Dass ich in den 80er-Jahren als Wehrpflichtiger bei der Bundeswehr war, zählt zu den Dingen, auf die ich nicht unbedingt stolz bin. Immerhin lernte ich, ein Hemd oder ein T-Shirt auf A4-Größe zusammenzulegen und das auch noch sinnvoll zu finden. Auffallend waren allerdings die gelegentlichen politischen Aussetzer – wenn ich mich an die erinnere, wundere ich mich über manche aktuelle Bundeswehr-Diskussion.
Am Schwarzen Brett
Wir kamen von der Kantine zurück, es war schon dunkel. Die Rekruten lagen in den Stuben, wir Gefreiten hatten wie so oft zu viel Bier getrunken. Wir passierten den Unteroffizier vom Dienst, grüßten nachlässig und betraten das Gebäude unserer Kompanie.
Am Schwarzen Brett blieb ich stehen. Unter den üblichen Dienstplänen hing etwas, das nicht dorthin gehörte; ich erkannte es sofort. Es war ein Artikel aus der »Deutschen National-Zeitung«, schwarze und rote Buchstaben, rassistische Inhalte.
»Das hat der Oberfeldwebel hingemacht«, sagte ein Gefreiter. »Der liest die Zeitung immer.«
Ans Schwarze Brett gehörten keinen politischen Inhalte; rechtsradikales Zeug war in der Bundeswehr offiziell verpönt. Beweisen würde man aber nie können, wer den Artikel an die Wand gepinnt hatte.
Ich machte ihn ab, knüllte das Papier zusammen und warf es weg. In den folgenden Wochen wiederholte sich das Spiel: Jeder wusste, wer die Nazi-Artikel ans Schwarze Brett pinnte, jeder wusste auch, wer sie abmachte. Eine Anzeige wurde nicht erstattet, irgendwann hörte der Oberfeldwebel auf.
Beim Dauerlauf
Ein Unteroffizier mochte es, mit seinen Rekruten durch den Wald zu laufen. In den hässlichen Bundeswehr-Trainingsanzügen rannten die paar Dutzend Rekruten hinter dem Unteroffizier her. Dann ließ er sie anhalten, mitten im Wald. »Links gucken – ausspucken!«, kommandierte er. Nachdem alle ausgespuckt hatten, rannte die Gruppe weiter.
Es dauerte einen Zeit, bis klarwurde, wo die Rekruten auszuspucken hatten. Es war der alte Judenfriedhof der Stadt.
In der Foige beschwerte sich ein Rekrut, also ein ganz junger Wehrpflichtiger. Der Unteroffizier wurde bestraft und unehrenhaft aus der Bundeswehr entlassen.
Im Casino
Zeitweise schob ich Dienst im Unteroffiziers-Casino unserer Kompanie. Das war recht praktisch, weil das Casino genau gegenüber der Stube lag, wo ich zu schlafen hatte. So hatte ich es, wenn ich besoffen Feierabend machen konnte, nicht mehr besonders weit.
»Fotzenlecken und Siegheil!«, schrie der Stabsunteroffizier, der mittags immer einen Kaffee trank. Es war 15 Uhr, und er war schon hackeblau.
»Lass das!«, sagte ich. Wir waren längst beim Duzen angelangt, vor allem gegenüber den Zeitsoldaten-Unteroffizieren hatte ich als Gefreiter keinerlei Respekt mehr. »Nicht solche Sprüche!«
»Was stört dich da?«, fragte er aggressiv.
»Lass zumindest den Nazischeiß«, sagte ich. »Das andere ist dein Privatkram.«
Fazit:
Gäbe es in der Bundeswehr noch Wehrpflichtige, wäre vielleicht vieles nicht besser – vor allem nicht für die Wehrpflichtigen. Aber ich kann das Gejammer über die Nazi-Umtriebe in der Truppe nicht mehr hören. Alle Beteiligten wissen, dass es die schon immer gab.