31 März 2014

Ich war beim Hundertjährigen

Zeitweise hatte ich im vergangenen Jahr den Eindruck, der einzige Mensch in Deutschland zu sein, der sich über den Roman »Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand« nicht köstlich amüsiert hatte. Das Buch, mit dem Jonas Jonasson einen echten Bestseller landen konnte, ging komplett an mir vorüber – und je mehr Menschen mir sagten, das müsse ich unbedingt lesen, desto weniger interessierte es mich.

Doch jetzt kam der Film ins Kino, die Vorschau war amüsant, und so schaute ich ihn mir an. Der Kinosaal, nur zur Hälfte besetzt, zeigte ein seltsames Sammelsurium aus alt und jung, männlich und weiblich, in dem Menschen die Mehrheit zu bilden schienen, die sonst nie ins Kino gehen.

»Wenn man das Buch nicht kennt, ist es echt schwer, der Handlung zu folgen«, sagte eine Frau nach dem Film zu einer anderen. Schräg hinter mir saßen zudem Leute, die sich gegenseitig die arg komplizierten Geschichten und Entwicklungen erklärten – das war streckenweise echt witziger als der Film selbst.

Die Gangstergeschichte, die übrigens nicht komplizierter als ein durchschnittlicher Stallone-Streifen war, erwies sich als unterhaltsam und witzig. Keine Schenkelklopfer-Komik, aber immer wieder für einen Lacher gut: Wenn der alte Mann, der an seinem hundertsten Geburtstag aus dem Altersheim verschwindet, durch sein Verhalten eine kleine Katastrophe nach dem anderen auslöst, ist das wirklich sehr komisch.

Seine Rückblicke auf sein abwechslungsreiches Leben waren ebenfalls komisch, wenngleich nicht ohne Tragik: als Jugendlicher »entmannt«, als Erwachsener im Gulag, zwischendurch sowie danach am Bau der Atombombe ebenso beteiligt wie an der Doppelspionage der 70er- und dem Mauerfall der 80er-Jahre.

Seien wir fair und ehrlich: Niemand muss diesen Film im Kino angucken; es reicht, die Fernsehausstrahlung abzuwarten, mit der ja bald zu rechnen ist. Wer sich aber gut amüsieren mag, auch über ein borniertes »Literaturpublikum« (unfassbar, diese Arroganz mancher Leute über Triviales ...), der kann diesen Film getrost und mit Genuss angucken.

29 März 2014

Unter dem durchsichtigen Baldachin

Die Kurzgeschichte »Unter dem durchsichtigen Baldachin« schrieb ich am 5. Oktober 1981, zumindest steht dieses Datum über dem Text. Veröffentlicht wurde die Geschichte nie, wenn ich mich recht erinnere – was bislang auch besser war. Der Text liest sich nämlich streckenweise echt anstrengend.

Der Ich-Erzähler, mit dem die Geschichte beginnt, ist selbstverständlich nicht mit dem Autor identisch, und es wird erst im letzten Drittel klar, dass er seine Geschichte einem Mann erzählt, der im Krankenhaus liegt. Die erzählerische Klammer schließt sich erst am Ende.

Was vielleicht ein wenig künstlerisch wirkt, war damals aber reiner Zufall. Ich verband den realen Motorradunfall eines Schulfreundes, der sich so wie in der Geschichte beschrieben, nie abgespielt hatte, mit erfundenen Begegnungen und Abenteuern, um am Ende doch eine eigenständige Geschichte zu haben.

Gedacht war der Text für die Kurzgeschichtensammlung »Wolf im Schafsstall«, die ich 1981/82 zusammenstellte. Sie erschien nie, und gut die Hälfte der Texte ist verschollen. Bei manchen bin ich traurig, bei den meisten ist es egal.

»Unter dem durchsichtigen Baldachin« fiel mir dieser Tage wieder in die Hände, als ich nach alten Texten von mir fahndete. Wegwerfen werde ich den Text auf keinen Fall, einen Literaturpreis werde ich damit aber ebensowenig gewinnen ...

28 März 2014

Vernissage von Inge Jungberg

Von Kunst verstehe ich nicht viel, und ich gehe vergleichsweise selten in Ausstellungen. Die Einladung zur Vernissage »Bildbearbeitung« der Künstlerin Inge Jungberg nahm ich aber gern an – und so fuhr ich am Abend des Donnerstags, 27. März 2014, quer durch Karlsruhe. Im Technologiepark befindet sich die Firma CAS Software AG, in deren großzügigen Räumlichkeiten die Bilder zu sehen sind.

Die CAS ist eine von vielen erfolgreichen Firmen in Karlsruhe, die ich bislang nicht kannte; allein deshalb fand ich meinen Besuch dort schon einmal spannend. Ich traf einige Bekannte, ich trank ein Bier und aß Butterbrezeln; dann ging es los.

Martin Hubschneider, der Vorstandsvorsitzende der Firma, sprach einleitende Worte. Die Software-Firma veranstaltet drei- bis viermal solche Ausstellungen; das weite Treppenhaus und die hellen Wände in den Fluren und Besprechungsräumen bieten dafür ein schönes Ambiente.

Die Laudatio auf die Künstlerin und ihre Werke hielt Eckhard Schwettmann, ihr Ehemann. Der Laudator ist mir seit Mitte der 90er-Jahre bekannt, wir arbeiteten bei PERRY RHODAN zusammen und sind seither immer wieder bei Projekten »zusammengestoßen«. Er erläuterte die Art und Weise, wie die Künstlerin technische Elemente mit ihrer gegenstandslosen Kunst verbindet, wie sie aus Granulat, Sand, Computerchips und Farbe originelle Bilder schafft.

Danach schaute ich mir die Ausstellung an, die übrigens noch bis zum 4. Juli angeguckt werden kann. Dutzende von Bildern in unterschiedlichen Größen waren zu sehen, wobei ich die großen Bilder besonders eindrucksvoll fand: Sie waren teilweise echt wuchtig, wirkten dynamisch und luden sogar mich zu Assoziationen ein.

Die Verbindung von technischen Elementen, die so aussahen, als hätte man sie aus einem Computer herausgebrochen, allerlei Sand und Granulat sowie viel Farbe ergab spannende Bilder, die ich mir gern betrachtete. Fürs Wohnzimmer daheim wären sie nichts, weil sie meiner Ansicht nach nur in lichten Räumlichkeiten wirkten – aber sie sind definitiv einen zweiten Blick wert. Und das gilt auch für die empfehlenswerte Ausstellung.

27 März 2014

Adolescents im Jahr 2011

Bei vielen Bands, die früher einmal so richtig gut waren, wäre es besser gewesen, sie hätten sich nie wieder zu einer Tour zusammengetan oder eine neue Platte aufgenommen. Eine der wichtigen Ausnahmen von dieser Regel sind die Adolescents; die Band gründete sich tatsächlich schon 1980; die Burschen aus dem Orange Country waren damals gerade 14 bis 16 Jahre alt.

