31 Mai 2017

Ein aktuelles Blog-Interview mit mir

Tanja Karmann hat einen Blog gestartet, den sie unter das schöne Motto »Books. Design. Coaching« stellt. Man tut ihr sicher nicht unrecht, wenn man ihn als Literatur-Blog bezeichnet; ich kenne die Bloggerin durch ihr Mitwirken bei der Firma WerkZeugs sowie von diversen Begegnungen auf den Buchmessen in Frankfurt und Leipzig her.

Ich zitiere aus der Blogbeschreibung: »Weil ich gern Menschen mit meiner Begeisterung anstecke, gibt es hier in meinem Blog regelmäßig Rezensionen und Buchempfehlungen, außerdem Interviews mit Autoren und anderen Menschen aus der Buchbranche sowie Berichte von Messen und Conventions.« Das klingt nach einer Richtung, die mir gefallen könnte – vor allem, wenn es einen Schwerpunkt bei der Phantastik gibt.

Deshalb war ich schnell damit einverstanden, einige Fragen per Mail zu beantworten. Unter der Überschrift »Berufe in der Buchbranche« ist das Interview mit mir jetzt auf der genannten Seite nachzulesen. Ich erzähle darüber, wie ich Redakteur wurde und wie ein typischer Arbeitstag bei mir verläuft.

Sehr privat wird es nicht; es geht schließlich um meinen Beruf. Aber es gibt einiges zu lesen, das hoffentlich nicht nur mir schmeichelt, sondern auch einigermaßen interessant ist ...

30 Mai 2017

Gelungene Comic-Späße

1968 wurde der Comic-Zeichner Philippe Chappuis in der belgischen Stadt Genf geboren; heute zählt er unter seinem Pseudonym Zep zu den populärsten Zeichnern der frankobelgischen Szene. Das verdankt er zwei ganz unterschiedlichen Ausrichtungen seines Zeichner-Talents: Mit der liebevollen Kinder-Figur »Titeuf« entert er regelmäßig die Bestsellerlisten, während er mit seinen Cartoons ganz selbstverständlich den Markt für Erwachsene bedient.

Im Toonfish-Verlag sind diverse Bände mit Cartoons erschienen, die von Zep stammen. Wie die Titel nahelegen, geht es in »Happy Rock«, »Happy Girls« und »Happy Sex« nicht gerade bierernst zu. Das gleiche gilt für »Happy Parents«, dessen erster Band schon seit Ende 2015 im Handel ist. Um es vorwegzunehmen: Nicht nur für Eltern ist er geeignet, sondern ebenso für Menschen, die Eltern kennen und deren manchmal seltsame Verhaltensweisen verstehen wollen.

Ohne zu sehr ins Detail zu gehen (wer mag, kann sich ja die kostenlose Leseprobe auf der Internet-Seite des Verlages anzuschauen): Die Gags sind nicht alle brillant, aber sie machen viel Vergnügen. Zep hat die Gabe, Situationen in seinen Cartoons so zu überdrehen, dass man unweigerlich lachen oder grinsen muss.

Den Eltern in seinen Cartoons unterlaufen schon vor der Geburt der Kinder verschiedene Schwierigkeiten, und diese steigern sich, während die Kinder älter werden. Dabei ist es gleichgültig, ob die Kinder schon auf beiden Beinen stehen können, ob sie noch Windeln vollkacken oder in die Pubertät kommen – es gibt genügend Gelegenheit für den Cartoonisten, ihre Leiden und Freuden genüsslich aufzuspießen.

Dabei kann nicht jeder Gag begeistern – insgesamt ist aber eine gelungene Mixtur aus frech und frivol, harmlos und krass entstanden. Da kann ich mich schon auf die kommenden Fortsetzungen freuen!

29 Mai 2017

Chaostage auf die Bühne

Ich kann mit einem großen Teil dessen, was als »moderne« Kultur verkauft wird, nichts anfangen.

Das mag daran liegen, dass ich zu blöd dafür bin – nicht schlimm! –, oder dass ich nicht zwanzig Semester lang Kulturwissenschaften oder sonst etwas studiert habe oder dass ich nicht so recht verstehe, warum Menschen aus der Unter- und Mittelklasse mit ihren Steuergeldern den verkopften Unfug finanzieren, den dann die obere Mittelklasse und Oberklasse in durch Steuergelder subventionierten Kulturtempeln begaffen.

Den aktuellen Vogel schießt derzeit für mich das Staatstheater Hannover ab; ich hätte es ja nicht mitbekommen, hätte ich es nicht via Twitter und Karl Nagel erfahren. Es kommt ein Theaterstück unter dem wunderbaren Titel »Chaostage – der Ausverkauf geht weiter!« auf die Bühne. Und praktisch jeder Satz in der Ankündigung wäre es wert, dass man ihn in ein Kabarettprogramm hievt.

Schön finde ich den hier: »Die Chaostage gingen in die Geschichte (der Stadt) ein, sie entwickelten sich über die Jahre von einer reinen Demonstrationsveranstaltung zu einem bis dato unbekannten innerstädtischen Gewaltexzess.« Aha: Die Chaostage waren also zuerst eine Demonstration, dann wurden sie ein Gewaltexzess. Das können nur Leute schreiben, die »damals« weder dabei waren noch Zeitung lesen können.

Die Regisseurin ist aber so richtig toll: Sie nutzt die Chaostage »als Absprungrampe, um heutige Aufstandsbewegungen unter die Lupe zu nehmen«. Sie habe den Text des Stückes »generiert« – was hier offenbar so viel wie »zusammengestückelt« heißt. Und sie stellt die unglaublich wichtige Frage. »Ist Punk wirklich tot?«

In einem hat das Stück sicher recht: Der Ausverkauf einer ehemals jugendlichen Subkultur kann auch 2017 weitergehen. Das haben sich die Leute, die 1982, 1983, 1984, 1994, 1995, 1996 und 2000 von Polizisten krankenhausreif geprügelt worden oder ins Gefängnis gesteckt worden sind, sicher auch mal anders vorgestellt.

28 Mai 2017

Whispering Timer

Wenn ich alte Fanzines durchschaue, stelle ich fest, dass man heutigen Lesern manchen Inhalt von früher kaum noch nahebringen kann. Ein schönes Beispiel ist das Egozine »Whispering Timer«, das der Fan Armin Möhle aus Wallenhorst im Juli 1985 veröffentlichte. Der Name klingt seltsam, hat aber seinen Sinn, wenn man weiß, dass Armin Möhle über mehrere Jahre hinweg ein Duo-Egozine – ja, so etwas gab es damals auch – namens »Whispering Times« zusammen mit Holger Marks publizierte.

Und was ist nun ein Egozine? Im Prinzip ist und war das ein Fanzine, das jemand allein veröffentlichte – das Ziel war letztlich, das eigene Ego zu stärken. (Gern wurde das Titelbild von jemandem übernommen; in diesem Fall stammt es von Norbert Reichinger.) Seriöse Berichterstattung war nicht unbedingt das Ziel eines Egozines, wichtiger war vielmehr, fannische Dinge zu erzählen.

»Whispering Timer« ist hierfür ein schöner Beleg. Das kleine Heft umfasste zwölf Seiten, hatte eine Auflage von hundert Exemplaren und enthielt Texte, die ich heutzutage gern neu lese, mit der sich aber kein Mensch »von heute« mehr auskennen dürfte.

Armin Mühle besuchte Cons in Ehringhausen – wo ich ebenfalls anwesend war – und Freudenstadt – wo ich als Veranstalter auftrat –, er reiste nach Bremen, wo ich nicht auftauchte, und nach Köln, wo ich mich ebenfalls verlustierte. Bei den Berichten ging es oft darum, darüber zu schreiben, wen man traf und was man auf der An- und Abreise erlebte; das Programm eines Cons war bei solchen Berichten oftmals Nebensache.

Mir hat es großes Vergnügen gemacht, dieses Fanzine noch einmal zu lesen: von der ersten bis zur letzten Seite, wirklich Wort für Wort. Schade, dass es solche kleinen Hefte praktisch nicht mehr gibt.

