08 April 2025

Großartiger Comic über die Liebe und das Älterwerden

Um es gleich zu sagen: Ich stelle an dieser Stelle einen Comic – oder eine Graphic Novel –, vor, der sich jederzeit als Geschenk für Leute eignet, die sonst nicht viel mit bebilderten Geschichten anfangen können. »Trotz allem ... Liebe« von Jordi Lafebre ist eine wunderbare Geschichte, und sie wird so warmherzig und voller Lebensfreude erzählt, dass man sie zwei-, dreimal lesen kann.

Ich machte das übrigens selbst so: Ich las den Comic zuerst in der Reihenfolge, wie er vom Künstler angelegt worden ist, und dann nahm ich ihn mir erneut vor und las ihn »von hinten« her ein zweites Mal. Damit verändert sich die Perspektive, und die Geschichte gewann für mich an weiteren Facetten, die mir beim ersten Lesen nicht aufgefallen waren.

»Trotz allem ... Liebe« spielt in einer Stadt am Meer, irgendwo in Italien. Hauptpersonen sind eine Frau, die jahrelang als Bürgermeister die Stadt verwaltet hat, und ein Mann, der viele Jahre zur See gefahren ist und erst im hohen Alter die Buchhandlung wieder eröffnet, die ihm in jungen Jahren so am Herzen gelegen ist. Beide treffen sich an einem Abend im Regen, auf einer Brücke, die sie hat errichten lassen, und von diesem Zusammentreffen an geht die Handlung von Episode zu Episode in der Vergangenheit zurück.

Der Comic umspannt einen Zeitraum von fast vierzig Jahren, in denen sich die beiden treffen und wieder verlieren, in der sie miteinander korrespondieren und telefonieren. Sie ist verheiratet, sie hat eine Tochter, während er auf hoher See unterwegs ist und immer wieder in eine neue Beziehung rutscht. Sie ist die kontrollierte Politikerin, die ihrer Stadt eine neue Brücke beschert und Tag und Nacht arbeitet, während er der Träumer und Vagabund ist, der mit über sechzig Jahren noch seine Doktorarbeit in Physik schreibt.

Jordi Lafebre gelingt es mit diesem Comic, sowohl erzählerisch als auch zeichnerisch zu überzeugen. Die Geschichte ist wunderschön, ohne kitschig zu werden, und sie hält stets die Balance zwischen Herzschmerz und Klischee. Er nimmt seine Figuren ernst, und er setzt sie immer glaubhaft in Szene. Dabei ist sein Stil nicht hyperrealistisch, aber ebenso weit davon entfernt, ein Funny zu sein. Ich empfehle unbedingt, die Leseprobe anzuschauen.

»Trotz allem ... Liebe« ist ein Comic, der nicht nur die Fans der neunten Kunst anspricht, sondern der auch andere Menschen begeistern kann. Sehr gelungen! (Sehr schöne Hardcover-Ausgabe im Splitter-Verlag übrigens.)

07 April 2025

Ein Zettel mit Notizen

Beim Aufräumen förderte ich ein A4-Blatt zutage, auf dem allerlei Notizen standen. Sie waren handschriftlich, ich hatte sie in großer Eile angefertigt, und es gab weder ein Datum noch sonst einen Hinweis darauf, von wann sie stammten. Besonders interessant: Ich erinnerte mich auch nicht daran, diese Notizen angefertig zu haben. Sie waren neueren Datums, das war klar, und ich hatte sie nicht in meiner Schulzeit oder sonstwann in den 80er-Jahren verfasst.

Ich brauchte ohnehin einige Zeit, bis ich sie entzifffert hatte. Offensichtlich war mir die Idee für eine Science-Fiction-Geschichte bekommen, und ich hatte damit angefangen, sie genauer zu skizzieren. Ich hatte sogar einen Anfang aufgeschrieben, einen Satz, den ich offensichtlich gut gefunden hatte, den ich nun aber nicht einmal mehr verstand.

