Die Disco im Jugendzentrum lief auf Hochtouren, und ich fühlte mich ganz wohl. Mit einigen Freuden stand ich am Rand und trank mein zweites Bier an diesem Abend; unter dem Arm trug ich eine Plastiktüte, in der eine Schallplatte steckte.
»Was ist denn da drin?«, fragte Rode und zeigte auf die Tüte.
Ich hob sie an. »Eine LP natürlich. Von einer neuen Band, die ich klasse finde; von denen ist auch mein aktuelles Lieblingslied.«
»Ein Lieblingslied von dir?« Er sah mich skeptisch an. »Ist das wieder so ein Krach? Oder eher so etwas wie das da?«
Der DJ hatte ein Stück aufgelegt, das ich vom Radio her kannte; irgendetwas von Uriah Heep, zu dem die älteren Besucher der Disco die Haare wehen ließen. Auf der Tanzfläche tummelten sich gut zwei Dutzend Leute, durchaus gemischt: einige in unserem Alter und sogar jüngere Mädchen, aber auch einige Typen, die deutlich über zwanzig waren.
»Nein, das ist schon so, dass man dazu tanzen kann. Die Band heißt Mau Mau, und das Stück, das ich mag, geht echt in die Füße.«
»Dann bring die Platte doch dem DJ; der legt sie garantiert auf.«
Das war durchaus üblich. Wenn man im Jugendzentrum wollte, dass Musik gespielt wurde, die man selbst mochte, musste man eine Platte oder Kassette mitbringen. Ich nickte. Den ganzen Abend hatte ich eigentlich nichts anderes vor; ich wollte, dass auch mal »meine« Musik lief.
Also ging ich an das »Fenster«. So nannten wir die Durchreiche, von der aus der DJ einen Blick auf die Tanzfläche hatte, während wir zusehen konnten, wie er die Platten auflegte. Ich reichte ihm die Platte, wir wechselten ein paar Worte, ich nannte ihm das Stück, er sah mich sehr zweifelnd an, nickte dann aber doch.
Nervös ging ich zu meinem Platz zurück. Auf Uriah Heep kam ein populäres Stück von Visage oder sonst einer dieser Plastik-Bands, die in diesen Tagen das Radioprogramm bestimmten. Das Publikum auf der Tanzfläche wechselte teilweise: Einige der Älteren gingen, dafür kamen einige Jüngere, die vergleichsweise teure Klamotten anhatten.
»Oh, die Junge Union traut sich auch mal wieder zu uns«, raunte Rode, und wir lachten gehässig.
Das New-Romantic-Stück war vorüber, und der hektische Rhythmus begann, den ich so schätzte. Die Gitarre zirpte und zappelte, das Schlagzeug klopfte hektisch, und der Sänger versuchte nicht einmal, großartig zu singen, sondern haute seine Stakkato-Sätze raus.
»Wir tragen keine Kampfjacken mehr!«, dröhnte es aus den Boxen. War das Neue Deutsche Welle, oder war das Punk? Eigentlich klang es ein bisschen wie Funk, aber auch das passte nicht. Ich fand das Stück großartig und mochte die ganze Platte sehr.
Ich war begeistert, wahrscheinlich grinste ich bis über beide Ohren. Ich zappelte ein wenig herum, traute mich aber nicht auf die Tanzfläche. Ich wäre sowieso der einzige gewesen; innerhalb von wenigen Sekunden leerte sich die Fläche. Weder die jungen Leute mit den schicken Klamotten noch die Alternativen hatten ihre Freude an der Band und dem zackig gespielten Stück.
Der DJ sah dem Treiben eine Weile zu. Er nahm Blickkontakt zu mir auf und hob die Schultern an. Ich nickte nur. Die ersten Leute murrten; sie ärgerten sich über die Musik. Langsam wurde das Stück leiser, der DJ dimmte es herunter.
Ich verstand und ging zu ihm, während das nächste Stück anfing. Es lief »Bicycle Race« von Queen, und die Tanzfläche füllte sich rasend schnell wieder.
Der DJ beugte sich zu mir herunter. »Dein Zeugs will niemand hören!«, rief er so deutlich, dass es die Umstehenden trotz der Musik hören konnten.
Ich nickte erneut. Wieder einmal hatte ich verloren.

1 Kommentar:
Wer übrigens wissen will, wie das Stück »Kampfjacken« wirklich klingt – jemand hat es bei YouTube eingestellt, und dort kann man es sich anhören:
https://www.youtube.com/watch?v=eBraKyIPApo&list=RDeBraKyIPApo&start_radio=1
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