26 Mai 2017

Judith Holofernes macht tolle Popmusik

Wahrscheinlich kann Judith Holofernes alle Vergleiche mit ihrer früheren Band Wir sind Helden nicht mehr hören – aber denen muss sich die Sängerin stellen. Jahrelang war sie mit der Band auf Touren, dann kam eine lange Auszeit, bis sie 2014 mit einer ersten eigenen Platte an die Öffentlichkeit trat. Die trägt den schönen Titel »Ein leichtes Schwert« und klingt tatsächlich wie eine abgeschwächte Version der vorher so erfolgreichen Band.

Klar, es ist der einprägsame Gesang, der die Lieder treibt, die ruhige Stimme, das gelegentliche Kieksen, das den Stücken einen sehr eigenen Charakter verleiht. Dazu kommen schlaue, oft ironische bis eigenironische Texte, in denen offenbar – ich kenne mich im Privatleben der Sängerin nicht aus – private Themen erzählt und angedeutet werden. (Sie hat zwei Kinder, wenn ich's richtig weiß.)

Witzige, oft überraschende Reime prägen die Songs, politische oder gesellschaftskritische Themen lässt sie diesmal weg. Sie singt über Schriftsteller und ihre Romane, über sich selbst, über tanzende Menschen, über das Pech in Beziehungen und das Glück, das man im Leben doch haben kann.

Musikalisch ist das Pop, na klar, und dann auch noch von der ruhigen Sorte. Die Stücke sind meist sparsam instrumentiert, sie plätschern häufig vor sich hin, wirken ein wenig kratzig und sind deshalb kaum radiotauglich. Gelegentlich bratzelt die Gitarre, manchmal wird eher ungewöhnlich instrumentiert.

»Ein leichtes Schwert« ist eine richtig gute Platte, die ich erst dieser Tage gehört habe – drei Jahre nach ihrem Erscheinen – und die viele Überraschungen bereithält. Mal sind die Stücke überschäumend und ausgelassen, dann wieder nachdenklich und melancholisch; man kann sie mehrfach hören, und die Platte wird nicht langweilig.

(Ich habe mir die Vinylscheibe geholt, die auch richtig schön aussieht und der die CD beiliegt, die ich dann im Auto in den CD-Player gesteckt habe.)

Dr. Who und der Gratis-Comic-Tag

In der langen Reihe von Heften, die es beim Gratis-Comic-Tag 2017 gab, bin ich mittlerweile zu »Dr. Who« vorgestoßen. Von der kultigen Science-Fiction-Serie erzählen mir die Fans schon seit vielen Jahren; selbst habe ich nie auch nur eine einzige Folge gesehen. Ich weiß, dass es die Comic-Versionen und Romane gibt, habe aber davon ebensowenig etwas gelesen. Ich bin also ein schrecklicher Laie.

Entsprechend neugierig war ich darauf, was in dem Heft zu finden ist. Ich war positiv überrascht: Das Heft präsentiert drei Kurzgeschichten, je eine vom zehnten, vom elften und vom zwölften Doktor. Was das genau bedeutet, weiß ich gar nicht (ich müsste es nur googeln, schon klar) – aber es ist für das Verständnis der Geschichten ziemlich egal.

In den skurrilen Kurzgeschichten, die witzig erzählt und flott gezeichnet sind, geht es um eine unheimliche Begegnung der Dritten Art mitten in London, um eine Reise in eine monströse andere Welt und um eine schräge Zeitreise-Geschichte – alles machte einen großen Spaß und ließ in mir einen gewisse Neugierde auf die Welt der Science-Fiction-Doktoren entstehen.

Ich fürchte, das könnte mir glatt auch gefallen ... Mit dem Gratis-Comic-Heft hat Panini es geschafft, bei mir den Appetit zu wecken. Cool.

24 Mai 2017

Über den Wert von Arbeit

In den 90er-Jahren skandierte ich bei mancher Demonstration mit großer Begeisterung den Slogan »Arbeit ist Scheiße«, die Parole der Anarchistischen Pogo-Partei Deutschland. Für die meisten war das die Aussage einer »Punker-Spaßpartei« und nicht ernstzunehmen. Die meisten gingen wohl auch davon aus, dass ich selbst es nicht erstnehmen würde.

Ganz das Gegenteil ist der Fall: Zwar hatte und habe ich selbst das große Glück, eine Arbeit zu haben, die mir zu weiten Teilen echt Spaß macht und viel mit Dingen zu tun hat, die ich auch freiwillig tun würde – aber ich weiß sehr gut, dass für den größten Teil der Bevölkerung die Arbeit unerträglich ist. Man arbeitet nicht, weil man das toll findet, sondern weil man durch die Arbeit an das Geld kommt, das man halt benötigt.

Arbeit ist kein Spaßbetrieb, Arbeit ist für die meisten Menschen schlichtweg Notwendigkeit. Man braucht Arbeit, um an Geld zu kommen, und man benötigt Geld, um sich eine Wohnung, ein Bier und eine Mahlzeit leisten zu können, um mal einige Beispiele zu nennen. Damit äußere ich jetzt keine sonderlich anspruchsvolle Systemkritik, das ist eine schlichte Tatsache.

Wie dann in diesen Zeiten immer wieder die Bedeutung von Arbeit beschworen wird, verstehe ich nicht. Wenn der amerikanische Präsident vergleichsweise schlicht von »Jobs, Jobs, Jobs« brabbelt, ist das seine Sache. Wenn aber deutsche Parteien in diesem Wahljahr wieder von Gerechtigkeit faseln und davon, dass man mehr Menschen in die Arbeitswelt bringen solle, verstehe ich das nicht.

Der Gesellschaft wäre mehr geholfen, wenn die Menschen weniger arbeiten würden. 1984 demonstrierte man für die Einführung der 35-Stunden-Woche. Heute klotzen Leute wie ich weit mehr als vierzig Stunden pro Woche hin, idealerweise ohne Freizeitausgleich. Das ist weder gesund noch schlau.

Aber vielleicht wäre es schlau, würden Politiker und gesellschaftliche Kräfte – auch die Gewerkschaften – endlich einsehen, dass Arbeit kein Selbstzweck ist. Man arbeitet, um Geld zu verdienen. Lieber würde man andere Dinge tun.

Ich würde ja glatt eine Partei wählen, die das auch anspricht: Nicht der Arbeit sollte die Zukunft gehören, sondern der Freizeit, dem Zusammensein mit der Familie und mit Freunden. Aber seit den großen APPD-Tagen warte ich verzweifelt auf Slogans in dieser Richtung ...

23 Mai 2017

Gratis-Herbst in der Hose

Als ich vor über dreißig Jahren die ersten Comics und Cartoons von Ralf König las, war ich von den Szenen schon ziemlich verwirrt: Vom schwulen Leben in den Großstädten bekam ich in der Kleinstadt im Schwarzwald nun mal nicht viel mit. Mittlerweile ist Ralf König etabliert, und über Schwule in Literatur, Film und Comic regen sich nur noch Ewigggestrige auf. Einen seiner Comics habe ich aber schon lange nicht mehr gelesen.

Umso schöner, dass es beim Gratis-Comic-Tag auch das Heft »Herbst in der Hose« gab; ich konnte mich mal wieder auf Ralf König und seine Comics einlassen. Konrad und Paul stehen im Zentrum der Geschichte, zwei Schwule, die seit Jahr und Tag die »Helden« bei Ralf König sind. Beide werden älter; sie sehen schlecht, die Haare werden grau, und alle möglichen Zipperlein melden sich. Aber sie bleiben unverzagt und klopfen ihre Sprüche.

Sagen wir so: Textlich fand ich den Comic großartig. Ich musste mehrfach breit grinsen, die Gags sind gut, die Sprüche gefallen mir, und es ist witzig, auf diese Weise mitzubekommen, dass nicht nur »Heten« wie ich ihre Probleme mit dem Älterwerden haben.