Nach unglaublichen Konzerten und großartigen Hits löste man sich irgendwann auf, seit den Nullerjahren ist die Band wieder da. Ich sah sie seitdem zweimal, fand sie jedes Mal gut, beim ersten Mal sogar phantastisch. Und jetzt hörte ich mir endlich die Langspielplatte »The Fastest Kid Alive« an, die im Sommer 2011 herauskam.

Was soll ich sagen? Die Platte erinnert an die alten Zeiten, das aber positiv: ein treibender Sound, haufenweise Melodien zwischen Punkrock und Surfsound, zu denen man manchmal nur mit dem Kopf wackeln kann, ansonsten aber gerne hüpfen würde. Textlich ist die Band auf der richtigen Seite, kritisiert die amerikanische Politik und beschwört den Frieden – das ganze klingt ein wenig erwachsen, aber nicht langweilig.

Machen wir uns nichts vor: Die großen Hits schrieb die Band anfangs der 80er-Jahre, und wer von den Kaliforniern noch nichts kennt, sollte erst einmal alle Scheiben aus den Jahren 1981 bis 1983 holen. Klasse ist »The Fastest Kid Alive« trotzdem!

26 März 2014

Ein Vortrag zur Jugend

Den Titel der Veranstaltung fand ich schon einmal gut: »Über die Jugend und andere Krankheiten«. Klaus Farin war am Dienstag, 25. März 2014, zu Gast im »Jubez« in Karlsruhe, und da ich meinen Namensvetter jetzt schon über ein Vierteljahrhundert lang kenne, war es selbstverständlich, dass ich dort auftauchte.

Schätzungsweise dreißig Besucher hatten sich eingefunden, das Café des »Jubez« war damit nur zur Hälfte gefüllt. Die Veranstaltung lief im Rahmen der »Karlsruher Wochen gegen Rassismus«, womit Farin einen Teil seines Vortrags gleich selbst festlegen konnte.

Der Journalist, Buchautor und Jugendforscher sprach ohne Manuskript, komplett frei, also auch ohne Notizen, stand locker am Mikrofon und ließ sich selbst durch penetrante Frage nicht aus der Ruhe bringen. Zuerst stellte er das von ihm gegründete Archiv der Jugendkulturen vor, dann erläuterte er seine Sicht auf rechtsextreme Jugendliche.

Nach Farins Darstellung sind rechtsextreme Einstellungen bei der »Jugend von heute« nur eine »minoritäre Erscheinung«; es sei eher uncool, Nazi zu sein, vor allem im Vergleich zu den 90er-Jahren, als ganze Schulklassen in Thüringen und Sachsen es toll fanden, kleine Nazis zu sein. Er verwies auf das Bild von Jugendkulturen, das vor allem von Medien geprägt werde; es sei für diese nun einmal spannender, kritische Berichte über Komasaufen zu bringen, als zu schreiben, wie harmlos die meisten Jugendlichen seien.

Der Vortrag, der anfangs auf eine Stunde angelegt war, dauerte mit allen Fragen über zwei Stunden und war während dieser Zeit kein einziges Mal langweilig. Da ich selbst Mitglied im Archiv der Jugendkulturen bin, waren mir viele seiner Aussagen bekannt – in seiner ruhigen Art brachte Klaus Farin aber zahlreicheh Informationen unter, die auch mir neu waren.

25 März 2014

Menschenrechte für Muslime

In Ägypten verhängt ein offensichtlich größenwahnsinniger Richter mal eben über 500 Todesurteile wegen Terrorismus und anderen Dingen. Die Urteile werden über sogenannte Muslimbrüder gefällt, sie betreffen also mehr oder weniger fanatische Islamisten. Diese Leute sind mir im Allgemeinen herzlich unsympathisch, und ich mag weder sie noch ihre politisch-gesellschaftlichen Ansichten.

Nur: Ein solches Massen-Urteil geht nicht, das ist nicht diskutabel. Nachdem im vergangenen Jahr die – im übrigen demokratisch gewählte! – Regierung in Ägypten weggeputscht wurde, hielt sich die Kritik des ach so demokratischen Westens sehr in Grenzen. Offensichtlich ist es für »uns« in Ordnung, Regierungen mithilfe des Militärs von der Macht zu verdrängen, wenn sie einem nicht passen.

Es gab immerhin die Hoffnung, dass nach dem Ende der Muslimbrüder-Regierung vielleicht doch so etwas wie eine Demokratie kommen würde, dass die Leute, deren friedlichen Proteste im Rahmen der »Arabellion« die Mubarak-Regierung von der Macht gedrängt hatten, wieder mehr an Einfluss gewinnen und das Militär in seine Schranken weisen würden. Offensichtlich war die Hoffnung umsonst, hat sich letztlich die alte Mubarak-Elite durchgesetzt.

Zu erwarten ist leider, dass das rabiate Vorgehen von Militär und Justiz gegen die Muslimbrüder hierzulande auf große Begeisterung oder zumindest klammheimliche Unterstützung stoßen wird, nicht aber auf starke Kritik. Wenn's gegen Muslime geht, sind »wir« immer schnell dabei, allerlei Regeln außer Kraft zu setzen. Und dann wundern wir uns, wenn diese Leute glauben, der »Westen« bekämpfe sie mit allen Mitteln.

Menschenrechte gelten auch für Muslime, da kann man ihre Ansichten noch so bescheuert finden. Man darf nicht mit zweierlei Maß messen. Wenn »wir« fordern, dass die Rechte der christlichen Minderheit in Ägypten geschützt werden, schließt das ein, dass auch die muslimische Mehrheit ihre demokratischen Rechte hat. Dazu zählen auch Prozesse ohne Folter, ohne Todesurteile und vor allem ohne Ausschluss der Öffentlichkeit oder jeglicher vernünftiger Verteidigung.

Ganz ehrlich: Wie sehr unsere Politik und unsere Medien mit unterschiedlichen Blicken die Welt ins Auge fassen, das macht mich in diesen Tagen echt fassungslos. Ob das nun die Ukraine ist oder – heute ganz aktuell – die Justiz in Ägypten ...

24 März 2014

Noch ein Fanzine?

Man kann sich ja darüber streiten, wo die Grenzen für ein Fanzine anfangen und wo sie enden. Nach all meinen Definitionen sind die »Hornsignale« aber ein Fanzine: Fantasy-Fans schreiben über die Fantasy-Welt Magira und dort vor allem über das phantastische Land Clanthon, zeichnen Figuren, erfinden Geschichten, machen also lauter Dinge, die in der »normalen Welt« nicht gerade kapiert werden.

Schaue ich mir die Ausgabe 310 der »Hornsignale« an, die dieser Tage erschienen ist, wird das Schräge einer Fanzine-Produktion auf die Spitze getrieben. Das Heft umfasst 60 Seiten, die etwa das Format eines Vokabelheftes haben, aber quer geheftet sind. Es enthält Lieder – der Untertitel lautet auch konsequenterweise »Liederbuch zu Helborn«.

