei nicht politisch zu verstehen. Er sei kein Skinhead, und er habe mit rechtsradikalem Gedankengut nichts am Hut. Ich reagierte spontan, indem ich mein Hemd aufknöpfte und das »So Much Hate«-Shirt zeigte, dass ich darunter anhatte. Danach wusste jeder vom anderen in etwa, wo er mit ihm dran war.
Und wir erzählten uns Geschichten.
Arndt hatte als Türsteher gearbeitet und konnte einiges zum Besten geben. Ich plauderte über Punk-Konzerte und körperliche Auseinandersetzungen auf der Straße. Wir wechselten die Themen in einem rasenden Tempo, schnitten viele nur kurz an und hatten irgendwann genug: Es war auf die Dauer zu feucht und zu kühl in diesem Oktober.
Danach aber war mir klar: Mit diesem Mann konnte man sicher gut zusammenarbeiten – auch auf einer sehr menschlichen Basis.