Künstlerisch kann ich damit nicht mehr viel anfangen; der 80er-Jahre-Charme ist verflogen, und ich mag diesen krakeligen Stil nicht mehr so wie vor dreißig Jahren. Das ist offenbar mein persönliches Älterwerden ...

Das Lied der Krähen kommt

Am gestrigen Abend hatte ich nach vielen Texten meiner Lieblingsraketenheftchenserie dann doch wieder Lust, etwas anderes zu lesen. Ich führte mir die Leseprobe des Romans »Das Lied der Krähen« zu Gemüte, die in dem Taschenbuch, das Droemer-Knaur für sein Fantasy-Programm des Herbstes 2017 veröffentlicht hat, abgedruckt worden ist (noch mit dem englischen Originaltitel, wie mir scheint).

Schon jetzt kann ich es kaum noch erwarten, wenn der Roman im Herbst in deutscher Sprache erscheinen wird (übersetzt von Michelle Gyo). Autorin ist Leigh Bardugo, ihr Roman war in den USA wohl ein Bestseller – was ich nach Lektüre der Leseprobe gut verstehen kann.

Die Autorin hat einen rasanten Stil, und sie präsentiert nicht nur die Hafenstadt Ketterdam mit ihren Gruppen, Banden und Verbrechern, sondern vor allem eine Gruppe von Banditen, die sich gemeinsam durchschlagen. Was ich bisher mitbekommen habe, macht mich auf jeden Fall neugierig: klar unterscheidbare Charaktere, eine packende Eröffnungsszene und dezent eingesetzte Fantasy-Details.

»Das Lied der Krähen« ist schon jetzt ein Fantasy-Roman, auf den ich mich im Herbst 2017 freuen kann!

22 Mai 2017

Slim oder nicht Slim

Am Samstag wollte ich eine neue Sommerhose kaufen. Ich betrat einen Laden, der sich auf Ökoklamotten spezialisiert hatte, und schaute mich bei den »Chinos« um. Den Stoff finde ich im Sommer angenehmer als eine Jeans.

Da ich eine langweilige Standardgröße habe, die mir hilft, beim Kauf von Jeans recht schnell fertig zu werden, nahm ich eine Hose in meiner Größe. Eigentlich ging ich davon aus, sie nicht einmal anprobieren zu müssen ...

Sicherheitshalber nutzte ich die Umkleidekabine. Noch während ich die Hose hochzog, stellte ich fest, dass etwas gar nicht stimmte. Die Länge war okay, am Bauch hätte ich noch locker drei, vier Kilogramm zulegen können, aber meine Waden waren eingespannt, als müsste ich einen orthopädischen Strumpf tragen. Seltsam, dachte ich.

Nachdem ich die Hose ausgezogen und meine vorherige Jeans wieder an hatte, ging ich zur Verkäuferin. Ich schilderte ihr mein Problem.

»Das ist halt so«, erklärte sie. »Die Hose ist Slim Fit, da muss man sehr schlank sein.«

Ich guckte verwundert an mir hinunter. Klar, ich hatte einen ordentlichen Schwimmring – aber die Hose hätte oben am Bund locker gepasst, so locker, dass ich auf jeden Fall den Gürtel hätte enger schnallen müssen.

»Man darf vor allem keine Muskeln haben«, meinte ich. »Wenn ich im Sommer wieder ein bisschen mit dem Rad durch die Gegend fahre, komme ich gar nicht mehr mit den Beinen rein.«

»Das ist halt so«, sagte sie und zuckte mit den Achseln. »Alle unsere Chinos sind in Slim Fit, das ist derzeit modern.« Sie musterte mich mit einem Gesichtsausdruck, der mir klarmachte, dass ich mindestens zwanzig Jahre zu alt war.

Wahrscheinlich muss ich mich mit meinem Dasein abfinden: Männer über fünfzig trugen früher graue Hosen und graue Jacken, vorzugsweise Blousons, und eher alberne Hüte. Offenbar ist es das, was die Mode-Industrie für mich künftig bereithalten wird. (Das Gute ist anscheinend: Man kann sich einen ordentlichen Schwimmring zulegen, aber bitteschön kein Gramm Muskelmasse an den Waden ...)

21 Mai 2017

Wir waren im Teatro Delusio

Die Familie Flöz muss man gesehen haben, um den speziellen Reiz zu verstehen, den die Figuren auf die Zuschauer ausüben. Das merkte ich am Samstag, 20. Mai 2017; im Theaterhaus in Stuttgart schauten wir uns das Stück »Teatro Delusio« an. Dabei spielen drei Schauspieler gefühlt zwanzig verschiedene Rollen, in einem rasanten Wechsel von Maske und Kostümen, von Figur und Ausdruck – unglaublich!

Die Familie Flöz spielt immer in Masken; diese Masken drücken die Charaktere der Figuren aus. Es gibt keine Dialoge, sondern nur Geräusche und Bewegungen. Trotzdem wird stets klar, was auf der Bühne passiert, wird immer eindeutig vermittelt, welche Aktion gerade abläuft. Bei »Teatro Delusio« schwankt man als Zuschauer zwischen schallendem Gelächter und traurigem Entsetzen, und das fand ich großartig.

Im Prinzip spielt das Theaterstück hinter den Kulissen eines Theaters. Man hört die Geräusche von der »anderen Seite«, wo das wirkliche Theater ist. Publikum applaudiert, Musiker stimmen ihre Instrumente, es wird gejubelt. Hinter den Kulissen kämpfen die Arbeiter mit dem Mühen des Alltags, streiten sich, verlieben sich. Künstler treten auf, der Direktor spielt seine eigene Show, eine Ballerina kommt zu spät, es wird Kaffee gekocht und mit Kabeln jongliert.

Ohne Mimik und Dialog drückt die Familie Flöz eine Vielzahl von Emotionen aus. Das fand ich schon bei »Hotel Paradiso« toll, und ich möchte mir auch weitere Shows dieser Truppe anschauen. Gern übrigens wieder im Theaterhaus in Stuttgart.

19 Mai 2017

Licht und Liebe und Chakra

Manche Schreiben, die ich erhalte, muss ich sicher nicht verstehen. Es ist schon einige Tage her, dass ich eine Mail bekam, die eine Dame abgeschickt hatte, die ich bislang zweimal getroffen hatte. Sie schrieb mir, sie halte es für wichtig, dass alle Menschen »die Welt mit Licht und Liebe betrachten« – was ja erst einmal nicht uneinsichtig klingt. Lieber Licht und Liebe als Dunkelheit und Hass.

Im weiteren Verlauf der Mail ging es um die »Entwicklung des Kehlchakras«. Davon hatte ich noch nie gehört, also schaute ich kurz im Internet nach. Nachdem ich einige Überschriften gesehen hatte, klappte ich die Suchfunktion wieder zu.

Das Schreiben war sowieso viel spannender. Irgendwie hänge das Kehlchakra mit einer Rede von Helmut Schmidt zusammen, während vor 2000 Jahren »das Herzchakra durch Jesus Christus für die Entwicklung der Menschheit geöffnet« worden sei. Das recherchierte ich dann lieber nicht nach, mein Gehirn geriet eh schon ins Trudeln.

Durch fehlende Sexualität sei die genannte Entwicklung in eine Schieflage geraten, »was wir am IS deutlich wahrnehmen können«. Auch das recherchierte ich nicht weiter. Jesus Christus, der Islamische Staat, Helmut Schmidt und Sexualität in einem Zusammenhang – da muss man erst einmal eine vernünftige Linie ziehen. Ich schaffte das nicht.

Ich glaube, so esoterische Dinge sind nichts für mich. (Wobei: Es gibt ja auch Menschen, die Esoterik und Punkrock in ihrem Kopf zusammenbringen. Ich sollte mir vielleicht einfach mehr Mühe geben …)

18 Mai 2017

Hilda und der Gratis-Comic-Tag

Wieder so ein Comic, von dem ich noch nie gehört habe: »Hilda« ist eine Serie mit Comics, die bei Reprodukt erscheinen und sich an Kinder richten, die aber sicher vorrangig von Erwachsenen gekauft und gelesen werden. Im Rahmen des Gratis-Comic-Tages bekam ich auch »Hilda und der Mitternachtsriese«, las es in einem Rutsch und war ziemlich begeistert.