Tatsächlich: Lieder!

Wer sich das nicht vorstellen kann, der möge sich klarmachen, dass es hier um eine Fantasy-Welt geht. Und in einer solchen Welt wird logischerweise auch gesungen. In diesem Fall handelt es sich um das Land Clanthon, dessen Kultur im Prinzip der des frühen Mittelalters entspricht, also die heute deutschen Ländereien um das Jahr 1000 herum.

Also gibt es Sauflieder wie »Roter Wein im Becher« oder die pathetische »Clanthonische Hymne«, staatstragendes wie »Einhorn auf der Brust« oder »Nackt und gefesselt«, das man kaum erklären kann ... Es handelt sich um eine bunte Mischung, die ich zumindest witzig finde.

Das Beste an dem Fanzine ist aber der Umschlag: Das Ding ist echt in Leder gebunden, dickes Leder sogar, und eingeprägt ist das Wappen des Einhorns. Ich habe noch nie in den vergangenen Jahrzehnten ein Fanzine gesehen, das dieser »Hornsignale«-Ausgabe in punkto Optik nahekam: meine respektvolle Gratulation an die Macher dieses ungewöhnlichen Fanzines!

23 März 2014

Positive Punk Power

Die Spaltung in Punk und Hardcore hat der Szene hierzulande in den späten 80er-Jahren geschadet – auch wenn es damals nachvollziehbar war. Ab den 90er-Jahren veränderte sich das: Bands, die musikalisch eindeutig Hardcore spielten, wurden eher im Punk-Kontext verortet und andersrum.

Eine Hardcore-Band, die eindeutig zu ihren Punk-Wurzeln stand, kam aus Langenfeld und anderen Kleinstädten in Nordrhein-Westfalen. Die vier normal aussehenden Typen gründeten 1997 die Band Landscape, die schnellen Hardcore spielten. Auf eine Bekenner-Attitüde verzichteten sie, obwohl sie im wirklichen Leben als Veganer unterwegs waren.

Die Texte waren in englischer und deutscher Sprache, sprachen durchaus politische Themen an, verzichteten aber auf Parolen. Wer es genauer haben wollte, bekam in der Langspielplatte »Positive Punk Power« – die 2000 aufgenommen und dann bei Scene Police in Bonn veröffentlicht wurde – ein Textheft in englischer und deutscher Sprache, das über Anarchismus, Medien und andere Themen informierte, vor allem über die Sicht der Bandmitglieder.

Und musikalisch? Große Klasse: Die Band lieferte knalligen Hardcore-Punk, immer auf den Punkt gebracht, energisch und mit einem tüchtigen Schuss Melodie. Zehn Jahre zuvor hätte man das wahrscheinlich als »youth crew sound« bezeichnet; ich fand's klasse. Das kann man auch locker zehn oder zwanzig Jahre danach noch anhören – ein zeitloser Sound!

22 März 2014

Die Schneiderin live

Ich hatte von der Kabarettistin – oder auch Clownin – Gardi Hutter noch nie zuvor gehört. Das ist wahrscheinlich eine echte Bildungslücke, weil die Frau seit vielen Jahren »im Geschäft« ist, aber ich bin kein Experte für Theater und andere Bühnendarstellungen. Am Sonntag, 16. März 2014, trat sie mit dem Stück »Die Schneiderin« im Theaterhaus in Stuttgart auf, und ich habe es gesehen.

Schon die Bühne ist ungewöhnlich eingerichtet: ein Podest, auf dem die Schneiderin sitzt, darunter allerlei Stoffbahnen, über ihr ein drehbares Gestell, an dem diverse Kleidungsstücke hängen, mit denen sie arbeitet; rechts von ihr ein großer Spiegel, links von ihr eine Art Schrank, in dem sie allerlei Utenslien hat, die sie Stück für Stück hervorholt, in ihren Auftritt einbaut und wieder verschwinden lässt.

Das Stück kommt ohne Worte aus. Die in altmodisch aussehende Kleider gehüllte Frau sitzt im Prinzip nur herum, agiert mit »Ui« und »Oho«, macht viel mit dem Gesicht und der Gestik und schafft es so, nicht nur ihre Geschichte zu erzählen – die einer Frau, nach der bereits der Tod greift –, sondern auch die Liebesgeschichte zwischen zwei Fadenrollen und andere sehr skurrile Dinge.

Stark wird das Stück dann, wenn der Dialog mit dem Spiegel beginnt. In diesem taucht eine andere Version der Schneiderin auf – von der Regie gut gelöst: Filme werden eingeblendet –, auf die die Frau auf der Bühne reagiert. Die Frau im Spiegel und die Frau auf der Bühne agieren miteinander, sie führen gewissermaßen ein Duell auf.

Letztlich geht es um den Tod, der die Schneiderin holen möchte. Und wenn man das als Zuschauer kapiert hat, ist das vorher so witzige Stück auf einmal gar nicht mehr so lustig. Ich fand's toll, die eineinhalb Stunden gingen ruckzuck herunter, und wir hatten hinterher beim Essen noch viel Stoff zum Diskutieren, Rätseln und Lachen.

21 März 2014

Seminar im April

Kaum ist die Buchmesse vorüber, plane ich schon wieder eine Auswärtsreise – das geht echt immer so flott, dass es mir fast die Sprache verschlägt. In diesem Fall geht es wieder einmal nach Wolfenbüttel, genauer gesagt an die dortige Bundesakademie für kulturelle Bildung. Diese Einrichtung finde ich seit vielen Jahren super, und seit ebensovielen Jahren mache ich dort als Dozent an den Seminaren für angehende Science-Fiction- und Fantasy-Autoren mit.

Vom 25. bis 27. April 2014 bin ich dort mit Uwe Anton zugange; mit dem Autor und Übersetzer mache ich seit vielen Jahren gemeinsam die Seminare, stets unterstützt von Dr. Olaf Kutzmutz, dem literarischen Leiter der Bundesakademie. Der Titel des Seminars spricht Bände: »Zugespitzt. Kurzformen in Science Fiction, Horror und Fantasy«.

Noch kann man sich anmelden, die Anmeldefrist ist in den nächsten Tagen aber vorüber, wenn ich es richtig auf dem Schirm habe. Ich finde ja immer noch, dass die Seminare sensationell preiswert sind – ob und wie sie die Teilnehmerinnen und Teilnehmer weiterbringen, ist dann wieder Ansichtssache. Mir persönlich bringen sie auf jeden Fall auch immer etwas.

Urban Rejects aus Aachen

Die vier kurzhaarigen Herren von den Urban Rejects stammten aus Aachen und spielten ab Mitte der Nullerjahre ihren kraftvollen Oi!-Punk. Auf den Fotos wirkten sie sehr korrekt, machten eher den Eindruck, »smarte Skinheads« zu sein. Man bezog sich auf das Jahr 1969, also auf die klassischen Skinhead-Wurzeln, klang musikalisch aber eher nach den frühesten 80er-Jahren.

