Ich bin weit davon entfernt, mich ernsthaft zur aktuellen Situation im Norden von Nigeria äußern zu können: Nigeria habe ich nie besucht. Aber ich lese seit Jahren immer wieder die Artikel, in denen über die Machenschaften von Boko Haram berichtet wird, jener angeblichen Sekte, die im Nordosten des Landes immer wieder Attentate verübt, Menschen hinrichtet oder – wie unlängst – Mädchen und junge Frauen entführt.
Immerhin war ich im Norden von Kamerun (in den 90er-Jahren) und im Süden von Niger (in den 80er-Jahren), wo ich mit vielen Einheimischen gesprochen habe. Damals war von islamistischem Terror keine Rede, in den 80er-Jahren sowieso nicht und später ebensowenig. Ich sah die Armut in der Gegend, bekam mit, wie hart die Leute dort arbeiten müssen, um sich einen kleinen Lebensstandard zu sichern.
Die meisten Leute, die ich traf, waren freundlich und aufgeschlossen; der Islam erschien mir als vergleichsweise offen. Man konnte mit Muslimen offen über allerlei Themen reden. Wie sehr sich eine Bevölkerungsgruppe in so kurzer Zeit radikalisieren kann, bereitet mir Unbehagen.
(Okay, gewisse Themen lässt man als Europäer auch weg ... Homosexualität ist in Afrika zu schwierig, als dass man so ein Thema einfach im Gespräch quasi nebenbei bringen könnte. Und irgenwelche Golfstaaten finanzierten schon in den 90er-Jahren massiv allerlei islamistische Prediger in der Region. Das wusste jeder, der dort unterwegs war.)
Bei meiner Reise durch den Norden Kameruns war ich rund 200 Kilometer von der Gemeinde entfernt, wo unlängst die Mädchenschule überfallen wurde. Ich fuhr mit öffentlichen Verkehrsmitteln durch die Dörfer in Kamerun, auch mal mit dem Fahrrad, und ich fühlte mich stets sicher; ich hatte nie das Gefühl, dass irgend jemand in dieser Gegend eine echte Gefahr drohte. (Die übliche Kriminalität gab's selbstverständlich, ebenso korrupte Polizisten und andere Beamte.)
Wenn ich jetzt in den Medien verfolge, wie die Terroristen von Boko Haram die Region terrorisieren, wenn ich lese, wie es zu grenzüberschreitenden Aktionen kommt (direkt neben Garoua und Maroua, den Städten, die ich unter anderem besuchte, liegt quasi die Grenze zur Zentralafrikanischen Republik, wo es zuletzt Gemetzel gab), macht mich das ganz elend und so hilflos.
Ich habe keine Lösung. Ich habe keine Antwort. Ich habe nur Fragen. Und ich glaube nicht, dass man dem Problem dort mit rein militärischen Aktionen beheben kann. Irgend jemand rüstet diese Terroristen aus, von irgendwoher bekommen sie ihre Waffen, ihr Geld und ihre Informationen. Vielleicht wäre es besser, nach den Hintermännern zu fahnden.
Ob es den entführten Mädchen nutzt, denen mutmaßlich ein schreckliches Schicksal droht, ist fraglich. Schaue ich auf meine Karte von Westafrika, fühle ich mich betroffen und hilflos ...
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