Schöpfer dieses wahrhaft phantastischen Comics voller schöner Ideen ist Luke Pearson. Er verbindet eine Mutter-Tochter-Geschichte mit winzigen Zwergwesen – deren Staat recht bürokratisch erscheint – und gigantischen Riesen, und das alles wirkt nicht gezwungen, sondern lebendig und atmosphärisch.

Als Leser schmunzelt man ab und zu, dann wieder staunt man über die hübschen Ideen. Ich bin sicher, dass Kinder ihre Freude daran haben. Erwachsene wie ich haben sie sowieso ...

Wer Fantasy oder Phantastik abseits der bekannten Bahnen sucht, sollte sich mal einen der »Hilda«-Comics anschauen. Das ist originell, ohne zu verkopft zu sein – sehr schön!

Sanchez zum Gratis-Comic-Tag

Wozu so ein Gratis-Comic-Tag immer wieder gut ist: Ich hatte noch nie von einem Comic namens »Sanchez« gehört, und der Verlag PlemPlem Productions war mir gleich zweimal unbekannt. Das ist offenbar ein Fehler, wie ich nach Lektüre des schrägen und witzigen »Sanchez«-Heftes erfahren konnte.

Sanchez ist ein Roboter, er lebt in Asimov City, und dort interessiert er sich für all die Dinge, die auch unsereins gut findet. Er mag Comics, er isst gern, er spielt Streiche. Sein böser Gegenspieler heißt Rupert von Gleichstrom.

Das Ganze ist schräg gezeichnet und noch schräger erzählt. Der Ton des gesamten Heftes ist skurril; Begriffe wie »voll ölig« entsprechen bei jungen Robotern eben unserem heutigen »geil«. In den zwei Geschichten des Gratis-Heftes erfuhr ich einiges über den Besuch der ComicCon und die Probleme, ein »Haus des Grauens« zu betreten.

Hauptzeichner bei den »Sanchez Adventures« ist Chris Kloiber, der sichtlich viel Spaß dabei hat, die Geschichten zu erfinden und zu zeichnen. Mir gefallen der Humor und der Zeichenstil, da kommt nicht nur der Science-Fiction-Fan in mir auf seine Kosten. Ich glaube, von diesem Sanchez und seinen Abenteuern will ich mehr wissen ...

17 Mai 2017

19 Nasen auf dem Gehweg

Am Montagabend, 17. Mai 2017, schaffte ich es immerhin mal wieder, ins Training zu gehen. Danach radelte ich durch die Innenstadt heim. Karlsruhe war voller Menschen, der Frühsommer trieb sie zu Tausenden auf die Straße, überall waren sie unterwegs, die meisten davon mit blendender Laune.

Auf der Höhe der Postgalerie sah ich die ersten Menschen, deren Gesichtsausdruck mir verriet, dass sie schlechte Laune hatten. Es waren Polizisten, die in voller Montur herumstanden. Polizeifahrzeuge wiesen darauf hin, dass sie einen Einsatz zu bewältigen hatten.

Auf dem Stephansplatz sah ich weitere Polizei. Die Beamten bestiegen ihre Fahrzeuge; gut ein Dutzend Wannen stand bereits. Ein Grüppchen gut gelaunter Antifa-Leute, die ich vom Sehen her kannte, lungerte noch auf dem Platz herum.

Ich fuhr hin. »War heute wieder Nazi-Aufmarsch?«, fragte ich. »Seit wann denn montags?« Ich hatte nichts davon mitbekommen.

»Auf die Nazis kann man sich auch nicht mehr verlassen«, bekam ich zur Antwort. »Die wechseln ihre Demonstrationstage ständig.«

Wie ich erfuhr, hatte der Widerstand Karlsruhe – oder wie immer sich die örtliche Nazi-Gruppierung nennt – mal wieder einen ihrer Aufmärsche durchgezogen. Teilgenommen hatten zwischen 14 und 19 Personen; die Zählungen variierten.

Und sie sind brav auf dem Gehweg marschiert«, wurde mir mit breitem Grinsen erzählt. »So wie es sich für brave Deutsche gehört.«


Wir halten fest: Rund eineinhalb Dutzend Nazis beschäftigen eine Hundertschaft Polizei und eine Hundertschaft der Antifa. Man hat schon von klügeren Dingen gehört, die man an einem Montagabend in der Innenstadt von Karlsruhe anfangen kann ...

16 Mai 2017

Phantastisches Grafik-Meisterwerk

Der in Australien lebende Shaun Tan ist einer der Künstler, deren Werke mich in den vergangenen Jahren immer wieder verblüfft haben. Seine Bücher werden hierzulande in den Kinderbuchecken der Buchhandlungen verkauft – die Art und Weise, wie er phantastische Landschaften lebendig werden lässt, macht sein Werk aber auch für Erwachsene höchst spannend.

Ein schönes Beispiel dafür ist der wunderbare Hardcover-Band »Der rote Baum«. Das Buch erschien erstmals 2001, kann damit als Frühwerk des Künstlers betrachtet werden. Die Geschichte ist schnell erzählt: Ein rothaariges Mädchen erwacht, sein Leben ist grau und traurig, doch am Ende siegt die Hoffnung.

Wie Shaun Tan das illustriert, ist allerdings meisterhaft. Das Buch hat nur wenige Seiten –gerade mal 32 sind es –, aber jede von ihnen ist ein Kunstwerk. Man kann die Bilder lange Zeit betrachten, findet immer wieder neue Details.

Shaun Tan fängt die Gedankenwelt eines traurigen Mädchens ein, macht sie mit phantastischen und surrealen Motiven lebendig. Zeitungsschnipsel symbolisieren den Wirrwarr der Gedanken, eine Flüstertüte zeigt den Schrei aus Verzweiflung, das endlose Meer oder die Häuser einer Stadt wirken einschüchternd.

Mich hat »Der rote Baum« gepackt; es ist ein Buch, das man immer wieder in die Hand nehmen kann. Und als Verschenk-Tipp für Science-Fiction- und Fantasy-Fans ist es sowieso jederzeit zu empfehlen!

15 Mai 2017

Drei Bundeswehr-Notizen

Dass ich in den 80er-Jahren als Wehrpflichtiger bei der Bundeswehr war, zählt zu den Dingen, auf die ich nicht unbedingt stolz bin. Immerhin lernte ich, ein Hemd oder ein T-Shirt auf A4-Größe zusammenzulegen und das auch noch sinnvoll zu finden. Auffallend waren allerdings die gelegentlichen politischen Aussetzer – wenn ich mich an die erinnere, wundere ich mich über manche aktuelle Bundeswehr-Diskussion.

Am Schwarzen Brett

Wir kamen von der Kantine zurück, es war schon dunkel. Die Rekruten lagen in den Stuben, wir Gefreiten hatten wie so oft zu viel Bier getrunken.  Wir passierten den Unteroffizier vom Dienst, grüßten nachlässig und betraten das Gebäude unserer Kompanie.

Am Schwarzen Brett blieb ich stehen. Unter den üblichen Dienstplänen hing etwas, das nicht dorthin gehörte; ich erkannte es sofort. Es war ein Artikel aus der »Deutschen National-Zeitung«, schwarze und rote Buchstaben, rassistische Inhalte.

»Das hat der Oberfeldwebel hingemacht«, sagte ein Gefreiter. »Der liest die Zeitung immer.«

Ans Schwarze Brett gehörten keinen politischen Inhalte; rechtsradikales Zeug war in der Bundeswehr offiziell verpönt. Beweisen würde man aber nie können, wer den Artikel an die Wand gepinnt hatte.