2007 kam die erste LP heraus, die den schönen Titel »Welcome To Reality«. Ich fand die Platte von der Gestaltung her schon gelungen: ein echtes echte Album-Cover, das man aufklappen konnte, das ganze mit Schwarzweiß-Layout sehr hübsch gemacht.

Der Sound der Platte ist ziemlich rockig und zugleich melodisch Sound, das geht schnell ins Ohr. Dazu die rauhe Stimme des Sängers – das ist echt klasse. Textlich steckt die Band voller Wut, singt über die Gesetze der Herrschenden oder die Gewalt auf der Straße; politische Ausfälle und Peinlichkeiten liefert diese Oi!-Band nicht – sehr gut!

20 März 2014

La Locanda als Rettung

Ich war nach der Krawattenträger- und Damenkostüm-Veranstaltung, auf der ich zwei Stunden verbracht und gut fünf Minuten auf der Bühne herumgeturnt hatte, ein wenig erschöpft. Ich hatte keine Lust auf das Essen gehabt, das sowieso aussah, als sei alles irgendwelcher Fisch- und Fleischkram, und hatte die erste Chance genutzt, mich zu vertschüssen.

Im »Motel One«, über dessen tristen Charme aus »Schnell wieder weg« und »Wir sparen schlimmer als die ärgsten Alb-Schwaben« ich eine ganze Kurzgeschichte schreiben könnte, zog ich mir vernünftige Klamotten an und stromerte durch die Nebenstraßen. Hunger hatte ich ja, Durst sowieso, und so ließ ich mich auf der Wexstraße von einem Italiener ins Innere locken, auf dessen Schild mir »La Locanda« versprochen wurde.

Zwei Dutzend Menschen saßen an einem langen Tisch, den man zusammengestellt hatte; ein anderes Dutzend Menschen hatte einen anderen Tisch belegt. Wenig Platz war für kleine Tische direkt vor der Theke, es herrschte eine laute, fröhliche Stimmung vor, und das Lokal wirkte richtig nett. In den Regalen standen Dutzende von Weinflaschen, die Einrichtung war schlicht, und die Bediener sprachen untereinander deutsch mit unterschiedlichen Akzenten.

Die Suppe, die ich als ersten Gang nahm, schmeckte aber ebenso wie das Risotto, dazu ließ ich mir einen ordentlichen Hauswein schmecken und fühlte mich hinterher fast glücklich. Nach einem solchen Abend benötige ich offensichtlich nur ein anständiges, völlig unprätentiöses Essen, einen trockenen Wein und eine Ruhe, die mein Inneres erfüllt, während rings um mich herum gelacht und gescherzt wird – und mir geht es besser. Schön!

19 März 2014

Gutmütigkeitsgrenzen

Wenn ich längere Strecken mit der Bahn zu fahren habe, versuche ich stets, mir einen Platz in einem »Ruheabteil« zu besorgen. Dort sind sogar Hinweise angebracht, die darauf hinweise, dass man in diesem Wagen seine Ruhe haben möchte; Telefonate sind ausdrücklich nicht erwünscht.

Nur hält sich eben niemand daran. Heute telefonierte es ständig in meiner Nachbarschaft. Mir macht das nicht so viel aus, ich kann einigermaßen abschalten, und zwischendurch schlief ich sogar – aber eigentlich soll dieser Bereich doch dazu dienen, dass Ruhe herrscht. Wer unbedingt telefonieren möchte, kann sich ja sein Mobiltelefon schnappen – klein genug sind die Dinger ja – und damit auf den Gang hinaus treten.

Nur ... was mache ich? Bisher habe ich es in meiner unendlichen Gutmütigkeit erduldet, vielleicht auch deshalb, weil bislang keiner dieser Dauertelefonierer neben mir saß. Aber was macht man da? Aufstehen und zu der Person hinübergehen, sie anschnauzen und dafür in Kauf nehmen, dass man für einen regelbesessenen Spießer gehalten wird? Ich bin einigermaßen ratlos – ernsthaft!

18 März 2014

Telefon in Verona

Warum es mich in Verona in einen Laden für Damen-Unterwäsche verschlug, muss ich an dieser Stelle hoffentlich nicht weiter breit treten. Ich stand in dem Laden herum, ein wenig am Rand, damit ich nicht aus dem Weg geschubst wurde, sah zu und wartete.

Auf meinem rechten Arm trug ich einen Mantel und eine Handtasche; in einer anderen Ecke stand ein anderer Mann, der ebenfalls einen Mantel und eine Handtasche trug. Wir grinsten uns zu und nickten kurz.

Schräg vor mir stand eine Frau, die ich nach kürzester Zeit beobachtete. Sie war um die vierzig Jahre alt, schlank und mit dunkelblond gefärbten Haaren, Strähnchen inklusive, gut gekleidet, aber nicht aufgedonnert.

Während sie in Unterwäsche und T-Shirts stöberte und immer mal wieder ein Kleidungsstück auseinanderfaltete, ansah, wieder zurücklegte oder sich auf ihren Arm legte, telefonierte sie. Ununterbrochen sprach sie in das kleine Gerät, das sie an ihr Ohr drückte, manchmal mit der Hand, manchmal mit der Schulter.

Sie sprach, und sie stöberte, sie wirkte nicht im geringsten gestresst oder angestrengt dabei. Als sie genügend gestöbert hatte, ging sie zur Kasse; ich folgte ihr mit meinen Blicken. Während sie wartete, telefonierte sie weiter, und als sie die Ware auf dem Tresen ausbreitete, sprach sie immer noch ins Telefon.

Für den Vorgang des Zahlens – immerhin mit Karte – unterbrach sie ihren Redefluss in einem fröhlich und unternehmungslustig klingenden Italienisch für geschätzte dreißig Sekunden. Dann sprach sie weiter, ließ sich die Einkäufe und die Scheckkarte aushändigen, verstaute alles in ihrer Handtasche und nahm ihre Einkäufe.

Als sie den Laden verließ, von meinen Blicken und denen des anderen Mannes verfolgt, sprach sie immer noch ins Telefon. Ich war gebührend beeindruckt.

17 März 2014

Parallelwelten, Blogs und Katzenkrimis

»Was bringt einen 1959 in Istanbul geborenen Mann, der mit neun Jahren nach Deutschland kam und hier ein erfolgreicher Schriftsteller wurde, dazu, den Deutschen vorzuwerfen, daß sie sich auf dekadente Weise von ihren ausländischen Gästen, seinen eigenen Landsleuten, tyrannisieren und terrorisieren ließen?« Das schreibt »Die Entdeckung des Eigenen«, ein Blog, über das Buch »Deutschland von Sinnen. Der irre Kult um Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer« des Schriftstellers Akif Pirinçci.