Ratlos saß ich mit dem Zettel da. Ich erkannte, dass es eine Idee war, aber ich fand sie weder spannend noch interessant. Womöglich wäre sie brillant gewesen, vielleicht hätte sie mir einen Preis eingebracht – aber ich konnte sie nicht in meinem Kopf zu Szenen und Bilder zusammensetzen.

Bevor mich das Betrachten des Blattes zu sehr frustrierte, tat ich das, was wohl am Sinnvollsten war: Ich zerriss es und warf es in die Altpapiertonne. Dort plagt es zumindest nicht mehr mein Gewissen ...

04 April 2025

Zum Goldrausch mit Orchester

Ich erinnere mich düster daran, dass ich als Kind den Film »Der Goldrausch« sah. Mit meiner Mutter saß ich im Gastraum des »Grünen Baums« in Dietersweiler, wir hatten schließlich keinen Fernseher, und starrte gebannt auf den kleinen Bildschirm. Im Raum saßen noch andere Leute, gemeinsam sahen wir Charlie Chaplin im Schneesturm zu.

In diesem Frühjahr ergab sich die Gelegenheit, den Film erneut anzusehen: im Filmtheater »Babylon« in Berlin. Dort wurde der Stummfilm auf einer großen Leinwand gezeigt, und begleitet wurde er von einem richtigen Orchester.

Das »Babylon« kannte ich bislang nicht, es ist ein altes Theater, unweit der Volksbühne und des Rosa-Luxemburg-Platzes gelegen, in einer recht belebten Gegend also. Es gibt alte Sessel aus Plüsch, eine breite Treppe führt hinauf zu den oberen Rängen, alles sieht angestaubt und trotzdem schick aus; man kommt sich als Besucher vor, als sei man selbst in einer Filmkulisse unterwegs.

Bereits vor Beginn der Vorstellung wurde Musik gespielt. An der Orgel saß eine Frau, die Filmmusiken der ganz klassischen Art präsentierte, die auf dem alten Instrument hervorragend zur Geltung kamen. Das Orchester nahm währenddessen seinen Platz ein, und dann begann der Film.

Die Geschichte sollte bekannt sein. Charlie Chaplin spielt einem Goldsucher, der Ende des 19. Jahrhunderts versucht, in Alaska sein Glück zu machen. Dabei bekommt er es mit dem Wetter zu tun, aber auch mit mordlüsternen Goldsuchern und anderen menschlichen Problemen. Unvergessen ist beispielsweise die Szene, in der er seinen Schuh ist – der Filmklassiker lohnt sich immer noch.

Dank des Orchesters kam zwar eine Stummfilmstimmung auf, das war aber richtig schön. Die Live-Musik begleitete die Szenen, und am Ende gab’s einen verdienten Applaus. Toll!

03 April 2025

Ein Blick auf dreißig Jahre

Es ist ein schmeichelhafter Text, der mich sehr gefreut hat: Auf der Internet-Seite der Bundesakademie für kulturelle Bildung ist ein Beitrag zu lesen, der mich und meine Arbeit als Dozent fast schon abfeiert. »30 phantastische Jahre« lautet die Überschrift, und der Untertitel macht es ein wenig klarer: »Dank an unseren Kapitän im Raumschiff Literatur«.

Olaf Kutzmutz, mit dem ich an der Akademie schon lange zusammenarbeite, verfasste diesen Text, der durch drei schöne Fotos ergänzt wird; das alles macht mich ein wenig wehmütig. Die Anfänge der Science-Fiction-Seminare verlieren sich allerdings in meinem Gedächtnis langsam in Anekdoten, aber das liegt wohl in der Natur der Sache.

1995 war ein Jahr, in dem sich viel veränderte: Ich begann mit meiner wöchentlichen Radiosendung im Freien Radio Querfunk. Ich fuhr zu den Chaostagen nach Hannover. Ich wurde mit einem Schlag Redaktionsleiter bei der Raketenheftchenserie, für die ich seit 1992 tätig war. Und ich fing damit an, als ein Dozent nach Wolfenbüttel zu fahren, um dort mit anderen Menschen über phantastische Literatur zu sprechen.

Das ist alles dreißig Jahre her; manchmal kann ich es selbst kaum fassen. Umso schöner fand ich deshalb diesen Text.