Ich machte ihn ab, knüllte das Papier zusammen und warf es weg. In den folgenden Wochen wiederholte sich das Spiel: Jeder wusste, wer die Nazi-Artikel ans Schwarze Brett pinnte, jeder wusste auch, wer sie abmachte. Eine Anzeige wurde nicht erstattet, irgendwann hörte der Oberfeldwebel auf.

Beim Dauerlauf

Ein Unteroffizier mochte es, mit seinen Rekruten durch den Wald zu laufen. In den hässlichen Bundeswehr-Trainingsanzügen rannten die paar Dutzend Rekruten hinter dem Unteroffizier her. Dann ließ er sie anhalten, mitten im Wald. »Links gucken – ausspucken!«, kommandierte er. Nachdem alle ausgespuckt hatten, rannte die Gruppe weiter.

Es dauerte einen Zeit, bis klarwurde, wo die Rekruten auszuspucken hatten. Es war der alte Judenfriedhof der Stadt.

In der Foige beschwerte sich ein Rekrut, also ein ganz junger Wehrpflichtiger. Der Unteroffizier wurde bestraft und unehrenhaft aus der Bundeswehr entlassen.

Im Casino
Zeitweise schob ich Dienst im Unteroffiziers-Casino unserer Kompanie. Das war recht praktisch, weil das Casino genau gegenüber der Stube lag, wo ich zu schlafen hatte. So hatte ich es, wenn ich besoffen Feierabend machen konnte, nicht mehr besonders weit.

»Fotzenlecken und Siegheil!«, schrie der Stabsunteroffizier, der mittags immer einen Kaffee trank. Es war 15 Uhr, und er war schon hackeblau.

»Lass das!«, sagte ich. Wir waren längst beim Duzen angelangt, vor allem gegenüber den Zeitsoldaten-Unteroffizieren hatte ich als Gefreiter keinerlei Respekt mehr. »Nicht solche Sprüche!«

»Was stört dich da?«, fragte er aggressiv.

»Lass zumindest den Nazischeiß«, sagte ich. »Das andere ist dein Privatkram.«

Fazit:
Gäbe es in der Bundeswehr noch Wehrpflichtige, wäre vielleicht vieles nicht besser – vor allem nicht für die Wehrpflichtigen. Aber ich kann das Gejammer über die Nazi-Umtriebe in der Truppe nicht mehr hören. Alle Beteiligten wissen, dass es die schon immer gab.

14 Mai 2017

Punkrock-Zeitreise mal drei

Seit die »Alte Hackerei« in Karlsruhe existiert, habe ich in den Räumen der »gepflegten Punkrock-Bar« so manches großartige Punk-Konzert gesehen. Bei der Zehn-Jahres-Party am Wochenende schaute ich immerhin am Freitagabend rein und ließ mir die volle Dröhnung geben; dabei fiel mir eine muntere Publikums-Wechslerei und einen ebenso muntere Punkrock-Zeitreise auf.

Den Reigen eröffneten Bambix: Was in den 90er-Jahren als Frauenpunkband angefangen hatte, war im Verlauf der Jahrzehnte längst zu einer Band geworden, bei dem die Sängerin mit männlichen Musikern die Bühnen entert; der Schlagzeuger stammt sowieso aus Köln und ist kein Holländer. Das ändert nichts daran, dass die Band immer noch gut ist.

Ich habe Bambix sicher ein Dutzendmal gesehen; an diesem Samstag fand ich die Band mal wieder richtig klasse: treibender Sound, knallige Melodien, auf den Punkt gesetzte Effekte. Auffallend war das Publikum: Vor der Bühne tummelten sich zu zwei Dritteln junge Frauen, die sich bestens amüsierten.

Bei der nächsten Band änderte sich das. Das Publikum tauschte sich praktisch aus und wurde älter, näherte sich eher meiner Alterskategorie. Na klar, Danger!Man aus Norwegen spielen im Prinzip einen Sound, der an die späten 80er-Jahre erinnert, also an die Zeit, in der sich die europäische Hardcore-Szene entwickelte. (Die Zeitreise ging also weiter zurück.)

Ich liebe die Band, seit ich sie vor einigen Jahren schon mal gesehen habe: knalliger Hardcore-Punk, der rasant nach vorne gebolzt wird, immer mal wieder melodiös wird, ohne ins Melodycore-Lalala abzurutschen. Das Schlagzeug leitete die Stücke echt ein, als wollte es das Publikum überfallen, dann setzte der Rest der Band ein, während das Publikum vor Begeisterung tobte. Großartig.

Am Ende war ich nassgeschwitzt und musste das T-Shirt erst mal wechseln. Ich laberte mit Bekannten, schaute mir die anderen Bereiche der Party an. Insgesamt waren wohl 500 Leute da, die Hälfte schaute sich aber gar nicht das Konzert an, sondern verbrachte den Abend mit dem Karaoke-Bus, mit Bier und Gesprächen.

Bei den Idiots war ich sehr skeptisch – ob das was werden würde? Ich hatte die Band zuletzt Ende der 80er-Jahre in Crailsheim gesehen und fand zuletzt diese Art von Deutschpunk zu metallisch und abgehackt.

Aber ganz klar: Wieder war das Publikum völlig anders, diesmal eher »nietenpunkig«, und mit der Zeitreise landete die »Hackerei« jetzt in den frühen 80er-Jahren. Der Sänger, der ja auch schon knapp sechzig sein müsste, präsentierte eine ziemlich abgefahrene Show mit wechselnder Verkleidung und schrägen Ansagen. Und die Musik war so ruppig und metallisch, wie ich sie befürchtet hatte – trotzdem fand ich die Band nach einiger Zeit doch gut.

Alles in allem ein sehr gelungener Abend, von dem ich erst sehr viel später nach Hause kam. Auf die nächsten zehn Jahre, liebe »Alte Hackerei«!

12 Mai 2017

Sherlock beim Gratis-Comic-Tag

Dass ich mit Mangas meine Schwierigkeiten habe, liegt sicher an meinem Alter: Ich fnde es schwierig, Comics »von hinten« zu lesen. Bei »Sherlock« machte ich eine Ausnahme; das Heft gibt es beim morgigen Gratis-Comic-Tag kostenfrei.

Es basiert auf der modernen Fernsehserie, die ich sehr schätze, und erzählt das Drehbuch von Steven Moffat und Mark Gatiss nach, Wie Dr. Watson auftaucht und Sherlock Holmes trifft, das ist toll erzählt und zieht einen sofort in den Bann.

Die Zeichnungen von Jay empfinde ich als schlicht. Sie sind in ihrer schwarzweißen Anmutung durchaus dynamisch, Watson und Holmes werden klar von den Darstellern der Fernsehserie übernommen. Speedlines und Action kommen bei Watsons Kriegserinnerungen noch einmal zum Vorschein.

Um es klar zu sagen: Ich werde kein Fan dieser Manga-Anmutung von »Sherlock« werden; in meinem Leben werde ich wohl kein Manga-Fan mehr. Wer aber die Serie »Sherlock« mag oder generell Mangas schätzt, sollte sich das Heft sichern.

Daniel Düsentrieb am Gratis-Comic-Tag

Seit ich als Grundschüler die »Lustigen Taschenbücher« entdeckte, bin ich ein großer Fan von Disney-Comics. Deshalb freute ich mich besonders über das »Daniel Düsentrieb«-Heft, das es zum Gratis-Comic-Tag gibt. Auf 32 Seiten stellte es die beliebte Figur vor.

Klar – ich kannte zwei der Geschichten schon aus der Carl-Barks-Edition. Aber das macht nichts, Zielgruppe des Heftes sind sowieso Kinder, die diese uralten Geschichten noch nicht kennen. Und ich habe zudem kein Problem, eine alte Geschichte erneut zu lesen. Die anderen zwei Geschichten, die deutlich moderner von der Erzählweise waren, kannte ich übrigens nicht.