Dieser, so die Information des Verlages, rechne in seinem Werk ab: »mit Gutmenschen und vaterlandslosen Gesellen, die von Familie und Heimat nichts wissen wollen, mit einer verwirrten Öffentlichkeit, die jede sexuelle Abseitigkeit vergottet, mit Feminismus und Gender Mainstreaming, mit dem sich immer aggressiver ausbreitenden Islam und seinen deutschen Unterstützern, mit Funktionären und Politikern, die unsere Steuern wie Spielgeld verbrennen«.

Ich zitiere noch einmal aus dem Blog. Der Autor der wunderbaren Katzen-Krimis, weise »mit aller Drastik darauf hin«, das die Deutschen, »wenn sie so weitermachten, früher oder später einem unerbittlichen evolutionären Programm zum Opfer fallen würden«. Die »vielen jungen Männer aus dem zugezogenen Volk« würden »hinsichtlich ihrer Fortpflanzungschancen zu Konkurrenten, Gegnern und Feinden der autochthonen jungen deutschen Männer«.

Dazu fällt mir gar nicht so viel ein. Höchstens noch, dass ich auf diesen Blog-Artikel über eine Verlinkung auf der Facebook-Seite eines ehemals stramm linksstehenden Science-Fiction-Schriftstellers gekommen bin. Das finde ich fast noch spannender als die Ängste des Blog-Autors.

Es lohnt sich tatsächlich, diesen Artikel zu lesen und sich seine eigene Meinung zu bilden. In Deutschland gibt es unterschiedliche Parallelwelten (ich weiß: Das Universum ist voll damit.). Mit manchen dieser Parallelwelten möchte ich nichts zu tun haben. Die Parallelwelt, in der manche Blog-Autoren wohnen, gehört dazu.

Vergleichsweise schlichter Fall

Seit ich angefangen habe, die klassischen Maigret-Romane des französischen Schriftstellers Georges Simenon zu lesen, wurde ich noch nie enttäuscht. Die meisten der Werke, die ich las, waren spannend und auf ihre Art brillant, einige waren ein wenig flach; schlecht war keines. Auch »Maigret verliert eine Verehrerin« ist kein mieser Roman, aber ich empfinde ihn als deutlich schwächer als andere Romane der Serie.

Die titelgebende »Verehrerin« ist eine junge Frau, die regelmäßig im Kommissariat auftaucht, dort mit dem Kommissar Maigret reden will, von diesem aber – wie von seinen Kollegen – nicht sonderlich ernst genommen wird. Als aber die reiche Tante der jungen Frau und dann sie selbst umgebracht werden, ist allen klar, dass sie mit ihren Andeutungen und Vermutungen doch recht hatte.

Zähneknirschend und frustriert beginnt der Kommissar mit seinen Ermittlungen. Wieder einmal geht es um ein Erbe, um viel Geld, um die Abgründe der bürgerlichen Gesellschaft. Ein sogenannter Lebemann spielt eine Rolle, der Geld mit Bordellen und Nachtclubs verdient hat, und ein amerikanischer Ermittler mischt ebenfalls mit.

Der Fall ist vertrackt, und er ist – alle Blicke in die bürgerliche Gesellschaft inklusive – ein echter Maigret-Roman. Trotzdem packte er mich nicht so wie die vorherigen. Vielleicht merkt man dem Roman an, dass Simenon ihn nach einer langen Maigret-Pause schrieb, um rasch Geld zu verdienen; vielleicht sind auch die ersten Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs zu spüren – der Roman erschien 1940, und auf Wikipedia findet sich eine Reihe von Anmerkungen dazu.

Kein schlechtes Buch nach meinem Geschmack, aber einfach nicht so brillant wie die vorherigen Fälle. Ich freue mich dann schon mal auf den nächsten Maigret, um herauszufinden, ob ich einen anderen Fall wieder anders beurteilen werde ...

16 März 2014

Fehlende Manga-Kids

An den Messeständen auf der Leipziger Buchmesse nannte man sie in all den Jahren nur die »Manga-Kids«. Der offizielle Begriff »Cosplayer« wurde eigentlich nur benutzt, wenn man das Phänomen einer Jugendkultur klarer bezeichnen wollte, in der sich junge Leute nach Figuren aus Mangas und Anime-Filmen verkleideten. Und während die einen entnervt die Augen rollten, wenn die Rede auf junge Leute in seltsamen Kostümen und mit »Hug me«-Schildern kam, fanden die anderen, dass die bunten Klamotten einfach dazu gehörten.

In diesem Jahr war vieles anders: Die Mangas waren in eine eigene Halle verbannt worden, wir Science-Fiction- und Fantasy-Leute waren fast unter uns. Das brachte als positiven Effekt mit sich, dass man sich wieder durch die Gänge bewegen konnte und nicht zum Überqueren eines Hallenganges eine halbe Stunde benötigte.

Andererseits fehlten sie. Ich mochte die Kids, und ich mag sie immer noch. Manche Verkleidung ist ein wenig gewagt, manchen Mädels würden einige Stoffbahnen mehr nicht schaden – aber es ist eine bunte Jugendkultur, die zudem dafür sorgt, dass immer etwas los ist. Die Leipziger Buchmesse war im Jahr 2014 für mich dadurch weniger bunt, ansonsten war ich sehr zufrieden.

15 März 2014

Moritzbastei 2014

Woran es liegt, dass mir die Moritzbastei von Jahr zu Jahr leerer vorkommt, wenn ich die alljährliche Buchhändlerparty in Leipzig besuche, weiß ich nicht. Es kann ja auch sein, dass ich mir das alles nur einbilde und in Wirklichkeit immer noch der Bär tobt – Tatsache ist, dass in diesem Jahr von 22.30 Uhr, als wir eintrafen, bis kurz vor zwei Uhr, als wir gingen, nicht das Gedränge herrschte, an das ich mich eigentlich im Verlauf früherer Jahre gewöhnt hatte.

Ich trank viele Biere und machte viel zu viele dämliche Witze. Ansonsten unterhielt ich mich ständig mit anderen Leuten, unter anderem Autoren wie Kai Meyer und Markus Heitz, Michael Peinkofer und Robert Corvus, mit Verlagslektoren und Pressefrauen, mit Rechtsanwälten und Verlagsleuten.

Alles in allem war alles sehr nett, keine Kritik – aber es war nicht die rauschende Party, die es vor fünf oder sechs Jahren noch war. Vielleicht ist die Moritzbastei mit ihrer Buchmessen-Veranstaltung einfach ein wenig zu sehr in die Jahre gekommen.

14 März 2014

Leipzig am Freitag

Ein Spaziergang vom Hotel zur Messe erfrischt, der Tag kann anfangen. Buchmessen haben für mich seit Jahren den Charakter von großen Freundschafts- und Bekanntheitstreffen – das ist wahrscheinlich normal, weil man irgendwann einfach Dutzende von Menschen kennt. Ich plaudere mit Autoren über deren Projekte und unsere gemeinsame Zusammenarbeit, und gestern abend sprach ich sogar mit einem Literaturagenten über ein höchst eigenes Projekt.