02 April 2025

Das »Zap« im Bundestag

Wann genau ich Michael Arndt kennenlernte, weiß ich nicht mehr. In den 80er-Jahren las ich das Fanzine »Trust«, bei dem er einer der Macher war; persönlich trafen wir uns Ende des Jahrzehnts bei einem Hardcore-Konzert in Homburg im Saarland. Er trug kurze Haare, lachte nur selten und wurde Moses genannt.

Später trafen wir uns öfter. In den 90er-Jahren waren wir oft miteinander unterwegs. Ich schrieb für das »Zap«, sein zeitweise wöchentlich erscheinendes Heft, wo unter anderem meine »Peter Pank«-Geschichten veröffentlicht wurden. Wir waren bei Chaostagen und Fußballturnieren, wir reisten zu Demonstrationen und sportlichen Veranstaltungen; wir trafen uns auf unzähligen Konzerten. Er pennte bei mir auf dem Fußboden, ich bei ihm, und ich könnte stundenlang Geschichten erzählen.

In den Nuller-Jahren verloren wir uns ein wenig aus den Augen. Und so bekam ich nicht mit, dass er sich neuerdings in der Linkspartei politisch betätigte. Ein soziales Gewissen hatte er schon immer, politische Analysen hatte er bereits früher drauf – was ich jetzt nicht abwertend oder ironisch meinte.

Vor allem bekam ich nicht mit, dass er in den Bundestag gewählt wurde. Tatsächlich wurde mir das auf der Leipziger Buchmesse erzählt, und ich wollte es zuerst nicht glauben.

Aber es ist wahr: Im neuen Bundestag vertritt Dr. Michael Arndt – dass er Arzt geworden war, hatte ich mitgekriegt – das Saarland. Ich bin sicher, dass er diese Aufgabe mit großem Engagement angehen wird. Respekt!

01 April 2025

Gegenspielerin der speziellen Art

Ich mag die Figur des blinden Superhelden Daredevil seit vielen Jahren. Im Marvel-Universum ist er eigentlich die einzige Figur, von der ich regelmäßig Comics lese. Ich kenne mich allerdings nicht aus, vor allem nicht mit den vielen Seitenlinien und anderen »Randprodukten«. Deshalb freute es mich, als in der Reihe »Marvel Must Have« der schöne Band »Daredevil & Echo: Teile der Leere« erschien.

Die Hefte, die diesem Band zugrunde liegen, wurden bereits im Jahr 2000 veröffentlicht; ich hatte sie aber nie gelesen. Mit ihnen wird eine neue Figur eingeführt: Echo ist eine junge Frau, die gehörlos ist und mithilfe von Echos, die sie empfängt, dann doch Geräusche wahrnehmen kann. Damit ähnelt sie dem Handicap des blinden Daredevil und spiegelt es in gewisser Weise.

Die beiden sind am Anfang erbitterte Gegner, und es dauert einige Zeit, bis aus der Gegnerschaft etwas ganz anderes wird. Entwickelt wurde die Figur von dem Autor David Mack, der auch die Texte in diesem Buch schrieb. Mack führt die Figur in starken Szenen ein und lässt sie als Gegnerin mit all ihrer Vergangenheit durchaus glaubhaft erscheinen. Wenn Echo und Daredevil kämpfen – entweder gegeneinander oder mit anderen Gegnern –, ist das aufgrund ihrer jeweiligen Einschränkungen und Gaben immer spannend angelegt.

Für die Grafik sind unterschiedliche Künstler zuständig; insgesamt ergibt sich eine Abfolge starker Superhelden-Szenen. Vor allem die Action-Szenen wissen aus den genannten Gründen immer zu überzeugen. Wer amerikanische Superhelden-Comics mag, wird auch »Daredevil & Echo: Teile der Leere« mögen.

(Ich weiß, dass die Figur der Echo in der Fernsehserie »Daredevil« auftaucht und längst ihre eigene Serie erhalten hat. Aber hier geht's nur um den Comic-Band, den ich mir als schicke Hardcover-Ausgabe gekauft habe.)