Insgesamt ein gelungenes Heft, optimal geeignet für Kinder und damit ein ideales Mitbringsel für sie vom Gratis-Comic-Tag. Erwachsene sollten sich das Heft vielleicht auch sichern, vor allem, wenn sie Science-Fiction-Fans sind: Die Geschichte »Besuch im Telestadion« ist eigentlich Science Fiction und thematisiert virtuelle Realitäten sowie die Zukunft des Fernsehgeschäftes. Das ist dann zusätzlich interessant ...

11 Mai 2017

Game Over für den Gratis-Comic-Tag

Wer noch nicht weiß, ob er oder sie zum Gratis-Comic-Tag gehen sollte, für den habe ich einen echten Tipp: Bei den kostenlosen Heften ist »Game Over« dabei, ein schreiend komischer Funny-Comic mit drastischen Gags, in denen manchmal das Blut nur so spritzt.

Wer darin einen Widerspruch sieht, hat nicht unrecht. Hier passt es aber. Der Zeichner Midam schickt seine Hauptfigur in den einseitigen Geschichten immer wieder in die Kulissen eines Computerspiels.

Der schräge Held versucht, schlicht den »Exit«-Punkt des Spieles zu erreichen oder ganz ambitioniert eine gefangene Prinzessin zu befreien. Dabei muss er mit Monstern kämpfen, über Abgründe springen oder sich sonstwie durch ein Spiel zu schlagen – und natürlich scheitert er immer kläglich.

Witzig gezeichnet, pointiert erzählt und mit grobem Humor ... man muss das mögen. Ich fand's sehr witzig und möchte das Heft jedem /jeder ans Herz legen.

Der Shabby-Chic der Vintage-Jeans

Im vergangenen Jahr wunderte ich mich gelegentlich darüber, wie viele Leute mit Löchern in den Hosen durch die Gegend spazieren. Im Frühjahr fiel es mir in Frankreich auf, während des Sommers 2016 wurde es in Deutschland immer mehr. Und jetzt, im späten Frühling des Jahres 2017, scheint es keine modische Hose mehr geben, die ohne ein dekoratives Loch mehr auskommt.

Manche Löcher sehen ein wenig so aus, wie 1977 die Hosen der Ramones: Sie sind auf den Knien aufgerissen, wirken also, als hätten die Jeanshosenträger_innen damit harte Arbeit geleistet oder wären so oft gestürzt, dass sich das Kleidungsstück aufgelöst habe. Das finde ich teilweise durchaus nett.

Skurril sind dann die Hosen, die an den unmöglichsten Stellen zerrissen sind. Kürzlich erblickte ich eine junge Frau, bei der ein Stück Hose fehlte, das gut dreißig Zentimeter lang und zehn Zentimeter breit war. Man sah also recht viel Haut, aber es sah vor allem unfreiwillig komisch aus.

Da ich keine Ahnung von Mode habe, befragte ich das allwissende Internet. Ein Trend in unserer Zeit ist bekanntlich der »Shabby-Chic«; man legt sich also Möbelstücke oder Kleidung zu, die ein wenig abgeschabt und alt aussieht. Damit setzt man auf einen Stil, der mit alten Dingen und ihren Erfahrungen spricht. (Dann ist mein Gesicht nicht mehr alt, sondern strahlt halt im »Shabby-Chic« – auch gut.)

Die ständig auf der Straße zu erblickenden Hosen laufen unter dem Begriff Vintage-Jeans. Sie sollen individueller wirken als die normale Jeans, die man sich – so wie ich – mit Standardgröße kauft, so lange trägt, bis Löcher drin sind. Eine Vintage-Jeans sieht beim Kauf schon so aus, als hätte man mit ihr ein Jahr lang Fußböden geschrubbt oder wäre mit dem Skateboard durch die Innenstadt geheizt.

Will man mehr über die Welt von heute wissen, geht man am besten auf die Zalando-Seite: »Vintage Jeans haben das volle Stylepotenzial, wenn man modisch keine Kompromisse bei Jeans eingehen will.« Es geht letztlich um einen »timeless Vintage-Style«. Auch gut.

Ich hab's kapiert. Vielleicht hätte ich all meine zerfetzten und eingerissenen Hosen aus den vergangenen Jahrzehnten nicht mühsam flicken und so lange tragen sollen, bis sie zerfielen, sondern einfach aufbewahren?

10 Mai 2017

Blitzgedingst

Ich halte mich nicht für einen Raser, aber ich fahre immer mal wieder »knapp drüber«, also ein wenig über der erlaubten Höchstgeschwindigkeit. Dabei übertreibe ich es nicht, zumindest nicht in meiner eigenen Wahrnehmung – aber es passiert gelegentlich, dass ich »geblitzt« bin. Aber eigentlich passe ich auf …

So an diesem Morgen. Ich kenne die Brücke, die die B 36 am Ortsausgang von Karlsruhe überquert. Gelegentlich steht ein auffallend weißes Fahrzeug am rechten Straßenrand direkt vor der Brücke; dort ist nur eine Höchstgeschwindigkeit von 70 Stundenkilometern erlaubt. Weil ich das weiß, fahre ich schön langsam.

In jüngster Zeit stehen die Fahrzeuge des Ordnungsamtes gelegentlich auch direkt hinter der Brücke, ziemlich gut getarnt und erst sichtbar, wenn das Blitzlicht aufflammt. Das weiß ich allerdings auch und passe auf.

Aber nach der Brücke gebe ich Gas – wenige hundert Meter danach kommt die Tempo-100-Zone. So auch an diesem Morgen. Man kennt seine Strecke ja, denke ich in edler Selbstüberschätzung.

Falsch gedacht: Ich sehe noch das blaue Schimmern hinter einem Gebüsch, rund hundert Meter vor dem Tempo-100-Schild. Ich nehme instinktiv den Fuß vom Gas, komme aber nicht mehr zum Bremsen – dann blitzt es vor meinem Gesicht, und in diesem Augenblick sehe ich sowohl das Radarnessgerät am Straßenrand als auch das Polizeifahrzeug hinter den dichten Blättern eines Strauches.

So kann’s kommen; man kann sich noch so gut auskennen und wird von der Polizei beim Zu-schnell-Fahren erwischt. Ich vermute, dass mich der Spaß wieder mal 15 oder 20 Euro kosten wird, und fahre zähneknirschend und geschwindigkeitsangepasst weiter zur Arbeit.

09 Mai 2017

Gratis-Comic-Tag mit Spider-Man

Ich bin in den Besitz einiger Comic-Hefte gekommen, die eigentlich erst am Samstag unter die Leute gebracht werden – dann startet nämlich der Gratis-Comic-Tag 2017. Bei dieser Veranstaltung, die bundesweit in Hunderten von Geschäften abläuft, kann man kostenlose Comic-Hefte abstauben. Ich bin natürlich neugierig und schaue in die Hefte rein, die es kostenlos gibt; gestartet wird mit »Spider-Man«.

Mit dem Marvel-Universum kann ich nicht so viel anfangen, ich habe im Verlauf der Jahre aber immer wieder »Spider-Man«-Geschichten gelesen. Das Gratis-Heft zur Serie enthält den ersten Teil des neuen Handlungsabschnittes »Die Klon-Verschwörung«, die Extrageschichte »Der Geier« und den Anfang von »Spidey«.

Die Hauptgeschichte fängt mit einer Beerdigung an, sie zeigt einen trauernden Peter Parker und sein soziales Umfeld. Nach einigen Dialogen kommt schnell die Superhelden-Action.

Gezeichnet und getuscht wurde das Ganze ziemlich klasse, die Bilder sind dynamisch und stecken voller Effekte; das ist toll. Die Story fand ich am Anfang verwirrend, weil sehr viele unbekannte Begriffe auftauchten, und sie schaffte es nicht, mich über die ganze Länge zu faszinieren.

Ganz anders »Der Geier«; im Prinzip ist das eine Gefängnisgeschichte, die halt im »Spider-Man«-Universum spielt und für sich stehen kann. Gut gezeichnet (sieht man von manchem Gesicht ab) und knallig auf eine fiese Pointe hin erzählt – gefällt mir gut.