Gleichzeitig ist so eine Messe eine Blase; man kriegt die Außenwelt nur durch einen Filter mit. Gestern ging die Meldung durch die Halle, dass ein gewisser bayrischer Wurstfabrikant zu einer Haftstrafe verurteilt worden ist – ansonsten sind echte Nachrichten Mangelware.

Und wenn man sich in einer Halle befindet, die von Phantastik-Verlagen und ihren Fans geprägt ist, bekommt man auch nicht viel von den seriösen Preisen, den Preisträgern und dem ultraseriösen Feuilleton mit: Die Hochliteratur scheint weit weg zu sein, hier herrschen Fans vor. Ich mag das, und so verbringe ich jede Pause damit, mit Verlagskollegen und Autoren zu plaudern.

13 März 2014

Sonnenfahrt nach Leipzig

Es war nicht das erste Mal, dass ich über die Autobahn nach Leipzig fuhr. An diesem Donnerstag vormittag, an dem es zur Leipziger Buchmesse 2014 ging, fiel mir zum ersten Mal bewusst auf, wie öde die Gegend rechts und links der Autobahn zeitweise war: hessisches Bergland, thüringische Einöde, viele Hügel und Täler, viel Wald, dazwischen kleine Dörfer und Industriegelände.

Vielleicht lag's am Sonnenschein, der mir diesen Eindruck geradezu aufdrängte: Das Wetter lockte eigentlich zu Spaziergängen und Radtouren, das Auto verzeichnete eine Außentemperatur von 15 Grad. Und das im März ... ich erinnerte mich während der Fahrt unter anderem an eine Leipziger Buchmesse, an der wir buchstäblich im Schnee versackt waren.

Immerhin lief anständige Musik im CD-Player: zuerst die neue Pascow, die ich sensationell finde, später dann alte Spermbirds, die immer gehen, und nicht ganz so alte Frau Doktor, deren Schunkelska hervorragend zur Sonne und der guten Stimmung passten. Ich sorgte also mehrere Stunden lang dafür, in möglichst guter Laune in Leipzig einzutreffen.

Bisher schaffte ich es sogar, die gute Laune beizubehalten. Das liegt womöglich daran, dass bisher viele nette Leute an unseren Messestand kamen und ich vor allem nette Buchmesse-Gespräche führe. Trotzdem wäre mir ein gemütlicher Tag im Sonnenschein lieber – so bleibt einem leider nur der gelegentliche Aufenthalt in der Brachlandschaft zwischen den Messehallen oder auf dem Parkplatzgelände ...

12 März 2014

Der arme Lazarus und die Polit-Krümel

Zu den christlichen Legenden, die mich schon als Kind faszinierten, zählt die vom armen Lazarus. In dieser Geschichte liegt der arme Lazarus vor der Tür des reichen Mannes und lebt von den Krümeln, die dieser von seinem Tisch fallen lässt.

Mir kommt die tägliche Politik in diesem Land so vor, als lebten wir in diesem Gleichnis: mit einer korrupten Oberschichte, die uns Krümel zuteilt, und einer ebenfalls korrupten Politikerkaste, die dafür sorgt, dass wir nicht aufmucken. Dabei sind die Posten klar verteilt.

Die Logik der CDU: »Wenn wir dafür sorgen, dass der reiche Mann nur reich genug ist, fällt für die Armen und Arbeitnehmer mehr ab.«

Die Logik der SPD: »Es wäre sehr schön, wenn die Reichen einige Krümel mehr auf den Boden fallen lassen würden, dann hätten die Arbeitnehmer mehr zu essen; die Armen brauchen nicht mehr als bisher.«

Die Logik der Linkspartei: »Wir fordern mehr Krümel. Für die Armen und die Arbeitnehmer.«

Die Logik der Grünen: »Schön wäre, wenn die Krümel, die zu Boden fallen, aus ökologisch-korrektem Landbau stammen würden. Ansonsten sind uns die Armen völlig egal.«

Die Logik der FDP: »Die Krümel bleiben auf dem Tisch. Die Versorgung der Armen wird outgesourced.«

Über die Logik irgendwelcher Splitterparteien möchte ich erst gar nicht nachdenken. Und warum alle Parteien – und die meisten von uns – so systemtragend sind, dass alle das Spiel mitspielen, darüber möchte ich mir noch weniger einen Kopf machen ...

11 März 2014

Christen für Kinder

»Willkommen bei Kinder in Gefahr«, so begrüßt einen die Internet-Seite der »Deutschen Vereinigung für eine Christliche Kultur (DVCK) e.V.«. Die Gruppierung gibt es nach eigenen Angaben seit September 1993. Der Verein setzt sich nach eigenen Informationen ein »für den Schutz der Jugendlichen und Kinder«, ebenso »gegen den Einfluß auf Kinder und Jugendliche von Gewalt, Sex und Pornographie im Fernsehen« und ebenso »gegen die Zersetzung der moralischen Werte in Familie und Gesellschaft«.

Die Vereinigung versteht sich als eine »private Initiative ohne offizielle Bindung an Kirchen oder politischen Parteien«. Man sei katholisch, was die Orientierung angehe.

Bei den weiteren Aussagen ist die Gruppierung sehr eindeutig. Man ist gegen Abtreitung, man ist gegen eine Information der Kinder über »Sexuelle Vielfalt«, man lehnt die Jugendzeitschrift »Bravo« ab und kämpft gegen die »Indoktrinierung der Grundschulkinder«.

Gern werden auch größere Bedrohungen angegangen. So beschäftigt sich die Seite intensiv mit der »Strategie der Abtreibungsbefürworter«, die man nur dann »in ihrem ganzen Ausmaß« verstehe, wenn man sich anschaue, was weltweit passiere. Es existiere nämlich »eine Strategie, die auf internationaler Ebene eingesetzt wird und aller Wahrscheinlichkeit nach auch unser Land betrifft«.

Selbstverständlich wehrt sich die Vereinigung dagegen, dass Kinder »damit konfrontiert werden« sollen, dass es »Sexuelle Vielfalt« gebe. Man hofft auf einen »Sturm des Protestes«, der »ganz Deutschland aufrüttelt«. Hierfür gibt es Unterschriftenlisten und anderes.

Ebenso wehrt man sich gegen eine »aggressive Christenfeindlichkeit, die keine Toleranz kennt«. Diese mache sich nämlich »in Deutschland und in Europa breit«. Das Christentum werde »ständig verhöhnt und angefeindet und mit Gotteslästerungen beschimpft«.

Ich habe gestern abend eine halbe Stunde damit verbracht, mir diese Seite genauer anzuschauen. Dabei fand ich viele Dinge, die ich – vorsichtig formuliert – für bemerkenswert halte. Deshalb verlinke ich auf sie. Es lohnt sich durchaus, hier ein wenig zu stöbern.