Den Vogel schießt allerdings »Spidey« ab. Man will »jede Menga Action mit der freundlichen Spinne von nebenan« präsentieren, und das klappt. Die Zeichnungen sind deutlich jünger angelegt, die Geschichte ist rasant und kommt ohne erzählerischen Ballast aus. Ziemlich cool – und sicher nicht nur für Leser, die noch in die Schule gehen ... »Spidey« finde ich überraschend unterhaltsam und gelungen!

Alles in allem ein interessanter Einblick in ein Comic-Universum, von dem ich so viel nicht kenne und weiß. Cool, dass man beim Gratis-Comic-Tag solche Einblicke erhalten kann!

08 Mai 2017

Frankreich und sein Punkrock

Ich weiß nicht, wie oft ich die geplante Radiosendung über Punkrock aus Frankreich schon vor mir hergeschoben habe. Am Sonntag, 7. Mai 2017, bot es sich einfach an: In Frankreich wurde gewählt, und da wollte ich für den passenden Soundtrack sorgen. Musikalisch ging es dabei zumeist recht klassisch vor.

Mit den Melodiepunkern von The Shapers aus Toulouse und den schon fast nach IndieRock klingenden Uncommon Men From Mars aus St. Orens hatte ich einen aktuellen Einstieg in die Sendung. Beide Bands sind recht harmlos und ebenso modern; das sollte gefallen. Wuchtig, rotzig und für meinen Geschmack eigentlich zu sehr in den Hardrock tendierend waren danach die Ashtones, die irgendwo aus Nordfrankreich sind.

Den Übergang zur alten Zeit bildete die Band Hors Controle. Das sind zwar Skinheads, aber die machen klaren Antifa-Punkrock; kein Wunder, die Band veröffentlicht ihre Tonträger beim Maloka Kollektiv in Dijon, und das ist politisch absolut eindeutig.

Mit großer Freude stieg ich in die frühen 80er-Jahre ein: Komintern Sect ist eine Band, die unsereins schon »damals« gelegentlich hörte, während Reich Orgasm – benannt nach dem Psychoanalytiker Wilhelm Reich, nicht nach dem Dritten Reich – nie so bekannt geworden sind. Großartig dann Camera Silens, für mich eine der besten französischen Bands aus diesen frühen Jahren; ein starker Abschluss für eine gute Sendung.

Weil ich ja einiges für die Sendung recherchiert habe, kann es durchaus sein, dass ich im Querfunk, dem Freien Radio Karlsruhe, mal wieder über Frankreich etwas bringe. Dann vielleicht auch mit Blick auf die Hardcore-Szene, die in Frankreich ab 1986 immer mehr an Einfluss gewann ...

07 Mai 2017

Bonnie Blade und ihre Bande

Das war eine Überraschung am Samstagabend, 6. Mai 2017: Ich war auf einer Geburtstagsparty im »Mikado«, dem Kulturzentrum in der Nordstadt, also eine eher private Veranstaltung. Rund 150 Leute waren anwesend, das Altersspektrum reichte von 15 bis 85 – kein Witz. Und eigentlich war ich darauf eingestellt, Bier zu trinken, Flammkuchen zu futtern, einige halbwegs intelligente Bemerkungen von mir zu geben und ansonsten vor allem in der Gegend herumzustehen.

Dann aber enterte eine Band die Bühne, von der ich noch nie etwas gehört hatte: vier Männer und eine Frau, die sich Bonnie Blade & The B-Flat Canaries nannten und einen altmodischen Sound extrem cool rüberbrachten. Im Prinzip spielten die klassischen Rock'n'Roll, sehr in den fünfziger Jahren verankert und dank Kontrabass auch noch mit Rockabilly-Elementen abgeschmeckt.

Das machte die Band schon ziemlich gut – der Hammer aber war die Sängerin, die »ganz normal« singen konnte, zwischendurch aber die Stimme röhren ließ. Die Show war zurückhaltend, die Band stand die meiste Zeit, während die schwangere Sängerin immer wieder auch saß.

Aber was geboten wurde, gefiel den Anwesenden. Recht schnell wurde getanzt – und das war richtig nett. Ich habe noch nie eine alte Dame von 85 Jahren zwischen jungen Leuten tanzen sehen – aber an dem Abend war das der Fall. Der Sound von der Bühne schwappte ins Publikum, und die Begeisterung dort schwappte auch wieder zurück. Sehr schön!

05 Mai 2017

Comic-Thriller in starkem Stil

Ins Jahr 1967 führt der Comic »Swinging London«, der schon 2011 erschienen ist, den ich aber erst dieser Tage lesen konnte. Es geht um Rockmusik und Drogen, um eine Prise Satanismus und Gewalt, vor allem aber um Sex und Crime – und das ist ziemlich cool gemacht. Dabei wusste ich vorher weder etwas über den Autor Thomas Bénet noch den Zeichner Christian de Metter.

Die Geschichte beginnt im August 1967. Ein Rockstar stirbt in seinem Schloss in Schottland. Während die Polizei einen Selbstmord feststellt und die Presse sich in Spekulationen ergibt, beginnen zwei Freunde damit, nach den Hintergründen zu forschen. Das Interessante daran: Beide zählen nicht zur weißen Durchschnittsgesellschaft in Großbritannien.

Weder der seltsame Guru, mit dem der Rockstar befreundet war, noch die coole Fotojournalistin haben viel mit dieser Gesellschaft zu tun. Sie werden wegen ihrer Hautfarbe oder wegen ihres Geschlechtes diskriminiert, ermitteln aber dennoch auf ihre Weise.

Dabei kommen allerlei Geheimnisse ans Licht, die mit Sex, Drogen und Gewalt zu tun haben. Ein mysteriöser Geheimbund steckt offenbar ebenfalls in der Geschichte – und recht schnell bekommt vor allem die junge Journalistin allerlei Probleme.

Die Geschichte wird schnell und zielgerichtet erzählt. Auch wenn die »Ermittler« alles andere als Polizisten sind, verhalten sie sich wie Detektive; sie ermitteln, sie schnüffeln, sie befragen. Dabei finden sie schnell ein Detail nach dem anderen heraus, während die Gegenseite versucht, sie auszubremsen oder gar zu bedrohen. Es ist ein klassischer Krimi, allerdings tauchen immer wieder phantastische Elemente auf.

Spannend bei der Story sind vor allem die Hintergründe. Die späten 60er-Jahre werden glaubhaft lebendig: Rockmusik ist etwas Neues, die junge Generation revoltiert gegen die Alten, das britische Königreich befindet sich bereits im Niedergang. In dieser Zeit ist das »Swinging London«, das dem Comic seinen Namen verliehen hat, ein künstlerisches Aufbegehren gegen eine verkrustete Gesellschaft.

Faszinierend sind bei diesem Comic stets die Bilder. Christian de Metter arbeitet mit dezenten Farben und kräftigen Linien, häufig lässt er die Konturen bewusst verschwimmen. Menschen stehen oft als Skizzen im Bild, während die Hintergründe unscharf wirken – als ob alles durch einen Drogenschleier beobachtet würde. Klar: Drogen spielen in diesem Comic eine Rolle, ebenso allerlei Visionen bei der Suche nach den Hintergründen.

»Swinging London« ist ein ungewöhnlicher Comic, der mir sehr gut gefallen hat. Er unterscheidet sich in der Machart meilenweit von den üblichen Genre-Comics, die man ansonsten kennt: Weder herrscht ein Superhelden-Stil vor noch der übliche Abenteuer-Stil der frankobelgischen Schule. Das wird nicht jedermanns Geschmack sein – ich empfehle, einen Blick in das Buch zu werfen.

Erschienen ist der Comic als Hardcover im »normalen« Format (also kein Album) bei Schreiber & Leser; man bekommt ihn nach wie vor im Handel. Wer mag, nutze die ISBN 978-3-941239-62-3; weitere Informationen gibt sowieso auf der Verlagsseite und im Lesermagazin des Verlages.