10 März 2014

Routinierter Thriller

Die amerikanischen Bestseller-Autoren Douglas Preston und Lincoln Child sind mir von einigen ihrer Thriller her bekannt: Mit dem Agenten Pendergast erfanden sie eine Figur, die sie schon durch mehrere Romane jagten – das hat sich gut verkauft, einige der Romane wurden verfilmt, und die beiden Autoren konnten auf diese Weise eine weltweite Fan-Gemeinde um sich versammeln.

Mit »Mission – Spiel auf Zeit« haben die beiden mich zwar gut unterhalten, aber nicht begeistert: Der Roman, für den der deutsche Verlag eine ähnliche Titelgestaltung wie bei den Pendergast-Romanen gewählt hat, ist der Ausgangspunkt für eine neue Serie, die den Ermittler Gideon Crew ins Zentrum der Handlung stellt.

Dieser ist selbstverständlich auch sehr klug, sehr kampfstark und sehr gutaussehend; das kennt man von amerikanischen Thriller-Helden ja. Allerdings hat er ein entscheidendes Handicap: ein tödliches Gerinnsel im Hirn, das ihm eine Lebenserwartung von maximal einem Jahr beschert. Kein Wunder, dass er dann auf besonders gefährliche Missionen geschickt werden kann ...

Gideon Crew soll einen chinesischen Wissenschaftler dazu bringen, ihm eine Formel auszuhändigen, deren Besitz die Welt verändern könnte. Er muss sich mit allerlei Agenten herumschlagen, es gibt reichlich viel Geballer und am Ende des Romans einen actionreichen Kampf auf einem alten Friedhof, der auf einer Insel vor New York liegt.

Das ist alles sehr schnell geschrieben; die Handlung blendet immer im richtigen Moment um und wird auf den Punkt gebracht. Das Autorenduo setzt sein eigenes Erfolgsrezept konsequent um, was dazu führt, dass man als Leser kaum aufhören mag. Sobald man eine Pause einlegt und zu sehr über die Handlung nachdenkt, wird es oftmals haarsträubend – das wirkt dann alles zu sehr wie ein Actionfilm, was in gedruckter Form einfach nicht so gut funktioniert.


Insgesamt ist »Spiel auf Zeit« ein Roman, der mit wie Fastfood vorkommt: Der Wanst ist hinterher gut gefüllt, aber es bleibt nicht viel an Substanz übrig. Kann man echt, muss man aber erst recht nicht ...

09 März 2014

Grillsaison eröffnet

Der 9. März ist normalerweise ein Tag, an dem in Süddeutschland noch Schnee liegt und Minusgrade vorherrschen. An diesem 9. März 2014 allerdings scheint alles anders zu sein. Das fällt mir spätestens bei einem Spaziergang durch die »Klotze« auf, die große Grünanlage entlang der Alb, die sich quer durch Karlsruhe zieht.

Ich bummle in Hemd, Jeans und Turnschuhen durch die Gegend, habe die Jacke locker über die Schulter geworfen. Skateboarder und Radfahrer sind unterwegs, Leute sitzen mit Büchern auf Parkbändern, junge Paare schieben Kinderwagen durch die Gegend – es herrscht echte Frühlingsstimmung.

An einer kleinen Sitzecke sehe ich eine Gruppe von Leuten: einige Männer, einige Frauen, alle zwischen zwanzig und dreißig Jahre alt. Bierflaschen stehen herum, ein Mann trinkt gerade, es wird laut gescherzt. Zwischen den Leuten ist eine improvisierte Grillgelegenheit gebaut: eine Art Rost über einen Kocher. Es riecht nach verbranntem Fleisch, mein Vegetarier-Magen ist nicht erfreut.

Trotzdem freue ich mich. Die Grillsaison ist eröffnet, die Menschen drängen in Scharen ins Freie. Jetzt haben wir bald wieder die Jahreszeit, in der sich ein großer Teil des Lebens an der Sonne abspielt – super!

08 März 2014

Niesel in Garda

Ich hatte die Stadt Garda, nach der der Gardasee benannt wurde, bislang nur einmal betreten: an einem Frühsommertag, an dem noch nicht einmal der Höhepunkt der Touristensaison begonnen hatte. Menschenmassen hatten sich durch die schönen Gassen gezwängt, es wurde viel Deutsch geredet, und überall roch es nach Sonnenmilch und Pizza.

In diesem Jahr waren wir Anfang März in Garda. Es nieselte gelegentlich, ein feiner Sprühregen, nicht viel mehr als ein Nebel, und es war feucht und frisch. Viele Geschäfte hatten geschlossen, die Restaurants und Cafés hatten allerdings offen – wir verhungerten und verdursteten also nicht, und wir konnten auf die Toilette gehen. Wir bekamen vor allem einen kostenfreien Parkplatz direkt am Ufer neben dem Zugang zur Altstadt ... im Sommer ist das wahrscheinlich undenkbar.

Die Stadt erwies sich als hübsch: enge Gassen mit Pflaster, schöne alte Häuser, durchaus nette Geschäfte, ein kleiner Hafen – und immer wieder der Ausblick auf die spiegelnde Fläche des Gardasees, auf die Berge dahinter, auf die Hänge bei Garda, die sich bis nach Costermano hochziehen. Ich genoss den Aufenthalt in der kleinen Stadt am See und verstand, warum sie so beliebt ist.

Im Sommer werde ich Garda sicher nicht noch einmal besuchen. Aber ich kann jedem empfehlen, der in Norditalien unterwegs ist, die Stadt zumindest mal zu beschnuppern. Womöglich ist der Trubel am späten Abend weniger stark, und es lohnt sich dann auch im Hochsommer ... schön ist sie.

07 März 2014

Die Zukunft – jetzt als Seite

Das haben die Kollegen in München echt gut gemacht: Der Heyne-Verlag hat jetzt sein Science-Fiction-Portal gestartet, an dem »hinter den Kulissen« schon seit Ende 2012 gearbeitet worden ist – und ich finde, dass es richtig gut aussieht. Ziel ist in erster Linie, unter der coolen Internet-Adresse »Die Zukunft« alle möglichen Science-Fiction-Aktivitäten zu bündeln.

Das heißt: Es gibt viele Artikel, die teilweise schon im »Heyne-SF-Jahr« veröffentlicht worden sind, die lesenswert sind, oftmals von bekannten Autoren wie Cory Doctorow; dazu kommen Informationen zu Filmen, Büchern und aktuellen Entwicklungen. Man präsentiert Comics und Hörbücher, allerlei Krimskrams und Spiele – ein Sammelsurium an Science-Fiction-Themen, das ich interessant finde.

Ziel der Seite ist selbstverständlich, mehr Heyne-Titel zu verkaufen – vor allem in digitaler Form. Der angeschlossene Shop präsentiert gedruckte Bücher und E-Books; das Stöbern macht tatsächlich Spaß. Die Kollegen bei Heyne – in diesem Fall sind es Sascha Mamczak, Sebastian Pirling und ihre Mitstreiter – legen eine sehr sauber gemachte und super-informative Seite vor. Ich bin gespannt, wie sich das weiter entwickelt ...

FKK, Streichelzoos und ich

Ich vermute mal, dass ich den Roman »FKK im Streichelzoo« nicht vom Büchertisch in der örtlichen Buchhandlung gefischt hätte: Die Inhaltsbeschreibung klingt zu sehr nach Klamauk, das Cover hätte mich nicht angesprochen. Ich bin aber auch – ganz klar – eigentlich nicht die Zielgruppe der »lustigen Unterhaltungsromane«.

Nur: Diesen Roman musste ich lesen, und ich habe mich bestens amüsiert. Ein Grund dafür ist, dass er von meinem ehemaligen Kollegen Björn Berenz verfasst worden ist; mit ihm habe ich zwei Jahre zusammengearbeitet, praktisch Bürowand an Bürowand. Und er verarbeitet in seinem Roman haufenweise Dinge, die mit meiner Arbeit in Verbindung stehen. Wenn beispielsweise ein strenger Chefredakteur auftaucht, der ein »N.« in seinem Namen trägt, dämmert mir, wer hier ansatzverweise verwurstet worden sein könnte ...

Ich möchte an dieser Stelle gar nicht so viel über den Roman schreiben; eine Rezension zu dem Werk habe ich ja sowieso verfasst. Es geht um Science Fiction, es geht um Pornofilme, es geht um die große Liebe und das Bemühen, vernünftige Geschichten und Romane zu verfassen; die ÄRZTE spielen mit – also die Band –, und auch sonst tauchen haufenweise Personen und Ereignisse auf, bei denen ich immer wieder schmunzeln muss.

Nicht jeder kann jede Anspielung verstehen; nicht jeder wird den Roman mögen. Wer aber mal einen besonderen Einblick in Teile meiner Arbeit haben will (hahaha), sollte zumindest einen Blick in das Werk werfen. Ernsthaft!

06 März 2014

Was sich gehört

»Gehört wird, was sich gehört« – unter diesem programmatisch wirkenden Titel hat die Redaktion von »Handelsblatt Online« noch Ende Februar angekündigt, dass sie in ihrem Forum einige Regeln ändern will. Künftig möchte man nur noch die Kommentare von von registrierten Leserinnen und Lesern freischalten, man will damit also die Anonymität auf ihrer Seite reduzieren.

Oliver Stock, der Chefredakteur von »Handelsblatt Online«, hat das mit einigen kritischen Worten begleitet: »Viele Kommentatoren glauben: Gehört wird nur, was sich nicht gehört. Der eine verunglimpft den anderen, die Gürtellinie ist nach unten gerutscht.« Man wolle weiterhin »den Austausch auf Augenhöhe, das bestechende Argument und auch die gekonnte Polemik«, man wolle aber kein »anonymes Zitieren«.

Wenn ich im Internet unterwegs bin, mache ich das seit Jahr und Tag unter »Klarnamen«. (Außer dann, wenn ich als »Perry Rhodan« bei Facebook auftrete; da aber weiß erstens jeder, wer hinter dem Namen steckt, und zweitens wird es das sowieso nicht mehr ewig geben.) Damit komme ich gut klar, und ich hatte noch nie Probleme damit.

Ich veröffentliche nur Aussagen im Internet, hinter denen ich stehen kann. Möglicherweise schäme ich mich für einige dieser Aussagen in einigen Jahren – aber damit muss ich dann klarkommen. Wenn ich etwas verlautbare, muss ich aber zum aktuellen Stand der Dinge dahinter stehen können.

Das allerdings ist mein sehr persönlicher Standpunkt. Ich kann verstehen, dass manche Leute lieber anonym bleiben möchten: weil ihr Arbeitgeber ihnen beispielsweise angesichts einer eigenen Meinung massive Schwierigkeiten bereiten könnte. Wäre ich an ihrer Stelle, würde ich auch anonym publizieren.

Im Verlauf der Jahre habe ich einige Erfahrungen gesammelt, was Foren und soziale Netzwerke angeht. Beim PERRY RHODAN-Forum, für das ich presserechtlich verantwortlich bin, probierten wir über Jahre hinweg unterschiedliche Formen der Anonymität und Offenheit aus. Das Problem schaukelte sich stets an einigen Idioten auf, die sich nicht zu benehmen wissen.

Und das ist das entscheidende Problem, nicht die Frage nach »offen« oder »anonym«. Es gibt einfach Leute, die sich nicht benehmen können – das tun sie leider im Internet unter dem Schutzmantel von sogenannter Anonymität besonders gern. Ob die Methode von »Handelsblatt Online« hier wirklich weiterhilft, muss man abwarten ...

05 März 2014

Spontan und kurz nach Verona

Manchmal hilft es, einige Tage das Land zu verlassen, um in eine bessere Stimmung zu kommen. Das dachte ich unlängst, und aus diesem Grund fuhren wir für ein verlängertes Wochenende nach Italien, in diesem Fall in den Großraum Verona – das Schöne an Karlsruhe ist ja, dass man es echt nicht weit hat, um in ein anderes Land zu fahren, in dem es normalerweise schönes Wetter hat. Wir fuhren diesmal bewusst an Punkte, an denen wir uns auskannten; bei einem solchen Kurzurlaub halte ich das für sinnvoll.

Wir fuhren am Samstag morgen los, durchquerten die Schweiz und stellten auf der anderen Seite des Gotthardt-Tunnels verwundert fest, dass es dort mehr Schnee hatte als nördlich der Alpen. Immerhin war der Schnee dort, wo er hingehörte: am Straßenrand und auf den Gipfeln der umliegenden Berge. Aber ich empfand es als irritierenden Anblick, vom Gardasee auf schneebedeckte Berge zu schauen ...

Wir hatten uns in einem Hotel zwischen dem Gardasee und Verona einquartiert, wo wir sehr gut verpflegt wurden und von wo aus wir eine Reihe von kurzen Reisen unternahmen. Unter anderem besuchten wir Vicenza, und selbstverständlich besuchten wir Verona und durchstreiften die Einkaufsstraßen der Großstadt. Es war sehr angenehm, in der noch nicht völlig überlaufenen Stadt in einem Straßencafé zu sitzen und die warme Sonne zu spüren.

Menschenleer war es geradezu am Gardasee. In Garda selbst war so gut wie niemand auf den Straßen, und deutsch hörten wir praktisch gar nicht. In Costermano, also auf den Hügeln oberhalb von Garda, unternahmen wir einen langen Spaziergang bei frühlingshaften Temperaturen; abends aßen wir dort sehr gut im »Tre Camini«.

Bei der Rückfahrt dann steuerten wir noch Como an, ließen uns von den Gassen der Grenzstadt verzaubern und kamen dann in bester Laune wieder nach Deutschland zurück: den Kofferraum voll mit Leckereien und anderen Dingen, die man in Italien einfach zu vernünftigen Preisen findet. Ein Kurztrip dieser Art ist erholsam und bereichert das Leben – gern mal wieder!