04 Mai 2017

Königin aller Literaturdisziplinen

Ich brauche ja immer ein wenig, bis ich eine Ausgabe des OX-Fanzines durch habe; meist reicht es sowieso nicht dazu, das umfangreiche Blatt richtig zu lesen, und so reicht es nur zu einem ausgiebigem Blättern und der Lektüre von ausgewählten Artikeln. Deshalb dauerte es auch seine Zeit, bis ich bemerkte, dass in der Ausgabe 129 – sie kam zum Jahresende 2016 raus – eine Besprechung meiner Kurzgeschichtensammlung »Für immer Punk?« enthalten ist.

Verfasst wurde sie von Kalle Stille, den ich jetzt auch seit bald dreißig Jahren kennen dürfte. Keine Ahnung, bei wie vielen Pogo-Konzerten wir vor allem in den 80er- und frühen 90er-Jahren vor allem im Raum Stuttgart übereinander gestolpert sind – und das ist hier durchaus wörtlich gemeint. Das heißt natürlich, dass seine Besprechung nicht objektiv ist, sondern eher subjektiv. Was mir nichts ausmacht ... auch wenn er mich »Schwarzwaldklausi« nennt ...

Er empfiehlt das Buch als Klolektüre, was hier positiv gemeint ist, und sieht es als »einen kurzweiligen Heidenspaß«. Kurzgeschichten mag der Rezensent sowieso, für ihn ist eine Story die »Königin aller Literaturdisziplinen«. Und ich freue mich sehr über ein solches Lob!

03 Mai 2017

Kampf mit dem Kleiderschrank

So richtig nachvollziehbar ist nicht mehr, warum ich auf die Idee kam, mal meinen Kleiderschrank genauer anzuschauen und auf Klamotten zu untersuchen, die nicht mehr passten. Die Möglichkeit besteht allerdings, dass es auf mehr oder weniger sanften Druck hin geschah. So nach dem Motto, »dieses T-Shirt willst du doch echt nicht mehr anziehen, oder?« Auf jeden Fall wurde »gemistet«.

Es war, so viel kann ich gleich mal sagen, ein hochdramatischer Ablauf. Es ist wirklich erschütternd, was man in den Tiefen eines Kleiderschranks findet, nicht nur T-Shirts, die man seit Jahren nicht mehr angehabt hat und die man wohl nie mehr anziehen wird. (Aber mein selbstgemachtes ENPUNKT-T-Shirt aus den frühen 90er-Jahren habe ich eisern verteidigt … anziehen werde es wohl kaum mehr.)

Manchmal wunderte ich mich über mich selbst. Da gab es beispielsweise diese Hose, die ich 1999 in Malaysia gekauft hatte. Ich wunderte mich, dass die mittlerweile recht zerschlissen war und am Bauch ein wenig sehr spannte (ähm). Zähneknirschend warf ich sie weg.

Einige T-Shirts aus den 90er-Jahren wanderten tatsächlich in den Müll. Ein T-Shirt mit dem Motiv meiner Lieblingsheftromanserie behielt ich, mit dem Gedanken im Hinterkopf, das irgendwann mal bei einem Con anzuziehen. Ich müsste dann mit stark eingezogenem Bauch über die Bühne wandeln, aber das sollte zu schaffen sein (ähm).

Meine Lederjacke verteidigte ich, auch wenn ich die nur noch selten anziehe. Meine Lederhose entsorgte ich; es ist kaum vorstellbar, dass ich noch auf die Sorte extrem sportlicher Demos gehen sollte, für die ich sie mir vor einem Vierteljahrhundert zulegte. (Sie passte übrigens ertaunlicherweise, saß allerdings an den Oberschenkeln ein wenig zu eng. Aber in einem Schwarzen Block würde mich mit den Klamotten heutzutage jeder für einen Schauspieler, Seniorenpräsident oder Zivilpolizisten halten.)

Danach war der Kleiderschrank nicht ganz so leer, wie ich mir das vorher gedacht hatte. Aber es fällt wirklich schwer, sich von Klamotten zu trennen, die einem mal was bedeutet haben. (»Dieses Hemd habe ich beim Fest der Fantasie 1995 getragen.« – »Das sieht man. Besser weg damit, oder?«) Zum Ausgleich muss ich mir wohl dringend wieder einige Schallplatten kaufen ...

02 Mai 2017

Die Rock-Welt ist okay mit den Boss Martians

In den späten 90er-Jahren bekam ich zum ersten Mal mit, dass es die Boss Martians gab. Die Band spielte am Rand der Punkrock-Szene, bekam durch ihre Herkunft aus Seattle anständigen Rückenwind, wurde aber bei mir auch in den Nullerjahren nie zu einer der Bands, die ich mir immer und ewig merke.

Dieser Tage hörte ich mir wieder einmal die CD »Making The Rounds« an, die im Jahr 2001 aufgenommen worden war, und fand die richtig gut. Immer noch blieb ich bei meiner Meinung, dass die vier Typen der Band, die man auf dem Cover sehen kann, richtig beschissen aussehen, und noch immer war es kein Punkrock – aber gleichzeitig machte mir die Band richtig Spaß.

Tagelang kam die CD nicht aus meinem Autoradio heraus, und ich werde sie sicher wieder öfter hören. Warum eigentlich? Was die Band spielt, ist »klassische Rockmusik«, wie man sie in den 70er-Jahren zur Vollendung getrieben hatte, ohne jegliche Peinlichkeit und ohne übertriebenes Gitarrengewichse.

Die Band ist kompakt, sie macht knackigen Rock’n’Roll, der Sänger kann singen, und die Orgel quiekt dazwischen, dass es eine wahre Pracht ist. Selten wird es richtig krachig, noch seltener kann man die Musik in eine Punkrock-Ecke stecken, meist aber ist die Mixtur aus IndieRock und lauter Popmusik sehr überzeugend. Der Erfolg, den die Band irgendwann in den Nullerjahren einsammelte und der sie auch auf die großen Bühnen brachte, ist absolut berechtigt.

»Making The Rounds« liefert richtig gute Rockmusik, die eigenständig genug ist, um nicht zu langweilen, die aber trotzdem so treibend gespielt wird, dass eigentlich alle Freundinnen und Freunde von lauter Gitarrenmusik ihren Gefallen daran finden könnten. Der schmissige Sound geht gut ins Ohr, die Melodien kommen auf den Punkt, die Texte wirken nicht blöd.

Alles richtig gemacht von den Boss Martians! Vielleicht sollte ich mal nach weiteren Platten dieser Band schauen ...

01 Mai 2017

Fünfter Sonntag im April

Weil der Monat April 2017 seine fünf Sonntage hatte, bedeutete das für mich, dass ich auch zweimal Radio zu machen hatte. Also ging ich am Sonntagabend, 30. April 2017, in das kleine Studio im Querfunk Karlsruhe, und versuchte mich als Moderator einer Punkrock-Radiosendung. Als Thema hatte ich »Bands aus Deutschland«, und jegliche weitere Eingrenzung hatte ich weggelassen – das geht ja auch mal.

Aus diesem Grund spielte ich die alten Herren von den Kassierern, die ich in all ihrer Schrägheit immer noch gut finde, mit ihrem deutschsprachigen Punkrock, und die Freiburger Band Seducers, die zwischen Garagen-Rock und Punk pendelt. Mit sehr melodischem Deutschpunk kamen dann Nevermind aus dem nördlichen Hessen um die Ecke, schrabbeligen Punk-Sound mit deutschen Texten servierten Trend aus der Pfalz.

Als echte Alte-Herren-Kapelle präsentierte ich Abwärts mit einer halbwegs neuen Platte, gefolgt von Kick Joneses, die an diesem Abend wohl meine Lieblingsband waren. Darüber hinaus spielte ich einige Bands mit je einem Stück an, darunter die coolen Metro Chucks aus Berlin.

Man merkte der Sendung sicher an, dass sie nicht so richtig durchgeplant war. Ich hoffe, dass die Hörer sie dennoch informativ oder zumindest unterhaltsam fanden.